Kapitel 16 (2/2)
Kein Antwort. Also begab ich mich weiter zum Versteck. Wenn das die richtige Richtung war... denn ich hatte keine Ahnung, wo ich mich befand, oder Zip, oder das Baumhaus....
Tränen stiegen mir in die Augen. »Hör auf. Bitte! Zip! Komm wieder raus! Ich will nicht mehr!«
»Bwahhh!« Ich erschrak fast zu Tode, als etwas aus dem Gebüsch gesprungen kam und ich nach hinten fiel. Ich schrie so laut, dass es in meinen eigenen Ohren schmerzte, während Zip bestens amüsiert lachte und sich sogar auf die Schenkel klopfte. »Du hättest dich mal sehen sollen! Du hast geschrieen wie ein Baby!«
Vollkommen verstört schlug mein Herz so doll, dass ich kaum atmen konnte. Ich brauchte einige Sekunden, bis ich auf allen Vieren zu Zip krabbelte und mich an ihm hochzog - ja darauf bedacht, ihn nicht einmal loszulassen.
»Mach das nie wieder...«, wisperte ich ganz neben mir, während ich mich so hart in sein Hemd krallte, als wollte ich es zerreißen.
»Du bist eben doch ein kleiner Feigling.« Zip knuffte mir in die Wange, was mich ein wenig entspannte. Zumindest konnte ich wieder seine Stimme hören. Dann hielt er mir seine Hand hin, die ich dankbar nahm. »Lass und weiter.«
Nickend folgte ich ihm. Anscheinend wusste er noch gut, wo es langging. Dabei war es stockfinster, dass ich fast ein paar Mal über Wurzeln gestolpert wäre.
Ein bisschen bewunderte ich Zip schon, auch wenn er manchmal echt gemein sein konnte. Aber er hatte vor nichts Angst und baute echt die tollsten Decks mit den Sammelkarten.
»Da hinten ist es!« Zip zeigte auf das Baumhaus, kaum zwanzig Meter entfernt. Dann ließ er mich einfach los und rannte vor. »Wer zuletzt da ist, ist eine lahme Socke!«
Aber ich hatte keine Lust darauf. Lieber konzentrierte ich mich nicht hinzufallen. Jetzt, wo ich Zip sehen konnte, machte es mir auch glich nichts mehr aus, im dunklen Wald zu sein. Also folgte ich in meinem Tempo, während ich sogar ein, zweimal tief gähnte.
Doch lange blieb ich nicht so entspannt. Die Vögel hatten es wirklich drauf abgesehen, mir einen Schrecken einzujagen. Die trieben die Blätter auf und raschelten im Gebüsch, um danach fluchtartig nach oben zu fliegen.
Doch seltsamerweise beschlich mich das Gefühl, nicht alleine zu sein. Der Busch raschelte noch immer und ich fragte mich, ob sich wohl ein verletztes Kaninchen oder so dahinter befand. Wenn ja, dann müsste ich ihm unbedingt helfen, nicht dass es noch Schmerzen hatte...
Also wagte ich einen letzten Blick zum Baumhaus, in dem jetzt sogar Licht anging, weil Zip angekommen war, dann krabbelte ich zu dem Gebüsch. Ich strich die Sträucher beiseite und machte mir schon Gedanken, wie ich so ein verletztes Tierchen transportieren sollte... doch ich fand nichts vor.
Auf einmal spürte ich eine Hand auf der Schulter und mir fuhr es wieder durch Mark und Bein.
»Zip...?« Ich drehte mich hastig um, im Wissen, dass mein bester Freund es einfach nicht lassen konnte. Doch als ich erkannte, dass nicht er hinter mir stand, weitete sich meine großen, runden Augen. »Wer seid Ihr...?«
»Ist er das?«, fragte der Mann, mit der Hand auf meiner Schulter. Mein Herz schlug mir bis zum Hals. Geister waren es immerhin nicht. Vielleicht suchten sie auch nur nach ihrem Baumhaus...?
»Glaube schon. Acht Jahre, blonde Haare.«, kam es von einem anderen Mann. Und ehe ich mich versah, standen fast fünf fremde Leute um mich herum. »Hast du das Mittel?«
»W-Was ist los...?«, hauchte ich ängstlich und schlug die breite Hand des fremden Mannes von meiner Schulter, um nach hinten krabbeln zu können. »Was wollt Ihr...?«
Doch die Hand schnellte wieder nach vorne und packte diesmal meinen Arm, um mich kräftig heranzuziehen. Ab da ging alles ganz zügig. Während der eine mich festhielt, bekam ich ein komisches Tuch auf den Mund gedrückt. Ich trampelte und schrie nach Leibeskräften, aber sie wollten mich einfach nicht loslassen... und dann war alles schwarz.
