Traum eines Träumers
„Was ist passiert?" „Ich weiß es nicht!" Violett log nicht gerne, aber etwas besseres war ihr nicht eingefallen. Sie schaute mit aschfahlem Gesicht zu Marie auf. Das blonde Mädchen war weniger erschüttert und mehr entrüstet, natürlich konnte sie nicht nachvollziehen, was sich in ihrem Kopf abspielte.
Dennoch waren Maries Gedanken, produktiver als ihre. „Okay, okay. Das ist schlecht. Nicht nur, dass du," sie betonte das Wort noch einmal sehr. „nicht weißt, was los ist, sondern auch, eh das ganze her. Kaum ist man wieder in der Schule passiert sowas." Marie gestikulierte in den Gang.
Pilzen überwucherten den Boden, ihre Hüte auch die Wände. Sporen schwebten durch die Luft und verwandelten den Schulflur in eine irreale Schneekugel. Auch das Motiv in der Mitte stimmte. Pinkes Leuchten ging von dem jungen Mann aus, der wie ein Stück Seetang in dem Meer aus Pilzen hin und her schwang. Die weißen Flecken auf seiner Haut, hatten sich mit der Farbe des Geistes verbunden und auch Lukes Augen waren von hellbraun zu pink geworden.
Violett zuckte mit einem Schlucken die Schultern. „Was macht er überhaupt hier? Ich bezweifle, dass Luke sich großartig für Treffen der Schülervertretung interessiert. Nicht mal ich interessiere mich großartig für diese Treffen. Du auch nicht, oder?" Marie hatte in der Mitte ihres zweiten Satzes zu stottern angefangen und Violett war ihr nur dankbar, dass sie ihr alles Reden abnahm.
„Nein, ich auch nicht. Ich... glaube, dass er mit mir reden wollte und wusste, dass ich heute hier sein würde." Und mehr würde Violett nicht sagen. Das war mehr als genug. „In Ordnung! Also, also das," Marie zeigte auf Luke, der mit verträumten Gesicht einen Pilz von einer Hand in die andere gab und sich weiterhin zu einem unhörbaren Rhythmus bewegte, „ das ist nicht in Ordnung! Aber, ja. Dass du was glauben musst is... irre. Bisschen zumindest."
Violett nickte knapp und kniff ihre Augen zusammen. „Warte. Marie, was davon kannst du überhaupt sehen?" Der ganze Zirkus in Pink, war wohl kaum für das andere Mädchen ersichtlich, aber sie hatte auf alle Fälle etwas registriert.
Doch ihre These geriet ins Wackeln, als sie Maries Mund aufklappen sah. „Oh! Ich hab das schon als so- Ich sehe Pink, ne ganze Menge Pink um ehrlich zu sein. Bisschen durchscheinend aber ein ziemliches Chaos, sind diese Dinger überall Hüte?" Sie deutete auf einen besonders prächtigen Pilz.
„Pilze, aber nah dran. Marie. Wenn du das sehen kannst, dann können das alle anderen auch. Und noch mehr Leute mit Ahnung hiervon können wir uns nicht leisten." „Definitiv nicht!" Marie raufte sich die Haare und schaute zu Luke. „Wir sollten ihn irgendwo hinbringen, wo naja, niemand über ihn stolpern kann."
Und prompt ging Marie an Violett vorbei und schnurstracks auf die Lichtquelle zu. Violett überwand sich gerade schnell genug Marie anzufassen, um sie von dem verseuchten Gang abzuhalten. „Willst du dir die lila Flecken einfangen? Du weißt nicht, was das da machen kann. Und du bist nicht scharf darauf als zweites Gemüse da drin zu enden, oder dich zu vergiften."
Langsam zog Marie ihre Hand zurück und räusperte sich. „Ja, daran hätte ich wohl denken können." „Wohl wahr." „Aber wie bekommen wir ihn dann da weg? Wir haben keinen so langen Besen, um ihn durch den Flur zu kehren." „Das nicht, aber wir haben einen Geschichtslehrer."
Mister Cherleton hatte beiden Mädchen ausdrücklich verboten über die Pilze zu sprechen, die auf seinem Kopf und Schultern gesprossen waren, kaum hatte er sich Luke über die Schulter geworfen. Jana dagegen konnte mit solchen Verboten nichts anfangen und wenn man sie schon nachmittags in die Schule Zwang, wollte sie wenigstens Spaß dabei haben.
Ihre Fontäne aus Lachern, hagelte auf ihn ein und er nickte langsam. „Ja, was habe ich anderes erwartet." Er rieb sich über die Stirn, während Jana gegen eine Wand hämmerte. „Mariano, halt das Kind unter Kontrolle." Marie sah entschuldigend zu den Anderen.
Violett sah zu Luke, mit Vicky und Daniel, die mit angemessenem Abstand an ihren Seiten standen. Alister lehnte wie immer an einer Wand, doch sein bemüht cooler Eindruck ging verloren, sobald man bemerkte, dass er nicht allzu unauffällig Alex Hand hielt. Alex war auf alle Fälle Schuld daran, das man ihr Händchenhalten so leicht bemerkte, so sehr wie er seinen Freund anstarrte. Shani und Jack saßen nebeneinander auf einem der Tische und Shani kamen die pinken Pilze um Luke herum sehr bekannt vor.
Mariano drehte sich zu Jana, die augenblicklich ein freundliches Lächeln aufsetzte.„Junge Dame, wenn du für jetzt fertig bist, dich über Toni lustig zu machen, brauch ich deine Hilfe." „Was gibt's zu tun, Mister Iano?" Schon war ihre originale Mission vergessen und sie schwang sich nach vorne.
„Wie du siehst, können wir diesmal nicht mit dem Geist kommunizieren, wie das letzte Mal, als jemand besessen war." „Und das heißt?" Jana war näher getreten, als Mariano Antonio den Jungen von der Schulter gepflückt und ihn vorsichtig auf einen der Tische gelegt hatte.
„Du musst den Punkt finden, wo der Geist und Luke sich verbunden habe und von dem dann in was auch immer da drin gerade abgeht eindringen und versuchen Luke und den Geist zu lösen oder herauszufinden, was der Geist will." Mariano sah zu den anderen Wächtern und knackte mit seinen Knöcheln.
Jana war mitten in ihrer Bewegung erstarrt und sah zu Antonio hin. Das letzte Mal hatte so eine Vision nicht das schönste Ende für sie gehabt. „Sicher?"
Mariano war ihrem Blick gefolgt und nickte entschuldigend. „Es bleibt einfach nicht großartig was anderes übrig. Für Luke selbst scheint es zwar kein Risiko der Flecken zu geben, allerdings ist es unwahrscheinlich, dass er ohne unser Eingreifen aus diesem Koma aufwacht und das wollen wir auch auf keinen Fall als Dauerzustand."
Er hatte seine Hand beruhigend an ihren Arm gelegt und sie schaffte es schon wieder ihn anzugrinsen und zwei Fingerpistolen zu formen. „In Ordnung. Absolut keine Herausforderung für mich, Mind Master, Jana."
„Natürlich nicht. Du kriegst das hin. Gib mir dann einfach durch wo das ist und dann kann ich euch alle in die Vision des Geistes schicken. Dann könnt ihr eure Wächtermagie anwenden. Ich vertrau euch da ganz."
„Warte, warte, du kommst nicht mit?" Daniel schaute seinen Vater geschockt an. „Nein, leider nicht. Ich muss die Vision oben halten, sonst funktioniert es nicht." Mariano lächelte und hob beide Hände. „Außerdem muss irgendjemand euch da rausholen können, sobald was unschönes passieren sollte." Daniel nickte. „Aber du passt auf?" „Na klar. Jana?"
„Ich bin schon beim Suchen, Mister Iano!" „Großartig." Er drehte sich wieder in den Raum und schaute zu den Wächtern. „Einer von euch, der nicht mitkommen möchte." Antonio hob seine Hand.
„Nicht?" „Auf keinen Fall. Ich möchte meinen Verstand niemand anderem mehr zutrauen." Mariano zog seine Augenbrauen zusammen, aber sein Gesicht war nach wie vor ruhig. „Am wenigsten dir. Es macht keinen Spaß hier drin, aber um ehrlich zu sein, sollte auch am besten jemand hier draußen verweilen, einfach um für Sicherheit zu sorgen. Plus jemand muss den Geist einfangen, sobald ihr ihn von Luke löst." „Alles klar." Mariano lächelt ihm zu, doch Antonio schaffte es nur schwach mit zu lächeln.
Niemand anderes wollte zurück bleiben. Vielleicht auch, weil es Teil dieser Wahl war, alleine mit Antonio zu sein. Also war es, dass sich einige Minuten später ein Kreis aus Wächtern, Marie und Daniel gebildet hatte, die um Lukes in Pink gehüllte Gestalt herum saßen. Jana drückte ihre Eis überzogenen Hände zusammen und fing das Bewusstsein all ihrer Freunde ein und gab es an Mariano weiter, der jedes der roten Lichter an einen seiner Fingerknöchel band. Dann atmete sie aus und gab ihren eigenen Verstand ab.
Mariano hielt still, seine Vision war voll von Bändern in Rot und Weiß und das pinke Leuchten des Geistes strahlte überragend. Dann knackte neun seiner Finger und gleichzeitig fielen neun Jugendliche zu Boden. Ihr Verstand hatte ihre Körper verlassen und Marianos Augen waren leer. Denn er musste sicher gehen, dass sie sicher zurück kamen.
Der Himmel war pink und das Leuchten, das von ihm ausging, blendend. Wolken fein auseinander gezogen und in schillernden Farben liefen über den ungewöhnlich gefärbten Baldachin über ihrem Kopf und tanzten in ihrem ewigen Zug. Das Rauschen der Bäume und Zwitschern der Vögel lud ein, im hohen Gras liegen zu bleiben, den Moment zu genießen und für immer dort zu verweilen.
In der Ferne grasten Kreaturen, noch höher und farbenfroher als die Berge am Horizont und wenn man einen Vogel zu sehen bekam und nicht nur hörte, war es ein schillernder Schimmer mit dutzenden Flügeln, der durch die Luft schwirrte. Kolibris nur einige hundert Jahre magischer.
Die Luft hatte das Aroma von frisch gebackenem Apfelkuchen und genau deshalb, setzte sie sich auf und rieb sich angewidert die Nase. Shani hustete und schüttelte ihren Kopf. Sie hatte noch nie kapiert, warum Leute auf warmes Obst standen. Sie sah sich um. Sie steckte bis zu den Schultern in geringeltem Gras und als sie sich an die Stirn fasste, fühlte sie Leder an ihrer Haut.
Shanis Hände wirkten eingeschlossen in weißes Leder kaum wie ihre eigenen. Rote Stickereien, die sie noch nie gesehen hatte, verfremdeten ihre eigenen Hände noch mehr und das daraufhin lange Ärmel folgten, die sie ebenfalls nicht kannte, machten aus Verwirrung Panik. Für einige Sekunden versuchte Shani sich das Material panisch von den Armen zu reißen, bis sie bemerkte, dass der ganze Kapuzenmantel den sie trug mit einer einfachen Spange vor ihrer Brust befestigt war. Sie schnappte die Spange auf und mit einem 'thud' fiel er hinter ihr ins Gras. Shani war frei.
Nur, dass sie im nächsten Moment einen Dolch erkannte, der in einer engen Halterung direkt an ihrem Arm anlag. „Wo zur Hölle bin ich?" Sie ging einige Schritte rückwärts. Jetzt in ihrem kurzen Wams und lockeren Stoff Hosen. Die weite Wiese in der sie erwacht war, war gesprenkelt mit hunderten leuchtenden Blüten in Farben und Formen, die sie nirgendwo gesehen hatte. Alles war pink. Alles bis auf ihren grauen Mantel, den sie zögernd wieder aufhob und sich über die Schulter warf.
Wo bin ich? Wiederholte sie in ihrem Kopf und drehte sich. Überall Wiese. In einiger Ferne sah sie einen Hügel aus dem Feld aufragen, auf dem ein Baum sich bis zum Himmel streckte. Sie konnte schwören einen grünen Fleck am Stamm der riesigen Pflanze zu sehen. Sonst war alles Feld.
Während sie mit nervösen Blicken losging, stellte sie sich plötzlich eine andere Frage, die sie sofort stoppte. Wo sind die anderen? Promt drehte sie sich um.
„JACK! VICKY!" Sie hatte keine Bedenken so laut zu rufen, wie sie konnte. Hier sah es nicht nach Gefahr aus. Hier sah es nach erschreckend wenig aus außer Zuckerwatte. Selbst wenn die Abwechslung Gefahr war, Shani hätte sich gefreut etwas anderes zu sehen, als nur der Baum, der auch nach Minuten langem Gehen nicht näher kam. Sie wiederholte ihren Ruf.
Diesmal lauter und etwas verzweifelter. Und er wurde beantwortet, leise aus der Ferne. Allein die Chance etwas anderes zu hören als die gleiche Raumkulisse ließ sie lossprinten. Sie zog sich ihren Kapuzenmantel in Windeseile über die Schultern und hechtete durch das Gras über die Erde, die genau so rosa getüncht war wie der Rest der Welt.
Wundersamerweise kollidierte sich weder mit Erdbrocken, noch Nagern oder Insekten. Trotzdem wirkte die Erde nicht leer. Natur, ohne alle Nachteile. Das dachte sie, bis ihr nächster Sprung sie, ohne dass sie eine Änderung im Terrain bemerkte über eine Klippe in einen Abgrund beförderte.
Nicht, dass sie lang fiel. Ihre Schuhe trafen schlicht und einfach einen Meter unter ihrer Absprungposition auf lockerer Erde, auf der sie einige Meter weiter schlitterte. Sie hielt schnell und schoss zu der Person herum, die bei ihrem Erscheinen erschrocken gequietscht hatte.
Vielleicht lag es auch an dem Dolch, der ihr natürlich in die Hand und Alister an die Kehle geflogen war. „Alister!" Sie zuckte zurück und er hob langsam seine zitternde Hand. „Hey Shani." „Hast du ein Kleid an?" „Ich glaub das ist eine Robe?!"
Während Shani ihren Dolch wieder in die Armhalterung steckte, musterte sie Alister kritisch. Er steckt in einem dunkelroten Gewand, das über und über mit Sternen, ihren Konstellationen und anderen Himmelskörpern bedeckt war. „Ich habe dich nie, für so den Horoskop Typen gehalten, Al." Alister schoss prompt zurück. Immer ein gutes Zeichen. „Und ich dich nie für ein Assasins Creed knock off."
