Juliet / Iv

Schnaufend zwinge ich meinen Körper noch eine weitere Runde zu laufen. Die Luft stinkt nach Schweiß. Vermutlich ist das völlig normal, wenn man Ausdauertraining in der Halle mit dreißig jungen Männern hat. Als einzige Frau ist es schwierig, sich auf der Wächterschule durchzusetzen, aber ich habe mit der Zeit gelernt, wie ich mich zu verhalten habe. Was natürlich nicht heißt, dass ich nicht noch manchmal einen dummen Spruch der anderen Schüler zuhören bekomme.

Neben Romeo komme ich als Erste im Ziel an. Die anderen zukünftigen Wächter fokussieren sich zu sehr auf das Krafttraining und die perfekte Ausführung ihres Elements, dabei vergessen sie, wie wichtig die Ausdauer ist. Schnelligkeit ist in einem Kampf genauso wichtig wie die Nahkampfkünste und Verteidigung und Angriff mit seinem Element. Grundsätzlich bin ich gegen das Ausnutzen unserer Kräfte für militärische Zwecke, aber ich liebe es, meine Kräfte zu benutzen und so kann ich dies jeden Tag. Um eine Stelle im Palast zu erhalten, muss man der oder die Beste sein, genau das ist mein Ziel. Ich konkurriere hier mit dreißig Kerlen und jeder will in Zukunft im königlichen Palast arbeiten.

Ich wische mir den Schweiß von der Stirn und grinse Romeo an. Er ist mein einziger Freund hier auf der Academy und unsere Freundschaft hat zum Glück nicht durch das Wetteifern gelitten. Romeo und ich kennen uns schon fast mein ganzes Leben lang. Kennengelernt haben wir uns im Waisenhaus von Drygarde, der Hauptstadt des Feuerkönigreichs.

„Nächstes mal werde ich Erster sein, Iv", höre ich ihn außer puste sagen. Iv, das bin ich. Im Heim haben sie mich Juliet getauft, weil ich ständig an Romeos Seite war. Der Name Juliet hat sich aber noch nie richtig angefühlt. In einem Traum habe ich dann als sechsjährige den Namen Iv gehört und seit dem nenne ich mich so. Irgendwie herrscht eine tiefe, unbekannte Verbundenheit zu diesen zwei Buchstaben. Da ich keine Geburtsurkunde habe und mich nicht an meinen Geburtstag erinnere, weiß ich nicht einmal genau, wie alt ich bin, aber das ist mir nicht so wichtig. Lieber würde ich meine leibliche Familie wiederfinden wollen, statt den unwichtigen Tag zu kennen, an dem ich auf die Welt gekommen bin.

„Vergiss es Romeo, so einfach werde ich es dir nicht machen", sage ich lachend zu ihm und gebe ihm spielerisch einen Schlag auf die Schulter. Wir albern noch etwas herum, bis auch die Letzten das Ziel erreichen. Auf der Guardian Academy will man nicht letzter werden, denn die müssen immer Strafarbeiten erledigen. Die schlechtesten der Klasse werden mit Trainingshallen Putzdienst oder Küchendienst bestraft. Da ich bereits vor der Wächterschule mir Romeo trainiert habe, wurde ich zum Glück nie letzte.

Die anderen Schüler der Academy mögen mich nicht besonders, anfangs hat mich das noch mitgenommen; jetzt versuche ich es nicht so nah an mich heranzulassen. Es stört mich immer noch etwas, dass sie ein Problem mit mir haben. Ob es Neid oder eine Abneigung ist, weil ich die einzige weibliche Wächterin in der Geschichte der Wächter bin, kann ich nicht sagen. Denn normalerweise können nur Männer ein Element führen und um Wächter zu werden, muss man genau dies können. Keine andere Frau kann ein Element beeinflussen und das macht mich für sie zu einem ungewöhnlichen Eindringling. Noch dazu ist mein Element das Wasser, hier im Feuerkönigreich gibt es kaum Menschen, die dieses Element bändigen können. Dafür ist es im Feuerkönigreich zu heiß und trocken und somit nicht der natürliche Lebensraum der Wasserbändiger. Diese Leben fast ausschließlich im Wasserkönigreich. Mit gemischten Gefühlen gehe ich auf mein letztes Jahr auf der Wächterschule zu. Denn abgesehen von der Feindseligkeit der anderen Schüler bin ich sehr gerne hier.