Meister des Roulettes
Sich an Träume erinnern war neu für Alister. Er wusste nicht unbedingt, ob er es mochte. Auf der einen Seite war es sehr interessant zu sehen, welche Teiler seiner Visionen am Ende in der Realität enden würden. Aber auf der anderen Seite entzündete jede Vision mit einem schlechten Ende Paranoia in seinem Herzen. Aus Angst, dass es wirklich passieren würde. Auch jetzt quälte ihn eine Art Vision. Ein dumpfes, dunkles Gefühl in seinem Kopf. Aber es war weitaus nicht genug, um ihn von einer anderen Emotion abzulenken. Diese war gigantische Nervosität. Wirklich. Größer als Janas Ego möglicherweise. Wie als Strafe für diesen Gedanken riss etwas plötzlich an seinen Haaren. „Hey, Aua! Anne, was soll das?!" Zischte er seiner Schwester zum, die ihn geraden mit einem Kamm malträtierte. „Deine Haare sind ein absolutes Desaster, Al. Wann hast du sie denn bitte das letzte Mal gekämmt?" „Heute Morgen!" Gab er genervt zurück und wurde dafür augenblicklich in den Bauch geknufft.
„Mit deinen Fingern zählt nicht." Sagte Michail und schaute Alister vorwurfsvoll an. Michail saß dabei auf dem Schoß seines Bruders und besah sich dabei die Klamotten, die er und Anne als angemessen befunden hatten. „Entschuldige bitte? Ich bin der Hygiene-Mann. Als ob ich mir die Haare nicht kämmen würde." Gab er zurück, wobei er nahezu beleidigt klang. Dann versuchte er Michail von seinem Schoß zu schubsen, der aber hielt sich fest wie ein Klammeräffchen und verhinderte damit Alisters Versuche. Dafür bekamen beide Jungen einen Schlag auf den Kopf von ihrer Schwester. „Halt endlich still sonst kann ich nicht schauen, welche Frisur die Beste ist!" Dabei klopfte sie immer noch ununterbrochen auf seine Schulter. „Hey! Hör gefälligst auf damit. Einmal: Du wirkst fast aufgeregter als ich! Es ist mein Date. Zweimal: Das Date ist erst in drei Tagen!" „Aber du musst perfekt aussehen. Weil, weil dann will sie vielleicht auch deine Freundin sein!" Mit großen Hundeaugen und vorgeschobener Unterlippe legte sie den Kopf auf die Schulter ihres Bruders. Er lächelte leicht und wuschelte seiner kleinen Schwester durch die Locken. Das half, Anne war sein kleiner Stressball, denn oh Himmel. Er war so unendlich nervös, auch wenn das Date wirklich erst in drei Tagen stattfinden sollte.
Denn immerhin war das seine erste Verabredung. Mit einem großartigen Mädchen. Er hatte selber zwar nie ernsthaft darüber nachgedacht, sich mit Daisy auf eine romantische Ebene zu begeben. Aber als sie ihn einfach gefragt hatte, gab es keinen Grund für ihn 'nein' zu sagen. Also hatte er die andere Option gewählt und ja gesagt. Sie lief das doch, oder? Ja, der wahre Fehler war es echt gewesen, seinen Geschwistern und seinem Vater davon zu erzählen. Sie machten ihn wirklich nervöser als er es eigentlich haben wollte. Außerdem hatten Anne und Michail den Plan gefasst, ihm zum aller hübschesten Jungen zu machen. Und dafür mussten sie erst mal einige Outfits und Frisuren ausprobieren. Aber das war gut, denn es lenkte ihn ab. Es lenkte ihn ab von einer zukünftigen Erinnerung. Futur 2 war endlich relevant für seinen Alltag. Jemand wird erschossen worden sein. Das Problem war nur, dass er nicht wusste wer genau dieser Jemand war. Er konnte den Personenkreis nur grob einschränken. Auf sieben Jugendliche um genau zu sein. Es war jedes Mal. Wenn er davon träumte, einer seiner Freunde, der von der verheerenden Kugel durchschlagen wurde. Und er konnte nicht aufhören darüber nachzudenken.
Es würde bald passieren. Das war klar und das hielt ihn inzwischen davon ab seinen Verstand anderen Dingen zuzuwenden. Es könnte jeden Tag soweit sein. Denn die Gedankenblasen waren nicht präzise genug, um wirklich festzustellen was wann passieren würde. Das Ahnen, das pure Ahnen, war das nervenaufreibende an der ganzen Sache. Wie ein Schleier, hinter dem ein Monster lauert, war diese Zukunft. Er konnte sehen, dass sich etwas regte. Aber er wusste beim besten Willen nicht, was es war und wann es ihn anfallen würde. Jana wusste von den Visionen, er hatte ihr schließlich versprochen, ihr von ihnen zu erzählen, wenn sie ihm zu dunkel wurden. Aber sie wusste nicht, wie sie ihm helfen konnte und ihm ehrlich zu sein, wollte Alister sie am liebsten möglichst weit entfernt von irgendwelchen Waffen wissen. „Mit ihrem Glück endet das im Bürgerkrieg," nuschelte er, während er ein wenig Desinfektionsmittel auf seinen Handflächen verrieb. Es war zwei Tage vor seinem Date mit Daisy. Das Mädchen sprudelte vor Aufregung nahezu über und er hätte das ganz sicher auch getan, wäre die Zukunft nicht kurz davor ihn gehörig zu ohrfeigen. Er mochte Daisy schließlich. Ja, sicher.
Zwischen den Gedanken eines Teenagers und denen eines Wächters hin und her gerissen, packte er seine Schulbücher in seinen Spind, bis er ein leichtes Kichern hörte. „Wer hat dir denn heute in den Tee gepinkelt?" „Das ist mit nicht voll an bewusst, aber ich weiß wer mir diesen drängenden Stich unter die Schläfe setzte." Während des Antwortens hatte er sich herumgedreht und sah Alexander jetzt direkt an. Mit einem Grinsen lehnte an einer der Wände. Er muster ihn von oben herab und besonders lang seine Haare. „Je weniger ich kapiere, was du sagst, desto pissiger bist du, nicht? Übrigens nette Frisur," sagte er mit einem Nicken.
Anne und Michail hatten seine üblichen offenen Haare zu einem Männerdutt geknotet und ihm unter Androhung von 'Ich sags Mama' verboten ihn zu lösen. Und da er ehrlich fand, dass es gut aussah, entschloss er sich dazu es als Kompliment zu nehmen. „Danke, Friseursalon A3 und M Martins." „A3?" „Archie, Alister, Anne drittes A in der Reihe." „Und bei Michail konnten eure Eltern euch dann nicht mehr auseinanderhalten?" Fragte Alexander, auch wenn er an der unnatürlichen Blässe auf Alisters Wangen bereits feststellen konnte, dass etwas nicht mit ihm stimmte. „Einmal: Wow, gute Aussprache für deinen ersten Versuch mit dem Namen meines Bruders. Zweimal: Mein Vater sagte, dass er und Mama die Batterie voll hätten." Alexander lache leicht daraufhin. „Rufen sie euch dann auch Tripel-A?" „Ach ja, von Zeit zu Zeit," winkte Alister ab, das Lächeln auf seinen Lippen zart und zerbrechlich. Es wirkte immer noch so unendlich angespannt und nervös und Alex gefiel das überhaupt nicht.
Also dann, direkte Konfrontation. „Hey, aber wirklich, was ist los? Du wirkst nicht okay, Alister." „Warum interessiert es dich, Alexander? Wäre mir ja neu, dass wir so krass aneinander kleben," nuschelte er und sprühte sich zum zweiten Mal Desinfektionsmittel auf die Hände. „Man muss nicht in der Mitte zusammen gewachsen sein, um sich umeinander zu sorgen," Alexander fühlte sich zwar versucht ein 'Al' hinzuzufügen aber ließ es dann trotzdem bleiben. Denn auch ohne den Spitznamen schien Alister ihm das ganze Ding nicht wirklich abzunehmen. Was wäre eine gute Ausrede für seine Sorge?! Denn: 'Sorry Al aber ich habe einen ausgesprochen dummen Crush auf dich, der aber wirklich, wirklich nicht besser wird' war nichts, was er sagen wollte. Gott verdammt. Komm schon Alex? Du kannst toll lügen! So viele Ausreden, wie er sich im Umgang mit seinen Freunden einfallen lassen musste. Auch wenn Alister cleverer war als John und Mark und sich mehr um ihn scherte als Mona und Rodger. Aber trotzdem könnte er es schaffen. Er könnte sicherlich überzeugend genug lügen.
„Wie soll ich es sagen? Hm, damit es besser in deinen Kopf geht: Es macht weniger Spaß Leute zu ärgern, wenns denen wie Dreck geht. Du solltest das am besten wissen." Er deutete bei diesen Worten wage auf sich selbst. Alister konnte sich nicht mal zu einem abfälligem Grinsen durchringen, er seufzte nur schwach und ließ seine Hände sinken. „Okay, okay hör mit zu. Ich sage dir das nur, weil es dich von allen am wenigstens interessieren wird." „Wenns dir nachts beim Schlafen hilft." Alex zuckte nur mit den Schultern, aber Alister störte sich nicht großartig daran. Er fühlte sich wie ein Luftballon, den jemand zu viel aufgepustet hatte. Alex hatte jetzt den Knoten gelöst und ein Luft- sowie Wortstrom waren nicht mehr zu bremsen. Alle Blocker waren gelöscht und die Worte schossen schneller aus Alister heraus, als er es kontrollieren konnte.
„Es ist schon seit einer Weile so, dass ich immer wieder diese eine Vision habe. Immer wieder die Gleiche. Ich und ein anderer von uns sind auf einem Dachboden. Wer auch immer mit mir dort oben ist," Alister stockte kurz aber sprach dann weiter. „Wer auch immer meine Begleiterrolle übernimmt wird auf diesem Dachboden eine Kugel abbekommen." „Oh." „Ja." Alister beugte sich vorn über. „Ich hab echt keinen Plan, was ich jetzt machen soll. Denn es wird passieren, so oder so. Also, wie lang soll ich mich noch hiermit rumquälen? Ich kann doch einfach alleine gehen, dann bring ich wenigstens keinem Anderen mit mir in Gefahr. Ich-" Alle Luft war raus. Alles war draußen. Er konnte sich nicht mehr darüber echauffieren, darüber aufregen. „Ich weiß nicht weiter, Alexander." Alex hielt für einige Momente still, auch wenn er nichts mehr wollte, als Alister irgendwie zu helfen. Er wusste wirklich nicht wie. Bis ihm eine gewisse Sache einfiel.
„Nimm einfach mich mit." Alister sah mit einem irritierten Lachen zu ihm auf. „Nur weil wir uns nicht so sonderlich toll verstehen, heißt es nicht, dass ich will, dass jemand dich erschießt." „Das ist sehr liebenswürdig von dir, aber das war nicht mein Punkt. Nein nein, ich uh ich glaub, dass ich meine Kräfte inzwischen gut genug im Griff habe, um die Schussbahn einer Kugel abzulenken. Es ist tatsächlich ziemlich einfach, wenn ich eine Flugbahn oder so habe." „Pff, echt jetzt?" Alister hob seine Augenbrauen. „Bist du so weit in die Matrix eingedrungen?" „Ich glaube nicht, dass das so funktioniert, aber ja, versuch mich mal mit was zu bewerfen. Du wirst nicht treffen. Und bevor du fragst: Nein, auch jemand, der werfen kann, würde nicht treffen," stellte Alex mit einem selbstsicherem Grinsen fest, während er seine Hände in seine Bauchtaschen steckte. „Was ist mit Shani?" „Auch sie nicht." „Hmhm." Alister nickte leicht. „Und du bist dir ganz sicher?" Während er das gesagt hatte, hatte er mit seiner vollen Kraft die Flasche mit Desinfektionsmittel auf Alex geschleudert. Der musste nicht mal seine Hände bewegen, um dafür zu sorgen, dass sie ihre Flugbahn änderte und in einer perfekten kreisförmigen Bewegung um ihn herum flog und präzise mit dem selben Schwung wieder in Alisters Händen landete. „So mein Lieber, es besteht die Möglichkeit, dass du einen Boomrang gekauft hast." Alister rollte mit den Augen, aber lächelte trotzdem etwas. Es schien Alex gar keine Mühe zu kosten, also konnte es vielleicht funktionieren?