Kurz sah Shani an sich herunter und dann dämmerte es ihr. „Ach das soll diese Aufmachung darstellen. Du hast auch keine Ahnung, wie du hier gelandet bist?" Alister schüttelte seinen Kopf. „Bin in so ner Grotte aufgewacht und grad eben erst an die Oberfläche geklettert. So halb."
Sie hatte zwar gemerkt, dass das pinke Licht plötzlich gefiltert wirkte und eher den Anschein von Nacht hatte, aber der Grund war ihr bisher unbekannt gewesen. Ihr Mitwächter deutete auf die glänzenden Kristalle, alle größer als ihre Füße, die in den Boden eingelassen waren und einen Pfad bildeten, der zu dem Abhang führte an dem sie jetzt standen. Wenn sie hinsah fingen die Steine an in Regenbogenbarben zu strahlen und sie hätte sich fast in ihrem Glanz verlieren können, wäre diese ganze Welt nur etwas logischer.
Sie fasste sich an die Stirn und sog tief Luft ein. „Wir sollten von hier verschwinden, Alister. Ich weiß zwar nicht wo wir sind, aber unter der Erde will ich nicht sein. Nicht mal hier." Er nickte kräftig und schaute nach oben.
„Ich glaube jetzt ist die ideale Gelegenheit zu prüfen, ob unsere Kräfte noch funktionsfähig sind. In dieser Welt." „Gute Idee." Sie trat zu Alister und als er ihr sein Okay gab, fasst sie ihn um die Hüften und hob den Jungen nach oben, sodass er sich über den Hang wuchten konnte.
Sie stockte. Normalerweise gab es immer einen Widerstand. Ihre Fähigkeiten waren nicht so ins Unendliche verstärkt, dass sie mir nichts dir nichts Bäume ausreißen konnte. Normalerweise war es immer noch mit etwas Anstrengung verbunden einen ganzen Menschen hochzuheben. Aber Alister war jetzt so leicht wie eine Feder für sie. Weniger noch.
Der Junge gab einen erstickten Laut von sich, bei der Geschwindigkeit mit der er in die Höhe verfrachtet wurde. „Whoa Shani. Was isn das?" Er schaute zu ihr nach unten, während sie ihn auf die Wiese setzte. Egal wie stark sie war, ihre Arme verlängern konnte sie nicht. „Ich weiß es nicht."
Mit einem Sprung setzte Shani zu einem weiteren Test an, nur um entgegen ihrer Erwartungen noch an Alister vorbei zu schießen und eine Höhe zu erreichen, die an Wahnsinn gipfelte. Als Shani wieder im Gras angekommen war, schaute Alister sie mit offenem Mund und großen Augen an.
„Das... nun das ist ein Levelup." Sie nickte nur stumm und sah an ihrem Körper nach unten. Jetzt wo sie eine tatsächliche Maßeinheit hatte, konnte sie kaum einschätzen, wie weit sie bei ihrem Sprint eben gekommen war. Wenigstens der Baum war noch in Sicht. Seine Präsenz groß und bedrohlich, aber wenigstens da.
Sie sah gen Himmel, wo Schmetterlinge, groß wie Flugzeuge, entlang glitten und sich hinter dem Baum in der Ferne zu einzelnen Farbklecksen wandelten. „Kannst du testen, ob du ein ähnliches Upgrade erhalten hast?"
Er nickte schnell, und drückte sich mit einer kleinen ernsten Miene zwei Finger an die Schläfen. Shani betrachtete ihn und konnte nicht anders als zu denken, dass er ein wenig drollig aussah, wie er dastand und sich so fest konzentrierte wie er konnte. Dann öffnete er seine Augen und war gar nicht mehr drollig.
Für eine Sekunde glaubte Shani einen Blick ins Universum zu erhaschen, gefangen da wo Alisters Augapfel hätte liegen sollen. Dann stieß der Junge eine Hand nach vorne und aus der zarten Handfläche schoss ein Feuerball hervor, der mit sengender Hitze eine Bresche ins Feld brannte. Pink grünes Gras links und rechts fing Feuer. Shani packte den jüngeren Wächter am Handgelenk. Sollte das Buschfeuer sich weiter ausbreiten, musste sie bereit sein.
Aber wie sollte es anders sein, waren die Funken Sekunden später ausgebrannt und selbst die Brandnarbe in der Wiese sah einladend aus. Egal, ob die Enden von dutzenden Halmen noch glühten.
Alister starrte entsetzt von seiner Hand auf den Schaden in der Umwelt und zurück in seine Hand. „Was... war das?" „Feuer." Sie bekam ein wenig dezentes Augenrollen als Antwort. Sie ging jedoch einfach vor, passierte die Stelle, die Alister freigeräumt hatte. Und am Ende der Strecke, glaubte sie, dass sie dem Baum endlich ein Stück näher gekommen war. „Hey, Magikus... Glaubst du, du kannst noch ein weiteres Mal auf deinen Feuerzauber zurückgreifen?"
Mit Alister Umschulung zu einem Flammenwerfer, hatten sie es endlich zu dem riesig aufragenden Baum geschafft. Die Bresche im Gras hinter ihnen weit und Schweiß perlend von der Stirn ihres Freundes.
„Alles gut?" Shani war auf den Ansatz des Hügels getreten, wo das Gras nur noch zu ihren Knöcheln reichte. „Ich," er atmete tief ein. „Ich glaub ich hab mich noch nie verbrannter gefühlt. Und ich krieg Ganzkörpersonnenbrand." Shani nickte diese Information ab. „Sonst alles gut?"
„Ja, ich fühl mich nicht schlecht. Mein Kopf brummt sogar deutlich weniger, als normalerweise nach. Sowas. Oder sowas in die Richtung. Glaubst du ich kann noch andere, andere Sachen machen? So anders als Hellsehen mein ich-" Er redete eher mit sich selbst als mit ihr.
Shani schritt den Hügel nach oben, mit Alister dicht auf den Fersen. Er war sichtlich fasziniert von seinen Händen, so klang sein weiteres Murmeln zumindest. Doch Shani suchte nach etwas anderem. Etwas Grünem. Der Schimmer kratzte sie immer noch unter ihrer Stirn.
Kaum war sie um den Baum herum geschritten hatte sie ihre Antwort. An der Rinde lehnte, in einer strahlenden Rüstung, blank poliert und aus dieser Nähe mehr türkis als grün, ein blondes Mädchen. Die Rüstung war nicht zu groß und trotzdem war ihre Gestalt weitaus beeindruckender als normalerweise. Sie trug Stiefel, die sich unter der Panzerung ihrer Beine verloren. Ein Helm, mit offenem Visier, gekrönt von einem grünen Büschel. Ein Langschwert mit breiter Klinge lehnte am Baum neben ihr. Als würde es mit Marie ruhen, denn ihre grünen Augen waren geschlossen.
Das hielt nicht sonderlich lange. Mit seinem typischen Taktgefühl kickte Alister ihr gegen einen der Stiefel. „Hey, Marie!" Und das zweite Mal an diesem Tag musste Alister vor Metall zurückweichen. Auch wenn es nur ein mit Platten verstärkter Handschuh war und Marie deutlich schneller zurückschreckte als Shani. Die Rüstung an ihren Schultern gab dabei keinen Ton von sich.
„Alister! Shani!" Marie hatte ihre Hände schnell in einer weitaus freundlicheren Haltung auf Alisters Schultern. „Ist alles gut bei euch? Wo sind wir? Wo ist Jana?" Sie schaute sich um. Ihr Blick zuckte nach links und rechts und sie schien nicht zu wissen, was sie mit sich anfangen konnte in dieser pinken Welt.
„Ja, Al ist nur, etwas erschöpft. Wir sind in Lukes Kopf, wenn ich Mariano und Jana richtig verstanden habe. Absolut keine Ahnung." Shani schaute sich nach ihrer Antwort weiter um. Nur Feld. Vielleicht abgesehen von den Brandspuren. Aber auch unter diesen war nur Feld. Sie waren auch mit Marie orientierungslos.
Marie schaute sich ebenfalls um und schnell fiel ihr das Schwert auf, das wohl ihr gehörte. „Alister, ich weiß nicht, ob du schon dabei bist, aber glaubst du, dass du einen Weg finden kannst?" So abwesend wie er schien, war er bereits dabei.
„Zukunft ist ähnlich grasig wie die Wiese hier. Ich krieg nur Bilder ab, wenn ich die Intention habe in eine Richtung zu gehen. Und bisher. Nur sehr viel...Wiese. Links, rechts, Osten, Westen." Er fuhr durch seine Locken, rührte das Universum hinter seinen Augen kräftig durch.
„Was ist mit oben?" Marie zeigte den Stamm des Baumes entlang und ihre Miene hellte sich auf, als Alister und Shani beide überrascht aussahen.
Alister ballte seine Fäuste zu kleinen Steinen. Dann riss er seine Augen auf und hob beide Daumen. „Das ist es! Wir müssen hoch und dann... dann haben wir irgendeine Möglichkeit! Ich weiß auch nicht, aber aber wir haben was da oben. Nur-" Er schluckte. „Es wird Ewigkeiten dauern, bis wir da hoch kommen, nicht?"
Er rieb über seine Schultern. Hätten wir Alex jetzt hier, dann gäbe es kein Problem. Wenn schon seine Fähigkeiten solche Maße angenommen hatten, was war dann mit Alex passiert? War diese ganze Welt nur ein Sandkasten für den Telikenetiker? Bewegten sich Sonne und Mond mit einem Wink seiner Hand?
Doch Shani zog ihn aus seinen Gedanken. „Gut, jetzt haben wir was, und nun. Ihr bräuchtet vielleicht eine Weile, aber je nach dem ob Marie genau so leicht ist wie du. Dann haben wir kein Problem, wenn sie sich gut festhalten kann."
Platzierung war das kniffligste bei ihrem Aufstieg. Marie war nicht mehr als eine leere Cola Dose, weniger, wenn Shani ganz ehrlich mit sich war, aber dennoch verbrauchte ihre Panzerung Platz. Sie konnte sich Marie nicht mit der selben Einfachheit wie Alister über die Schulter werfen oder unter den Arm klemmen, was er zu bevorzugen schien.
Also war es so, dass die Silhouette der drei Freunde an die kantigste Schildkröte aller Zeiten erinnerte. Denn wenn Marie sich an Shanis Rücken festklammerte, beide Beine gepresst an ihre Seiten und ein Arm fest um ihre Brust geschlungen, dann war sie durchaus mit einem angewachsenen Panzer zu vergleichen. In der anderen Hand hielt sie ihr Schwert. Immer bereit es durch die Haut des Baumes zu stoßen. Sollte Shanis Griff sich als weniger fest herausstellen, als sie erwarteten.
Natürlich glaubte Marie nicht, dass sie auch nur die geringste Chance hätte nur sich selbst, in ihrer Rüstung halten zu können. Geschweige denn Alister und Shani mit ihr, aber sie wollte sich zumindest so fühlen, als täte sie irgendeinen Dienst für die Sicherheit ihrer Gruppe. Denn in so wankenden Höhen wollte sie weder nutzlos sein, noch das Mitglied der Gruppe, das man im Fall der Gefahr abwarf.
Wenn Alister den Plan hatte und Shani ihn einarmig Umsetzen konnte, war kein weiterer Wert mehr zu schöpfen. Marie sah an Shanis Kopf vorbei. Der Weg nach unten war lang und nur manchmal unterbrochen von Dick belaubten Ästen, an denen unterschiedliche Arten Obst hingen. Hier oben wehte die wohlriechende Brise kräftiger als am Boden und oftmals schwebte eine gigantische Kreatur vorbei an ihnen. Bis sie endlich die Krone erreichten.
Sie hatten effektiv die erste Blättergrenze passiert. Jetzt hier oben war das Schaukeln des Baumes zu einem heftigen Schwanken geworden. Shani kletterte mit ihnen weiter in die Höhe. Aber auch jetzt, wo sie dem Himmel näher waren, als je zuvor, spannte sich das Feld unter ihnen immer noch bis zum Horizont.
„Al? Irgendeine Ahnung, was jetzt?" Shani schaute zu Alister nach unten. Dieser zuckte mit den Schultern. Bis sie so weit oben waren, dass die Äste um sie nicht mehr weit über sie herausragten. Die Haare des Trios wurde vom Wind der Höhe zerzaust und Marie schaute sich um.
Ihr Magen schlug einen Salto und hätte sie Shani wniger vertraut hätte sie zu schreien angefangen. Natürlich zog sich ihre Brust zusammen und sie fühlte wie Eis durch ihre Venen schoss. Aber sie vertraute Shani. Alister öffnete seine Augen und atmete einmal lange aus. Er schaute zu den beiden Mädchen und war sehr glücklich, dass niemand sah, was er sah.
„Eh, Leute. Wir... müssen springen." „Was?!" „Entschuldigung?"
„Ja Entschuldigung angenommen." Flüsterte Alister und schaute in die Tiefe. Er wünschte, er hätte sein Gehirn aus seinem Kopf nehmen und in den Abgrund werfen können. Dann hätte er weniger Angst haben müssen, aber er konnte es nicht und deshalb brüllte jeder einzelne Teil an ihm, dass er runter wollte, ohne einen Flug unternehmen zu müssen. Aber es gab keinen anderen Weg aus den Feldern.
„Al, ich eh, bitte, könntest du das bitte erklären?" Er fühlte Maries Fuß gegen sein Bein und wieder einmal zuckte er mit den Schultern. Bevor er reden konnte, nahm Shani ihn aus ihrem Griff und setzte ihn auf einen der Äste vor ihnen. Sodass er und die beiden Mädchen sich anschauten.
„Nochmal?" Fragte Shani und Alister baumelte seine Beine über dem langen Weg in die Tiefe. Er war froh, dass der Ast unter ihm nicht nachgab. Danke, pinke Welt.
„Ihr seht diese ganzen Schmetterlinge um uns herum?" Alister krallte sich an dem Ast unter sich fest, während er auf die in unendlich vielen Farben schillernden Flügeln deutete. Nicken. „Ja, eh. Wenn wir jemals hier weg kommen wollen, dann müssen wir da drauf. Und Marie ich weiß nicht, ob ich das hinzufügen soll, aber versuche das Schwert bei dir und aus einem Insekten Rücken zu halten."
„Habe ich... habe ich in der Zukunft einen dieser Schmetterlinge erstochen?" Er nickte. „Oh, schön. Schön schön. Manchmal mag ich es zu glauben, dass ich halbwegs clever bin, aber- scheinbar nicht." Marie drückte ihre Stirn an Shanis Schulter, die ihr mitleidig mit der ehemaligen Alister Hand auf den Kopf klopfte.
