Kapitel 5 (3/3)
Ich wusste gar nicht wie mir geschah, als es alles schon vorbei war und es an der Tür klingelte. Mein Herr stürmte los, aber ich saß wie angewurzelt da und starrte in meine zitternden Hände.
Was war das gewesen? Erst hatte er meinen Fuß geküsst und dann kam er immer näher, mein Herz klopfte immer schneller. Es war so anders als sonst. Mir war heiß und kalt zugleich.
Ich versuchte mich auf die Stimmen im Flur zu konzentrieren. Zwar überlegt ich einen Moment, aber ich konnte sie den Freunden meines Herrn zuordnen. Die, die mich eigentlich gekauft hatten. Und als ich in den Flur spähte, wurde meine Annahme bestätigt.
Der rothaarige Mann, der Terry zu heißen schien, packte mich gleich und zog mich zu sich. Er jetzt fiel mir auf, dass ich nur ein Handtuch um den Hüften trug und musste es eilig festhalten. Mein Herr zog mich aber seinerseits wieder zu sich, während dieser Terry ins Wohnzimmer stampfte und ich völlig überrumpelt nachdachte, was sie eigentlich gesagt hatten.
»Hach... na schön. Setzt euch doch.« Den letzten Satz betonte mein Herr anzüglich, dann strich er sich durch die Haare und sah zu mir. »Geh dir erstmal was anziehen.«
Gesagt, getan, konnte ich es gar nicht abwarten mir ein paar Klamotten überzuschmeißen. Mein Herr hatte mir erlaubt mir ein paar Sachen aus seinem Schrank zu nehmen, die allerdings eher schlecht als recht passten.
Als ich wieder unten ankam, hatten sich alle bereits in Wohnzimmer begeben und erzählten miteinander. Ich biss mir auf die Lippe.
Lauschen hatte mich in diese Situation erst gebracht und trotzdem drängte mich alles, diese verführerische Chance zu nutzen, etwas mehr über meinen Herrn zu erfahren. Meine Entscheidung stand eigentlich schon fest, also tapste ich leise zur Tür und spitzte die Ohren.
»Killian also... Dein Ernst? Ist das Zufall, Absicht oder einfach egal.«
»Eine Mischung aus allem würde ich sagen.« Die Stimme meines Herrn. Allerdings hatte ich keinen Schimmer worüber sie gerade sprachen und was das mit mir zu tun hatte.
»Sicher, dass du ihn wieder verkaufen willst?«
»Natürlich, ich behalte den doch nicht.«
»Aber niedlich ist er.«
»Das sagte Ms Hutter auch schon.«
»Siehst du, deine Sekretärin hat immer recht.«
»Trotzdem, egal wie niedlich, lieb oder sonstwas er ist. Behalten werde ich ihn nicht.«
Mein Herz klopfte. Diesmal nicht aus Aufregung, sondern Enttäuschung. Mir war ja klar, dass er mich eigentlich nicht hier haben wollte, aber war ich ihm wirklich so ein Graus? Er redete schrecklich über mich... Naja, ich hatte mich ja auch fürchterlich bisher benommen.
Gleich darauf fing mein Knöchel an zu schmerzen, als würde er noch Salz in die Sache streuen wollen.
Trotzdem... tat es weh.
»Was anderes: Was ist jetzt mit deinem Freund? Schluss gemacht? Per SMS? Echt jetzt?«
Sie wechselten das Thema. Eigentlich nichts, was mich ab jetzt interessieren sollte. Sollte ich jetzt anklopfen, hineingehen, oder was war von mir verlangt? Mein Herr hatte nur befohlen, mir etwas überzuziehen. Sie schienen nicht gerade, als würden sie mich vermissen.
»Kannst du dir das vorstellen?« Pures Entsetzen in der Stimme. »Da bekomme ich Mitternacht ne Nachricht, dass Schluss ist. Einfach so. Und weißt du, was das Arschloch dann noch geschrieben hat? Nein? Es sei doch nichts wirklich festes gewesen. War doch nur hin und wieder Gelegenheitssex und das war's! Ist das zu fassen! So ein verdammter Mistkerl!«
Ich war zu neugierig um nicht hinzuhören. Also hatte jemand wohl Liebeskummer. Trotz allem redete er ausgelassen und euphorisch, dass man keine Trauer erkennen konnte.
»Verdammt, wenn der mir mal gegenübersteht, dann mach ich ihn alle, das sag ich euch.«
»Blödmann.«, ergänzte mein Herr trocken. »Aber mach dir nichts draus. Du steckst das schon weg.«
»Ja, vielleicht, aber...-«
»Übrigens, habt ihr mitbekommen, dass die jetzt an der großen Kreuzung bauen? Das wird ein riesiger Umweg.«, unterbrach mein Herr und ich hörte etwas Rascheln.