„Okay, wir können es probiere-" Aber bevor er seinen Satz beenden konnte, legte sich ein Hebel um und aus sieben Wegen wurde einer. Eine Entscheidung hatte sechs Zukunftsversionen eliminiert. Abgeschnittene Möglichkeiten setzten den Fokus und damit strömten alle Erinnerungen aus der Zukunft in seinen Kopf und überflutenden seinen Verstand für einige Momente. „Uuunnd, kurzer Gehirn Aussetzer, ha!" Alister schüttelte seinen Kopf für eine Sekunde und bekam dann erst einen leicht verstört schauenden Alexander in den Blick. „Alles in Ordnung?" fragte dieser besorgt, woraufhin Alister schnell nickte. „Deine Zusage hat gerade nur ein paar Details auftauchen lassen. Ich weiß zum Beispiel, wo unser Dachboden ist." Er rieb sich die Schläfen und sog zischend die Luft ein. „Morgen Abend." „Morgen Abend?" Fragte Alexander leicht besorgt und war unbemerkt einen oder zwei Schritte näher getreten. „Jap, da wird es sein. Wir gehen dahin und dann taucht der Geist auf. Und dann-" Alister biss sich auf die Unterlippe. „Und dann werde ich die Kugel ablenken," sagte Alex, mit aufgespielter Selbstsicherheit. Vielleicht würde das reichen, um Alister etwas zu beruhigen? Das war sein Ziel. Er wollte ihm helfen und wenn er dafür ein bisschen den Clown spielen musste. „Ich hoffe du hast recht," sagte Alister mit einem leichten und nervösen Lächeln. „Es wird schon alles gut laufen." „Die größten Arschlöcher überleben den Film immer, nicht?" Alexander lachte, langsam, sehr ironisch und das brachte auch Alister zum leichten Kichern. Und damit war der junge Mann über sein Ziel hinausgeschossen, großartig.
Über den Kurs dieses und des nächsten Tages wurde Alex häufig und heftig mit Gegenständen in verschiedenen Größen beworfen. Von sieben verschiedenen Leuten. Am meisten von Alister und Jana und einmal von Maya. Er hatte auch ab und an so das Gefühl, als würden Leute ihn mit verrottetem Essen bewerfen wollen oder so, also war das großartig, wirklich. Aber naja, wenigstens hatte Maya ihn gelobt, wie gut er ihrem Stressball ausgewichen war, da er diesen nicht mit seinen Kräften umleiten durfte. Aber das breite Grinsen auf Mayas Gesicht, als sie ihm bestätigend die Schulter geklopft hatte, war ausgesprochen schön gewesen. Er fühlte sich ein bisschen akzeptierter und Janas Entschuldigung, als sie realisiert hatte, dass ein Werfen seitens Maya nichts bringen würde, war ebenfalls ziemlich nett. Es war mit ihnen allen abgesprochen und scheinbar war sogar Mister Cherleton okay damit. Zumindest schloss er das aus dem kleinen Stück Kreide, dass mit einer unmenschlichen Geschwindigkeit auf ihn geschleudert wurde, als er wie üblich als letzter aus dem Klassenraum schlurfte. Er hatte es zwar umgelenkt, aber auch das Ging sicherlich auf Janas Kappe. Die einzige Person, die er tatsächlich selber gefragt hatte, war Mariano. Was eine gute Entscheidung gewesen war, da ein Gespräch mit dem jungen alten Mann ihm endlich dabei geholfen hatte, einen klareren Kopf zu bekommen. Es war hilfreich mit Leuten zu reden, die wussten, was abging und wie man mit Geistern umging.
Also ja, nach einem Pep-talk seitens Mariano, einen Haufen Übungsablenkungen und einer Lüge, warum er heute keine Lust hatte mit seinen Freunden abzuhängen, standen Alexander und Alister vor dem Zweifamilienhaus. Obere Wohnung und Dachboden standen leer und es war jetzt ihre Aufgabe einen möglichen Grund für das zu finden und auszuschalten. Alexander sah mit einem leisen Pfiff nach oben, wo sich eine von diesen komischen Metalltreppen um das Haus schmiegte. „Das Ding sieht aus, als könnte es jede Sekunde zusammenbrechen," mit diesen Worten kickte er leicht gegen dieses Gerüst Dings, was es zum dezenten Zittern und zu einem leisen Klang brachte. „Und du trittst dagegen, weil du heute zwei Lebensgefahren abwehren willst?" Alister stellte sich mit in den Nacken gelegten Kopf neben den größeren jungen Mann. „Du hättest mich doch sicher gewarnt wäre es richtig gefährlich geworden, Mr. Lebendes Warnsystem." „Ich bewundere dein Vertrauen in mich." „Du stehst zu nah an mir dran, um mich unbedacht was dummes tun zu lassen. Das ist höchstens Vertrauen in deinen gesunden Menschenverstand," gab Alex zurück, woraufhin Alister mit den Schultern zuckte. „Ich werde dich gleich was Dummes tun lassen. Das es bedacht ist, macht es nicht viel besser. Warum klingt es so, als wäre ich dein Kindergärtner?" „Weil du Minderwertigkeitskomplexe hast, weil du unser Jüngster bist und das irgendwie kompensieren musst?"
Alister ignorierte ihn immer noch beleidigt, als die beiden zusammen die Treppen nach oben liefen. „Und? Neue Visionen," fragte er und sah zu Alister, der schmollend und trotzdem nervös die Treppen neben ihm hochsprang. Er musste springen, um mit Alex schnellem Schritt mitzuhalten. „Je öfter man mich fragt, desto unwahrscheinlicher wird's. Okay? Visionen sind Seifenblasen und du machst sie kaputt, wenn du fragst." „Ohh..." „Aber sei glücklich, gerade war keine Seifenblase am Steigen. Ich bin nur einfach so genervt von dir." „Ah, das freut mich." Sie hatten gerade die leerstehende Wohnung im ersten Stock passiert und die Tür zum Dachboden tauchte in ihren Blickfeld auf. „So, ich sehe jetzt auch die Zukunft," sagte Alex, in der Hoffnung, dass Alister wirklich mit ihm reden würde. „Alexander, ich bin genau so nervös wie du. Aber wenn du sagst, dass du siehst, dass wie diese Tür passieren würden, dann schwöre ich, dass ich dich durch diese Tür werfe und dann selber ein Rad dadurch schlage, nur damit du falsch liegst." Alexander begann zu lachen, grinste fröhlich vor sich hin und bekam wieder dieses blöde Gefühl in seiner Brust. „Deine Motivation dummes Zeug zu tun, um zu beweisen, dass ich falsch liege, ist bewundernswert." „Mein gesamtes Ich ist bewundernswert." Die beiden kamen bei der Tür an.
„Wohl wahr," sagte Alexander leise und sah zur Seite. „Hey, sei nicht nett zu mir. Sonst wirkt es, als würdest du gleich sterben." Alex öffnete die Tür ohne das zu kommentieren. Was Alisters Nerven nicht im geringsten half. „Nicht sterben, okay?" Sagte er und zupfte kurz an Alexanders Ärmel. „Hey, mach dir keine Sorgen um mich. Sonst wirkt ja es, als würde ich gleich sterben," gab er zurück, sah Alister kurz lächelnd an und trat dann über die Schwelle. „Ja. Ich mach mir keine Sorgen, he," Alister folgte ihm schnell, zog eine Art Keil aus seinem Rucksack und sorgte damit dafür, dass sie Tür offen blieb. Dann trat er auch durch die Tür und folgte Alex auf den Dachboden.
Die Luft war muffig und kühl. Alexander atmete ein und er fühlte nahezu wie minimale Staubpartikel sich in seine Lunge setzten. „Hier wurde echt lange nicht mehr geputzt, oder?" fragte er in den Raum und drehte sich im Kreis. Seine Turnschuhe zogen leichte Linien im Staub auf dem Boden. „Danke, dass du mich daran erinnerst. Du tust mir wirklich gut damit," sagte Alister, der ein Bedürfnis hatte, sich selbst mit Desinfektionsmittel einzusprühen. „Oh tut mir leid." Alex lief weiter im Raum herum. Die Decke war recht niedrig aber trotzdem war der Dachboden ein weiter Raum. Mehr Platz für Staub und Spinnen. Alister lief die Wände des Raumes ab und versuchte die Bilder der Realität und die Bilder der Zukunft auseinanderzuhalten. „Hallo? Ist irgendjemand hier?" fragte er mit einer zitternden Unterlippe und dem Willen endlich fertig mit dem blöden Ding zu werden. „Ja, nicht so schüchtern, geistige Präsens. Wir sind Al und Alex-" „Alister und Alexander." „Jaja, wie er sagt.Trotzdem! Wir würden gerne wissen, wer du so bist." „Es wäre mir neu, dass der Geist dir das Du angeboten hat," zischte Alister ihm zu, woraufhin Alex ihm schnell in die Seite boxte. „Es war mir neu, dass du einen so gigantischen Stock im Hintern hast." Alister boxte ihm jetzt auch gegen die Schulter. „Es ist mir nicht neu, dass Alexander total bescheuert ist." „Es ist mir nicht neu, dass Alister eine absolute bitch ist."
„Ich habe mich schon gefragt, wann ich endlich mal Besuch bekommen würde. Und 'Du' ist schon in Ordnung. Es gibt keine Ehre zu verteidigen mit diesem Geist, ha." Mit einem verstörenden Grinsen war eine große, breite Gestalt erschienen, deren Fingernägel sich unangenehm tief in die Schultern der beiden jungen Männer gruben. Lehmbraune Gestalt mit unkenntlichem Gesicht, ein dicker Mantel und struppige Haare. „Ah, da sind sie." Alister starrte mit einem nervösen Lächeln in die Stille. Der Mann, der seine Freunde schon unzählige Male erschossen hatte, fasste ihn gerade an. Er hasste das so unfassbar sehr. Lass mich sofort los. Er zitterte heftig, aber er war weitaus zu erstarrt in diesem Moment, um was gegen diesen Kontakt zu machen. „Alister mag seine Ehre allerdings sehr. Also bitte Geist, lass ihn los. Er ist nich so die Person für fremde Leute Anfassen. Einfach nicht sein Ding." Alexander imitierte das Lachen des Geistes und warf ihm dann ein blendendes Grinsen zu. Dazu machte er eine Geste, die aussah als würde er lästige Fliegen verscheuchen. „Eine wertvolle Lernerfahrung wird es dann wohl für ihn sein," gab der Geist zurück, klopfte Alisters Schulter, aber ließ ihn dann doch los. Alex Schulter behielt er jedoch im Griff. Seine Reaktion darauf war es, seine Hand auf die des Geistes zu legen und ihn ausgesprochen verstörend anzugrinsen.
Alister fühlte sich versucht dezent zu kichern, aber er hielt sich dann doch zurück. Das war jetzt mehr oder weniger Alex Ding. Er konnte kaum etwas tun und dem anderen jungen Mann die Kontrolle zu überlassen, war ausgesprochen gruselig, irgendwie. Es war eine Mischung aus fehlendem Vertrauen und ehrlicher Sorge um Alexander. Aber immerhin hatte er das eben auf die Reihe bekommen und nicht mehr von diesem verdammten Geist angefasst zu werden war ausgesprochen gut. Alister sah zu dem Geist im Mantel nach oben und ein sehr gut erklärbarer Hass schäumte in ihm auf. Der Geist grinste Alexander immer noch an. „So," Alexander machte ein Popgeräusch mit seinen Lippen und hatte dieses feine Lächeln auf ijnen, was Alister früher zur Weißglut getrieben hatte. Aber jetzt war es auf seiner Seite und dass er wusste wie wirkungsvoll es war, verpasste ihm eine richtige Welle an Euphorie. Fühle die Wut, dass 'Er grinst so blöd' kein valides Argument war, jemandem ins Gesicht zu schlagen! HA! „Wir sind hier. Du sehnst dich ja nach Besuch, Geist." Alexander betonte das T, dass es so klang, als würde der Deckel von einer Flasche gelöst werden. „Was willst du jetzt tun, wo du bekommen hast, was du wolltest?" Alexander war eine sehr provozierende Flasche und Alister war niemals stolzer auf ihn.
„Nun, was macht man so wenn man nette Gesellschaft hat?" Fragte der Geist sich selbst und legte seine freie Hand an sein unklares Gesicht. „Wie wäre es, wenn ich meine Freunde frage? Die Schatten sind kein guter Platz mehr für sie." Der Mann trat zweimal mit der Schuhspitze auf den Boden und nur das Lächeln auf seinem Gesicht war klar erkennbar. Es wurde breiter. Den Kontakt mit Alex Schulter behielt er immer noch bei, was dem jungen Mann alles andere als angenehm war. Aber er würde es aushalten. Alister konnte die Präsens des Geistes inzwischen nicht mehr wirklich aushalten, aber er konnte eben auch nichts tun, als ein paar Schritte Abstand zu nehmen. Also tat er genau das und entschuldigte sich mental so häufig dafür bei Alexander. Er konnte es kaum fassen. Wie hielt er diese Nähe nur aus? Wie auch immer, die Entfernung, die er mühsam zwischen sich und den Geist gebracht hatte, war nur wenige Sekunden später nichts mehr wert. Denn aus den Schatten wuchsen zwei Gestalten hervor, beide in blassen Brauntönen. Einer der beiden Schatten übte einen Druck auf Alisters Rücken aus, der ihn dazu zwang wieder an den Geist heranzutreten. Woher kamen die denn jetzt?! Er hatte noch nichts von diesen Schatten gesehen. Plötzlich fühlte er sich noch ein ganzes Stück unsicherer bei dieser ganzen, blöden Sache. Er wollte Alexander einfach von hier wegziehen und nie wieder zurückkehren.