„Ich bin froh, dass wenigstens einer von euch es einsehen kann. Panik ist mächtig Marie. Panik ist mächtig. Ich muss sagen, ich hab auch ein bisschen Angst. Aber. Alister ist normalerweise sehr vertrauenswürdig." Shani hielt dem Jungen also wieder einen Arm hin, den er zitternd nahm. Dann kletterte die Frau noch einen Meter in die Höhe, um den Ast auf dem Alister eben saß entlang balancieren zu können.
Marie schwitzte Kugeln und Alister wollte noch mehr weinen als davor. Shani schaute nach unten und atmete tief durch. Sie blieben einige Minuten stehen und als endlich einer der gigantischen Schmetterlinge vorbeiglitt, sprang Shani.
Dafür, dass Alister bereits gesehen hatte, dass ihnen nichts passieren würde, schrie er ziemlich laut. Nicht, lauter als Marie, aber er versetzte Shani eher in Unruhe. Sie nahm es ihm in ihrer Höhe und Geschwindigkeit nicht übel.
Aber um so wichtiger war es, dass sie ihr Gesicht wahrte. Ihre glatte Miene verlor sie nur für einige Sekunden, als ihre Stiefel auf den Rücken des riesigen Insektes trafen und es in die Tiefe sackte. Die Höhe war immer noch riesig und auch mit ihren neuen Fähigkeiten hielt Shani sich nicht für unverletzbar.
Marie und Alister hatten noch nicht aufgehört sich an Shani festzuklammern, da steuerte das riesenhafte Tier wieder Kurs an und setzte dann sein Schwimmen durch den Himmel fort. Als wären sie selbst Schmetterlinge auf einem Blauwahl.
Shani räusperte sich. „Al, Marie?" „Ja?" Maries Stimme schüttelte und Alister bekam kaum ein Geräusch heraus. Der Schock saß fester als die Sicherheit in der sie gerade schwebten. „Ich werde euch jetzt beide loslassen, erschreckt euch nicht."
Shani musste ihnen lassen, dass sie sich nicht erschreckten. Es war eher eine alles einhüllende ungreifbare Angst, die Marie und Alister dazu bewegte sich aneinander festzuklammern, während sie mit dem Insekt schwebten. Zeit hatte bereits alle Bedeutung verloren, aber das Feld unter ihnen hatte langsam begonnen seinen Ton zu verändern. Der Baum war endlich nicht mehr alles, was den Horizont einnahm, also gab es wenigstens etwas Fortschritt.
„Wir wissen immer noch nicht, was wir zu tun haben, aber diese Welt scheint dagegen zu sein, uns umzubringen, sonst hätte uns eine starke Brise schon hier runter geweht." An entsetzten Gesichtern bemerkte Shani, dass das nicht die cleverste Aussage gewesen war. Auch wenn sie, spezifisch, ihre Sicherheit hervorgehoben hatte. Sie setzte also fort. „Unsere Geisterkräfte sind mehr als nur dupliziert, wir haben mehr als die Hälfte unserer Freunde verloren und außer uns scheint es bisher nur Tiere hier zu geben. Hab ich irgendwas vergessen?"
Alister schüttelte den Kopf, aber Marie hatte eine Ergänzung. „Der Himmel ist komisch. Also... so... wirklich." Sie deutete nach oben, wo die pinke Sonne auf sie nieder strahlte. Aber das war es nicht, was Marie meinte. Shani brauchte einige Sekunden, bis sie Maries Entdeckung ebenfalls machte.
Mond und Sonne standen beide am Himmelszelt. Um die pinke Sonne spannte sich ein violetter Ring und der fliederfarbene Mond, war umgeben von einem rosaroten Kranz. Shani und Alister sagten beide nichts dazu, versuchten eher einen Sinn in den seltsamen Konstellationen zu finden, die nicht nur am Himmel sondern auch auf Alisters Robe und der Halterung von Shanis Dolch prangten.
„Ich meine, so gut wie alles hier ist pink, also vielleicht ist es auch gar nicht so wichtig, aber... ich dachte nur." Marie stotterte vor sich hin, diesmal nicht nur wegen der Höhe, aber Shani unterbrach sie. „Nein, das ist wichtig. Der Geist ist doch pink, nicht? Also... muss es damit zusammen hängen."
Alister nickte bestätigend. „Das Lila muss dann von Luke kommen? So von der Farbgebung her? In Janas und Marianos ultra Sicht sind is ja eigentlich alle rot, also müssen diese Farben von woanders sein."
Ihr Flug zog sich noch lange Zeit. Wie lange wussten sie nicht, sie sahen zwar den Fliedermond über ihren Köpfen vorbeiziehen, aber weder Sonne noch Mond versanken am Horizont und auch das Dimmen des Lichtes konnten sie nicht wirklich als Nacht bezeichnen.
Das dunkelste, was in dieser Welt aufkam war Dämmerung. Trotzdem lullte das stetige Auf und Ab der Flügelschläge ihres Schmetterlings das Trio nach einer Weile ein. Selbst dort oben verblasste jegliche Einschätzung von Gefahr mit der Zeit und nicht mal Marie konnte sich großartig fürchten. Dennoch war sie geistesanwesend genug mit einer Hand den Ärmel von Alisters Robe und mit der anderen Shanis Mantel zu fassen. Egal wie sicher es war, einander verlieren konnten sie nicht.
Natürlich sorgten sich alle drei um ihre Freunde und selbst im Schlaf versuchte Alister eine seiner nächtlichen Visionen zu erzeugen, um herauszufinden, welche Zukunft ihnen dämmerte, aber sein Schlaf blieb traumlos und alles hing mit ihnen in der Schwebe, während sich die Felder zogen und zogen.
Sie hatten Glück, dass Marie als erste vom Flügel des Schmetterlings rutschte. So blieb Shani und Alister eine Metallpresse erspart. Eine Bruchlandung allerdings nicht.
„Au." „Au." Fügte Shani Alisters Worten hinzu und setzte sich langsam auf. Richtigen Boden unter sich zu haben war ungewohnt. Selbst, wenn der Boden ungefähr die Konsistenz von Schaumwürfeln hatte und ein wenig zu locker zusammenhing, um ein Gefühl von Sicherheit zu vermitteln. Sie schaute zur Seite wo sich der Schmetterling niedergelassen hatte.
Seine sechs Beine abgeknickt und der kleine Kopf in einer der Wolkenstrukturen vergraben. Seine Flügel waren so abgeklappt wie lange Rutschen. Kaum bemerkte Shani, dass die andere Seite deutlich zu nah am Abgrund schwebte, war sie mehr als erpicht darauf, Marie und Alister nichts davon sehen zu lassen.
Also half sie Marie auf die Beine, die gerade versuchte sich Wolkenfetzen aus den Haaren zu zupfen und sah dann zu Alister. Der Junge hatte seinen Kopf in den Nacken gelegt und schien etwas anzufokussieren.
„Al?" Shani zog Marie hinter sich her und trat neben den Jungen. Sein Blick war kritisch und er führte seine Hände immer wieder vor seine Augen wie einen Fotorahmen. „Was gibt's?"
Er ließ seine Hände fallen und sah zu den beiden Mädchen herüber. „Bin ich mir auch nicht wirklich sicher. Aber wenigstens ist es nicht nur Feld." Als er auf einen gar nicht so weit entfernten Punkt deutete, erschien es ihnen auch.
Diesmal waren sie nicht allein in der Weite. Nur wenige Meter vor ihnen stand ein Schloss. Marie trat einen Schritt zur Seite. „Sind das Leute?!" Weder Shani noch Alister hätten jemals gedacht, dass sie den Enthusiasmus in diesen Worten teilen könnten, aber dieses eine Mal waren sie ganz bei dem blonden Mädchen.
Alister hatte es zuvor nicht gut erkennen können, aber als er Marie folgte sah auch er die menschenartigen Gestalten, die vor der Tür des Wolkenschlosses standen. Ein Stein fiel von seiner Brust und er konnte sich kaum vorstellen, wie es hätte sein müssen, die ganze Zeit allein hier zu sein Nicht, dass es nicht schön und friedlich war, aber allein?
Shani ging es genau so, als Marie direkt vor den wage wabernden Menschen zum Stillstand kam und ihre Hand zum Gruß hob. „Hallo! Wir eh sind hier mit einem Schmetterling hergekommen." Sie wies über ihre Schulter, wo das Tier immer noch ruhte. Weder der eine noch der andere Marschmallow Mensch reagierte. „Und es tut uns sehr leid, wenn wir stören, aber wenn da drinnen jemand wohnt, der uns vielleicht sagen kann, wo wir hier sind, oder wenn sie uns vielleicht helfen können dann wär das toll. Wir müssen irgendwie hier weg kommen und versteht mich nicht falsch, es ist sehr schön hier. Und-"
Sie hatte unter dem Blick der Wolkenwächter angefangen an ihrer Rüstung zu kratzen. Doch nach einigen weiteren Sekunden ihres stotternden Vortrag, nahm einer der beiden Marshmallows mit einem herzigen Lachen den Helm ab und ließ eine Woge an weiß braunem Haar in die Freiheit entfliehen.
Seine entblößte braune Haut hatte weiße Flecken, die aussahen wie Lukes Vitiligo und seine dunklen Augen waren von einem Ring in der selben Farbe gezeichnet. Sein normalerweise welliges Haar, war jetzt zu einer eigenen Wolkenstruktur aufgebauscht aber dennoch unverkennbar. „Daniel?"
Der junge Mann legte seinen Kopf schief, aber sein Blick blieb leer. „Das ist der Name, den man mir gab! Sagt, wie habt ihr ihn gefunden?" Er schaute sie aus seinen getünchten Augen an, während sie alle versuchten irgendeine Antwort auf das Verhalten ihres Freundes zu finden. „Eh, erkennst du uns nicht?"
Kurz funkelte die richtige Farbe auf, aber dann überstrahlte ein Pink seine Iris und er hob beide seine seine Hände. „Verzeiht, solltet ihr schon einmal hier gewesen sein. Die Schmetterlinge bringen schon seit Tagen neue Gäste her. Einzelne Gesichter sind schwer zu behalten."
Shani schaltete am schnellsten und legte ihre Hände aneinander. „Wir kommen von weit her. Was ist der Anlass des Erscheinens der anderen Schmetterlinge?" Und das Pink in Daniels Augen wurde ein Stück heller.
„Die Mondkönigin ist endlich zurückgekehrt und das Wolkenreich empfängt sie. Ihr seht nicht aus wie Himmelsmenschen aber wenn ihr schon mal hier seid." Daniel, oder nicht ganz Daniel, fuhr sich durchs Haar und schien mit sich zu ringen. „Warum tretet ihr nicht ein? Auch ihr Bodenvölker solltet die Königin sehen."
Wer auch immer die Idee hatte Daniel als Wache abzustellen, mochte entweder Überraschungen oder war unglaublich dumm. Sie hatten noch nicht einmal versuchen müssen ihn zu überzeugen, da drehte er sich schon herum und öffnete das Tor.
Shani trat zuerst an Daniel vorbei. Marie folgte ihr, aber als auch Alister an Daniel vorbei wollte, hielt der junge Mann ihn auf.
„Jetzt muss ich es aber wissen, woher kennt ihr mich? Ich kann mich partout nicht an euch erinnern aber ihr seht aus, als würde ich mich an euch erinnern." Alister hielt einen Moment ein und hob dann einen Mundwinkel. „Du siehst aus, wie jemand, den wir kennen. Es ist eher eine Verwechslung-" Der Junge sah ihn für einige Sekunden irritiert an und Alister fügte schnell hinzu. „Dass ... dass er auch Daniel heißt ist wirklich ein krasser Zufall. Ihr habt dieses Daniel Gesicht." Dann drehte er sich um und folgte seinen Freundinnen.
Der Raum war seltsam. Wie auch anders, wenn alles weicher und weniger real war, als es sich gehörte? Aber nach dem Rauschen der Luft und nur einander als Gesellschaft war es für sie eine Erleichterung einen Ort zu haben der vor fröhlichem Schnattern von unbekannten Menschen brummte.
Sie waren zwar luftiger, als reale Leute, aber ihre Gesichter kamen mindestens Marie und Alister bekannt vor. Auch wenn ihr Haar sich zu kuriosen Türmen stapelte und ihre Haut gefleckt war mit Weiß.
Alister lief fast in Marie hinein so beschäftigt war er damit, sich im Raum umzusehen. Mitunter in der Hoffnung einen bekannten und sehnlich vermissten dunkelblonden Schopf zu erspähen. Gleichzeitig hatte er aber auch Angst seinen Freund so vorzufinden wie Daniel. Nur halb er selbst. Marie und Shani wurden geplagt von ähnlichen Ideen.
„Leute? Was glaubt ihr ist mit Daniel los?" Zischte Marie ihnen zu, als sie alle drei ihren inoffiziellen Rundblick abgeschlossen hatten.
„Kann man das da wirklich als Daniel bezeichnen?" Marie und Alister schauten beide irritiert zu Shani, die daraufhin mit den Schultern zuckte. „Schlecht formuliert?" Beide nickten. Aber sie hatten keine Zeit sich mit menschlichen Existenzfragen zu beschäftigen, denn auf einen höher gelegenen Absatz trat jemand Vertrautes.
Wirklich vertraut und eingeschlagen in ein knöchellanges lilanes Kleid, auf dem die selben Sternkonstellationen und Mondzeichen prangten wie auf Alisters Robe, trat sie an der waberigen Brüstung. Ihr dunkles Haar wurde von glitzernden Nadeln gehalten auf denen ein Diadem prangte. Ihre Schultern und Hände waren blank.
Das Trio hatte Violett schon in einem Kleid gesehen, aber in diesem schien sie noch verblasster und gequälter aus als im Letzten. Was auch an den Wolkenmenschen lag, die ihr bei jedem Schritt folgten und ihr bei jedem Meter immer weiter ausufernde Hilfe anbaten. Gerade hatte sie höflich die ausgestreckten Arme einer Gestalt abgewehrt, entdeckte sie in dem Meer aus Weiß und Pink endlich Farbe.
Violetts Augen weiteten sich und ohne eine weitere Sekunde darüber nachzudenken, schwang sie sich über die Brüstung und sprang über entsetzt raunenden Köpfen zu ihren Freunden. Violett im Flug über den Wolken, die dutzenden strahlenden Steine auf ihrer Kleidung funkelnd im Licht. Es wäre beeindruckend gewesen, wäre sie nicht mit ihrer Landung prompt zur Seite umgeknickt und Gesicht voran in der Wolkenmasse gelandet. Das Trio kannte sie inzwischen gut genug um nicht einmal zu versuchen sie zu fangen.
