Anzahl Wörter: 991
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«Wir vertrauen dir und deinen Techniken, so wie immer.»
Dieser Satz wiederholt Roxana am nächsten Tag. Eigentlich sagt sie diesen Satz recht oft zu Sophia, um sie damit zu nerven. Doch dieses Mal sehen Sophias Augen hinter der schwarzen Brille nur ernst aus.
Es ist der Morgen nach ihrer ereignisreichen Nacht. Mit nur ein oder zwei Stunden Schlaf und mehreren Stunden Vorbereitung sitzen sie in ihrer Zentrale, also in einer leerstehenden Lagerhalle. Ihre Räumlichkeiten ändern alle paar Wochen, um keine Risiken einzugehen. Deswegen ist alles nur bedürftig eingerichtet und einfach, um schnell umzuziehen. Das Ziel ist es, irgendwann mal ein festes und sicheres Gebäude zu besetzen, eine richtige Mafiabude eben.
«Ich weiss, dass ihr das tut. Das ist auch das, was ich kann; mit Techniken umgehen.» Sophia redet mit ihnen über die Sicherheitsvorkehrungen, die sie letzte Nacht getroffen hat. «Ich habe die Spuren des Hackens verwischt, zudem sind eure Gesichter und Körper zur Sicherheit zensiert, obwohl es nichts ausmachen würde, wenn man euch erkennt. Ich meine, unsere DNA ist sowieso überall. Ausser auf der Datenbank der Behörden, versteht sich. Für das habe ich vorgesorgt und werde ich auch wieder tun. Mein Wagen wurde auch nicht ausfindig gemacht, obwohl ich Angst davor hatte und deshalb auch an einem anderen Standort wartete als bei euren Motorrädern.»
Roxana wechselt einen Blick mit den anderen. «Du rockst das, Sophia», spricht Akira aus, was alle denken. «Ich denke, wir sollten uns nun auf heute konzentrieren. Obwohl die Geschehnisse von gestern natürlich heute beeinflussen.»
Sophia seufzt. «Natürlich. Also, der Plan sieht folgendermassen aus: pünktlich zu den 10-Uhr-Nachrichten werden wir das Ganze etwas – nun ja, aufmischen, da bestimmt jeder in diesem Land den Nachrichtensender gucken wird. Dass es ein Sonntag ist, spricht auch auch für uns. Nach unserem Auftritt werden alle nach uns suchen und wir müssen abtauchen, womöglich für eine lange Zeit … aber das nur, um dann mit voller Wucht wieder neu anzufangen. Und trotzdem werden wir tief abtauchen müssen, sehr tief. Ihr wisst ja alle über den Fluchtplan Bescheid; eigentlich wie über alles, was ich noch sagen kann.»
Roxana sieht belustigt zu, wie Sophia mit den Schultern zuckt. «Hat irgendjemand noch eine Frage?»
Schweigen herrscht. «Ich glaube, das spricht für sich», sagt Roxana. «Ich würde sagen, da es schon in einer halben Stunde losgeht, sollten wir uns bereit machen.» Alle sind einverstanden und stehen auf. Da hält Roxana noch einmal inne.
«Akira, ist es immer noch in Ordnung, wenn du die Leitung des Gespräches übernimmst?» Roxana sieht die Angesprochene fragend an.
Akira sieht kurz zu Boden, überlegt, und schaut dann direkt in Roxanas Augen. «Ja, ich möchte gerne», antwortet sie. «Das ist das Mindeste, was ich tun kann, nachdem ihr die Sache mit Mortimus erledigt habt. Ich denke nicht, dass ich in der Verfassung gewesen wäre, dies zu tun.»
«Das bist du uns nicht schuldig», meldet sich Nola zu Wort. «Und ausserdem sind wir alle ein Teil von dem. Es hat alle von uns gebraucht und alle können sich schuldig sprechen, auch wenn man nicht dabei war.» Ein spöttisches Lächeln schleicht sich auf ihr Gesicht. «Wir sind doch die bösen Mafia-Mädchen, nicht wahr?»