Aber als der hellere Schatten ihn ein bisschen nach vorne stieß, sodass er vornüber gebeugt vor Alex und dem Geist stehen blieb, wurde ihm klar, dass er nicht mehr hier weg konnte, ohne sich den Weg freizukämpfen. Und einen Kämpfer hatte man mit ihm nicht im Team. Also biss er sich auf die Zunge und hoffte, dass Alexander es besser schafften würde als er. „Also, seine Freunde." Alexander machte eine herausfordernde Geste in Richtung der Schatten. „Was sind eure Vorschläge?" Der Hauptgeist lachte und klopfte die Schulter des jungen Mannes. Dann machte er eine Geste, als würde er einen offenen Tab auf Google wegwischen, woraufhin der dunklere Schatten zu sprechen begann. „Burschen! Burschen, sag ich, seid ihr. Und wir sind es auch. Also lasst uns spielen mit Karte und Becher und sehen wer am ehesten Erwachsen ist!" Er stieß beide Arme in die Luft und der andere Schatten machte ebenfalls zustimmende Gesten. Der Geist selbst gestikulierte nicht und an seiner nicht vorhandenen Miene war auch nicht zu erkennen, was er vom Vorschlag seiner Kumpanen hielt. Alister und Alex warfen sich kurz einen Blick und dann ein Nicken zu. „Also ich finde, dass klingt nach einer hervorragenden Idee. Und was halten sie so von der Idee ihrer Freunde?" Um zu seinem provokanten Ton zu addieren klopfte Alexander dem Geist auf die Schulter und grinste dazu noch dieses unerträgliche Grinsen.
Der Geist zog seine Schultern nach oben und sagte in einem Ton, der nicht verriet wie schlimm genau Alexander ihn aufregte: „Natürlich finde ich sie großartig. Und ganz besonders interessiert es mich wie gut ihr zwei Grünschnäbel mit uns mithalten könnt!" „Seid ihr nicht selber noch Burschen?" „Es gibt einen unterschied zwischen Krabbeln und Kriechen, wenn du mich verstehst. Aber dass du es tust bezweifle ich." Mit einem Lachen schritt der Mann zwischen seinen beiden Schatten hindurch und vollführt eine Wischbewegung mit seinem Arm woraufhin Staub aufwirbelte und einen Schatten artigen Tisch formte. Dabei fiel Alister eine Sache auf. Die Gestalt des Geistes hatte ein bisschen an Masse verloren. Und hätte Alister ein mathematisch perfektes Auge, wie sein Mathelehrer von sich behauptete, dann hätte er feststellen können, dass die Masse die vom Geist fehlte genau die des Tisches war. Während sich der Geist und seine Schatten am Tisch niederließen, trat Alister zu Alexander hin und grinste ihm leicht zu. „Du legst es echt darauf an erschossen zu werden." „Tja, der Geist soll schließlich keine Gewissensbisse deshalb haben." Alister lachte leicht, knuffte Alexander in die Seite und ging dann mit ihm in Gefolge auf den Tisch zu.
Die Stühle, auf denen die beiden sich niederließen entstanden praktisch Sekunden bevor sie saßen. Sie saßen nebeneinander. Der Geist vor Alister, dunklere Schatten vor Alexander. Der hellste Schatten saß an der Kopfseite des Tisches, er war gerade am Mischen. Die Karten schossen zwischen seinen Fingern hin und her, schnell und präzise und ab und an warf er eine Karte in die Höhe, nur um sie mit einem leichten Kichern zu fangen und wieder in den Stapel einzufügen. „In welchem Spiel treten wir denn heute an?" Alex beugte sich nach vorne und stellte beide seine Ellenbögen auf den Tisch. Aber der Geist schaute nicht zu ihm, als er antwortete. Oder zumindest hatte er seinen Kopf zu Alister gedreht, als er antwortete. Was zweifellos die bessere Person zum anschauen war, aber vielleicht sah der Geist auch nur zu ihm, weil er Alex ins Gesicht schlagen würde, wenn er ihn noch weiter anschauen müsste. Verständlich wäre das auf alle Fälle. Aber der Geist hatte es wohl auch verdient. „Räuber Rommé," der Geist machte drehende Bewegungen mit seinen Fingern und legte seinen Kopf zur Seite. „Ihr kennt die Regeln?" Alister nickte knapp, aber Alex schüttelte leicht den Kopf. „Nein." „Okay, lass mich es dir erklären," sagte Alister und zog Alex dann zu sich runter, da er auf keinen Fall die Geister um Hilfe fragen wollte. Alexanders Gesicht wurde sofort leicht rot aber er wollte sich diese Schwäche nicht geben.
„Okay. Du weißt wie normales Rommé funktioniert, oder?" „So wage?" „Gut, beim Räuber Rommé darfst du Karten neu zusammenlegen und Sachen verschieben wie du willst, wie normalerweise nur die Joker, okay?" „Okay! Und wir legen es darauf an zu gewinnen, nicht?" „Korrekt. Irgendwas wird passieren, wenn wir sie weit genug reizen." „Gut, dann lass uns rausfinden, was es sein wird." Mit einem breiten Grinsen drehte Alexander sich wieder nach vorne und Alister konnte nicht anders, als diesen dämlichen Mut zu bewundern. „Und? Ist eure Unterredung vorbei?" Fragte der Geist und lehnte sich in seinem Stuhl zurück, während der dunkle Schatten immer noch größtenteils regungslos blieb und der helle endlich mit Mischen fertig war. „Oh ja das ist sie allerdings. Wir sind absolut bereit euch zu besiegen." „Genau." Alister legte seine Fingerspitzen aneinander und lächelte den Schatten zu. „Dann möge das Spiel beginnen!" Rief der helle Schatten aus und fing an die Karten in einer unheiligen Geschwindigkeit auszuteilen. Und dann fing die Partie an. Und so viel Glück auch ausmacht beim Kartenspiel, in die Zukunft schauen zu können war doch ein gigantischer Vorteil. Alister nutzte diesen Vorteil, sodass so gut wie jede Runde an Alexander oder ihn ging. Bis der Geist irgendwann frustriert mit den ständigen Verlusten wurde und zum nächsten Spiel steigen wollte.
Nach Rommé kam Lügen, nach Lügen kam ein Hütchenspiel, danach Doppelkopf, danach Black-Jack und immer mehr und mehr Spiele wurden es, während all dem stieg mehr und mehr Rauch in dem Raum auf. Die Atmosphäre wurde intensiver und gedrückter. Der helle Schatten sank immer mehr auf den Tisch, aber sie schien den dunklen Schatten zu beleben. Seine Bewegungen wurden ausgelassener und er sagte endlich das ein oder andere Wort. Der Geist selbst saß immer noch da und fühlte sich wahrlich als den Überlegenden in dieser Situation. Auch wenn er so gut wie jedes Spiel verlor. Doch auch von ihm wuchs die aggressive Aura, die der ganze Raum langsam bekam. Staub wirbelte auf dem Speicher, das wenige Licht, was durch das eine Fenster fiel wurde gebrochen und flackerte von Sekunde zu Sekunde mehr. Alister und Alexander machten weiter wie zuvor, aber ihre Angst quetschte ihre Kehlen mehr und mehr zu. Die Karten wurden aggressiver aufs Schattenholz geknallt, der dunkle Schatten bekam mehr und mehr Kontur. Bis Alister erneut eine Reihe Karten auf den Tisch legte und damit mal wieder gewann. Plötzlich sprang der dunkle Schatten auf und deutete auf Alister. Die Stimme, die danach durch den Raum drang war kratzig und rau, aber ein Funke an Energie lag in ihr.
„Wunderjunge! Du, dem die Karten günstig sind. Ich will dein ewiges Glück testen!" Und auch, wenn das Alisters Ego durchaus streichelte, blieb er auf der Hut. Der Geist hatte seinen Kopf in Richtung des dunklen Schattens gedreht, seine Haltung war besorgt. „Ja, wie willst du mich testen?" Fragte Alister und seine Stimme zitterte ganz leicht. Alex Hände waren zu Fäusten geballt und er fühlte die Nervosität in seinem Herzen. Der Schatten warf seine Hände nach außen und fing an ein kratziges Lachen zu lachen. Der helle Schatten lag platt auf dem Tisch. „Es ist er! Der finale Test! Ich will sehen wie sehr du im Glück liegst! Sag mir, Alister, glaubst du, du bist glücklich genug, dich russischem Roulette zu stellen?!"
Oh, oh nein. Das war es also. Das war der Schuss. Er sah mit einem panischen Blick zu Alexander. Alex sah zurück und auch sein Blick war ausgesprochen nervös. Nicht mal der könnte eine Kugel ablenken, wenn sie direkt an seiner Stirn abgefeuert wurde. Aber die beiden jungen Männer waren nicht die einzigen, die total aufgewühlt waren von diesem wahnsinnigem Vorschlag. Auch der Geist selbst war geschockt von ihm. Er hatte sich erhoben und sah den dunklen Schatten schweigend an. Seine Gestalt zitterte. Seine Hände zitterten. In der Gestalt schienen die Farben aufgewirbelt worden zu sein. „Nein! Wir können das nicht tun." „Komm schon Andrick! Du bist doch sonst immer unser erster für so was. Ich will es sehen und du willst es doch auch sehen." Der dunkle Schatten ging um den Geist herum, seine Gestalt waberte und ein Strang des Schattens schien gegen die Jackentasche des Geistes zu flicken. Die Brust des Geistes hob und senkte sich panisch, aber als der dunkle Schatten ihn mit einem Lachen in die Seite stieß, glättete er seine Kleidung und sah an die Decke. „Alister, wie gut sind deine Reflexe?" „Sie sind okay?" „Glaubst du, dass du an schlechten Gefühlen feststellen kannst, ob die Kugel in den ersten zwei Kammern sind, nachdem du die Trommel gedreht hast? Und sie stoppen, wenn es nicht da ist?"
Alisters Augen weiteten sich, ein breites Lächeln erschien auf seinen Lippen. Er ließ einen Atemzug laut aus seinen Lungen weichen. Dieses breite Grinsen verpasste Alex' Herz einen kurzen Aussetzer, aber er redete trotzdem weiter. „Hör auf so doof zu grinsen und sag mir, ob du das kannst oder nicht, diese Besprechung darf nicht mehr lange dauern." „Ich glaub schon." „Gut dann vertrau ich mal auf deine Fähigkeiten." Alister konnte immer noch nicht anders als grinsen und dann klopfte er Alexander auf die Schulter. „Und jetzt mach dein Ding." Alexander räusperte sich und klimperte mit den Wimpern in Richtung Geist, der immer noch vom dunklen Schatten eingesponnen wurde. „Ja Andrick, wir sind bereit uns diesem Spiel zu stellen. Und ich hoffe du bist es auch. Du willst den Vorschlag deines Freundes doch nicht etwa ablehnen, oder?" Der schwarze Schatten lachte auf und er wedelte mit seiner Hand in Alex Richtung. „Schau an! Schau an! Er wäre dabei! Koooomm schon Andrick!" Der helle Schatten meldete sich nun auch zu Wort. „Ich will das nicht wirklich..." Aber Alexander und der dunkle Schatten ignorierten den Punkt komplett und auch Andrick und Alister sagten nichts zu dem Einwand. Vor allem, weil die Worte des Blonden und der wabernden Gestalt den Geist immer weiter aufstachelten. Der Staub wirbelte heftiger, Alister machte sich bereit die Zukunft durch offenere Filter in seinen Kopf zu lassen, der helle Schatten schlug seinen Kopf auf den Tisch. Das Licht flackerte, Anspannung und Aufregung schäumte auf, bis der Hauptgeist seine Hand mit voller Wucht auf den Tisch knallte.
„GUT!" Das Wort schallte durch den Raum und augenblicklich sank der Staub zu Boden. Seine Stimme war überspannt und Verzweiflung klang in ihr mit. „Gut," wiederholte er in einer zitternden, ruhigeren Stimme. „Russisches Roulette also," wisperte er und alle Luft schien aus ihm gewichen. „Es wird meinetwegen gespielt, deshalb...deshalb lasst mich drehen." Alisters Stimme zitterte ganz genau wie die des Geistes, aber er würde es Schaffen, dass sein Finger es nicht tun würde. „Andrick los! Gib ihm deinen Revolver! Auf geht es, er ist noch so neu und er soll endlich Blut lecken!" Der Schatten lachte, warf seinen Oberkörper zurück und machte eine Bewegung, als würde er schon im Vollrausch ein Glas an seine Lippen führen. „JA Andrick!" Alexander sprang mit einem überzogenen Lachen auf und starrte den Geist aus seinen dunkelbraunen Augen an. „Wir warten!" Mit einem wütenden Knurren riss der Geist einen Revolver aus einer Tasche, die zuvor nicht dagewesen war und schob ihn über den Tisch zu Alister. Der Gegenstand des Geistes schlitterte mit einem leichten Kratzen über den Tisch. Alister sah mit einem nervösen Schlucken auf den Revolver. Seine Hände zitterten. Er hob die Waffe auf. Seine bleichen Finger klammerten sich um den Griff des Revolvers und Augen klebten auf dem Lauf. Ich werde das jetzt also wirklich machen.