Die Menge um sie herum hatte diese Kenntnisse über Violett nicht, weswegen Marie, Alister und Shani alle drei von Gewitterwolken ins Visier genommen wurden. Marie langte nach ihrem Schwert, aber Alister fixierte ihren Griff und schüttelte den Kopf. Auch wenn die Wolken unbewaffnet schienen. Sie wollten diese Welt nicht gegen sich aufbringen. Nicht in ihrer Höhe und nicht, als Daniel und die andere Wache vom Tor zu ihnen gestürmt kamen.
„Eure Majestät? Seid ihr verletzt?"
Ihre Augen blitzten und instinktiv stellte Marie sich zwischen sie und Daniel. Violett nickte ihr dankbar zu. „Wie oft soll ich die nicht Anfassen Regel noch wiederholen?"
„Aber eure Majestät!" Daniels Stimme sprang und seine Hand zuckte in Violetts Richtung. Das war wirklich nicht Daniel.
Shani stellte sich jetzt auch in seinen Weg, blickte dabei aber in den Raum. Die Wolken um sie herum versuchten immer noch näher zu kommen. Alister kramte nach einem passenden Zauber. Bevor jemand den verheerenden Schritt machen konnte, pfiff Violett auf zwei Fingern und richtete sich zu voller Größe auf.
„Stopp sofort." Auf ihr Kommando hin wichen die Wolken zurück. Nicht alle kommentarlos. Ein Protestant wirkte aufgelöster als Daniel, aber seine Stimme und verbliebenen Gesichtszüge erinnerten an Maries Chemielehrer. „Kennt ihr diese Landsiedler, eure Hoheit?"
Violett nickte und rieb sich über ihre Schultern, als würde sie frösteln. „Das tue ich. Das sind meine Gefährten und Freunde. Ich war bei ihnen bevor ich hier heim nach oben gebracht wurde. Sie waren große Hilfen auf meiner Suche nach dem Horizontschloss. Und nun haben sie mich wieder gefunden." Violett öffnete mit einem Auflachen die Arme.
Prompt lösten sich skeptische Mienen in Lachen auf. Die Respektlosigkeit war schlicht und einfach ein Ausdruck von Kameradschaft. Dass sie das nicht hatten sehen können? Es erschien den edlen Wolken schon ein bisschen zu komisch.
„Vio, weißt du echt was hier los ist?" Violett hatte es geschafft ihren Hofrat mit Lächeln und nur etwas Verzweiflung davon zu überzeugen, den Vier einen Moment in einem eigenen Raum zu gewähren. Nicht ohne, dass Wachposten auch vor dieser Tür platziert wurden aber so wie Violett sich gegen die Tür presste kaum war sie zu, wollte sie auf keinen Fall wieder heraus treten.
„Nein, nicht echt. Das waren wieder mal nur ein Haufen Schlussfolgerungen. Aber wenigstens überzeugend." Sie schaute die drei an und fast fingen Tränen an in ihren Augen zu perlen. „Seid ihr echt? Also... echt Shani und Al und Marie? Daniel hat auch, echt gewirkt. Nicht so ganz, aber so ist Daniel eben. Ich bin hier aufgewacht in diesem Schloss und da waren so verdammt viele von diesen Wolken. Als ich Daniel dann gesehen hab wollt ich weinen so froh war ich... Aber." Ihre Augen waren starr und ihre Schultern zitterten an der Tür.
„Wir sind echt. Wir wissen wer wir sind, Vio. Wir sind genau wie du aufgewacht und haben dann einander gefunden. Aber wir wissen nicht, was los ist. Alles hier ist seltsam, kannst- Kannst du uns deine Schlussfolgerungen mitteilen oder brauchst du einen Moment?" Shani wich von der jungen Frau zurück, die sich übers Gesicht rieb.
Violett zog ihre Nase hoch, dann schaute sie die drei entschlossen an. „Ja, so halb. Alles gut. Ich bin gut. Also, die Wolkendinger glauben ich bin so eine Art Königin, die nach langer Zeit zurückgekehrt ist. Deshalb der Aufstand," sie deutete auf die Krone und die Tür. „Allerdings bin ich nicht die einzige Hoheit in diesen Landen. Ich scheine einen Ehemann zu haben."
„Warte, du magst Leute?" „Ich hatte keine Wahl, wie es sich vielleicht aus meiner Formulierung ergibt." Sie fuhr sich mit einem Seufzen durchs Haar und für einen Moment sahen die anderen sie besorgt an. Wie lange hatte Violett hier alleine verbracht? Keiner von ihnen konnte wirklich feststellen wie lange sie durch Lüfte und Felder gewartet waren, aber Violett sah so gerädert aus, es hätten Wochen sein können. „Dieser König am Horizont, scheint mich schon seit einer ganzen Weile zu suchen. Ich bin schon seit Monaten..." Violett hielt ein und sah zu Boden. „verschwunden. Und jetzt ist das Land hier in Aufruhr."
„Ich kann mich nicht daran erinnern so lang hier drinnen zu sein." Stupste Alister das Thema an, aber Violett überflog Frage und Schuldbekenntnis. „Ich auch nicht, weswegen mir das ganze hier sehr suspekt vorkommt. Ich bin nicht sonderlich scharf darauf diesen König am Horizont unter seinen Bedingungen zu finden."
Mehr war nicht nötig, da Marie von einem Moment zum anderen ein schelmisches Grinsen aufs Gesicht sprang. „Das heißt Rettungsmission?" Ihre Augen gewannen ein Funkeln und sofort fing sie an sich nach Bettlaken umzusehen.
Endlich lohnten sich die Jahre mitten in der Nacht aus ihrem Fenster klettern, um sich mit ihrer Freundin zu treffen! „Al, durchsuche dein Zauberzeug nach Flugsprüchen oder so oder sonst was mit dem wir runter kommen können!"
„Ich glaube, das ist nicht nötig. Ich, nun, schaut euch an, was aus meinen Kräften geworden ist." Violett hob ihre Hände und anstelle ihrer knisternden Blitze pufften Wolken aus ihren Handflächen, die sich vor ihren Füßen sammelten und vor sich hin schwebten. Sie räusperte sich. Dann trat sie einen Schritt vor und egal wie mickrig und unbedeutend die Wolke aussah, sie hielt Violett in der Luft. „Keine Kommentare bitte, aber so kommen wir runter. Sollten wir die Wand öffnen können."
Shani hob ihre Hand. „Das dürfte kein Problem sein. Wir wurden nicht, nunja ver...niedlicht? Eher im Gegenteil." „Ich habe jetzt Feuerbälle!" Alister hob mit einem Grinsen beide seine Daumen, die sich prompt entzündeten.
Marie trat mitleidig ein Stück näher zu der entgeisterten Violett, die ihre Hände noch ein Stück verstörter anschaute. „Ich habe ein Schwert, also auch kein cooles Upgrade für mich." „Tröstend."
Eine Wand einzureißen ist laut. Dass man das selbe sagen kann, wenn eine Wand aus Wolken geschaffen war, hatte nur keiner der vier Teenager bedacht. Dass es Violett in den Sinn gekommen war, eines der Möbel im Zimmer vor die Tür zu schieben, war reines Glück.
Kaum hatte Shani den ersten Stoß gegen den die Wand ausgeführt, begann ein Donnern und ein Blitzen, von der ehemalig festen Masse auszugehen. Von der anderen Seite des Raumes folgte daraufhin ein lautes Pochen. „Eure Majestät?!" Violett antwortete nicht, sie war zu beschäftigt Wolken aus ihren Händen zu pumpen, die Marie aus dem Loch in der Wand scheuchte, dass Alister und Shani rissen.
Es hatte sich inzwischen schon ein Teppich in der Luft gebildet. Und auf diesen huschten Marie und Violett, als das laute Pochen von der anderen Seite des Raumes zu Hämmern wurde. Der Wind um die beiden pfiff unendlich laut und für einen Moment sah Marie in den Abgrund.
Die Welt unter ihnen war so klein, Marie konnte nichts ausmachen, als ein Meer von Farben. Ihr rutschte das Herz in die Hose, während Shani und Alister beide auf den Wolkenteppich sprangen. Schon wurde die Tür aufgesprengt und Daniel umgeben von Gewitterwolken stand im Raum.
Ihre Hoheit schien nicht mit Daniel reden zu wollen, denn sie packte Maries Rüstung und sprang auf das neu geschaffene Wolkenfeld. Die beiden begannen mit rapidem Tempo nach unten zu schlittern. Shani und Alister bemerkten dies sofort und schossen zu ihnen und schon schleuderten auch sie die Rampe entlang.
Ihre plötzliche Skifahrt würde jedoch nicht weiter so friedlich verlaufen, wenn die Wachen ihr Ziel erreichten und ihrer Rutschparty folgten. „Al?" „Schon dabei."
Mit Feuer hinter und einer Piste, die Violett mit jeder Sekunde weiter aufbaute, vor ihnen schoss das Quartett auf den Boden zu. So schnell, dass sie nicht mal mehr die Gelegenheit zum Schreien hatten.
Diesmal schafften sie es, nicht in einem Haufen aus Gliedern und Frustration zu enden. Stattdessen landeten sie in einer Reihe nebeneinander und nur Marie zischte in ihrer Rüstung.
Sie waren diesmal nicht auf offenen Feld. Sie waren nicht mal direkt auf dem Boden gelandet. Ihr unkontrollierter Abstieg war von einem Blätterdach, Ästen und einigen verstörten Vögeln gebremst worden. Sowohl Shanis Beine, als auch Violett im kompletten hatten dabei unfreiwillig Kontakt mit einem Baumstamm aufgenommen.
Sie waren in einem Wald gelandet. Ein weiterer Ort durch den man Tage lang streifen konnte, ohne einem Menschen zu begegnen. Feld, Himmel, tiefer dunkler Wald. Auch wenn der Wald nicht dunkel war. Wie sollte es anders sein? Pinkliche Sonnenstrahlen, tropften durch das Blätterdach und brachte helle Baumstämme mit adretten dunklen Flecken zum Schillern. Diesmal waren sie nicht allein. Nicht nur, weil ihre Posse um um eine Person gewachsen war.
Ein Gewirr von Vogelstimmen spann sich um sie herum, anstelle der Melodie auf den endlosen Feldern. Außerdem raschelte frisches Gras unter Schritten, die sich ihnen näherten. Alister hatte sich zuerst auf die Beine gehievt. Mit angespanntem Gesicht versuchte er sich Grasflecken von der Robe zu schlagen.
Shani stand als nächstes, eher auf die Schritte fokussiert. Sie war sich tot sicher, dass da mehr als eine Person kam. Violett zog sich an dem Schwertknauf hoch, den Marie ihr anbot und das blonde Mädchen behielt die schützende Position bei, die sie schon im Wolkenschloss angenommen hatte.
„Irgendwelche dunkle Vorahnungen, Al?" „Ne, was auch immer da kommt, vollkommen außerhalb meines Radars." „Hm." Obwohl das keine schlechten Nachrichten waren, blieb Shani ihnen gegenüber skeptisch. Alister hob beide Hände und unter seiner Haut leuchtete es rot. Violett war ohne es zu bemerken in der Mitte gelandet. Eingerahmt von einem Schwert, einem Dolch und Feuer.
Trotzdem war sie es, deren Arm jemand antippte. „Hey, gibt es etwas wovor deine Freunde dich beschützen? Der große böse Wolf? Ein Riese? Wenn ja, dann helf ich auch!" Sie riss ihren Arm weg und sprang ein zurück. So schnell wie die drei, die tatsächlich etwas tun konnten, ihre Waffen auf die Gestalt richteten, konnte Violett kaum fassen. Sie wusste zwar genau, warum diese Welt sie bestrafte, aber sie kam noch immer nicht darüber hinweg, für wie unfähig sie hier hingestellt wurde.
Wenigstens hatte das elfenartige Wesen eine Realisation. „Ohhh, ich bin das Problem. Wie konnte ich auch hoffen, dass hier endlich was los ist." Mit einem enttäuschten Augenrollen sanken zwei spitze Ohren ab und mit ihnen die Steinschleuder in Janas Händen. „Typisch." Prompt trat das Mädchen einen Stein weg, der sich tief im Wald verlor. Ihre aufgeschürften Knie und schmutziges Gesicht sprachen für sich. Egal mit wie viel Pink man Jana Silvas Kopf zudröhnte man konnte sie nicht von Ärger fern halten. „Hey, was glotzt ihr alle so blöd?! Ich wollt euch nur helfen Missi hier zu helfen. Effektive Leibgarde sieht anders aus."
Marie und Alister waren beide weit davon entfernt ihre Kinnladen wieder aufzuheben. Shani wollte dem Mädchen, das Link plötzlich ein ganzes Stück ähnlicher sah, eine Frage stellen. Aber bevor sie konnte, brach nur knapp lauter als ein Reh, eine weitere Elfe durchs Unterholz. „Jana, warte! Oh Gott, oh nein. Entschuldigt meine Schwester, sie hat keine Manieren! Sie meint es nicht böse."
Wie auf Janas Schultern fiel schwarzes Haar auf die der zweiten Elfe. Anders als bei Jana fiel es ihnen schwer, festzustellen wer das war. Bisher hatte jede menschenartige Person irgendeine Ähnlichkeit mit einem Bekannten von Luke gehabt aber diese Elfe. Sie sah aus wie eine größere Jana mit weichen Gesichtszügen und weiten Augen.
„Jakob! Ich habe denen da nur gezeigt, wie überdurchschnittlich schlecht ihre Verteidigung ist. Wenn man schon mit spitzen Stöcken rumfuchtelt, dann aber richtig." Jana grinste und versuchte Violett nochmal am Kleid zu zupfen. Marie zögerte. Genau wie Daniel hatte diese Version ihrer Freundin kein Wissen über die Realität. Was Marie noch unwilliger machte ihr Schwert zu heben.
„Jakob?" Alister legte den Kopf zur Seite. Verwirrung hatte sein Misstrauen überschritten und jetzt stand er da und begutachtete die Geschwister. Jakob versuchte Jana mit gestotterten Entschuldigungen aus dem Kreis der Gewalt zu ziehen. „Hallo? Wer soll das denn sonst sein, Dummbeutel."
„Wow, mini Me. Wer hat dir denn einen Sprachfilter vorgeschoben?" Fragte er und stemmte seine Hände in die Hüfte. „Ich weiß nicht worüber du Pumukel redest." Shani nickte. Nicht mal, wenn sie einander nicht kannten, war diese Dynamik zu überwinden.