Roxana lacht. «Natürlich. Wir sind die Jägerinnen, und bald wird jeder erfahren, wieso.»
Sophia klatscht motiviert in die Hände. «Auf geht’s, die Zeit verstreicht!»
Jeder macht sich an seine Aufgaben. Roxana und Nola räumen all ihre Sachen zusammen. Es muss nachher schnell gehen und jede Vorbereitung ist notwendig. Währenddessen tippt Sophia mit gerunzelter Stirn auf ihrem Laptop und anderen Geräten herum. Akira stellt eine Kamera, ein Mikrophon und Beleuchtung vor der Lagerhallenwand auf.
Die Zeit vergeht so schnell, dass es plötzlich einige Minuten vor zehn Uhr ist. «Wie siehts bei dir aus?», fragt Roxana und schaut über Sophias Schultern. Das, was sie auf dem Bildschirm sieht, sieht für sie aus wie ein Salat aus Buchstaben und Zahlen.
«Sehr gut», meint sie mit abwesender Stimme. «Niemand kann herausfinden, von wo unsere Störsignale kommen.»
«Hört sich grossartig an», Roxana nickt anerkennend. Sie blickt zur Kamera, wo bereits Akira und Nola stehen und ernst miteinander reden. Roxana gesellt sich zu ihnen. «Worüber reden wir?»
Nola blickt frustriert zu Boden, Akira stattdessen strotzt dagegen nur so vor Stolz. «Darüber, wie unfair Frauen in der Mafiaindustrie behandelt werden. Ich werde sozusagen warm für das, was ich gleich sagen werde.» Roxana lächelt. «Na dann, mach dich bereit. Denn ich glaube, gleich ist dein grosser Moment.» Tatsächlich ruft Sophia im selben Moment: «Es ist zehn Uhr!»
Sogleich schaut Nola auf und tritt zur Seite. Roxana geht zum Lichtschalter und knipst die Raumlampe aus, gleichzeitig schaltet Nola die Kamerabeleuchtung an. Nun steht nur noch Akira vor der Kamera und wird in blutrotes Licht getaucht. Roxana staunt darüber, welch guter Effekt dieses Licht hergibt, während sie sich neben Nola stellt. «Einen Moment noch, Akira», sagt Sophia, «ich warte noch auf den richtigen Zeitpunkt. Ich will doch diese Nachrichtensprecherin erst ausreden lassen.» «Kein Ding», erwidert Akira und blickt auf einen kleinen Gegenstand in ihrer Hand.
Und dann erhebt Sophia wieder ihre Stimme. «Es ist so weit.» Sie steht auf. «Bist du bereit, Akira?»
Akira sieht zu ihr. «Das bin ich. Es kann losgehen.» Dann sieht sie Nola und Roxana ebenfalls in die Augen. «Okay», sagt Sophia, «du bist drin, in drei, zwei, eins … jetzt!»
Ein kleines Licht an der Kamera springt wie von allein an. Die Lagerhalle ist still. Nichts ist zu hören, und doch ist alles klar, dass nun Akira aufgenommen wird, wie sie regungslos dasteht und in die Kamera starrt. Roxana schaut zu, wie sie sich dann ganz langsam bewegt und zu den vielen Menschen spricht, die zu Hause den Nachrichtensender schauen und Zeuge dieses Fernsehcrashes werden.
«Guten Tag, hier spricht nicht mehr eure geliebte Nachrichtensprecherin, sondern eine der Jägerinnen. Die Jägerinnen? Wer ist das? Oh, das werdet ihr gleich erfahren.» Sie legt eine Pause ein, lässt das Gesagt wirken. Dann hebt sie das Objekt in ihrer Hand hoch und enthüllt es. «Zuerst, meine Damen und Herren; dies ist eine Pyramide.»
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