Er legte seinen Finger an die Trommel. „Eine Kugel ist drin?" Fragte er, woraufhin Andrick leicht nickte. Er wollte nicht zu Alex sehen, aber trotzdem hatte er einen Einfluss auf ihn. Plötzlich fühlte er eine sachte Berührung auf seiner Hand. „Du kriegst das hin," wisperte er leise und strich ihm kurz über den Handrücken. Alister atmete aus. „Ja, ja du hast recht. Ich bekomm das hin," Alister drehte die Trommel mit geschlossenen Augen. Er vertraute wieder einmal auf seine Intuition und genau als sein Gefühl ihm sagt, dass alles okay war drückte er seinen Finger nach unten und stoppte die Drehung der Trommel. Er öffnete mit zittrigem Atem die Augen. Die Waffe lag so friedlich in seinen Händen wie es eine Waffe konnte. „So, und jetzt geht es los," flüsterte er in die Stille. Alle nicht vorhandenen Augen lagen auf ihm. Euphorie, Anspannung, Furcht und dann war da Alexander. Er sah kurz zu ihm. Zuversicht. Alister atmete ein. Dann hob er die Waffe zu seiner Schläfe. Blut rauschte in seinen Ohren. Es fühlte sich an, als würde er jeden einzelnen Quadratzentimeter Haut ganz genau fühlen. Er wusste, dass nichts passieren würde! Aber der Angst war das egal. Sie strömte weiterhin nur so durch ihn. Sie schrie ihn an, als er seinen Finger zum Abzug führte. Hör auf Alister! Hör auf! Aber alles wurde still und flaute ab, als er den Abzug drückte und nichts geschah. Nur ein leises Klick.
Er saß nur da. Immer noch zitternde Glieder, den Lauf an seine Schläfe gepresst. Sein Mund war offen und sein Atem erfüllte den gesamten Raum. Hätte ihm jemand einen Eimer mit eisigem Wasser über den Kopf gekippt, er hätte es nicht mal gemerkt. Er war so tief im Moment, alleine hätte er kaum herausgefunden. Zum Glück war Alexander herausragend gut damit ihn zu finden und wieder an die Oberfläche zu ziehen. „Hey." Alexander legte seine Hand auf Alisters und zog den Revolver langsam von seiner Schläfe Weg. „Ich glaub ich bin dran mit der Waffe," während Alexander Alisters Finger langsam und zart vom Griff der Waffe löste, strich er mit seinem Daumen über den Handrücken des jungen Mannes und lächelte ihm beruhigend zu. „Alles gut, alles ist okay du hast es überstanden." Alisters Hände hielten nichts mehr und waren nur noch sacht gekrümmt. Erst jetzt hörte er die leisen Stimmen der Schatten und des Geistes, aber es gab nichts zu verstehen. Alister fühlte wie seine Hand plötzlich langsam auf den Tisch gedrückt wurde. Er blickte zu Alexander, der dafür gesorgt hatte, dass seine Hand jetzt platt auf dem Tisch lag. „Gestatte mir dafür zu sorgen, dich nicht vor Panik verspannt sehen zu müssen. In Ordnung?" Alister nickte leicht und legte jetzt auch seine linke Hand auf die, die gerade die Waffe gehalten hatte.
„Und Alister hat erneut gewonnen! Sehen wir uns an, wer von uns verlieren wird." Der dunkle Schatten lehnte sich mit einem lauten Lachen zurück und dafür drehte der Geist seinen Kopf zu ihm. „Ich bin mir sehr sicher, dass auch ich gewinnen werde." Jetzt war es Alex auf den das nicht vorhandene Gesicht gerichtet war. „Du scheinst ja selbstsicherer zu sein, als dein Freund." „Sicher bin ich das." Mit einem leisen Pfiff legte sich Alexander den Lauf an die Schläfe. Kurz sah er zu Alister und grinste. Er hatte keine Angst. Er ignorierte die Gefahr der Situation komplett und drückte mit einem selbstsicheren Grinsen ab. Es klickte. „Hach ja, hier sind wir wieder. So und jetzt seid ihr dran." Mit einem leichten Lachen, hielt der Junge dem hellen Schatten den Revolver hin. Und nur Alister bemerkte, dass Alex Hand zitterte. Und nachdem der hellere Schatten mit schüttelnden Schultern den Revolver angenommen und der blonde Mann seine Hand wieder zurückgezogen hatte, nahm Alister diese Hand und drückte fest. Es war halb um ihn selbst zu beruhigen und halb für Alexander. Aber Alexander half das wahrlich nicht beim Runterkommen. In seinem Kopf war gerade ein Teekessel am abgehen und es gab gerade wichtigeres.
Die Hände des hellen Schattens zitterten abartig heftig, er hatte seinen Kopf flehend zu Andrik gerichtet, schluchzende Geräusche drangen aus ihm hervor, aber trotzdem presste er sich die Waffe an die Stirn. Der Geist selbst hatte sich noch weiter angespannt, aber auch er tat nichts, um zu verhindern, was passieren würde. Der Staub hatte sich wieder erhoben. Die Atmosphäre war auch wieder in die angespannten Höhen aufgestiegen. Und dann mit einem finalen Aufschluchzen drückte der Geist ab. Es knallte. Es war gleichzeitig lauter und leiser als es ein Pistolenschuss sein sollte. Aber danach war alles still, während der hellere Schatten zu Boden sank. Der Druck, den Alister und Alexander auf die Hand des jeweils anderen ausübten, stieg. Jetzt fand auch Anspannung auf Alexanders Gesicht platz. Er war so wenig von einer Tragödie entfernt? Sein Atem zitterte, aber das war nicht die heftigste Reaktion im ganzen Raum. Der Geist selbst stürzte zu Boden und zu der Gestalt. Alles war aufgewühlt, unordentlich, aber Alexander und Alister konnten nicht wirklich sehen, was genau geschah. Sie waren gefühlt am Platz festgefroren.
Die Ohren der beiden klingelten noch vom Schuss und es war kalt. So unendlich kalt. Die beiden sahen einander zitternd an. Es war vielleicht nicht real, aber die Gefühle waren trotzdem hart genug aufgebauscht worden, um den zwei den Herzschlag bis zum Maximum zu erhöhen. Und während Andrick beim Schatten kniete, dessen Gestalt sich immer weiter verflüchtigte, wurde sein Körper geschüttelt von irgendwas in seinem Kopf. Er kniete vornübergebeugt auf dem Boden und je heftiger er atmete, desto mehr Staub wurde zu ihm angezogen. Mit dem hellem Schatten begannen sich auch der Tisch und die Stühle aufzulösen. Die Gestalt des Geistes schwoll an und sein Körper wurde von heftigen Krämpfen geschüttelt. Alister, Alex und der dunkle Schatten, der immer mehr und mehr Gestalt bekam, hatten sich erhoben. Die jungen Männer klammerten sich immer noch aneinander, während der Geist einen Schmerz zu erfahren schien, den die anderen einfach nicht verstanden. Am aller wenigsten der dunklere Schatten. Er presste sich seine groben Hände an den Kopf, die ganz klar behandschuht waren. Er lachte laut und bog seinen Überkörper weit nach vorne und zurück. Es schien als würde ihn das scheinbare Verblassen des hellen Geistes nicht im geringsten scheren.
„Der glückliche Alister und der furchtlose Alexander! Was für lustige Gestalten haben sich hier heute versammelt! Dein Glück scheint wirklich nicht zu enden! Aber kann Angst in dir beginnen Alex?!" Immer tiefer schien der Geist in seinen Rausch hineinzugeraten. Alister fühlte, dass diese eine Zukunft näher kam. Es kam immer näher. Der Geist schlug seine Faust auf den Boden, aber es stoppte den dunklen Schatten nicht im geringsten. Er krümmte seine Finger und vergrub sie in seinen Haare. „Lass Andrick auf dich schießen, Alexander! Zwei Kugeln in der Trommel! Du kannst es überstehen!"
Oh... das würde also passieren. Wenn jemand anderes schießen würde, dann könnte der junge Mann die Kugel sicher ablenken. Die Gedanken klangen zwar hol in Alisters Kopf, aber er konnte sich nicht davon stoppen sie immer wieder und wieder zu wiederholen. Das war das einzige, was ihn davon abhielt sich an Alex' Arm zu klammern und ihn sofort von diesem Dachboden wegzuziehen. Alex trat einen Schritt zurück, aber die Hand in seiner ließ er nicht los. Zittern ließ er sich immer noch nicht. Auch wenn ein dunkles Gesicht nach wie vorn auf ihn gerichtet war. Andrick hatte wohl auch kein Interesse an der ganzen Sache. Er kniete gerade zitternd und in einem Zustand des tauben Schmerzes auf dem Boden. „Ich glaube Andrick ist nicht so wirklich heiß drauf mich abzuschießen. Denkst du nicht?" „Ach man! Der kommt doch wieder hoch! Nicht wahr, Andrick?! Komm schon Andrick!" Der Schatten sprang mit wedelnden Armen hin und her und seine Aufregungen stieg in bisher ungekannte Höhen. Der Geist kniete nur am Boden und war immer noch in einem Schockzustand gefangen. Solange bis der dunklere Schatten sich nahezu um ihn wickelte und ihn auf die Füße zog. Danach wurde der Schatten wieder zu einer menschlichen Gestalt, die Andrick an den Schultern aufrecht hielt. Der Revolver war irgendwie wieder in der Hand des Geistes erschienen.
Alex sah kurz zu Alister hin und lächelte leicht, als Alister ihm kurz zunickte. „Ja Andrick komm schon. Denn Angst habe ich wirklich nicht." Der Schatten, der jetzt eher wirkte wie ein zweiter Mann nahm zwei Kugeln aus der Tasche von Andricks Mantel und schob sie an zwei verschiedenen Stellen in die Trommel. Alexander drückte Alisters Hand für eine Sekunde und ließ dann los. Sein Körper war bereits angespannt genug, um eine Kugel abzulenken. Glaubte er zumindest. Dann trat er zurück, Richtung Wand. Andrick stand jetzt wieder alleine da, vornübergebeugt und zitternd aber er stand. In seiner Hand ein Revolver mit zwei Kugeln. Und mit zitternden Händen war der Lauf auf Alexander gerichtet. Der junge Mann hatte seine Arme ausgebreitet und er sah starr auf Andricks Gesicht. Alister war aus der Schussbahn getreten. Er kaute auf seiner Unterlippe herum und sah panisch zwischen Alex und dem Geist hin und her. Er fühlte etwas in seiner Brust und seinem Kopf rumoren, aber er weigerte sich in Angst zu versinken. Alexander hatte auf seine Kräfte vertraut, jetzt würde er ihm vertrauen!
Alex war genau so unsicher wie Alister. Sein Herz flatterte wie ein Kolibri auf Kokain und er zitterte wie unter Strom. Verdammt! Verdammt... Bitte. Ich weiß, dass ich das kann, aber oh Gott. Das selbstsichere Grinsen war hol und seine Überhebliche Pose war es genau so. Aber die Angst war gut! Gefühle machten ihn stärker und dieser Wall aus Angst war auf alle Fälle ein ziemlicher Schub. Er kniff seine Augen zusammen und schaute zu den beiden geisterhaften Gestalten. „Also! Ich warte!" Alex hob seine Arme und eine Augenbraue. Und das schien etwas in Andrick zu brechen. Das unkenntliche Gesicht richtete sich auf Alexander. Die Hand, die den Revolver hielt stoppte zu zittern. Während er sich zu einem geraden Stand aufrichtete, drehte er die Trommel. Verheerendes Klicken schallte durch den Raum. Der dunkle Schatten bekam immer mehr Gestalt und waberte aufgeregt vor sich hin. Aber das war nicht mehr seine Aktion. Das jetzt war ganz Andrick und Alexander wusste nicht, ob ihn das beruhigen oder aufregen sollte. Denn stabil wirkte der Geist keinesfalls. Er und Alexander liefen gerade wohl beide auf purem Adrenalin. Sein Finger spannte sich um den Lauf. Alex' Finger überspannten soweit, dass sie zurückgebogen waren. Andrick schwankte, er zielte. Alex atmete einmal tief ein. Das letzte Mal vielleicht. Und dann drückte der Geist ab.
Es klickte. War es das? War es vorbei? Alisters Augen weiteten sich fasziniert, Alexanders Lächeln wurde schief und Erleichterung flutete die beiden. Für ganze anderthalb Sekunden. Denn dann drückte der Geist erneut ab. Diesmal knallte es. Alexander riss seine Augen auf und so schnell er konnte riss er seine Hände zur Seite. Er erfasste nicht die Kugel genau, denn dafür sah er sie nicht genug. Auch die Handbewegung nach unten rechts war viel viel zu langsam. Die Welle seiner Kräfte war nur genug, um dafür zu sorgen, dass die Geisterkugel nicht in seine Stirn sondern in seine Seite unmittelbar über seiner Hüfte einschlug.
Der junge Mann wurde vom Einschlug zurückgeworfen und ein geschockter Schrei entwich seiner Kehle. Es tat nicht ansatzweise so weh wie es ein richtiger Schuss tun würde. Es war einfach nur kalt. Vielleicht war es auch das Adrenalin? Denn auch sein Kopf, mit dem er heftig gegen die Decke stieß, tat keine Sekunde weh. Der Schrei, der von diesem Aufprall kam war eher von Überraschung und weniger von Schmerzen. Dann fiel er zu Boden, sein Gesicht lag flach auf den Dielen. Seine Seite fühlte sich eiskalt an, aber es war wohl kaum mehr als ein Streifschuss gewesen. Sonst würde er wohl mehr tun als auf dem Boden liegen und zittern. Er würde auch nicht fluchen und seine Faust schlagen können. Das tat verdammt weh! Warum tat das so weh?! Wenigstens war es nicht in den Kopf gegangen wenigstens das hatte geklappt. Es war schmerzhaft. Die Kälte blieb wenigstens einer Stelle, aber dafür wurde sie nur umso beißender. Er zog seine Knie an seine Brust heran und biss sich mit Tränen in den Augen auf die Unterlippe. „Alexander!"