Sie schob die beiden weg voneinander. Der anderen Elfe, die scheinbar Janas Bruder war? fiel ein Fels vom Herzen. Wie häufig er seine Schwester in dieser Welt von Ärger fernhielt?
„Also, nochmal. Hallo ihr zwei. Wir sind Shani, Marie, Alister und Violett und wir gehören nicht hier hin."
„Das hätte ich aber auch so erraten können Lady, bei dem Lärm den ihr veranstaltet." Jakob war kurz davor vor Verzweiflung auf die Knie zu sinken.
Shani seufzte. „Ja, genau das. Aber ihr gehört hier her. Besteht die Möglichkeit, dass ihr uns zum nächsten Ort mit Leuten bringt, bei denen wir eher aufgehoben sind?" Jana streckte ihre Brust raus und musterte Shani von oben bis unten.
Dann lehnte ihren kleinen Schädel zur Seite. „Dich mag ich Tutsi. Du bistn ehrlicher Stein." „Dankeschön." Daraufhin fing Jana an zu lachen, aber Jakob schnappte sich ihre Hände und verbeugte sich vor Shani, dass sein Kopf fast an seine Knie stieß.
„Liebend gern bringen wir euch zum nächsten Dorf. Wir bringen euch zum Gasthaus dort. Wenn meine Schwester sich beherrschen kann, dann bringen wir euch dort auch direkt unter. Entschuldigt uns viel mal. Tausend mal. Zweitausend mal."
„Entschuldigung angenommen, meine Liebe- mein Lieber."
Jakob sah zu Shani hoch und nickte schnell. „Danke vielmals. Wir sind ein bisschen umgänglicher, aber aber alles ist in Ordnung. Wir...sind da. Kommt mit uns. Ich, ihr werdet uns mindestens hören, alles gut." Wieder nickte er wie ein sehr nervöser Wackeldackel. Shani hob beide ihre Daumen, genau so nervös wie Jakob. Sie egh er drehte sich dann um und fuchtelte durch die Luft. Folgt mir.
Shani sah zu ihren anderen Freunden und Jana in ihrer Mitte. Als alle verbliebenen Menschen nickten, folgten sie der zweiten Elfe. Violett schloss schnell zu Shani auf und stolperte neben ihr her, während Jana sich ohne zu fragen zwischen Marie und Alister einharkte. Wie war es mit einem der Menschen zu reden, der dir am nächsten war, ohne dass dieser davon wusste?
Shani sah zu Violett. „Tut mir leid mit Daniel." Sie nickte. „Hoffen wir mal, dass Vicky und Jack... es wie wir geschafft hatten." „Ich will gar nicht darüber nachdenken," flüsterte Shani. Das war nicht der idealste Kommentar gewesen. Vielleicht hatte die Welt es sich vorgenommen ihren Verstand mit pink zu überlasten, bis sie genau so wenig sie selbst war, wie Jana oder Daniel oder Jakob. Violett hatte Angst davor, die Person zu sein, als die diese Welt sie sah.
Sie fasste sich an ihre Schultern. Sie sollte mit Shani reden. Sie sollte ihr sagen, wo genau dieses Problem herkam und dann sollten sie einen Plan aufbauen. „Du auch nicht über Luke,- oder?" Sie schoss zu Shani herum. Sie hatte wahrscheinlich eine ganze Weile nichts gesagt. „Ja, ich... hab Angst davor." Verdammt sag was.
„Übrigens." Shani zog sich ihren Umhang von den Schultern und hielt ihn Violett hin. „Ich würde dein. Eh Kleid und so eher versteckt halten. Außerdem... sollte dich noch jemand anfassen wollen, oder so." Shani fuhr sich durchs Haar, doch Violett lächelte nur. „Dankeschön, Shani. Das ist nett." „Wahrscheinlich."
Damit zog Violett sich dem Umhang über und fand im Zurechtziehen der Ärmel einen Grund nicht zu reden. Verdammt.
Alister und Marie fielen keine drei Worte ein. Sie beide sahen abwechselnd zueinander und Jana und es blieb still. Bis das Mädchen sich zu Marie drehte und einen Mundwinkel hob. „Kannst du reden, Miss?" „Huh ich?" Marie drehte sich zu Jana, ihre Augen geweitet und mit einem tiefen Gewicht in ihrem Magen.
Es fühlte sich abartig falsch an. In ihren dunkelblauen Augen spiegelte sich keiner der Momente, in denen sie einander gehalten hatten. All die gemeinsamen Tage und Geister und die Jahre, die sie mit und umeinander herum verbracht hatten. War es selbstverliebt so zu denken? Sie konnte nicht wirklich fassen, dass Jana so sein konnte wie Jana, ohne sie oder Alister zu kennen. Es fühlte sich falsch an mit dieser Version ihrer Freundin zu reden. Ein Druck lastete auf ihrer Brust und Janas breites Grinsen machte ihn nur schlimmer.
„Klar mein ich dich. Feuerteufel hier hat mir schon deutlich zu viel geredet." „Haha." Alisters Art mit diesem Druck umzugehen war es seinen schnippischsten Ton aufzufahren und seine Hände in den Taschen seiner Robe zu vergraben. „Geht es dem gut?" Marie sah zu Alister, dessen Blick durch den ganzen Wald schoss.
„Ich glaub nicht, er macht sich große Sorgen." Die spitzen Ohren der Elfe zuckten für einen Moment und schon lief sie viel näher bei Marie und ließ Alister allein in seiner Wolke. Ihre Hände waren um Maries Arm gelegt und sie starrte sie an. Marie schluckte einen Klos herunter und konnte es kaum fassen, dass die Berührung ihrer Freundin sie so nervös machte. „Worüber?"
Sie kam ihr noch ein Stückchen näher, damit sie einander Flüstern hören könnten. „Eh, Freunde von... uns wir dachten wir hätten sie gefunden, aber wir... hatten unrecht." Jana nickte langsam, aber Marie war noch nicht fertig. „Eh," sie kratzte sich am Hinterkopf. „Er, macht sich Sorgen um einen unserer Freunde, von denen wir noch keine Spur gefunden haben, der ihm sehr wichtig ist." „Ohh." Jana schlang ihre Arme um Maries.
„Hmhm." Marie sah zu ihr nach unten und dann wieder weg. „Gibt es auch jemanden um den du dir besondere Sorgen machst?" Klang sie hoffnungsvoll? Klang sie unsicher?
„Ja, tatsächlich, gibt es diese Person. Aber," sie konnte in Janas Gesicht keine Spur von Unwohlsein sehen. „ich bin mir sicher, dass es ihr gut geht. Sie kommt in dieser Welt sicher besser klar als ich." Sie gingen nebeneinander her. Jana an ihrem Arm.
Einen Moment durchschoss sie die Hoffnung, dass das Mädchen doch noch ihre Freundin war, aber dann sah sie wieder zu ihr und Janas Gesicht war ihr fremd.
„Sie freut sich sicher, dass du dir solche Sorgen um sie machst." „Ach, eher im Gegenteil, sie war nie der Freund von meinem Gedankensalat. Sie kann auf sich selbst aufpassen. Sie ist darin viel besser als ich. Ich kann nicht viel ausrichten. Ich- ja" Sie lachte nervös auf, aber verstummte, als sie aus dem Wald hervor traten.
Backsteinhäuser mit hellen Dächern. Violett und Shani waren bereits stehengeblieben, mit Jakob vor ihnen, sogar noch gestresster als vor einige Minuten.
Violett zog Shanis Mantel eng um sich und konnte über ihre laut trommelnden Gedanken hinweg nicht einmal die wirren, angeregten Stimmen hören, die aus dem Dorf hervordrangen und die Stille verscheuchten. Sie konnte nur die Häuser ansehen. Luke hatte in genau so einem Haus wohnen wollen, als er mit ihr das letzte Mal über die Zukunft geredet hatte. Ein kleines Häuschen nah am Waldrand. Verzierte Wände und mit den Häusern all seiner Freunde herum. Ihr Kopfschütteln ging unter der Kapuze des Mantels verloren.
„Ist immer so viel Aufruhr hier?" Alisters Frage jagte Jakob aus seiner Haut, aber der Elf schaffte es noch hektisch seinen Kopf zu schütteln. „Nein, nein. Es ist sehr friedlich hier. Ich weiß auch gar nicht, was gerade los ist."
„Dann lasst uns doch nachsehen!" Und schon wurde Marie von Jana an ihnen vorbeigezogen und der Rest der Gruppe folgte. Violett mit dem einen oder anderen Blick zurück und Alister und Shani nebeneinander.
Jakob eilte neben Jana und Marie her. Dann passierte die Gruppe eine Gasse und wurden Teil der riesigen Menge, die laut und ausgelassen applaudierte und johlte.
Sie bildeten einen Ring um eine Truppe von Akrobaten und zwei von ihnen wirbelten lange glänzende Stangen durch die Luft. Es war eine Gruppe von sechs, alle komplett eingespielt in ihren Bewegungen. Ein Man mit breiten Schultern stand in der Mitte und warf zwei der kleineren Akrobaten ohne Probleme Meter in die Luft. Sie schlugen im Saltos und Luftrollen und wirbelten farbenfrohe Bänder mit sich.
Ein fülliger junger Mann schleuderte Kegel durch die Luft und fing mit schnellen Griffen auch das auf, was das Publikum ihm zuwarf. Aber um diese Fontänen in der Mitte schossen die beiden mit Metallstangen. Sie stießen sie in den Boden und zogen sich an ihnen in die Höhe, nur um elegant zu landen und ihren rasanten Wirbel fortzusetzen.
Als der Gigant in der Mitte die Flugkünstler in einem letzten grandiosen Wurf auf eine Holztribüne hinter ihm warf und dann selbst, mit dem Jongleur in seinem Griff, auf die Bühne sprang, kamen auch die beiden mit den Metallstangen zu einem Halt an den Seiten der Gruppe. Die Metallstangen schlugen gegeneinander und mit einem lauten Zischen und einer Rauchwolke explodierten die Gegenstände, die der Jongleur zuvor durch die Luft geschleudert hatte in pinken Glitzernebel.
Im Stillstand der Truppe erkannten sie nicht nur Alex, sondern auch Mona, John, Rodger, Ava und Mark. Marie sah besorgt zu Alister, obwohl Jana genau wie der Rest der Menge in euphorischen Applaus verfiel. Sein Blick war auf den blonden Jungen fixiert. Doch für einen Moment blühte Hoffnung auf. Denn auch Alex Blick schoss über die Menge und seine Augen wurden weit, kaum hatte er Alister ins Auge gefasst.
Wie auf Kommando ließen Mona und er ihre Stangen fallen. Alister trat einen kleinen Schritt nach vorne, seine Schultern abgesunken. Alex trat ans Ende der Bühne und ein breites Lächeln machte sich auf seinem Gesicht breit.
„Meine lieben Leute!" Er öffnete seine Arme und für einen Moment fragte Alister sich, ob Alex Blick ihn nur genau so geflissentlich getroffen hatte wie den Rest der Menge. Aber wie um diese Sorge aus der Welt zu streifen hafteten sich Alex braune Augen danach wieder an ihn. „Ich möchte euch allen vielmals danken, dass ihr heute zu unserem bescheidenen Akt erschienen seid!" Wie auf Kommando warf sich der Rest in Truppe in Pose, während Alex anfing die Bühne auf und ab zu tigern.
„Und heute sind Augen auf uns, wie wir sie schon lange nicht mehr hatten." Und plötzlich landete zu seinen Augen auch noch seine Hand im direkten Weg zu Alister. Die Menge vor ihm strömte auseinander. Er wollte sich nach seinen Freunden umsehen, aber er war nicht weniger fixiert, als der Rest der Leute.
War das wirklich so schlimm? Bei den Mienen, die ihn kaum in ihrer Mitte glauben konnten und bei Alex, der ihn ansah wie ein strahlender Edelstein in einem Staubmeer. „Ein Magier von solchen Ausmaßen ist wirklich etwas besonderes!" Rief Alex und winkte Alister zu sich. Streckte seine Hand aus, um ihn vor der Menge auf die Bühne zu ziehen. Wie hätte er sich weigern können. Erst zögerlich, dann immer festeren Schrittes ging Alister durch die geteilte Menge.
Er fühlte sich leuchten und wie Sterne auf seiner Robe zu glühen begannen. Niemand konnte fassen, wen sie da vor sich hatten. Als er Alex ausgestreckte Hand ergriff und sich von seinem Freund auf die Tribüne ziehen ließ, bauschte eine Welle in ihm nach oben und ließ ihn weit über seinen eigenen Kopf hinauswachsen. Augen wurden zu Scheinwerferlicht, das er mit niemandem teilte. Und er, war etwas besonderes.
Das waren die kritischen Worte und Alex, der wirklich genau so aussah wie sein Alex, so sehr, dass er ihn augenblicklich in die Arme schließen wollte, vertiefte die Wirkung noch einmal. „Sag, wer bist du? Ich habe noch nie jemanden wie dich gesehen." Alex ging um ihn herum, seine Hand strich über das Material seiner Robe. Die Berührung seines Freundes war nah und er hätte seine Hand genommen, wäre da nicht eine Menge vor ihnen gewesen, die die beiden so anstarrten wie es sein sollte.
Und ein Name tauchte im tiefsten Ende seiner Kehle auf, ein Name der sein Gehirn vernebelte und nach draußen wollte. Der Name eines wichtigen und bedeuteten und besonderen Mannes. Eines Mannes, den man anschauen wollte. Und als Alex lächelte, wusste er, dass auch er diesen Mann deutlich lieber ansehen wollte. „Wer bist du?"
Doch genau so, wie Alex in der Lage gewesen war, ihn tief in diesen Nebel ziehen, stieß er ihn wieder heraus. Denn als er ein ausgesprochen elegantes Rad an ihm vorbei schlug, wahrscheinlich um seinen Strom aus Fragen fortzusetzen, traf Alister eine Erinnerung.
So klar, wie normalerweise nur die Zukunft, sah er den Moment in dem er, wie so häufig, bei Alex übernachtet hatte. Sein Freund und er hatten darüber diskutiert, wer von ihnen die Zombieapokalypse eher überleben würde. Und Alex hatte darauf bestanden, dass er mit seiner Telekinese einen kritischen Vorteil hatte. Sein klägliches Scheitern ein Rad zu schlagen danach, hatte ihn einige Punkte zurück und Alister in einen Lachkrampf geworfen. Alex Arme hatten am höchsten Punkt unter ihn nachgegeben und nach seiner Bruchlandung war er von seinem Bett gefallen.