»Schon, nur eben war...-«
»Das soll jetzt ein Jahr so gehen. Ewig wird das dauern.«, meinte die Stimme des letzten Herren. Wie hieß er noch gleich? Ich glaubte mich an Ray zu erinnern... Sie war tief und rau und wirkte, als hätte man sie lange nicht mehr benutzt.
»Wie wäre es, wenn wir heute Abend ausgehen und uns so richtig besaufen. Auf die miese Zeit, die wir im Moment haben.«, schlug Terry dann auf einmal vor.
Kurz war Stille, dann meinte mein Herr sarkastisch: »Yaeh. Besaufen.«
»Also seid ihr dabei?«
»Ja, warum nicht.«
Die brummige Stimme ergänzte. »Wo ihr seid, bin auch ich. Also, jo.«
Als Mathilda aus der Küche kam und das Wohnzimmer betrat, erinnerte mich das daran, dass ich das Lauschen vielleicht nicht auf die Spitze treiben sollte. Deshalb straffte ich meine Kleidung, die sowieso gleich wieder Falten schlug und wollte leicht an der Tür klopfen, hielt allerdings nochmal an, als mein Herr wieder zu sprechen begann.
»Aber wartet. Ich kann nicht. Killian ist doch jetzt hier und ich hab echt keine Lust ihn mitzuschleppen.«
»Meinst du nicht, dass du ihn hierlassen kannst?«
Hoffnungsvoll horchte ich auf. Mein Herr vertraute mir nicht. Klar. Trotzdem wünschte ich mir eine Antwort, die mich lächeln ließ.
»Was? Hierlassen? Niemals.« Wieder ein Stich. Ganz tief in die Brust. »Der rennt doch weg, sobald wir ins Auto gestiegen sind.«
»Meinst du nicht, dass du etwas überreagierst? Nicht jeder ist so wie...« Eine kurze Pause, dann sprach Terry weiter: »Du solltest etwas lockerer werden. Er läuft schon nicht weg. Und wenn alle Stränge reißen und du doch Recht behältst, dann kauf ich dir eigenständig einen neuen.«
»Ne Danke!«, kam sofort die Erwiderung. Dann ein lautes Seufzen. »Na schön, na schön. Dann will ich halt mal ein Auge zudrücken. Aber wehe, er ist nicht hier, wenn wir zurück sind. Dann müsst ihr herhalten.«
»Klar doch.«
Es entzündete sich eine kleine Flamme der Hoffnung, die ich vor allem Regen und Unwetter schützen musste, die sie löschen wollten. Ich würde mein bestes geben, wenn er außer Haus wäre, vielleicht mal ordentlich putzen und was schönes zum Abend kochen.
Ja, dann würde er sehen, dass er mir vertrauen kann.
Wieder bereitete ich mich innerlich vor, dann klopfte ich schließlich an und trat ein. Alle sahen mich an und ich spürte wieder die Hitze in mein Gesicht steigen.
»Naja... wie dem auch sei.«, begann mein Herr und fuhr sich durch die Haare. Er hatte jetzt ein Shirt an, das er wohl irgendwo gefunden haben musste. »Auf die Panik brauch ich erstmal eine Zigarette. Kommst du mit, Ray?«
Der ruhige Mann nickte. Dann standen sie auf und mein Herr holte eine Schachtel aus dem Wandschrank. Gemeinsam gingen zur Terrasse.
»Kann ich mir eine schnurren?«
»Mach was du willst.«
Und mit einem lauten Ratschen rastete die Fenstertür ein und ich war alleine mit diesem Terry, der mich ganz unverhohlen von oben bis unten musterte.
»Schwer so als Nichtraucher, hm? Immer sind wir die Gelackmeierten.« Er grinste breit und ich traute mich aufzusehen in seine hellen, braunen Augen. Die feine Haut mit den unzähligen Sommersprossen verzog sich noch breiter zu einem Grinsen. »Man schließt uns halt aus.«
Er wirkte anders als mein Herr und dieser Ray. Viel jünger irgendwie. Nicht nur vom Aussehen, auch von der Art. Mich interessierte es brennend nachzufragen, aber ich blieb still, wie es sich für einen Sklaven gehörte.
»Du bist ganz schön schweigsam. Das gefällt Isaac sicherlich. Er ist immer so korrekt und anständig.«, erzählte er drauf los, als wären wir jahrelang Freunde. Ich wusste nicht wie ich mich verhalten sollte, also verschränkte ich einfach wie gewohnt die Arme hinter dem Rücken und horchte aufmerksam.