Für Alister hatte das ganze Ding geringfügig anders wahrgenommen. Er hatte gesehen wie Alex heftig in die Seite getroffen und zurückgeworfen wurde. Er knallte schlaff gegen die niedrige Decke, wonach er dann auf dem Boden landete. Sein Körper lag am Ende zitternd und zusammengekrümmt auf den staubigen Dielen. Andrick schreckte augenblicklich zurück und extrem schnell bildete sich ein Kokon aus Staub und gestaltlosen Schatten um den Körper des Geistes. Aber das war egal! Er musste sofort raus. Mit Alexander! Er musste den jungen Mann in Sicherheit bringen. Er rannte zu der zitternden, blonden Gestalt am Boden hin und rief seinen Namen. Augenblicklich ließ sich der Jugendliche neben seinen Freund auf den Boden fallen und fing an seine Schulter zu schütteln. Ängstlich und immer wieder sah Alister über seine Schulter, nur um zu sehen ob der Geist etwas anderes tun würde, als sich von seinen eigenen Kräften einwickeln zu lassen. Aus Angst. Denn nichts hätte ihnen beiden gerade weniger gebracht, als wenn er auch noch außer Gefecht wäre. Er zog Alexander dann schnell zu sich hoch und legte seine Finger an sein Handgelenk. Alister war noch nie so erleichtert einen Puls zu fühlen. „Wir müssen weg Alex," zischte er dem Blonden zu. Und ein schneller Blick zu Andrick bestätigte diese Aussage nochmal. Der Wirbel um den Geist wurde einfach nur dichter und trotzdem drangen Geräusche aus ihm hervor. Es klang wie eine Mischung aus Lachen und Weinen. Aber das war egal in diesem Moment.
„Ich kann dich nicht hochheben." „Ist auch gar nicht nötig. Ich kommen hoch," zischte Alex und schaffte es irgendwie sich aufzurappeln. Seine Zähne waren aufeinander gebissen, seine Miene ein bisschen gequält aber trotzdem stand er auf. Alister konnte nicht anders als ein bisschen zu lächeln, aber dann erhob auch er sich schnell. Er nahm Alex Hand erneut, weil dieser ein bisschen desorientiert wirkte, und zog ihn dann zur Tür des Dachbodens. Er stieß sie auf und zog den einen immer noch sehr verwirrten Alexander in den Flur. Durch den Flur, die Treppen nach unten und aus der Tür. Zeit sich für ihre Lautstärke bei den Nachbarn zu entschuldigen gab es leider nicht. Die beiden hörten auch erst zu rennen auf, wenn sie beide nach ein paar Straßen nicht mehr weiter konnten. Die beiden Teenager standen da, vollkommen außer Atem. Alex mit einer eisigen Seite und Alister mit so viel Panik in seinem System, dass er sich aufs Pflaster übergeben hätte, wenn er das nicht für ausgesprochen unangemessen halten würde. Kurz sahen die beiden einander an und dann sprang Alister dem anderen jungen Mann nahezu in die Arme. Er klammerte sich nahezu an dem größeren Jungen fest und presste sein Gesicht gegen seine Schulter.
Überrascht sah Alexander zu dem kleinen, zitternden, roten Lockenschopf an seiner Schulter nach unten und erwiderte die Umarmung verwirrt aber glücklich. Er war definitiv sehr überfordert, aber Alisters Wärme überschattete die Kälte in seiner Seite ein wenig und das war gut. Den Verknalltheit Part vergessen wir mal ganz kurz. Denn Alister hatte gerade Angst und das war wichtiger. „Hey, Alister?" Als Antwort bekam er nur einen festeren Druck. „Alister." Wiederholte er sanft und drückte die kleine Gestalt weiter an sich. „Es tut mir so leid," hörte er plötzlich ein ersticktes Schluchzen an seiner Schulter. „Ich hätte wissen sollen, dass das zu viel war." „Hey..." „Ich hätte wissen müssen, dass er zweimal schießen würde!" „Alister." „Ich muss so was wissen! Es ist mein blöder Job so was zu wissen!" „Alister, alles ist gut!" Er wurde plötzlich aus leicht geröteten Augen finster angestarrt. „Du wurdest angeschossen, Alexander! Wie zur Hölle ist alles gut?!" Alister fasste Alexander am Kragen und zog ihn zu sich runter. „Hat er dir doch in den Kopf geschossen?!" Alex Wangen färbten sich knall rot und er wedelte mit seinen Händen herum. „N...nein! Alles ist gut! Es war nur ein Streifschuss! Und es war glaub ich auch nur Part vom Geist, deshalb tut es auch nicht ganz so schlimm weh."
Augenblicklich schien ein großes Stück Anspannung von ihm abzufallen. „Oh," Alister ließ sich wieder in Alexanders Umarmung sinken und nahm seine Hände von seinem Kragen und legte sie wieder an seinen Rücken. Alle Energie hatte seinen Körper verlassen. Er war durch. Es war vorbei und die schreckliche Zukunft war endlich aus seinem Kopf raus. Und all das war Alex' Verdienst und jetzt waren sie hier. „Wirklich, alles ist gut." Wiederholte Alexander und legte seinen Kopf auf Alisters. Eine Weile hielten sie einander noch fest, ließen die Angst abklingen. Mit der Hilfe des jeweils Anderen beruhigte sich der Herzschlag beider Jungen, Adrenalin sank und wären sie nur ein bisschen schwächer wären sie gemeinsam auf den Boden gesunken. Alister fühlte sich unendlich müde und er wollte einfach nur nach hause. Es waren nur ihre tiefen Atemzüge zu hören. Sie mussten nicht einmal reden. Es war in Ordnung. Sie waren in Ordnung. Alex Seite fühlte sich zwar an wie ein Eisklumpen, aber es war irgendwie auszuhalten. Aber irgendwann war dieser Halt vorbei und sie lösten sich voneinander. Sie sahen einander an. Zwei Blicke hielten einander fest, bis Alister zur Seite blickte. „Danke dir, Alexander," wisperte er und lächelte dann in seine Richtung. „Ach kein großes Ding. Ich hoffe mal, dass du jetzt bessere Träume haben wirst." Alister schüttelte den Kopf. „Du bist so dämlich und verdammt clever." „Danke. Das schreib ich mir auf."
Kurz grinsten sie einander zu bis Alister gähnte und sich über ein Auge wischte. „Schon so spät?" „Ich hab seit drei Tagen nicht wirklich geschlafen. Ich darf müde sein." „Hey, keine Schande," Alexander kicherte und tippte Alister auf die Nase. „Schlaf gut, kleines Rotlöckchen." Alister streckte Alex daraufhin die Zunge raus und verschränkte die Arme vor seiner Brust. „Werde ich tun und du schlaf gefälligst überhaupt. Deine Augenringe sind Wagenräder, Bursche." „Bursche," Alexander drehte sich leicht lachend um und tippte sich an die Stirn. Alister schnaubte und steckte seine Hände in seine Jackentasche. „Bis morgen Alexander, danke nochmal." „Ja, bis morgen." Alexander winkte ihm nochmal zu, während auch er sich in Richtung seines Zuhauses aufmachte. Und Alexander hatte wirklich recht gehabt. Er war ein guter Lügner. Denn sobald er weit genug von Alister weg war, fühlte er wie die Einschusswunde auf seiner Seite vor Kälte zu brennen begann. Und die Kälte breitete sich aus. Nicht schnell aber stetig. Und zu seiner Sorge, schlief Alexander ausgesprochen gut in dieser Nacht.
Der nächste Tag war absolut schrecklich für ihn. Alexander wusste das, als er sich beim Concealer Auftragen mehrere Male ins Auge stach. Ja, die zitternden Finger, Beine und der frostige Atem hatten ihm noch nicht ganz gereicht. Er blickte in den Spiegel. Er sah so schrecklich aus wie üblich, aber dieses Mal hatte jemand ihn über Nacht auch noch in einen Kühlschrank gesteckt. „Shit, shit, shit, shit..." Mit zitternden Händen zog Alex sein T-shirt hoch und zuckte augenblicklich zurück, als er es sah. Ein riesiger blau-schwarzer Fleck hatte sich um das Einschussloch der Geisterkugel gebildet und schien sein Wachstum nicht einstellen zu wollen. Seine Augen weiteten sich entsetzt und er legte seine Hand an die Stelle, nur um selber zurückzuzucken. „Oh nein..." Sein eigener Körper fühlte sich an wie ein Eispaket! Das kann nicht sein! Die Kälte hatte sich zwar schon über seinen ganzen Körper ausgebreitet, aber wenigstens war die Verfärbung bisher nur knapp auf die Größe einer durchschnittlichen Mütze herangewachsen, was auch nicht gerade gut war... Er hatte das Gefühl, als wäre er ein paar Monate in der Zeit zurück gerissen und dazu einmal heftig verprügelt worden. Warum jetzt? Was kann ich überhaupt tun? Werde ich sterben?! Ich will nicht sterben!
Alex versuchte eine taffe Miene aufzusetzen. Spielte die übliche Besorgtheit seiner Eltern mit: Ach, das übliche Schlafproblem ab. Auch als sein Vater ihn besorgt ansah und fragte was los sei, nachdem er ihn umarmt und die Kälte im Körper seines Sohnes wahrgenommen hatte, sagte er kein Wort darüber. Natürlich fiel es seinen Eltern auf, dass sein übliches 'Ich liebe euch!' weitaus nachdrücklicher war als normalerweise. Aber da sie nicht genau wussten, was sie dagegen tun sollten, kopierten die beiden den Enthusiasmus ihres Sohnes mit leichtem Lachen. Sie konnten schließlich nicht wissen, welche Gedanke gerade durch Alexander rumorten. ALs er aufs Schulgelände schlurfte, war seine Laune noch weitaus gedämpfter als üblicherweise. Er fühlte sich, als wäre er kurz vorm erfrieren und sein Zittern blieb nicht unbemerkt.
„Hey, Alex du siehst nicht gut aus heute?" Er fühlte ein Zupfen am Ärmel seines Hoodies und sah zu dem Mädchen mit pinken Haaren nach unten. Ava blickte ihn sehr besorgt an, aber Alexander rollte nur leicht mit den Augen. „Das ist doch auch nichts neues, oder?" Mona sah nicht mal vor ihrem Smartphone auf, ihr Kommentar kam schon fast automatisch. „Komm schon Mona, Alex is hübsch," nuschelte Ava aber sah schon nicht mehr zu ihm auf sondern auf den Boden. „Ihr seid heute noch nerviger als sonst. Also seid still." Natürlich war es wieder Rodger, der jede Konversation beendete. Kurz fixierten er jeden aus ihrer Gruppe, John ausgeschlossen, für ein paar Sekunden mit seinen Eisklumpen-Augen. Mark sank noch ein bisschen tiefer in sich zusammen, Ava schlang seine Arme um ihren Körper und blickte zu Boden. Mona rollte aggressiv mit den Augen, aber sah dann wieder auf ihren Screen. Alex blieb in seinem apathischem Status und stieß so unauffällig er konnte eine kalte Atemwolke aus. „Ist was los Rodge?" Fragte John plötzlich und zupfte Rodger so am Ärmel, wie Ava es bei Alexander getan hatte. Der Junge, der Alex seit einer ganzen Weile schon unter Kontrolle hatte, sah zu der einzigen Person hinunter, der sein Sein kaum etwas anhatte. „Nein, John. Meine Nerven sind nur überstrapaziert mit ihne... euch." „Oh. Können wir dir mit deinen Nerven helfen?" Mona schnaubte amüsiert und wurde augenblicklich von einem Eiszapfen Blick durchbohrt.
Nein, das war zu viel. Alex konnte nicht mit zwei nagenden Wunden gleichzeitig Umgehen! Also seufzte er genervt und steckte seine Hände in seine Jackentaschen. „Meine Nerven sind auch sehr strapaziert. Also entschuldigt mich, aber ich verschwinde jetzt." Fünf paar Augen auf Alexander. Aber es war ihm egal, zu schnell hatte er sich umgedreht und war einfach weggelaufen. „Was ist denn heute mit Alex los?" Fragte Mark leise, woraufhin Rodger ihn nur anblickte. „Der Typ hat seine Tage, wahrscheinlich. Oder sonst irgendwas dummes geht mit ihm ab," sagte Mona und versetzte Mark einen leichten Schlag auf den Hinterkopf ohne überhaupt hinzusehen. Ava sah ihm nur besorgt hinterher, aber sie hatte nicht genug Mut ihm ihm hinterher zu laufen. Also sah sie ihm nur nach und dann wieder auf den Boden. Was ist nur los mit dir Alex?