Alister, wirklich Alister, nicht der mächtige Magier oder besondere Mann, der er vielleicht sein wollte, fing an zu grinsen. Und jetzt wo er hinsah. In deutlich zu ausgeruhte braune Augen, unter denen nicht Mal die Spur von Müdigkeit hing und ein Lächeln, dass nicht ansatzweise schief genug war, um das seines Freundes zu sein, wusste er genau wer das war.
„Wer kannst du sein?" „Ich bin Alister. Und für einen Typen, der nur ein bisschen Feuer Zauber beherrscht, ist das viel Aufregung."
Es war seltsam Alister wieder richtig vor Augen zu haben. Seine Beine baumelten über dem Rand des Karrens auf dem er neben Alex und einem der anderen Akrobaten saß. Er und Shani versuchten sich mit ihnen über mögliche Wege zu unterhalten.
Bei den wenigen Pferden im Dorf, würden sie wohl kaum auch nur ein Reittier für sich gewinnen. Aber zusammen mit der Akrobatentruppe würde das Quartett plus Jana und Jakob zu einer größeren Stadt kommen. Dort würden sie eine schnellere Bewegungsmöglichkeit finden.
Das war der Plan, aber so wie selbst diese seltsame Version von Alex Alister ansah, hätte mindestens er ihnen wahrscheinlich bis zum Horizont geholfen. Diese spezielle Eigenschaft hing zu tief in Alex Kopf um jemals zu verschwinden. Genau wie Janas Drang sich an Marie festzuhalten oder jeden Stein ins nächste Dickicht zu treten.
Es änderte nichts daran, wie gruselig das alles war.
Marie rieb sich über ihre Schläfe und sah fragend zu Violett. „Vio?" „Hm?" Die junge Frau drehte sich ihr zu und sie verstand augenblicklich, was Marie meinte, als diese zu Alister nickte. „Glaubst du, dass er-"
„Ja, ich glaub er ist wieder da." Violett schaute auf ihre Hände, aber ihr ruhiges Gesicht überspielte ihre Blässe nicht. „Es war freaky." Flüsterte Marie und dachte daran zurück, wie ihre Hände ausgekühlt waren und sie, egal wie sehr sie nach Alister gerufen hatte, nicht gehört worden war. Sie wusste nicht wie Alister sich aus dieser Trance gerissen hatte. Aber jetzt war er wieder er selbst.
Violett schaute auf ihre Hände und dann herüber zu Marie. Sie sollte sich schlechter dafür fühlen, wie selbstsüchtig ihre Unruhe war. Violetts Sorge war nicht bei Alister. Nein, eher dabei, dass sie selbst auch erinnerungslos werden konnte. Auch, wenn jeder um sie herum glücklich damit wirkte, konnte Violett ihr Blut nicht vom gefrieren abhalten. Natürlich waren sie glücklich.
Sie schaute zu Jana. Sie saß harmonisch neben ihrem Bruder und hatte ihre Freundin in aller Öffentlichkeit nah bei sich. Wie sollte sie nicht glücklich damit sein? Das konnte sie irgendwie verstehen. Aber, was ihr wirklich Angst machte war Alex Freundesgruppe. Es gab Grund für die Wellen, die zwischen ihnen peitschten und dass dieser süße Schleier sie abdrückte war schrecklich. Alex war berechtigt nicht mit ihnen befreundet und wütend zu sein.
Dass Lukes simples Verständnis von gut und schlecht nicht in der Lage war das Ende einer Freundschaft als etwas Gesundes zu sehen machte ihr Angst, mit welchem Glück er sie 'heilen' würde. Vor allem, wo das Pink sie jetzt schon so viel weicher gemacht hatte.
Sie drehte sich zu Marie, aber das Mädchen sprach mit ihrer Freundin. Ihr Lächeln machte bereits Anstalten Violett Sorge zu bereiten. Genau wie der Anfang von Schein in ihren Augen.
„Hey Violett, Marie... eh Jana wir sind zu einer Einigung gekommen. Die Gruppe hier wird uns mitnehmen zur nächsten Stadt." Shani war zu ihnen herüber getreten und schaute zu den Akrobaten, die alle samt nah beieinander saßen. „Super." „Hey, großartig!" „Woo!" Jana stieß ihre beiden Fäuste in die Luft und als Marie das sah tat sie das selbe. Violetts Sorge wuchs.
Über den Verlauf des nächsten Tages blieb sie schwer in ihrem Magen liegen. Hier unten gab es endlich etwas, was Tag und Nacht glich, aber in der seichten Dämmerung gab es auch keinen wirklichen Schatten. Aber alles andere legte Violett in tiefere Dunkelheit.
Es waren Shanis stille und unruhige Blicke in die Ferne. Marie, die immer mehr Zeit um Jana herum verbrachte und jede freie Minute nutzte ihr Schwert durch die Luft zu schwingen. Nicht einmal, dass Alister sich schon vom Zug in die Phantasie losgerissen hatte, beruhigte Violett großartig. Da war immer noch das Blinken, wenn er es schaffte eine besonders beeindruckende Flammensäule zu erzeugen.
Also war es kein Wunder, dass Violett als Erstes aufschreckte, als Trappeln die idyllische Geräuschkulisse der Nacht vernichtete.
Ihre ruckartige Bewegung zog ihre Kameraden gleich mit aus ihrem Schlummer. Natürlich wachte von den Traummenschen nur eine auf. Als Violett mit panischem Gesicht zum Fenster gestikulierte, vollführte Shani beschwichtigende Gesten und erhob sich langsam.
Jana federte schnell auf ihre Füße, aber als ihre unbekannten Freunde sie giftig anblitzten, rollte sie mit den Augen. „Tut nicht so, als bräuchtet ihr meine Hilfe nicht." Zischte sie und spannte ihre Steinschleuder. Als Marie geschlagen nickte, wirkten auch ihre anderen Freunde bereit Jana mitzunehmen.
Shani öffnete die hölzerner Tür langsam und glitt nach draußen so leise wie ein Schatten. Alister folgte ihr und Violett, Marie und Jana waren ihm dicht auf den Fersen. Violett stand hinter Marie und Jana und schaute über die Schulter des kleineren Mädchens. Sie konnte in der Dunkelheit nichts sehen, aber die Geräusche hatten noch nicht nachgelassen. Viele hektische Schritte, dann ein leises: „Alister?"
Und schon loderte ein Feuer in seiner Handfläche. Das plötzliche Leuchten in der Halbdunkelheit ließ die Szenerie um sie herum aufglühen. An den Stellen, an den nichts aufleuchtete, bewegten sich die Schatten. Und Alisters Licht war das perfekte Ziel für den ersten Angriff.
Wie ein Springteufel schoss einer der Schatten auf den Jungen zu und riss ihn mit einem erstickten Schrei in einer Wolke aus Schwarz zu Boden. Shani reagierte schneller als mit dem Auge zu sehen war und die Schatten die sie in einer flüssigen Bewegung hinter sich zu Boden schickte, brachten dabei keinen Laut heraus.
Doch es strömten immer mehr nach. Obwohl die das Messers auf Shanis Handgelenk im sanften Mondlicht glomm, wagte sie es nicht auch nur einen ihrer unzähligen Angreifer zu schneiden. Egal wie elegant und fehlerfrei sie die vielen Körper in der Dunkelheit auf den Boden schleuderte, sie würden sich wieder aufrichten. So wurde die junge Frau in diesem ewigen Strom aus Düsternis eingehüllt.
Jana und Violett hatten nicht halb so viele Bedenken über die moralischen Hintergründe mit voller Gewalt zu attackieren. Allerdings waren weder Kiesel noch Wolken sonderlich mächtige Waffen gegen die Horde.
Maries Schwert auf der anderen Seite? Als hätte das Eisen in ihrer Hand einen eigenen Willen entwickelt sang es durch die Luft und mit einer Wucht, die Marie nicht in sich geglaubt hatte, in Körper, die sie kaum voneinander unterscheiden konnte. Sie warf ihre Angreifer zurück und je länger sie vor sich hin hackte, desto lauter wurde das Wimmern aus der Meute. Eine Bresche begann sich um Marie und die beiden Frauen hinter ihr zu bilden.
Sie fühlte Elektrizität in ihren Adern aufblühen, das Herz in ihrer Brust mächtiger schlagen. Sie sah wie eine der Gestalten auf Jana zusprang, den dicken Kopf nach vorne gestreckt, aber ihr Hieb war schneller und warf die Gestalt zurück.
„Danke!" Rief das Mädchen hinter ihr. Das breite Lächeln auf ihrem kleinen Gesicht erinnerte Marie an den letzten Moment, in dem sie irgendeinem Wächter wirklich hatte helfen können. Vor all den Monaten, als sie Illusionen mit einem Rechen bekämpft hatte und es geschafft hatte etwas zu brechen, was niemand ihrer magischen, unglaublichen Freunde hatte tun können. Aber das waren keine Illusionen. Wie um ihren Gedanken zu bestätigen schleuderte sie eine weitere Kreatur ins Dunkle. Das erstickte Blöken hallte in ihrem Kopf wieder wie eine Fanfare.
Genau wie der plötzliche Ring aus Feuer, der sich unter dem schwarzen Teppich entzündete. Wie brennende Büschel aus dunkler Wolle wurden ihre Angreifer auseinander getrieben. Mit mehr Flammen aus seinen Händen schaffte Alister einen Ring um sich herum, mit dem er sich zu Shani vorarbeitete, die unter dem Turm aus durch die Luft fliegenden Wollknäueln kaum mehr zu sehen war.
In dem Tumult waren auch die Gaukler erwacht und auch wenn sie nicht den selben Effekt hatten, wie die anderen, war Violett der freundlichen Version von Rodger sehr dankbar dafür eine der Gestalten, die ihr deutlich zu nah gekommen war an den Beinen zu greifen und ohne Aufwand in die Ferne zu schleudern.
Mona, Alex und ihre pfeifenden Stäbe waren auf ihrem kleinen Schlachtfeld erschienen. Und Violett konnte schwören, sie hatte den anderen Mark mit einem der Dinger jonglieren sehen. Sie hatte immer noch nicht feststellen können woraus die Masse bestand. Es waren schwarze zähflüssige Blobs mit dicken Schädeln und Stummelbeinen, die täuschend langsam aussahen. Sie konnte einfach nicht genau feststellen, von was sie überrollt wurden, als plötzlich ein melodisches Pfeifen erklang, dicht gefolgt von einer sanft goldenen Lichtquelle.
„Da hab ich euch also gefunden. Ihr könnt dem Fährmann doch nicht einfach so ausbüxen! Er hat sich um euch gesorgt, das wollt ihr doch nicht." Diese Worte allein stoppten die Flut schlagartig. Keine der seltsamen Kreaturen setzte ihren Ansturm fort. Nur noch eine Woge reumütiges Blöken schallte aus der Menge hervor. „Seht ihr. Und jetzt lasst unsere lieben Wanderer in Frieden, sie haben euch nichts getan."
Das Lächeln in der Stimme war deutlich zu hören. Selbst mit ihrem mahnenden Unterton, klang nichts anderes als pure Liebe aus ihr hervor. Als wären sie immer so friedlich gewesen ließen sich die Schatten nach unten sinken. Und endlich. Über ihren gesenkten Köpfen, bedeckt von plötzlich flauschigen Bergen, konnte Violett sehen, was diese Dinger waren.
Schafe. „Gute Nacht, ich hoffe die Herde hat euch nicht verschreckt. Sie sind sehr verwirrt, wenn sie nicht wissen, wo sie hin sollen und werden aggressiv wenn sie verwirrt sind. Ich bin nur froh, dass ich die kleinen Schäfchen gefunden habe, bevor schlimmeres passieren konnte." Ein Lachen ertönte aus der hellen Wolke und die ganze Gruppe fühlte sich, als hätte jemand flüssiges Licht in ihre Adern gespritzt.
Dann fügte die Stimme hinzu. „Kommt schon seid ihnen nicht böse. Ihr habt sie zuerst angegriffen. Nein, nein, es ist nicht ihre Schuld, dass sie in euren Weg geraten sind. Dafür können sie ganz sicher nichts. Wollt ihr ihnen nicht ein bisschen Entschuldigungslicht spenden? Das haben sie auf jeden Fall verdient."
Erneutes Blöken. Wie ein zweiter Sternenhimmel erleuchtete die Wolle der Schafe, voll mit kleinen Sternbildern und in sich verdrehten Nebelspiralen. Die Dunkelheit war durchsetzt von dem allgegenwärtigen Pink und Lila. Jetzt wo das goldene Licht nicht mehr das einzige Leuchten war, konnten sie auch endlich sehen, wer in seiner Mitte stand.
Jacks schwarzes Haar war durchsetzt von goldenen Fasern, seine braunen Augen schienen wie Kugeln aus Gold und er war in eine Tunika aus flüssigem Sonnenlicht gehüllt. Jack erleuchtete wie ein Mensch gewordener Stern die Nacht und die Herde aus immer noch missmutigen Schafen. Ein Lächeln lag auf seinen Lippen und seine Haut war bedeckt von goldenen Tattoos.
Shanis Augen waren weit geworden. Diese Gelassenheit und ungetrübte Freude hatte sie schon seit zu langer Zeit nicht mehr auf Jacks Gesicht gesehen. Sie schluckte, aber sie wusste, dass das nicht Jack war. Das war auf keinen Fall Jack, aber er sah sie so fröhlich an, sie wünschte, dass das wieder ihr Jack sein konnte. Er hatte in den letzten Wochen trübsinnig gewirkt. Natürlich freute sie sich, dass er nicht die Not fühlte ein falsches Lächeln aufzusetzen, aber sie hätte sich natürlich deutlich mehr gefreut, wäre seine Freude wieder so echt, wie vor den Geistern. Wie dieser Jack.
Dieser Jack, der alle Probleme mit einem Lächeln und lieben Worten lösen konnte. Es brach ihr Herz in zwei Teile, dass das das Detail war, was ihr weg gab, dass das nicht der richtige Jack war.
Bevor sie etwas sagen oder auf ihn zutreten konnte, räusperte Violett sich und trat vor. „Danke für die Hilfe." Sie tippte sich zweifach auf die Stirn. „Wir wussten nicht, dass hier solche Herden unterwegs sind." Jack summte und trat einige Schritte auf die Gruppe zu.
„Oh das hättet ihr auch wirklich nicht wissen können, aber sagt, was bringt euch hier nach draußen? Die nächste Stadt ist weit und ihr seht nicht so aus wie Wanderer." Violett sah die Gruppe nicht einmal an, schon hatte sie ihre Antwort parat. Die Wahrheit war zwar nicht unbedingt eine Idee, die viel Zeit brauchte, aber sie war eine Idee.