»Komm, setzt dich hierher.«, forderte er und klopfte auf das Sofa neben sich. Ich wurde stutzig und sah nervös durch das Fenster, hinter dem ich meinen Herrn und seinen Freund beim Rauchen sah. Sie schienen sich zu unterhalten und nicht auf uns zu achten. Aber würde er es mir erlauben, mich zu setzen? Einerseits konnte ich einen Befehl nicht einfach missachten, aber ich könnte auch meinen Herrn nicht übergehen.
»Hm? Was ist?«, fragte er nach und legte den Kopf schief.
Da fiel mir ein, dass mein Herr gestern gemeint hatte, dass ich mich setzen sollte. Aufs Sofa. Unklar, ob das auch galt, wenn Besuch da war, doch dieser stechende, fordernde Blick war nicht zum Aushalten, Wie ein kleines Kind, das seinen Willen forderte.
Also setzte ich mich vorsichtig neben ihn und sah dann erst zu meinen Händen. Als aber nichts weiter von ihm kam, spähte ich auf und erkannte, dass er an den Nägeln spielte und in Gedanken versunken war.
Obwohl er lächelte, wirkten seine Augen irgendwie leer und farblos und sein Gesicht war ganz blass. Und ehe ich mich abhalten konnte, fragte ich auch schon: »Ist alles in Ordnung, Sir? Verzeiht, wenn ich das so sage, aber Ihr seht nicht gut aus.«
Überrascht wandte er sich zu mir und für einen Moment blitzten seine Augen auf, als würden sie feucht werden. Doch dann kehrte der Frohsinn wieder und er lachte. »Wer weiß, vielleicht verwandele ich mich in ein Zombie.«
Sein Lächeln sah so künstlich und gespielt aus, ich konnte fühlen, dass es nicht echt war.
»Ihr müsst Euch nicht zum Lachen zwingen.« Keine Ahnung wo das herkam oder was mich ritt, sowas zu einem Freien zu sagen, aber irgendwie tat es mir leid. Und dieser Terry schien auch nicht ganz mitzukommen, denn er verstummte und starrte mich verwundert an. »Wenn man verlassen wird, dann ist das nicht schön und tut furchtbar weh. Manchmal will man es sich nicht eingestehen und versucht darüber hinwegzusehen, aber es hilft nicht, wenn man lacht. Und es zeigt keine Schwäche wenn man weint, das zeigt nur, dass man den Dingen freien Lauf lässt und sich nicht selbst fesselt... hat mal jemand zu mir gesagt.«
Für einen Moment verlor dieses frohe Gesicht die Fassung und verzerrte sich. Bald erschien wieder ein mildes Lächeln. »Du hast uns belauscht.«
Mit einem Mal wurde mir klar, dass ich mich selbst verraten hatte. Wieder lief ich rot an wie eine junge Tomate und wartete bereits darauf, geschellt zu werden.
Es kam nichts. Nur langes Schweigen, in dem wir uns gegenseitig ansahen.
»Trotzdem ist der Mann, der Euch verlassen hat wirklich sehr dumm.«, musste ich einfach noch hinzufügen. Ich kam nicht umher, egal was mir für Konsequenzen blühten. »So jemanden wie Euch bekommt er kein zweites Mal... Und das hat er auch nicht verdient.«
Mit einmal wandte sich mein Gegenüber ab und starrte nach unten auf den Boden, sodass ich ihm nicht mehr ins Gesicht schauen konnte. Zeitgleich wurde die Tür zum Balkon geöffnet und mein Herr und dieser Ray kamen herein. Zwar bekam ich einen kurzen misstrauischen Blick, aber mein Herr sagte nichts weiter dazu, dass ich hier saß.
Erst als er die Sachen wieder weggeräumt hatte und sich dieser Ray in den Sessel fiel, blieb er stehen und betrachtete mit verschränkten Armen die Szenerie. »Sag mal, was hast du mit Terry gemacht, als wir kurz weg waren? So schweigsam hab ich ihn das letzte Mal erlebt, als wir in diesem Liebesstreifen im Kino waren.« Sollte ich das positiv oder negativ auffassen? Keine Zeit zum Nachdenken, denn sofort bekam ich die nächste Anweisung. »Wie wär's, wenn du uns einen Kaffe kochst? Mir aber nur einen Cappuccino.«
Ich sprang auf und verbeugte mich kurz. »Ja, mein Herr.«
Dann ging ich Richtung Küche und die Herrschaften begonnen bereits wieder zu erzählen. Nur Terry war diesmal leise. Und als ich an der Tür einen letzten Blick über die Schulter warf, war es nur der Hauch einer Sekunde, in der ich unter den Haaren, die das Gesicht bedeckten, eine Träne zu Boden fallen sah.
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