Isaac
Still hatte ich Killians Ausführungen gelauscht. Und als er das erste Mal zu verschnaufen schien, legte ich meinen Arm um ihn und drückte seinen schmalen Körper an mich.
»Was ist danach passiert?«, fragte ich. Meine Brust zog sich zusammen, trotzdem musste ich es einfach wissen.
»Ich bin in einer Art Lagerhaus aufgewacht. Es waren Schwarzhändler gewesen.«, erklärte Killian monoton, als würde ihm das gar nichts ausmachen. »Sie hatten es eigentlich auf Zip abgesehen und waren nicht erfreut gewesen, nachdem sie bemerkten, dass sie den falschen hatten.«
Meine Hand glitt automatisch an Killians Hals und fuhr über das schmale Band. Ich hätte mir nicht vorstellen können, tagein, tagaus damit leben zu müssen, aber zumindest wusste ich jetzt, warum er es nicht ablegen konnte.
»Du hast Angst, es passiert wieder, wenn du es vergisst.«, schlussfolgerte ich aus seinen Erzählungen und bekam ein zaghaftes Nicken.
»Das ist idiotisch.«
»Das ist ganz natürlich.«, verbesserte ich ihn, weil ich das Gefühl kannte, das einen verfolgte, wenn man an die Vergangenheit dachte. »Und sie haben dir diese Narben am Rücken zugefügt?«
»Das war so eine Art Ritual für ihre Bande. Sie hatten schon mehrere Kinder entführt, um sie als Sklaven verkaufen zu können und jeder von ihnen trug diese Zeichen.«, erzählte Killian und schmiegte sich an mich. Ich streichelte über seinen Kopf und fühlte die weichen Haare in meiner Hand.
»Warum hatten sie es überhaupt auf deinen Freund abgesehen?«, hakte ich sanft nach. Eine Gänsehaut lief über meinen Körper.
»Das war so eine Erpressungssache oder so. Seine Eltern waren recht wohlhabend gewesen, durch irgendwelche korrupten Machenschaften, ich weiß nicht genau. Damals war ich zu jung gewesen, um alles zu verstehen.«
»Schon gut.«, sagte ich. Am liebsten hätte ich mich mit Killian ins Bett gelegt, damit ich ihn noch fester halten könnte. Aber ich war mir nicht sicher, ob ihm das im Moment gefiel. »Du bist danach zu Björn Peter gekommen, oder?«
»Genau. Sie hatten mich zu Geld gemacht. Aber eine Woche nachdem ich dort angekommen war, wurde ich auch schon wieder verkauft. Ich hatte nur erfahren, dass eine Frau mich ersteigert hatte. Allerdings kam ich zu einem neuen Ehepaar mit vielen Kindern. So begann meine Pechsträhne.« Er zuckte mit den Schultern. »Später habe ich herausgefunden, wer diese Frau gewesen war. Zips Mutter. Sie hatten nicht gewollt, dass ich irgendwas verriet, was ich vielleicht mitbekommen hatte, also sorgte sie dafür, dass ich zu Bekannten kam, die schweigen konnten.«
»Geht es dir jetzt besser?«
»Keine Ahnung.«, meinte er und sah zu mir auf. Seine Wangen waren vor Anspannung gerötet. »Am meisten tat es weh, dass ich ihnen anscheinend wirklich nichts bedeutet habe, obwohl sie für mich... wie Eltern gewesen waren. Und Zip habe ich danach auch nie wieder gesehen.«
»Vielleicht wusste er davon nicht.«, versuchte ich ihn ein wenig aufzubauen.
»Möglich. Aber kennst du das Gefühl, wenn du jemanden hasst... obwohl er wahrscheinlich nicht mal etwas für die ganze Sache kann?«
»Oh ja und wie. So ähnlich erging es mir ja bei unserer ersten Begegnung.«, erklärt ich, während sich Killians Worte langsam in mein Unterbewusstsein schlichen. Dann weiteten sich meine Augen. »Hast du mich gerade geduzt?«
»Entschuldigung.« Killian senkte hastig den Kopf, aber zwei Finger fanden unter sein Kinn und hoben es wieder an.