„Wir wollen zum Horizontschloss. Wir haben etwas wichtiges mit dem König zu besprechen. Die anderen sind Menschen, die uns freundlicher Weise auf unserem Weg unterstützen." Sie verschränkte ihre Arme vor der Brust .
„Ihr habt es eilig nicht wahr? Aber der Weg ist weit." Für einen Moment sank er ein in seine Gedanken, seine Hand an sein Kinn gelegt. „Oh ja der Weg ist weit, sehr weit." „Ja, das hatten wir schon vermutet," nuschelte Violett und legte ihre Hände aneinander. „Hm, hm, aber das könnt ihr euch nicht leisten und der König auch nicht. Er will dich wirklich gerne wieder sehen, Violett."
Ihr Blut fror ein. Sie wusste, dass es Worte gab, die sie in diesem Moment weiter bringen würden als alle anderen. Und um ehrlich zu sein, den Skrupel nicht zu lügen hatte sie schon lange nicht mehr. Wenn Luke ihren Freunden eine Gehirnwäsche verpassen konnte, dann konnte sie ihn anlügen.
„Du hast Recht, mein Freund. Ich muss ihn wiedersehen und mich bei ihm... entschuldigen. Das alles hier ist meine Schuld." Sie fühlte Ekel in ihrer Kehle, der nur schlimmer wurde, als Jacks Gesicht sich veränderte. Er klatschte in die Hände und das Gold in seinen Augen leuchtete auf. Wahrscheinlich freute Luke sich gerade einen Ast, dass Violett endlich dass richtige tat und sich bei ihm entschuldigen würde.
„Nun dann! Ich kann euch mitnehmen. Wir wollen ihn, nein können ihn nicht warten lassen, nicht ?" Er schwang seine Arme durch die Luft und mit seiner Bewegung erhoben sich die Schafe und fingen an um sie herum zu strömen. Diesmal freundlicher. Ab und an biss ein Schaf in ihre Kleidung und versuchte sie mit sich zu ziehen, aber dieses Mal waren ihre Gesten von Liebe geprägt. „Kommt, ich kenne jemanden, der mir einen Gefallen dafür schuldet, dass ich seine Schafe eingesammelt habe."
Die Vier Jugendlichen verblieben für einige Momente an Ort und Stelle, während die Akrobatentruppe, Jakob und Jana dem jungen Mann nachliefen. Violett hatte keine Zeit für einen Atemzug. „Was war das, Vio?!" „Woher, weißt du das?" „Ja, das auch! Was was hat das alles zu-"
„Leute." Violett hatte ihre Augen geschlossen, aber öffnete sie wieder, als sie bemerkte, dass Shani vor ihr stand. „Wir lassen sie atmen. Und jetzt von vorne." Alister und Marie schwiegen. Sie nickte Shani dankbar zu aber auch sie sah nicht begeistert aus.
„Das hier, diese ganze Welt kommt von Luke. Ne...nicht von dem Geist. Nicht wirklich. Das ist alles Luke." Nach den entsetzten Blicken hob sie schnell ihre Hände. „Nun, also vielleicht nicht alles aber genug. Er hat die Kontrolle hier, zumindest zum Teil und der Geist gibt ihm nur die Kraft um all das möglich zu machen."
Sie sog Luft ein und zeigte dann zu der leuchtenden Gruppe. „Kann ich auf dem Weg weiterreden?"
Violett lief flankiert zwischen ihren Freunden, die deutlich bedrückter aussahen als zuvor. Sie wollte ihre Hand durch ihr Haar ziehen, sich vor ihren nächsten Worten beruhigen, aber die spitzen Enden des Krönchens hielten sie davon ab. Sie schloss ihre Augen.
„Das alles hier ist hier, weil, weil Luke und ich uns gestritten haben. Es ging darum, dass ich ihm nicht mehr erzähle, was ich die ganze Zeit mache. Und mehr weg von ihm als um ihn herum bin und ihm nicht erkläre warum. Ich hab ihm gesagt, dass es eben Sachen gibt, die er nicht kapieren kann und dass ich meine Privatsphäre brauche und so... dass ich nicht die ganze Zeit bei ihm sein kann. Aber wenn er denkt, dass er kriegt, was er will, dann wird unser Weg deutlich kürzer." Als sie zu ihren Freunden sah, schien Schock auf ihren Gesichter. „Ja, ich freu mich auch nicht darüber."
„Vio, das klingt, wie etwas, was ein fünf Jähriger machen würde." „Ich weiß." Ihre Freunde schauten sie an und sie fuhr sich mit ihren Händen durchs Gesicht. „Ich weiß."
„Okay, wir reden später darüber, dass du uns das nicht erzählt hast, als du das herausgefunden hast. Wir müssen ehrlich untereinander sein. Aber das ist nicht unser Hauptproblem." Violett nickte schuldig und schaute dann das größere Mädchen an. Ja das hatte sie definitiv verdient. „Also, wir wissen jetzt halbwegs, was los ist aber ich glaub du bist die einzige, die wirklich was machen kann, oder?" „Wahrscheinlich."
„Wir können dich immer noch hinbringen, oder nicht?" Warf Alister ein und fügte dann mit einer lockeren Handbewegung hinzu. „Und dich beschützen, sollten wir nochmal von bösartigen Grasfressern angefallen werden."
„Ich will dich nur daran erinnern, dass du als erster aufm Boden gelandet bist, Al." Marie boxte den Jungen auf den Arm. „Nur weil ich nicht wie irre um mich hacke, heißt es nicht, dass ich keinen Plan hatte." Während sie durch das hohe Gras strichen, begannen Glühwürmchen um sie herum zu fliegen. Violett sah immer wieder zu Shani. Sie schien sich nicht so leicht wieder in eine neue, leichtere Konversation ziehen zu lassen wie ihre Freunde. Ihr Blick zuckte suchend über die friedlich leuchtende Landschaft.
Violett senkte ihren Kopf und zupfte an den Säumen des Mantels. Das Grillenkonzert um die Wanderer im Mondlicht, schwoll an und ihre Fußstapfen ließen Knirschen in die Nachtluft ziehen. Trotzdem fühlte sich Violett, als würde sie zum Schafott geführt werden. Sie wollte nicht mit Luke reden. Das war die Gewissheit, die deutlich schwerer wog, als alles andere in diesem Moment.
„Wir sind angekommen." Als Violett ihren Kopf hob war da kein großes Schloss. Nur mehr Wiese, diesmal durchschnitten von einem glänzenden Band, das sich lang und weit zog und nicht aufhörte sich zu strecken und zu rauschen. „Am Fluss?" Fragte Alister.
„Genau," Jack hielt eine seiner Hände in die Luft und ein goldenes Licht begann von ihr aus zu leuchten. „Das wird er gesehen haben. Wir haben noch ein paar Minuten, dann könnt ihr euch auch miteinander absprechen. Wer bleibt, wer geht."
Augenblicklich sah die Gruppe einander an. Natürlich waren die auffälligsten Blicke zwischen Alister und Alex. Zumindest die unentschlossensten. Für Jana, die schon wieder an Maries Arm hing, war es keine Frage, dass sie mitkommen würde. Niemand machte sich die Mühe mit ihr zu streiten. Shani warf zwar einen langen Blick zu Jack herüber, aber seine goldigen Augen lagen weit auf dem Fluss. Ihre Sorge war auch außerhalb der Welt dieses Jacks. Vielleicht war das besser so.
Als einige Minuten später ein langes Boot mit Glocken am Rumpf den Fluss entlang glitt, hatten alle ihre Entscheidung getroffen. Die Akrobatentruppe würde zurück bleiben, genau wie Jakob, der sich dem Wasser nicht nähern wollte. Das Boot legte an. Im Bug stand ein großer Mann. Er schwang seinen Arm durch die Luft und nickte dann zum hinteren Teil des Bootes.
Jana war die Erste, die auf die Planken sprang. Wie immer. Marie folgte ihr, nicht ohne mit einem Augenrollen die ausgestreckte Hand des anderen Mädchens zu ergreifen. Während Violett in das Boot stieg, wurde Alister plötzlich an der Hand gefasst und sanft zurückgezogen. Er schaute auf und sah in die nicht richtigen Augen seines Freundes.
Obwohl er wusste, dass er nicht wirklich Alex war, schluckte er. Er fühlte sich noch sehr danach in seine Arme zu fallen. Natürlich kämpfte er gegen diesen Gedanken an, aber Alex hielt ihn nicht fest. Deshalb blieb er stehen. Hätte sein Freund ihn festgehalten, hätte er sich sofort von seinem Griff freigemacht. „Wenn du zurückkommst, kannst du versuchen mich zu finden? Es is ziemlich leicht wir-"
Er drehte seinen Kopf zur Seite. Alister lächelte und drückte Alex Hand für einen Augenblick. „Sicher, ein Magier findet seinen Weg." Dann sprang auch er ins Boot.
Shani war ohne einen Blick zu ihrem Freund ins Boot gestiegen und hatte sich gesetzt. Sie sah nur auf ihre Hände und klopfte Alister bestätigend auf die Schulter, als er sich mit niedrig hängendem Kopf neben sie setzte. Sie hatten es geschafft. Sie waren auf ihrem Weg und bald wäre das alles vorbei und sie musste nicht mehr über diese Welt nachdenken.
Dann stieg Jack auch ins Boot. „Danke mein Freund. Ich hoffe deine Nacht ist bisher gut verlaufen?"
Der Mann am anderen Ende nickte, dann stieß er eine lange Stange scheinbar bis ins Flussbett und schon glitten sie los, schnell und ruhig Fluss abwärts. Shani sah zu Jack.
Der Fluss war lang und friedlich. Wie hätte es anders sein sollen? Der Fährmann steuerte ihren Kahn mit einer unendlichen Ruhe in seinen Zügen. Er war bisher die Person, die am weitesten von der Realität entrückt war, aber nach einigen Minuten oder Stunden? war es Shani doch klargeworden, dass Mariano ebenfalls einen Weg in diese Welt gefunden hatte.
Sein langes Haar floss über seine Schultern und es schien, als würde es wie ein Wasserfall in das dunkle Band des Flusses gehören, über den er sie fuhr. Sie hatte noch nicht herausgefunden ob das wahrlich sein Geist war, der hier verborgen lag oder nur ein verklärtes Abbild wie Jakob, oder Rodgers Truppe. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass Mariano jemals diesem Zug nachgeben könnte, auch wenn sie ihn selbst stark spürte.
Jack war an der anderen Seite des Bootes, aber sie fühlte trotzdem den Drang sich zu ihm zu gesellen. Sie wollte neben Alister, Marie, Violett und Jana um ihn herumsitzen und ihm zuhören. Sein goldenes Licht bildete einen strahlenden Kontrast zu der lila pinken Nacht auf dem nachtblauen Fluss. Also blieb er in ihrem Blickfeld, egal wie sehr sie ihn aus ihren Gedanken verbannen wollte.
Sie saß auf einer der Bänke am hinteren Ende des Langboots. Auf ihren Schultern bildeten sich Felder aus Gänsehaut und wäre das Wasser ihr nicht genau so suspekt gewesen, wie jede andere Faser dieser Welt, hätte sie ihre Hand in die Dunkelheit gehalten, um in dem streichenden Ungewissen ihre Ablenkung zu finden.
„Dir ist kühl." Sie sah nur das Leuchten in der Klinge an ihrem Handgelenk. Sie konnte es nicht übers Herz bringen zu ihrem Freund zu sehen. Ihr Herz wog jetzt schon schwer genug, um ohne das Boot im Fluss zu versinken. „Stimmt."
Sie fühlte Wärme nah bei ihr, doch sie wagte nie sie zu berühren. Die Abwehr in ihrer Haltung war unverkennbar. Jack hielt seinen Abstand, nur sein Licht schien immer noch in die Dunkelheit, auf die sie weiterhin zu starren versuchte. „Du hast deinen Mantel abgegeben." Sie nickte.
Sie schaute in die Tiefe des Wassers, doch selbst ihr Spiegelbild konnte in dem warmen Licht nicht kühl und dunkel bleiben. „Dachte nicht, dass es so kalt werden würde." „Hättest du ihn Violett gegeben, hättest du es gewusst?" Shani sah auf diese Frage hin auf.
An der anderen Seite der Planken, nur wenige Meter weiter stand die Junge Frau. Ihr Mantel um ihre Schultern. Das einzige, was sie von ungewollter Berührung und Kälte abschirmte. „Ich glaube schon. Ich brauch die Wärme weniger als sie- Außerdem," fügte sie hastig hinzu. „mochte ich den Umhang nicht. Er war sehr unangenehm." Aber Jack überging die Ausrede mit einem Lächeln in der Stimme. Auch wenn Sorgen an seinem Ton nagten.
„Das ist doch Unsinn. Du brauchst Wärme genau wie alle anderen." Sie schaute auf und drehte ihren Blick das erste Mal zu ihm. „Und du nicht? Oder warum kannst du hier leuchten und deine Wärme einfach abgeben?" Sie bemerkte sie erst jetzt, wie weit Jack von ihr weg saß. Die Wärme und das Licht, die bei ihr ankamen, waren so stark, als säße er direkt neben ihr, aber er saß auf der anderen Seite der Bank.
Er fing also an zu lachen, mit einer Röte, die in seinen Wangen aufstieg. „Vielleicht sollte ich mich an meine eigenen Ratschläge halten, nicht?" Er wuschelte sich durch die Haare und Shani dachte gar nicht nach darüber nach, sie rutschte einfach zu ihm nach drüben. Einfach damit er seinen Lichtkegel nicht so groß halten musste.
„Vielleicht wäre das besser. Es braucht sehr viel Kraft um so zu leuchten wie du." Seine Augen weiteten sich und er rutschte dann auch näher zu ihr. Die Hände der beiden fanden zueinander und sie war sich absolut sicher, dass er sie hören konnte. Wirklich er. „Und du kannst nicht immer deinen Mantel abgeben. Du brauchst deinen Schutz doch auch selber."
„Er hat nicht gereicht um dich zu beschützen.Sonst bräuchtest du gar nicht...so zu sein." „Es war noch nie deine Aufgabe, Shani. Du... nun wir beide haben vielleicht etwas daran zu arbeiten."
Sie nickte und lächelte ihn an. „Vielleicht." Sie bemerkte kaum, wie er langsam seine Arme um sie Schloss und sie im Licht versank. Vielleicht hatte sie die Ruhe verdient.