Es war noch vor der Schule, aber Alex fühlte sich jetzt schon nach weinen. Alles war schrecklich! Und es würde nur schlimmer werden, wenn er auch noch in den Unterricht müsste. In irgendeinem Flur ließ Alex sich einfach auf den Boden sinken und vergrub sich Gesicht in seinen Händen. Er fühlte wie sein Körper kälter wurde. Und er wusste nicht mit wem er reden sollte! Der dunkle Fleck auf seiner Seite wurde nur größer. Alexander rieb sich sich über die Augen und zog seine Nase hoch. Irgendwas in seinen Kopf hielt ihm vom klaren Denken ab und brachte ihn an den Rand der Verzweiflung. Was ist denn los mit mir? Die Schmerzen sind doch gar nicht so schlimm. Ich brauche Hilfe. Wer kann mir helfen? Die Glocke war es auf keinen Fall. Die zwang ihn dazu sich zu erheben und zu seinem ersten Klassenzimmer zu schleichen. Er hatte keinen Unterricht mit jemanden, der sich um ihn scherte. Das war gut. Vielleicht könnte er es so halten. Auch wenn Avas besorgte Blicke ihm schon ein bisschen auf den Geist gingen. Zweite Stunde hatte er zwar Unterricht mit Vicky und Shani zusammen, aber er schaffte es seine Fassade gut genug aufrecht zu erhalten und rechtzeitig für die Pause aus dem Klassenraum zu rennen. Die Kälte wuchs nur weiter und er hatte immer noch keine Ahnung, was er machen sollte. Sollte er Mister Cherleton um Hilfe bitten? Nein. Sie hatten so viel dafür getan, dass er ihnen genug zutraute und er würde das nicht ruinieren. Aber was dann? Er hatte an diesem Tag zwar weder Bio noch Geschichte, also konnte er es wenigstens verstecken? Was im Endeffekt auch nichts brachte.
Die dritte Stunde war dann allerdings zu viel. Denn du kannst Jack nicht an der Nase herum führen. Wenn es dir schlecht geht, wird er es wissen. Und ja, Alex ging es gerade ausgesprochen schlecht. Als die Stunde vorbei war, stellte sich der große Junge vor seinen Tisch und lehnte sich zu Alexander nach unten. „Was ist los?" Er schüttelte nur den Kopf, aber fühlte dann wie Jack seine Hand auf Alexanders legte und ihn besorgt ansah. „Alex?" Und diese Wärme in seiner Stimme und Augen waren so ein gigantischer Kontrast zu allem, was gerade in seinem Inneren vorging, dass Tränen sich in seinen Augen sammelten und er sich nur schwer vom losheulen abhalten konnte. „Ich glaube, ich sterbe gerade, Jack."
Wenn man pragmatisch genug ist, ist es erschreckend einfach die Schule zur Schulzeit verlassen. Jack war ausgesprochen pragmatisch. Er hatte einfach nur grinsend in die Klasse geblickt und gesagt, dass es Alexander schlecht ging und er deshalb nach hause gegangen ist. Außer ein paar dummen Kommentaren gab es nichts, aber bevor Alex diese ganz hören konnte, hatte Jack ihn schon aus dem Klassenraum gezerrt und war dabei mit ihm über den Flur zu gehen. Sie begegneten einigen Lehrern, aber Alexander sah angemessen bemitleidenswert aus, um diese Situation nicht zu hinterfragen. „Wo gehen wir eigentlich hin?" Fragte Alexander, nachdem sie das Schulgelände verlassen hatten und Jack ihn schon halb trug. „Zu Mariano natürlich!" Er konnte wirklich nicht fassen, dass ihm diese Idee nicht selbst gekommen war. „Oh." Mehr bekam er nicht über die Lippen. Ihm war zu kalt zum sprechen. Er hätte sich auf dem Boden zusammenrollen und weinen können und einfach vor sich hin leiden, während sein Leben zusammen mit der Wärme aus seinem Körper wich. Aber Jack würde ihn das nicht tun lassen und der Zwang sich zu bewegen war endlich etwas Gutes. „Wie willst du eigentlich erklären, dass du den halben Schultag verpasst?" nuschelte Alexander, woraufhin Jack nur mit den Schultern zuckte. „Ich werde es einfach nicht erklären. Die sind da eh schon dran gewöhnt." Jack lachte leicht, während er das sagte und das beruhigte den blonden Mann ausgesprochen.
„Du hast die exakt richtige Entscheidung getroffen." Mit Leichtigkeit nahm Mariano Jack den kränklichen Jungen aus den Armen. Jack folgte dem großen Mann in die Wohnung, wo er die schlaffe Gestalt des erfrierenden Teenagers auf die Couch legte. „Alexander darf ich sehen, wo der Geist dich erwischt hat?" Fragte er und kniete sich neben die Couch. Knappes Nicken. Marianos Augen wurden für wenige Sekunden weit und dunkle und dann nickte er. Er schob den Stoff über der dunklen Verfärbung weg und zog seine Augenbrauen zusammen. „Das isn heftiger Frostbiss, obwohl," er kratzte sich am Hinterkopf. „Wann wurdest du getroffen?" „Letzte Nacht." „Das ist gut." „In wie fern ist das gut?!" Jack klang ausgesprochen besorgt und sah Mariano nervös an. „Der Biss hat sich nicht sonderlich weit ausgebreitet und weit genug von wichtigen Organen entfernt. Man kann sich darum kümmern, bis man den Geist weggeschickt hat. Deshalb sei unbesorgt." „Weggeschickt?" Fragte Jack und bekam ein Lachen und ein Kopfschütteln von Mariano zurück. „Du hast meine Einstellung nicht großartig verändert, aber," seine Mundwinkel sanken augenblicklich, „wir haben keine Wahl mehr. Frostbisse gehen nur, wenn der Geist freiwillig geht." „Oh..." „Oh nein," flüsterte Alexander und kniff seine Augen zusammen. „Der Typ wird sicher nicht freiwillig gehen... shit. Ich werde sterben." Tränen liefen Alexanders Wangen nach unten und er klammerte sich am Arm des Erwachsenen fest.
„Keine Sorge," Mariano wuschelte Alex durch die Haare und sah dann zur Decke. „Ich mach das seit Ewigkeiten. Auch wenn der Geist nicht gehen sollte, wir kriegen das unter Kontrolle. Aber du wirst nicht sterben." „Wirklich?" „Ja! Du wirst nicht sterben, Alexander. Wir bekommen das hin." Alex klammerte sich nach wie vor an dem Erwachsenen fest, bis dieser ihm ein letztes Mal durch die Haare streichelte und dann aufstand, aber seinen Arm immer noch nicht aus Alex Griff löste. „Hey, Goldie, lass mich mal aufstehen, dann kann ich dir einmal ne Decke, zweimal einen Tee und dreimal Lösungsvorschläge suchen, okay?" Alex nickte schwach und löste dann seinen Griff um Marianos Arm. Alex bekam kaum mit was von diesem Punkt an geschah, er wusste nur, dass er bereits fünf Tassen Tee praktisch inhaliert hatte, als die Tür aufflog und sechs Teenager in die helle Wohnung traten.
„Oh mein Gott, Alexander! Du hast gesagt alles wäre gut!" Er fühlte die warmen Hände so plötzlich an seinem Gesicht, als hätte Alister sich einfach durch den Raum teleportiert. „Ich dachte doch auch, alles wär gut," flüsterte er und lehnte seinen Kopf an Alisters Hand. „Oh nein." Alister strich vorsichtig über das kalte Gesicht, dass so leblos wirkte, dass es ihm Angst machte. „Wir müssen was machen." „So weit war ich auch schon, du alter Schlauberger." Jack war inzwischen wieder zu den beiden getreten, um Alister mitzuteilen, was sie bisher über den Frost in Alex festgestellt hatten. Es war nicht sonderlich fiel, nur dass physische Wärme, Körperkontakt und positive Wahrnehmungen halfen. Was nach Mariano allerdings auch nichts ungewöhnliches war. Er hatte ein paar kryptische Bemerkungen über das Gefühl eines Geistes von sich gegeben, aber keiner von ihnen hatte nachgehakt, da Marianos Vorschläge dafür gesorgt hatten, dass der Frostbiss sich nicht weiter ausbreitete. „Aber der einzige Weg das hier ganz loszuwerden, ist es dafür zu sorgen, dass der Geist freiwillig geht." „Gut, dann gehen Alex und ich das heute machen."
Alister sah entschlossen in die Runde und drückte Alex 'Schulter. Als er nur besorgte und missbilligende Blicke erntete, fletschte Alister die Zähne und ballte seine Fäuste. „Und ihr müsst gar nicht so doof schauen! Es ist meine Schuld, dass er jetzt so hier ist und ich werde das wieder gerade biegen!" Niemand sagte etwas und die Blicke der anderen Jugendlichen wanderten zwischen Mariano und dem Sofa mit Alister und Alex hin und her. „Ich kann ihn sicher zum Gehen bewegen... Irgendwie," fügte Alister hinzu und die Schuld, die er in diesem Moment spürte tobte wie ein Orkan in ihm. „Nur ihr beide?" Fragte Vicky leise und rieb sich über ihre freien Arme. „Ich will nicht noch jemanden in Gefahr bringen. Ich glaube ihr würdet auch so oder so nicht viel mehr als Zielscheiben sein." „Alister hat recht. Außerdem haben er und der Geist bereits eine Art von Beziehung. Das dürfte doch sicher helfen und eine weitere Person in diesen Mix zu bringen wäre nicht hilfreich für Vertrauen, oder?" Shani sah fragend zu Jack, der ihr bestätigend zunickte. Und wenn Alister, Shani und Jack sich halbwegs einig waren, dann konnte es keine schlechte Idee sein. Jetzt brauchten sie nur noch die Erlaubnis. Mariano wurde sehr plötzlich von sehr vielen Leuten fixiert. Er zuckte halbherzig mit den Schultern.
„Also, erstmal Reihenfolge. Daniel sollte nachsehen, was er tun kann, wenn er was tun kann, dann könnt ihr das ganze nämlich lassen. Wenn es nicht funktionieren sollte, dann überlegen wir uns einen besseren Plan als: Es wir irgendwie klappen. Aber dann sicher, ich trau euch zu, dass ihr das auf die Kette bekommt." „Danke Mister Iano!" Sagte Alister, woraufhin der große Mann leicht zu lachen begann und dann nickte. „Daniel? Kannst du bitte nachsehen, was du machen kannst?" „Sicher." Aber auch Daniels heilendes Händchen schien nichts zu bewirken. Jedenfalls nicht wirklich. Als er ein paar Minuten neben Alexander gekniet hatte, zog er seine Hände zurück und schüttelte den Kopf. „Ich könnte sogar was machen, aber Leute, ich müsste irgendwas aus ihm herausreißen, wenn ich es tun würde. Er wäre danach nicht mehr der selbe," zischte Daniel zwischen seinen Zähnen hervor und legte seine Finger aneinander. „Also fällt das aus." „Gut, dann Alexander und Alister, bitte teilt uns mit, was genau passiert ist."
Es war später Nachmittag, als sie einen wagen Plan hatten. Alex Kältefleck war nicht großartig gewachsen und das war gut. Die anderen Wächter plus Daniel, Marie und Mariano saßen den Großteil der Zeit um ihn herum und sprachen mit ihm, nach dem Planen. Es hielt an bis er und Alister sich wieder auf zurück zum Geist machen würden. Es half tatsächlich sehr und außerdem war es sehr spannend Mariano zuzuhören. Nicht nur, weil seine Art zu erzählen ziemlich spaßig war, sondern auch weil die Sachen echt spannend waren, die er in seiner Zeit voller Geisterabenteuer erlebt hatte. Ab und an erwähnte er seinen Partner, eine andere Person, mit dessen Lebensweg sich sein eigener von Zeit zu Zeit schnitt. Nach Marianos Aussage hatten er und dieser mysteriöse Partner hunderte Male zusammengearbeitet und er wirkte immer glücklich, wenn er diese Person erwähnte. Alex mochte es ihm zuzuhören. Er fühlte sich seltsam verstanden und es lenkte ihn von der Kälte ab. Und die Anderen schienen ihm genau so gerne zuzuhören. Auch wenn Daniel irgendwann sein Augenbrauen zusammenzog und seinen Onkel fragte, warum er diesen Partner nie getroffen hatte. Die Antwort war so simpel wie traurig. 'Ich habe ihn für die letzten 16 Jahre nicht gesehen, Daniel.' Und Daniel war vielleicht auch der Grund für dieses Fehlen an Kontakt.
Aber obwohl die Atmosphäre nach dieser Antwort ein bisschen gedrückter war, waren es warme und verbindende Stunden für die gesamte Gruppe. Und Wärme und Verbindung war genau das, was Alexander in diesen Stunden brauchte. Alister fühlte sich zwar nach wie vor schuldig, aber er wusste, dass er sich zusammenreißen musste, um effektiv was dagegen zu machen. Er wusste, dass er gegen diese Schuld vorgehen konnte und er würde alles tun, um Alexander zu helfen. Und alles andere war ihm ganz egal. Kurz bevor die Sonne unterging waren er und der blonde junge Mann auf dem Weg zur Wohnung auf dem Dach. Ein Mantel flatterte hinter ihm her und mit den Schuhe, die er gerade anhatte hätte er auch über auch über ein Minenfeld laufen können ohne großartigen Schaden zu nehmen. Aber so hatten Alexander und er den Geist und seine Schatten in Erinnerung. Also war es mehr oder weniger nötig, um den Plan Andrick in den selben Zustand wie in der gestrigen Nacht zu versetzten umzusetzen. Außerdem sah Alister cool aus, fand er. Alexander hätte ihn sicher auch cool gefunden, wenn er ihn ansehen würde, aber er war logischerweise eher auf sich selbst fokussiert. Die beiden liefen gerade wieder einmal die Treppe nach oben und Alister versuchte all die Cowboy Energie in seinem Inneren zu fokussieren und sobald er den Dachboden betrat hörte man fast die sandige Brise, die er in seinem Kopf immer wieder abspielen ließ.