»Nein nicht. Das finde ich wunderbar. Darf ich dich küssen?« Kurz biss er sich auf die Lippe, dann nickte er zaghaft und erwiderte es sogar ein wenig, als ich meine Lippen auf seine legte.
»Jetzt will ich auch deine ganze Wahrheit hören.«, hauchte Killian, als wir uns voneinander lösten. Ich lehnte meine Stirn an seine und atmete tief durch.
»Na schön. Ich mach's kurz und schmerzlos.«, sagte ich zwar, aber der Schmerz kroch meine Glieder hoch. »Wir hatten schon früher Sklaven gehabt, die uns ein wenig unterstützten, gerade bei Bens Krankheiten. Ein junger Mann in meinem Alter und seine Schwester, ein paar Jahre jünger. Wir kamen gut miteinander aus, sie gehörten ja gewissermaßen zur Familie, sie lebten und wohnten mit uns. Und vielleicht...« Ich kratzte mich an der Nase, weil ich mich plötzlich einfach nur verstecken wollte. »vielleicht hab ich mich sogar ein wenig in ihn verliebt. Nichts besonderes. Nur eine Jugendschwärmerei.«
Diesmal war es Killian, der mir die Haare hinters Ohr strich und meinen Blick einfing. Dieser Moment war so intim, wie nie zuvor, nichtmal, wenn wir nackt waren oder miteinander schliefen.
»Aber dann gab es einen großen Unfall.« Ich schloss die Augen und atmete tief durch. Es gab nichts, wovor ich nun Angst haben müsste. »Der junge Sklave wollte weglaufen. Und eines Nachts hatte er geplant, ohne seine Schwester abzuhauen. Aber mein Bruder ist wach geworden und hat alles durcheinander gebracht. Sie stritten sich wohl, weil Ben nicht wollte, dass er uns verließ. Seine Schwester kam auch dazu und alles eskalierte irgendwie und sie wurden handgreiflich...« Ich nahm Killians Hand und spürte seine Wärme. »Sie stürzten alle drei die Treppe hinunter. Ben und das Mädchen waren sofort tot, ihr Bruder starb kurz drauf an seinen Blutungen.«
»Das tut mir schrecklich leid...«, meinte Killian ruhig und küsste mir die Tränen von den Wangen, die ich selbst gar nicht mitbekommen hatte.
»Das hat mir gezeigt, was passiert, wenn man Menschen unterdrückt. Ich schwor mir, nie wieder etwas persönliches mit Sklaven anzufangen, geschweige denn, mich in einen von ihnen zu verlieben.« Als würde ich eine schwere Arbeit erledigen, stöhnte ich. »Damals war ich in ein Loch gefallen. Ich brach das Studium ab, ich aß nichts mehr und ich verließ das Haus auch nicht mehr. Dafür... fing ich mit trinken an und beinahe hätte ich mich auch in irgendwelche krummen Dinger mit Drogen verwickeln lassen, wenn meine Mum mich nicht wachgerüttelt hätte.«
Killians Hand legte sich an meine Wange.
Ich liebte es, seine Wärme zu spüren.
Ich liebte ihn.
Aber es gab Sachen, die ich selbst mit meiner Geschichte nicht entschuldigen konnte. Also stand ich auf, um vor Killian auf die Knie zu gehen und meinen Kopf an seine Knie zu lehnen. »Es tut mir leid, dass ich dich geschlagen habe. Ein Außenstehender würde mich wohl für verrückt erklären... aber ich kann es nicht vergessen.«
Killians wunderschönen, überraschten Augen blickten auf mich herab. Dann nahm er meine Hände, die ich in seinem Schoß bettete. »Du machst dir viel zu viele Gedanken.«
»Ich weiß. Ich werde mich ändern. Ich werde alles ändern.«
»Du... Idiot.« Killian rutschte vom Bett herunter und schlang seine Arme um mich. »Bitte ändere dich nicht. Niemals.«
Ich erwiderte seine Umarmung fest, während ich meine Hand vors Gesicht hielt, um irgendwie diese verräterischen Tränen zu stoppen. Doch sie liefen achtlos und ungehalten
Nachwort
Ich hoffe, euch hat das Kapitel gefallen. Langsam neigt sich diese Geschichte dem Ende entgegen. Daher würde ich mich sehr freuen, wenn ihr den Kapiteln ein Vote gebt und mit eure Meinung gerne in die Kommentare schreibt!
Es würde mich freuen, wenn ihr weiterhin so gespannt dabei bleibt und wie zusammen die letzten spannenden Kapitel angehen!
Liebe Grüße
Goldkirsche
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