Es überraschte Violett, dass sie das Schloss nicht schon von weitem hatte sehen können. Es erschien erst in der flirrenden Luft, als sie in der Flussbiegung ankamen, an der sich eine langer Anlegesteg ans Ufer schmiegte.
Ein großes, leuchtendes Schloss aus spiegelndem Stein ragte in der Landschaft auf. Shillernde Gärten aus gläsernen Pflanzen verwandelten das Ufer in ein stummes Feuerwerk über dem aber hunderte Glühwürmchen schwebten. Es war schön und still. Und sobald die Sonne aufgehen würde, würde die gesamte Schlossanlage so heftig zu strahlen beginnen würde, dass sie in den Augen brannte.
Sie wollte das auf keinen Fall miterleben, also wollte sie so schnell aus dem Boot steigen wie sie konnte, aber jemand hielt sie am Ärmel zurück. Marie blickte in die Richtung an der Shani saß. Violett fühlte sich, als hätte jemand sie in den Fluss geworfen. Shani sah anders aus. Wie der goldene Schein ihres Freundes, hatte sich ein silberner Glanz um sie herum gebildet und silberfarbene Markierungen auf ihre Haut gezaubert.
Sie wollte nicht in ihr Gesicht sehen. So groß war ihre Angst davor etwas anderes als Shanis neutrale Miene zu sehen. Doch sie sah hin. Das leichte Lächeln, das nach wie vor ruhig wirkte, war nicht so schrecklich wie erwartet, aber es war genug, für Marie, Alister und sie in der Bewegung einzufrieren. Alister versuchte einen Schritt auf sie zuzumachen, aber Marie packte ihn an der Schulter.
„Al, wir-" „Ich weiß. Ich... will nur sicher gehen, dass sie sich keine Sorgen um uns macht?" Violett spürte Säure in ihrer Kehle aufspülen, die sie nicht niederkämpfen konnte, kaum sah sie wieder zu dem strahlenden Schloss. „Ich glaube, dass das unser letztes Problem is."
„Hey wollt ihr auch mal aussteigen?" Die drei fuhren zu Jana herum, die mit ihren Händen an den Hüften bereits auf dem Anlegesteg stand. Das war wohl das Beste. So stiegen alle drei langsam aus und sahen zu Shani, die sie einfach weiterhin ruhig anblickte. Jack hatte einen Arm um ihre Schultern gelegt und winkte ihnen überschwänglich hinterher, aber auch Shani hatte ihre Hand behoben und bewegte sie in einer leichten Winkebewegung.
Der knirschende Kies unter den Stiefeln des Trios tönte unendlich laut, aber wenigstens spritzten die Steine nicht so sehr weg wie die, auf die Jana sprang. Sie alle drei waren unruhig. Natürlich waren sie das. Sie alle hatten panische Angst jetzt ohne Shani. Violett konnte sich nicht helfen als auf einer Ebene wütend auf ihre Freundin zu sein, aber nicht sehr und nicht lange. Nicht wenn sie sich an Shanis besorgte Blicke in alle Richtungen allzu klar erinnern konnte. Jetzt waren sie zu dritt allein. Und ihnen stand nur noch das Burgtor im Weg.
Marie ging inzwischen ganz vorne. Ihre Waffe ausgestreckt vor sich und ihre Augen entschlossen. In ihnen blitzte es immer wieder grün auf und Violett schlug ihre Augen nieder. Sie war nah daran zu kippen. Sehr nah. Violett versuchte nicht einmal mehr den Vorgang zu stoppen, als das Schlosstor aufbrach und ein gigantischer Golem aus Holz und Stein auf sie zustürmte. Luke oder der Geist hatte inzwischen herausgefunden, wie er Knöpfe drücken musste, um ihre Freunde von Violett weg zu brechen.
Alisters Augen wurden weit, als er zu Vio schaute. Er hatte gesehen, was passieren würde, aber auch er regte sich nicht, als Marie ihr Schwert nach oben riss und mit aller Kraft parierte und von Moment zu Moment mehr in ihre Fantasie aufbrach.
Violett rannte einfach los. Und Alister rannte ihr nach. Sie schaute nicht zurück, als sie an dem Gefecht vorbeischossen.
„Al, siehst du was?" Ohrenbetäubendes Krachen, dessen Welle Violett und Alister nach vorne und fast zu Boden stieß, erschallte, aber auch durch den Lärm hörte Violett Alisters geschriene Antwort. „Langer Gang! Irgendwas wird aus den Wänden kommen und, und," er schnappte nach Luft, während er sprintend zu ihr aufholte. „bleib einfach in der Mitte."
Sie hechteten gleichzeitig durch den Krater im Schlosstor. Violett hoffte, dass Alister nicht auch die Umrisse eines Herzens darin gesehen hatte.
Die Hallen waren hoch und die Gänge lang, aber keiner von beiden hatte den Nerv sie länger ins Auge zu fassen. Im Schloss selbst war es gleichzeitig weniger und mehr pink als draußen, aber auch das wollte Violett nicht sehen. Sie wollte einfach so schnell wie möglich weiter rennen. Denn auch wenn sie nicht wusste, wie das Schloss ausgebaut war, Alister tat es.
„Kannst du dich an meinem Arm festhalten?! Ich hab ne Idee!" Sie schaute zu seinem ausgestreckten Ärmel und kniff ihre Augen zusammen, als der alt bekannte Schauder sie durchfuhr. Doch der wurde rasant aus ihrem Kopf geschleudert, als sie wie nach dem ersten Berg einer Achterbahn nach vorne gerissen wurde.
Alister war auf einen der langen Teppiche gesprungen, der unter seinem Gewicht nach vorne gerutscht war und wo man normalerweise hätte stoppen sollen, setzte die Flammenwand ein, die aus Alisters freier Hand nach hinten schoss und ihnen beiden den Schwung gab weiterhin durch den Gang zu schießen.
Ihr Haar peitschte hinter sich durch die Luft aber ihre Krone löste sich nicht von ihrem Schädel. Das Ding war praktisch an sie dran geeist. Diese Vermutung bestätigte sich nur noch einmal, als Alister und sie mit einem Ruck gestoppt wurden, den Violett tief in ihren Knochen spürte.
Doch eigentlich war das falsch. Alister war gestoppt worden. Zumindest ein Großteil von ihm. Sein Arm, an dem Violett sich immer noch festkrallte schleuderte weiterhin nach vorne. Wenigstens ließ sie geistesgegenwärtig los und schlitterte noch einige Meter weiter.
Schnell raffte sie sich aus und sah auf zu einer Person, die Violett kaum wiedererkannte. Vicky hatte wieder lange Haare, zwei große, graue Mausohren ragten aus ihnen heraus und sie waren zu Zöpfen geflochten, aber es waren zweifelsfrei die langen Haare, die Vick abgesäbelt hatte. Violett wollte anfangen zu lachen, wäre es nicht so traurig gewesen.
Sie reib sich über die Stirn, aber hatte keine weitere Zeit sich zu sammeln. Sie war nur ein wenig mehr überfordert als Vicky, die versuchte sich an Worte zu erinnern, Alister auszufragen, der das Skript dieser Welt über den Haufen geworfen hatte. Sie stotterte vor sich hin und ihre Augen zuckten auf und ab.
„Vio, ich kümmer mich drum, du renn weiter. Am Ende des Ganges einmal scharf links. Okay?" Rief er ihr über die gepanzerte Schulter zu. Sie fuhr ohne eine Antwort herum und hastete dann den Gang weiter entlang. „Willkommen i.im Schloss am Horizont- d-er."
Violett trat in den Thronsaal. Aber es war nur ein Raum. Sie schaute auf. Nein, nicht mal ein Raum. Sie waren wieder Schulflur. Nicht ganz. Die Wände wirkten Gläsern und Sonnenstrahlen fielen durch den Kristall und warfen Lichtkleckse durch den gesamten Gang. Wie vor all den Stunden oder Tagen oder wie viel Zeit auch immer vergangen war zwischen ihrer letzten Unterhaltung mit Luke. Nur aufgehübscht und übermenschlich und falsch. Der Mantel, hatte sich ohne ihr zutun von ihren Schultern gelöst.
Diesmal war Luke vorbereitet und sie schutzlos. Die beiden standen voreinander. Um seine Schultern war ein flauschiger pinker Kragen gelegt und eine strahlende Krone saß auf seinem Haar, das von rosafarbenen Strähnen durchzogen war. Sein Lächeln war nicht starr aber es war übermäßig fröhlich und als er auf sie zutrat, gefror sie.
„Violett! Du bist hier." „Ja." Sie ließ ihre Schultern fallen und sah zu dem jungen Mann auf. Sie kniff ihre Augen zusammen, als Luke ihre Hände ergriff und sie anstrahlte. In seinem Kopf war alles wieder gut, aber Violett war sich über das Gegenteil bewusst.
Sie sah, wie der Schatten eines Geistes über die Wände huschte, aber Luke war ganz Luke. Und. „Was hast du mit meinen Freunden gemacht, Luke?" Er wirkte nicht mal überrascht, nicht mal für eine Sekunde. Er sah nur schuldig, erst zu ihr und dann fragend zu dem Schatten in Pink an der Wand. „Ich hab sie glücklich gemacht, Vi. Sie sind jetzt so wie sie sein sollten! Daniel ist der coolste Ritter, Alexander hat sich endlich mit seinen Freunden vertragen, Marie-"
„Nur- Luke. Du kannst das nicht einfach-" „Hab ich nich! Hab ich gar nicht. Das ist genau das was sie wollen! Ich weiß das!" „Nein, du hast einfach nur ihre Probleme unter den Tisch gekehrt, anstelle davon zuzulassen, dass sie sich mit ihnen beschäftigen!" „Aber sie sind glücklich! Und wir können auch glücklich sein!" Sie fühlte Finger an ihren Schultern, aber schaffte es nicht den Griff abzuschütteln.
Sie öffnete nur ihre Augen, wo es braun glänzte. Das war ganz Luke. Das war alles und ganz allein Luke. „Ich will so nicht glücklich sein! Ich will mit dir über unsere Probleme reden! Das... ist-" „Wir haben über unsere Probleme geredet und dann bist du weggegangen!" In seinen Augen fing es an zu schwimmen und sie versuchte sich wieder von ihm zu lösen, aber er hielt sie fest.
„Das war nicht richtig von mir, das stimmt! Ich hätte mich klarer ausdrücken können und wenn du willst, können wir nochmal reden." Er schaute sie verkrampft an. „Aber du willst immer noch, dass wir... weniger Sachen zusammen machen?" Sie nickte und versuchte ihr Gesicht nicht verziehen, als Lukes Griff um ihr Handgelenk blieb. „Ja. Das bleibt so. Wir können nicht 100% unserer Zeit zusammen verbringen." „Warum?" Er zog sie zu sich.
„Bitte lass mich los, Luke, dann können wir reden." „Aber dann gehst du!" Seine Stimme war heftiger geworden und die Panik hatte seine Augen überzogen wie ein Film. Trotz seines Zitterns und der offensichtlichen Angst, konnte Violett sich nicht helfen, als wütend zu sein.
„Wenn es dir recht ist, dass ich mich unwohl fühle, nur damit ich bei dir bleibe, dann bist du niemand bei dem ich bleiben will!" Luke zuckte zurück. Ein Schauer lief über seinen Körper und langsam löste er seinen Griff um ihre Schulter.
„Nein. Vio-" Violett hatte kaum bemerkt, wie erst Wolken aus ihren Hände ausgetreten waren durch die inzwischen leichte Blitze zuckten. „Ich hab es schon mal gesagt, Luke." Zwar aus anderen Gründen, aber der Übel, der in dieser ganzen Welt in ihr aufgestiegen war, unterstrich ihre Entscheidung noch einmal kräftig.
Ihre Hände krallten sich in ihren Rock. Sie hatten gesprochen. Er war in die Schule gekommen, um sie nach dem Treffen der Schülervertretung abzufangen und mit ihr zu reden. Er wollte wissen, warum sie ihm Dinge verschwieg, warum sie ihn vermied an so vielen Punkten und immer mehr und mehr um Daniel und die anderen Wächter herum war. Und natürlich hatte sie ihm nicht ehrlich antworten können, natürlich hatte sie ihm keine Geister oder Dämonengeschichten erzählen können.
Vielleicht war ihre Entscheidung nicht die richtige gewesen. „Violett- du kannst nein! Es, du hast das gar nicht so gemeint, oder?! Wir...sind immer noch Freunde." 'Wir sollten mehr Abstand voneinander halten, Luke. Ich kann gerade nicht mit dir umgehen.' Sie bereute ihre Worte, aber wie sie ihn vor sich sah mit seinen schüttelnden Schultern und dem pinken Dampf, der aus seiner Haut aufstieg und bebenden Händen, konnte sie die Entscheidung selbst nicht bereuen.
„Luke. Du hast keine Ahnung von meiner Welt im Moment und du hörst auf dem normalen Weg nicht auf! Bitte lass mich kurz in Frieden reicht nicht. Es passieren so viele Dinge, die du nicht verstehen kannst. Und ich halte das nicht in Kombination mit deinem ständigen Klammern aus!"
„Violett, bitte." Er fasste nach ihrem Handgelenk, versuchte einen Komfort durch eine Sanftheit zu vermitteln, die aus seinen Fingern troff, die über ihren Handrücken streichelten. Aber es sandte nur zuckende Würmer durch ihre Haut. „Nein!"
Blitze feuerten aus ihren Armen heraus und auf den Jungen in Pink zu, dessen Tränen inzwischen in Strömen über seine Wangen liefen. Violett sah nicht, was genau ihr Blitz getroffen hatte, denn in dem Gewitter aus Rauch und Blitzen, konnte sie gar nichts mehr sehen.
Violett wachte in einem Schlachtfeld auf. Mit Feinden wie brennende Tränen kurz vom übertreten und erdbebenartigen Kopfschmerzen. Sie starrte nur an die Decke. Während Chaos um sie herum herrschte. Sie sah wie sich pinker Dampf an der Decke sammelte. Ein Geist versuchte zu fliehen, aber graue Schwaden fingen das Pink in einem engen Gitter ein.
Sie hörte die Namen ihrer Freunde um sich herum. Einer sagte den der anderen. Die Emotionen in den Namen bildeten einen Regenbogen aus menschlichen Gefühlen. Sie war sich sicher sogar das eine oder andere Würgen zu hören.
Sie lag still. Die anderen Wächter hatten inzwischen gelernt sie nicht zu berühren.
Dann hörte sie ihren eigenen Namen. Obwohl Lukes Stimme heiser und zittrig war, war sie tief verzweifelt.
Violett schloss ihre Augen. Sie wusste immer noch nicht ganz was passiert war.
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