„Hey Geist!" Alister hatte seine Hände in seine Hosen geharkt und blickte sich mit stechenden Augen im Raum um. „Oder Schatten des Geistes! Ist mir um ehrlich zu sein voll egal, man. Aber wir haben noch eine unfertige Sache ordentlich einzupacken, jo." Normalerweise hätte Alex sich über Alisters aufgespieltes Verhalten lustig gemacht, aber genau jetzt hatte er kaum Energie, um sich in einer Ecke des Raumes auf den Boden sinken zu lassen. Sein Körper war immer noch eiskalt und obwohl es irgendwie besser war, hatte er immer noch keine Stärke mehr um irgendwas zu tun. Alister dagegen sprudelte vor Energie nahezu über. In der Pose einer Person, die Gott zum Zweikampf herausforderte drehte er sich in der Mitte des Raumes und wiederholte die Worte, die Jack und Jana als ideal für diese Situation empfunden hatten: „Stellt euch mir ihr feigen Hunde! Wir sind nicht fertig geworden und diesmal wage es nicht dich deiner Verantwortung nicht zu stellen, Andrick!"
„Bin ich eine ausreichende Alternative?" Alister drehte sich bedacht um, als er die Schmirgelpapierstimme hörte. Der dunkle Schatten hatte sich mitten im Raum gebildet und ging jetzt auf Alister zu, der gute zwei Köpfe kleiner war als der Geist. Trotzdem sah Alister ihn an, als wäre er ein Imperator, der seinen Soldaten zurecht weist. „Du solltest reichen, wenn du gewillt bist die Schuld deines Freundes auf dich zu nehmen und mir seinen Revolver beschaffst." Alister strich sich nonchalant durchs Haar und zog einen Mundwinkel hoch. Der Schatten lachte leicht und wiegte sich zur Seite. „Ich sehe, du versuchst deinen Freund zu ersetzen." „Du versuchst das selbe, also verurteile nicht meinen Handschuh, wo du den selben trägst." Weiterhin lachend zog sich der Schattem in Richtung einer der Wände zurück und verschwand kurz darauf in dieser. Doch Herr von und zu Rauhals kehrte in sehr bald zurück. In den Händen hielt er Andricks Revolver und Alister wusste nicht ob er das als Beweis für oder gegen seine Vermutung werten sollte, dass der Schatten eine Entität war, die separat vom Hauptgeist agierte. „Was hast du jetzt damit vor, Alister?" „Ich will auch auf dich schießen, wenn du genug bist, um Andrick zu ersetzen, natürlich. Denn er hat unsere Abmachung gebrochen, du hast doch auch gesehen, dass er zweimal geschossen hat!" „Ach das... ja das war wirklich ungerecht! Und das ist kindisch! Also ja, Alister, erschieß mich für die Gerechtigkeit!"
„Ach! Ich hab mir schon die ganze Zeit gedacht, dass du mehr Ehre hast, als die anderen!" Alister nahm dem Schatten die Pistole aus den Händen und überprüfte die Trommel, nur um sie voll geladen vorzufinden. Mit finsterer Miene entfernte er vier Kugeln und ließ sie auf den Boden fallen. Dann drehte er die Trommel und entsicherte die Waffe. Und er ließ sich Zeit dabei, sein Plan war es ohnehin nicht wirklich den Schatten zu erschießen. Also versuchte Alister Alexander bestmöglich mit Mimik und Gestik zu imitieren, während er mit zitternden Händen durch den Raum stolzierte und mit dem Lauf der Waffe auf den Schatten deutete. Und dieser schien das auch noch ganz toll zu finden. „Glaubst du Andrick wird sauer auf dich sein?" „Wahrscheinlich! Er ist immer sauer auf mich." „Das ist aber wirklich ungerecht." Alister ließ seinen Daumen gegen den Griff der Pistole klicken. „Aber das scheint ja auch nichts Neues für ihn zu sein, oder?" „Neeein ganz sicher nicht." Alister lächelte den Schatten an und zielte mit dem Revolver. Sein Finger krümmte sich um den Abzug.
Alexander sah sich im Raum um und seine Augen weiteten sich, als er sah, wie goldbraune Schwaden in den Raum gesickert kamen. Und kaum waren die ersten Zeichen des Geistes erschienen, brauchte Andricks Rest nicht lange in den Raum gestürmt zu kommen. Seine Gestalt wirkte aufgewirbelt und die Stelle an der sein Gesicht sein sollte, wirkte noch mehr wie ein Abgrund, als es zuvor gewesen war. Seine Kleidung flatterte, sein Schritt war war ausgesprochen schnell und als er vollständig auf dem Dachboden stand, starrte er Alister so an, als würde er ihn umbringen wollen. „Was geht hier vor?!" Seine Stimme war kalt, schneidend und sehr laut. „Dein Freund muss ausbaden, was du begangen hast, Andrick," flüsterte Alister und blickte den Geist so intensiv er konnte aus seinen hellbraunen Augen an. Alexander hatte nie gedacht, dass Alister jemals so verdammt gruselig aussehen könnte. „Das was hier passiert ist deine Schuld. Glaubst du er wird einfach davon kommen für das was du verbrochen hast, oder wirst du noch wem auf deinem Gewissen haben?"
Diese Worte waren ausgesprochen effektiv. Der Geist wurde von ihnen nahezu einen Schritt zurückgeworfen und wieder wirbelte der Staub im Raum auf. Andrick presste seine Hände an seine Schläfen und versuchte zu atmen, um sich irgendwie wieder in seinen normalen Zustand zurückzufinden. Aber Alister würde ihn nicht lassen. „Und jetzt wagst du es auch noch, dich schlecht dafür zu fühlen?! Du hast meinen Freund angeschossen! Er leidet deinetwegen und du hast nichts besseres vor, als dich selber schlecht dafür zu fühlen." Es tut mir leid, mein Herr, dass ich so mit jemandem spreche, aber mir ist kein anderer Weg gegeben, Alexander zu helfen. Als er sich wieder zu dem Schatten drehte, bemerkte er das leichte Zittern. Auch er fürchtete sich. Alister versuchte, wie Jana es ihm angewiesen hatte, eine möglichst ausdruckslose, kalte Miene aufzusetzen und einen Schritt auf den Schatten zuzumachen. Und genau als er sich zu seiner nicht sonderlich bedrohlichen Körpergröße aufbaute hörte er einen knallenden Schrei. „Erschieß mich!"
Langsam, ganz langsam und bedächtig drehte Alister sich um. Sein Kopf war leicht zur Seite geknickt und er schaute Andrick aus zusammengekniffenen Augen an. „Du willst es also wirklich wieder gut machen?" Augenblicklich richtete Alister den Revolver auf Andrick. Der Staub erhob sich zu Wänden, die nach wie vor wie irre vor sich hin wirbelten. Alister hatte furchtbare Angst in diesem Moment und wollte nichts mehr als Jack, Jana oder Shani an seiner Seite. Sie hätten sicher einen Haufen seiner Nervosität weggenommen. Selbst Vicky, oder zumindest die Vicky Version, mit der er in der Gasse vor dem Geisterwurm gestanden hatte, würde ihm in dieser Situation helfen. Aber er musste es irgendwie allein auf die Kette bekommen, also unterband er sein Zittern so gut er konnte und starrte den Geist finster an. „Ja! Ja, ich will es wieder gut machen! Bitte! Lass mich Sachen wieder in Ordnung bringen! Bitte! Vielleicht kann ich meine Schuld endlich ausbaden! Ich wollte das alles nicht tu-" Der Schuss feuerte ab, bevor Alister abdrückte. Das war der Einfluss des Geistes! Und obwohl er selbst geschossen hatte, prangte nun ein Loch direkt in der Mitte seines fehlendes Gesichtes. Der Geist wurde von dem Rückstoß durch den halben Raum geschleudert bis er gegen die Wand stieß und zu Alisters Überraschung wurde sein Arm nicht komplett vom Rückstoß hochgerissen. Der Knall war laut und hallend, aber schnell vergangen,
„Huch." Er war so verdutzt in diesem Moment. Sehr sehr verdutzt. Wie bitte reagiert man auf sowas?! Hatte er einen Geist erschossen, hatte der Geist sich selbst erschossen? War erschossen überhaupt die richtige Formulierung?! Denn dieser Geist war noch sehr sehr da! Seine Tot-Position war nicht sonderlich überzeugend! „Das ist jetzt seltsam," nuschelte Alister kratzte sich am Hinterkopf und lief auf den Geist zu, um nachzusehen, wie das gerade bei ihm so lief. Er lehnte an der Wand und sein Körper war ausgesprochen angespannt für einen Erschossenen. „Hallo, Andrick?" Alister hatte keine Ahnung, was er machen sollte, also kickte er gegen den Stiefel des Geistes, der darauf mit einem leichten Zucken reagierte. „Das ist nicht genug, das ist nicht genug." „Nicht genug für was?" fragte Alister und blickte verwirrt zu der wabernden Gestalt nach unten. „Ich habe nicht genug getan, um mich nicht mehr so schuldig zu fühlen," wisperte der Geist und drehte das Loch in seinem Kopf in seine Richtung. Alister trat einen Schritt zurück und drückte seine Augenbrauen zusammen.
Was kann ich tun?! Ich bin an dem Punkt angekommen, wo es keinen Weg mehr gibt den Geist in einen extremeren Zustand der Verzweiflung zu stürzen. Also entschied er sich für die andere Route und ging neben dem Geist in die Hocke. „Du fühlst dich also schuldig. Was hast du getan Andrick?" „Du hast es doch gesehen! Meinetwegen haben sie sich erschossen! Die Waffe war nicht mal meine! Und ich bin einfach damit weggekommen. Und jetzt habe ich wieder jemanden verletzt." „Hey... uh ich weiß die Vergangenheit ist nicht ungeschehen zu machen, aber du kannst Problem mit Alex lösen! Wenn du, wenn du gehst, dann kannst du einen Menschen retten und das muss doch was wert sein?!" Alister nahm den Geist an den Schultern und drückte so fest zu wie er konnte. „Bitte! Wenn deine Schuld dich hier hält, dann wirst du bald nur noch mehr auf dich laden." Alister deutete in die Richtung, wo er Alexander vermutete. Er ließ nun auch Verzweiflung in seine eigene Miene Sickern. „Bitte?" Alister wusste nicht mehr, was er tun sollte, also entschied er sich dazu, einfach ehrlich und verzweifelt zu sein. Er wollte nicht, dass Alex stirbt und er war sehr sehr bereit alles dafür zu tun, ihn am Leben zu halten. Sogar einen Geist anbetteln.
„Bist du dir sicher, dass das genug ist?" „Wenn du nur etwas Gutes tust, um dich selbst zu retten, dann wird es ganz sicher nicht mit deinem Schuldkomplex helfen." Sobald er diese Worte ausgesprochen hatte, schlug er sich eine Hand vor den Mund. Oh shit. Oh shit. Ich habs so hart verhauen, jetzt bleibt der doch erst recht! Ich bin verantwortlich für Alex' Tod. Oh mein Gott! Ich wollte das doch nicht?! „Du könntest recht haben?" Alister blickte auf und sah wie der Geist sich langsam erhob. „Was?" „Bist es nicht gewohnt gute Ideen zu haben, was?" Andrick lachte auf und klopfte dem jungen Mann auf die Schulter. Das Loch in seinem Gesicht war zusammengewachsen und seine Gestalt war ebenfalls größer geworden. „Ich will meinen Fehler ausbügeln. Vielleicht hilft es. Vielleicht nicht." Alisters Augen weiteten sich, seine Finger hielten die Pistole nach wie vor umklammert. Er hatte es geschafft? Es schien so, als er zusah, wie sich der Geist langsam in sich selbst zusammenzog und zu Staub zu zerfallen begann. Er starrte den Geist an und versuchte sich selbst vom Zittern abzuhalten. Doch die Momente in denen er Angst haben musste, verflogen wie der Staub. Und als dieser zu Boden sank, in einem nun ganz geistlosen Raum, ließ auch Alister sich langsam zu Boden sinken.
Die entzogene Spannung überwog den Ekel vor dem Staub. Auch wenn noch etwas anderes von diesem Geist zurückblieb als Staub. Der uralte, rostige, kaputte Revolver den Alister in Händen hielt, war nach wie vor egal. Wie automatisch überprüfte er die Trommel. Sie war leer und Alister glaubte nicht, dass man sie jemals nachladen könnte. Gut so. „Alister?" So schnell wie er auf dem Boden gelandet war, stand er wieder aufrecht und schoss auf Alexander zu. Der junge Mann hatte sich gerade mühsam aufgerappelt und wurde jetzt ein weiteres Mal von Alister zusammengequetscht. „Du hast es echt hiermit, oder?!" Fragte Alexander verdutzt aber gab die Umarmung natürlich zurück. Sie war sehr warm, sie kam von Alister und das war gerade alles, was er sich für sein halb erfrorenes Selbst wünschen konnte. „Es ist vorbei, es ist vorbei..." Alisters wiederholtes Wispern riss Alex aus seinem Auftauen und so ängstlich wie Alister immer noch klang, war das eher an sich selbst gerichtet. „Ja... ja Alister es ist vorbei. Wir sind endlich durch hiermit." Er drückte Alister fest an sich, der das nur erwiderte. „Ich hatte solche Angst, oh Gott." „Same. Und ich bin immer noch ein gekühltes Fischstäbchen." Kurz schwiegen die beide und trafen dann gemeinsam die Entscheidung, dass sie sofort über ein anderes Thema reden sollten, als über den Geist.
„Nenn dich nicht gekühltes Fischstäbchen!" „Ich werde meine Fischigkeit ausdrücken wie es mir gefällt." Alister lachte leicht und lehnte seinen Stirn an Alex Schulter. „Du bist schrecklich." Alexander legte seinen Kopf in den Nacken und lächelte vor sich hin. „Ja, ja. Das ist ja auch der Grund, warum du mich nicht magst." „Ach, Klappe, ich mag dich, halbwegs. Zumindest mag ich dich nicht nicht." „Wenigstens das hab ich hinbekommen." Mit leicht roten Wangen strich Alex sich eine Strähne aus dem Gesicht. „Als ob du dich so viel dafür interessiert, ob ich dich mag, oder nicht." „Ob du es glaubst oder nicht, ich interessiere mich sehr dafür." Alexander löste die Umarmung langsam, sah sich noch einmal im Raum um und ging dann aus der Tür in den Flur. „Hey! Du kannst sowas doch nicht einfach sagen und dann gehen!" Alister lief ihm hinterher in den Flur. Er hatte schon eine ungute Vermutung, was das bedeuten sollte, aber er würde es erst glauben, wenn er es richtig hören würde. Bis dahin. Erst als die beiden, die Treppen halb unten waren, antwortete Alexander. „Du willst wirklich, dass ich es ausspreche?" „Was aussprechen?" „Willst du mich gerade nerven oder meinst du das ernst?" „Ich will, dass du mir sagst, was los ist." „Nichts so wichtiges!" „Dann kannst du es mir ja ohne Bedenken sagen." Und damit traten die beiden vor die Tür des Mehrfamilienhauses.
Alexander drehte sich langsam zu ihm herum und verschränkte seine Arme vor seiner Brust. „Okay, Alister, ich mag dich. Und ja, das ist romantisch gemeint bevor du fragst." „Oh."
Das kam sehr unerwartet. Nein eigentlich nicht, eigentlich kam das sehr erwartet. Er wusste, dass so etwas kommen würde früher oder später. Aber trotzdem hätte er es lieber nicht gehört. Huh, so ist das also? Wenn jemand dich mag. Es fühlte sich seltsam an für Alister, denn natürlich fühlte er sich ein bisschen geschmeichelt, aber nichts anderes. Seltsam. Er bemerkte erst jetzt, dass er Alex sehr verdutzt anstarrte, der sichtlich beschämt darauf reagierte. „Ich ach, weißt du was, ja du hast recht. Es ist seltsam, es ist sehr seltsam. Ich habe keine Ahnung warum, ha... uh. Ja Wirklich tut mir leid. Es...es. Keine Erklärung dafür, ha." „Danke." Alister schnitt mit diesen Worten in Alexanders versuchte Rechtfertigung ein und sah zu ihm auf. „Es bedeutet mir viel, auch wenn ich es nicht erwidere. Ich schätze die Beziehung wert, die wir aufgebaut haben, dass du so ein Gefühl für mich haben kannst. Aber ich weiß nicht mal ob ich Kerle mag und wenn doch, dann uh...ja ha..." Alister kratzte sich nervös am Hinterkopf. Das war wirklich eine komische Situation, aber es war zugegebenermaßen schön. Es war schön, dass jemand so für ihn fühlte, auch wenn er es nicht erwiderte.
Alexander nickte leicht. „Okay, danke! Ja das hab ich irgendwie erwartet. Also eher hab ich was negativeres erwartet, ja... also danke auch." Auch wenn es eine sanfte Zurückweisung war, stach es trotzdem. Sein dummes verknalltes Herz blutete, aber sein Verstand freute sich über diese Antwort. „Das heißt, dass Zeug nicht seltsam wird zwischen uns?" „Mach es nicht seltsam, dann wird es nicht seltsam," antwortete Alister und hob seine Hand, um Alexander gegen Arm zu knuffen aber zog dann mit einem beschämten Lächeln gute zehn Zentimeter vor Körperkontakt zurück. Alex lachte daraufhin und stieß seine Faust gegen Alisters. „Mach du's aber auch nicht seltsam. Kay?" „Kay." „Pft, ich hab den alten Mann zum Slang nutzen gebracht." Damit ging Alexander weiter und Alister lief ihm hinterher. „Ich benutze Slang!" „Hmhm, das tust du." „Du bist echt fies." „Ja und ich bin stolz." „Pft." „Nebenbei bemerkt," Alexander fischte sein Smartphone aus seiner Jackentasche und schaltete es an, „werde ich jetzt Mister Mariano und unseren Leuten schreiben, dass es uns gut geht." „Oh gute Idee! Ich schreib Jana nochmal selber, sonst reißt sie mir den Kopf ab." Alister nahm sein Smartphone, was schon ein ziemliches Kompliment für die uralte halb kaputte Blinkbox war, die er zum Telefonieren benutze, aus seiner Tasche und schaltete seine mobilen Daten an. Und jetzt dämmerte es ihm. Oh nein.
Nachrichten von Anne und Michail und eine von Daisy. 'Hey Al, ich bin jetzt im Café. Ich warte noch ne Weile. Ich hoffe du tauchst noch auf.'
Die Augen des jungen Mannes weiteten sich und er fühlte wie der Horror in seinem Kopf anschlug. „Scheiße!" Er hatte dieses Date komplett vergessen! Verdammt! Verdammt! „Alles, okay?" Alexanders besorgter Ton brachte Alister dazu ihm mit einem leicht panischem Geräusch den Screen vor die Nase zu halten. Alex zog seine Augenbrauen zusammen und sah dann zu Alister. „Die Nachricht ist vier Minuten alt, du kommst da noch rechtzeitig hin." „Oh...oh..." Alisters Blick huschte von seinem Smartphone zu Alexander und wieder zurück. „Du hast recht!" „Dann los! Ich kümmer mich um das ganze Geisterzeug und du machst dich auf den Weg." Alister nickte ihm schnell zu, drehte sich auf dem Absatz um und begann loszurennen. „Danke, Alex!" Rief er schnell über die Schulter und rannte dann weiter. Es waren viele Straßen und noch mehr Panik in Alisters Kopf, bis er heftig atmend und ziemlich panisch vor dem Café ankam und das genau in dem Moment, in dem Daisy nach draußen getreten kam. „Alister?" „Es tut mir so so leid."
„Und? Geht es jetzt besser?" Daisy klopfte Alister mit einem leichten Lachen auf die Schulter. Der junge Mann nahm einen weiteren Schluck von seinem Tee und nickte dann. „Ja, alles ist wieder gut." „Ist das die Wahrheit?" „Ich panike nicht mehr halb so hart wie vor ein paar Minuten noch. Ich glaube näher an okay komm ich nicht mehr." „Valid." Daisy trank einen Schluck von ihrem Kaffee und lächelte ihn mit ihrem strahlenden Lächeln an. Er lächelte zurück. „Mir ist sehr bewusst, dass ich mich nicht im flüssigen oder gasförmigen Zustand befinde." „Was ist mit Plasma?" Alister tippte sich auf den Arm. „Na, auch nicht." Für eine Weile sahen die beiden einander an, Daisy noch ein bisschen hübscher als üblicherweise und Alister eher wie als hätte jemand ihn in Staub mariniert und in einen Western gesteckt. Doch dann seufzte Daisy leicht und strich sich durch die Haare. „Du weißt schon, dass du mir auch einfach hättest sagen können, dass du nicht kommen willst, oder?" Ihre Stimme war sanft und verständnisvoll. „Nein nein das ist es nicht! Es... Ich wollte das hier schon machen." „Du wirkst nicht wirklich so."
Alister kratzte sich nervös am Hinterkopf und seufzte dann. „Doch doch, du bist großartig, warum sollte ich das nicht wollen?" Bevor sie etwas darauf erwidern konnte redete Alister einfach weiter: „Du bist so clever, kreativ, nett, du liebst was du tust und bist dabei unfassbar süß, warum sollte ich das nicht machen wollen?!" Kurz färbten die Wangen der jungen Frau sich sanft pink, ihr Herz flatterte aber sie nahm dann doch Alisters Hand und tippte auf seinen Daumen. „Warum klingt es dann so, als würdest du das eher dir als mir sagen." „Ich weiß es doch auch nicht..." Alister vergrub seine Finger in seinen Haaren und seine Schultern sanken augenblicklich. „Ich weiß es nicht Daisy." „Okay, dann," sie holte tief Luft und streckte ihren Rücken durch. „mach ich das mal jetzt. Ich hab mich ein bisschen in dich verliebt, Alister." Oh nein. Warum passierte es nicht?
Alister hatte niemals romantische Gefühle für Daisy gehabt, aber er hatte erwartet, dass sie mit einem Geständnis ihrerseits aufflammen würden. Er hatte erwartet, dass es einfach klicken würde, sobald er es ganz wissen würde. Aber da war es nicht. Da war kein Klick. Es war einfach nur, es fühlte sich seltsam an für Alister, denn natürlich fühlte er sich ein bisschen geschmeichelt, aber auch nichts anderes. Es war genau wie bei Alexander! Und er wusste, dass er Alexander nicht liebte. Aber er sollte sie doch mögen! Sie war so unfassbar großartig. Daisy war genau die Person, die er sich als Freundin wünschen würde, aber er mochte sie nicht. Nicht so. Und er fühlte nahezu wie sein Magen sich umzudrehen begann.
„Ich, uh..." „Daran wie käseweiß du bist, kann ich das nein sehr gut ablesen." Daisys Lachen schreckte ihn aus seinen Gedanken auf und brachten Tränen in seine Augen. Sogar ihr Lachen war so wunderschön! Warum mag ich sie nicht?! „Tut mir leid," nuschelte er und ließ dann seinen Oberkörper auf den Tisch sinken. „Komm schon Alister, es ist kein Problem!" Die junge Frau wuschelte ihm Lachend durch die Haare. „Alles gut." „Nein! Nein, ist es nicht! Ich sollte dich mögen! Ich sollte ein bisschen in dich verliebt sein. Warum bin ich das nicht?" „Ich bin nicht dein Typ?" fragte sie mit einem sanften Lächeln und scheinbar der festen Mission, Alister jetzt zu helfen. „Nein, du bist genau mein Typ. Du hast-" „Bitte Alister, wenn du mir noch mehr Komplimente machst, dann sterbe ich. Und wage es dich nicht nochmal entschuldigen." Alister nickte schnell und legte sein Kinn auf den Tisch. „Vielleicht, weil ich braun bin?" „NEIN!" Daisy begann jetzt nahezu hysterisch zu Lachen. „Tschuldige! Tschuldige! Du siehst so hart verstört aus gerade! Tschuldigung," Alister starrte sie leicht panisch atmend an und legte sich eine Hand auf sein wild klopfendes Herz. „Du tötest mich!" „Ich weiß. Ich weiß. Aber hey was sind weitere Optionen warum du mich nicht mögen könntest. Huh, warte. Ich bin eine Frau?" „Oh. Das... huh." Alister blickte auf und sah dann zur Seite. „Das, vielleicht? Vielleicht? Das wäre die einzige Erklärung, warum ich dich nicht mögen könnte? Ja! Denn wenn ich Frauen mögen würde, würde ich dich mögen. Hey! Warum lachst du denn jetzt?!" „Ich weiß auch nicht, irgendwas hieran ist so irrational lustig für mich."
„Es ist nicht lustig für mich, ich versuche gerade wichtige Sachen über mich rauszufinden." „Hey, Nagel dich aber auf nichts fest. Nur weil du mich nicht magst, musst du kein ganzes Geschlecht ausschließen." „Naja, ja, aber," Alister seufzte und trank einen Schluck Tee. „Magst du denn Typen?" „Weiß nicht. Ich bin mir nicht sicher, ob ich irgendwen mag." „Hey, das wär auch okay." „Ich mag wie das von einem Date zu einer Therapiestunde mit Dr. Daisy wurde." Jetzt lächelte er sie auch zart an. Die Zukunft war jetzt viel weniger gruselig.
------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------
Wortcount: 14993 Geschrieben vom: 12.7.21 Bis zum: 5.8.21 Letzte Korrekturlesung: 6.8.21
Hey Leuds, it's ya boy. Ich liebe dieses Kapitel, aber ich fahre morgen in den Urlaub, deshalb mach ich eine Woche Schreibpause. Keine lange Zeit für Worte #Alexanderdoesn'tpain!
Nächstes Kapitel hat Jack und Vicky im Fokus (glaub ich). Wir sehen uns!
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro