Kapitel 11 (2/3)
»Ich hasse Euch nicht. Das habe ich Euch schon einmal gesagt.« Zögernd spähte ich zu ihm. »Und Ihr seid auch nicht mein Peiniger. Das mit den Armen...« Unbewusst strich er sich darüber. »...war ein Unfall. Als Sklave habe ich vieles erlebt und Ihr seid bei weitem der gütigste Herr, den ich bisher haben durfte.«
»Vielleicht bin ich als Herr gütig. Als Mann oder heimlicher Verehrer habe ich auf voller Länge versagt.« Ein Gericht baute sich um mich herum auf. Und jeder zeigte mit dem Finger auf mich. »Wie sollte ich das wieder gutmachen? In einer Beziehung, ganz gleich welcher Art, kann man sich vieles erlauben. Aber Gewalt geht zu weit.«
»Darüber kann ich hinwegsehen.« Immer mehr musste ich in die grünen Augen blicken. Die Tränen ließen ihn nicht schwach, sondern unglaublich stark wirken. »Nicht als Sklave, sondern als heimlich Verehrter.«
»Aber...«
»Das ist meine eigene Entscheidung. Wenn ich etwas verzeihen möchte, dann mache ich das auch.« Mir stockte der Atem. Sprach er gerade wahrhaftig von Vergebung? Obwohl ich ihn nicht nur emotional, sondern selbst körperlich verletzt hatte?
»Zuerst war ich wütend.«, sagte er ganz aufrichtig. »Bis ich begriff, dass ich nicht rein wegen der Strafe aufgewühlt war. Vielmehr, weil sie von jemandem kam, zu dem ich aufsah, den ich mochte und von dem ich ebenfalls gemocht werden wollte.«
Meine Augen schlossen sich. Verhindern konnte ich allerdings nicht, dass auch mir erneut die Tränen zu laufen begannen. Dieser naive Junge wusste doch gar nicht, wovon er da sprach.
»Du kannst dich nicht darauf verlassen, dass... du kannst dich nicht auf mich verlassen. Vielleicht tue ich gerne so stark, aber wenn es hart auf hart kommt, kann ich dich wieder nur fallenlassen.«
Eine kleine Hand zog meine eigene zu sich, legte sie an die feuchte Wange. »Ich möchte es versuchen. Ihr müsst mir nur sagen... wie.« Wie viel Trost man aus einer spärlichen Berührung ziehen konnte. »Im Moment weiß ich nicht, was Ihr von mir wollt. Ich bin einfach nur froh, dass ich nicht an diesen schrecklichen Mann verkauft wurde.« Er fing meinen Blick ein. Kaum konnte ich dem standzuhalten, aber ich riss mich zusammen. »Ihr müsst mir sagen, was ich bin. Wenn ich nur ein Sklave sein soll, dann ist das so und ich werde mich glücklich schätzen, bei Euch sein zu dürfen. Aber wenn... wenn ich mehr sein soll... wenn wir...«
Die süßen Lippen schmeckten zu verführerisch, als ich Killians Gesicht umschloss und ihn zaghaft küsste.
Killian
So einfach sollte es gehen? Mit nur wenigen Worten, die einen tief im Herzen berührten? Unmöglich...
»Ich will, dass du...« Nach Luft schnappend lösten wir uns voneinander. Mein Herr legte seine Stirn an meiner ab und ich schloss die Augen. »...dass du so viel mehr bist. Wenn du es wirklich möchtest, dann... verspreche ich, dir nie wieder weh zu tun und dir zu helfen und dich zu halten und zu verstehen. Ich möchte, dass du mir vertraust.«
»Ich möchte Euch vertrauen.«
Wie schön es war, die Arme um den Hals zu legen und die weichen, sanften Lippen zu küssen. Das erste Mal, dass wir ehrlich gewesen waren - ein wunderbares Gefühl. Auf einmal existierte diese Welt nicht mehr. Nur noch große Hände, die mich auf den Schoß zogen und streichelten, als wäre ich ein teurer Schatz.
Kein Sklave, kein Herr - nur zwei Personen, die sich halten und lieben wollten. Dabei war ich doch noch nie verliebt gewesen. Was bedeutete das, was tat man dann? Musste man Regeln beachten, gab es keine Anleitung dafür?
Unsere Körper kannten die Regeln allerdings bereits. Von selbst reagierten sie auf die Nähe des anderen, sehnten sich nach den Berührungen und neckischen Spielereien. Wie von selbst bewegten sie sich aufeinander zu, zogen sich gegenseitig aus, küssten sich immer wieder, um noch mehr Hitze aufwallen zu lassen.
Es hupte plötzlich, als ich mit dem Ellenbogen gegen das Lenkrat stieß. So enger Raum, in den man sich kaum winden konnte - umso wärmer und gemütlicher wurde die Zweisamkeit. Jede Rührung des anderen bekam man mit. Es duftete nach dem Parfüm meines Herren. So intensiv hatte ich es noch nicht wahrgenommen. Wie eine leichte Brise im Winter und etwas... Zitrone. Er schmeckte auch ganz anders als zuvor. Fast nach einem strengen Tee, den man nur mit Zucker genießen konnte.
Ich kicherte.
»W-Was ist?« Er hielt sofort an und drückte mich besorgt weg, dass ich den Kopf schüttelte. »Hab ich was falsch gemacht?«
»Nein, mein Herr.« Ich leckte über seine Lippen, um noch mehr probieren zu können. »Es fühlt sich gut an.«
»Nenn mich bitte Isaac. Jetzt und für immer.« Zu gerne wurde dieses Angebot angenommen. Und als er in mich eindrang, stöhnte ich seinen schönen Namen gleich laut und ungehalten. Es kribbelte beim Aussprechen - das erste Mal nahm ich auch dies richtig wahr. Ich hatte die Erlaubnis ihn beim Namen zu nennen. Dabei war der Durst lange nicht gestillt. Jetzt fing es gerade erst an, oder? Es war kein Traum, der platzen würde, wenn man die Augen aufschlug? Ich durfte mich fallenlassen?
Regen setzte ein. Prasselnd schlugen die Tropfen gegen die Scheibe und vernebelten die Sicht. Tiere suchten Zuflucht im Wald, Menschen zogen sich in ihre Häuser zurück - doch wir blieben im Guss der Wolken, alleine und vereint.
»Ich will in dir kommen. Darf ich?«, hauchte mein Herr an meinem Ohr, dabei war diese Frage umsonst. Beide kannten wir die Antwort. »Lass uns aber noch ein bisschen...«
Dagegen gab es nichts einzuwenden. Die Zeit verschwamm, blieb stehen, nur um mit voller Wucht weiterzuticken und als Regentropfen auf dem Autodach zu rumoren.
Und irgendwann konnte ich nicht mehr an mich halten. Mein Orgasmus ließ mich zittern und schwer atmend auf Isaacs Brust zusammenbrechen. Und als auch er kam, küssten wir uns wieder innig.
»Du siehst fürchterlich aus.«, waren die ersten Worte meines Herrn, nachdem er meine kurzen Haare aus dem Gesicht strich. Wahrscheinlich spielte er auf die roten, angeschwollenen Augen an.
»Das gebe ich gerne zurück... Isaac.«, sagte ich schmunzelnd und bekam das gleich schöne Lächeln.
»Wie frech du doch sein kannst.«
Wir brauchten einen Augenblick, um zu Atem zu kommen. Währenddessen streichelten wir den heißen, entspannten Körper des anderen. Aber mir brannte eine Frage auf der Zunge. »Können wir nach Hause?«
Isaac küsste mich auf die Wange und dann auf der Stirn. »Natürlich können wir. Es ist jetzt auch dein zu Hause. Ein Ort an den du jederzeit kommen kannst, wenn du etwas auf der Seele hast. Ich werde dir immer zuhören und mich bessern, das verspreche ich.«
Ich kicherte verlegen. »Und ein Ort, an dem man den Bauch nicht einziehen muss.«
»Wie? Was?« Perplex grinsend strich sich Isaac über die gut definierten Muskeln. »Meinst du, ich habe seit Einlauf Tagen zugenommen?«
»Ein wenig.«, neckte ich weiter. Auf einmal war da diese Sicherheit, dass auf die Worte keine Strafe folgen würde. Da war Vertrauen. »Ihr solltet Sport treiben.«
Isaac gluckste: »Wie gemein.« Dann legte er seinen Arm in meinen Rücken und drückte mich gegen das Lenkrad, das erneut zu hupen begann, allerdings vollkommen beabsichtigt. Niemand würde es in diesem Regen abseits der Stadt hören. »Meinst du, es zählt auch Sex?«
»Zumindest bin ich ziemlich erschöpft. Denke also schon.«, erwiderte ich grinsend und kassierte dafür einen pikierten Kuss.
Isaac
Die Autofahrt zurück war ich so müde, dass mir die Augen beinahe zufielen. Um Killian war es bereits geschehen. Längst eingeschnuppt, lag er auf seinem Sitz und atmete ruhig ein. Und als wir zu Hause ankamen, hob ich ihn einfach auf meine Arme, um ihn nicht wecken zu müssen.
Durch den Regen wurde eine weitere Erinnerung wach. Am ersten Tag, an dem Killian zu mir gekommen war, hatte es ebenfalls geregnet und wieder waren wir nass geworden. Diesmal allerdings legte ich ihn ins Bett und schaffte es nicht, mich davon abzuhalten, tausend Küsse auf seiner Stirn zu verteilen.
Allerdings konnte ich mich nicht hinlegen und entspannen. Zu sehr war ich aufgewühlt und aufgeregt auf die Zukunft. Ich wollte mich freuen, aber gleichzeitig hatte ich Angst, etwas falsch zu machen. Sollte ich meine Mutter anrufen und ihr erzählen, dass Killian jetzt dauerhaft bei mir bleiben würde?
Heftig kopfschüttelnd kippte ich mir fast den Kaffee übers Hemd, als ich ihn in die Tasse schütteln wollte. Meine Mutter dürfte davon nichts erfahren, sie würde völlig ausrasten. Dennoch grummelte dieses Bedürfnis im Magen, mich jemandem anzuvertrauen. Meine Katzen, die sich um mich versammelten, weil sie ihren Menschen lange nicht so aufgewühlt gesehen hatten, halfen mir da auch recht wenig weiter. Deshalb griff ich kurzerhand zum Handy und wählte die Nummer von zwei Idioten, die mir sicherlich ein Ohr leihen würden.
»Isi, was geht?«, nahm es am anderen Ende der Leitung ab, gefolgt von einem Grummeln, das wohl von Grey stammte, der unserem Dreiergespräch beitrat.
»Isi?«, hakte ich irritiert nach. Das klang ja mega dämlich.
»Na klar. Spitzname. Hab ich mir ausgedacht.«
»Ja, so hört es sich auch an.«, murmeltet ich halb verschlafen, halb am explodieren vor Neuigkeiten, die ich unbedingt loswerden musste.
»Find ich jetzt ganz schön respektlos von dir.« Terry schnalzte mit der Zunge. »Du kannst dich ja entschuldigen, indem du mir einen neuen Job besorgst.«
»Wie jetzt?« Es tat gut, die alten Freunde zu hören und an etwas anderes als Killian zu denken. »Bist du nicht letztens erst geflogen?«
»Erstens,« Man konnte förmlich durchs Handy spüren, wie Terry den Zeigefinger hob. »bin ich nicht geflogen, der Friseur ist pleite gegangen. Und zweitens habe ich nicht Schuld, dass man mich rauswirft, weil ich jemanden decke... zumindest nicht ganz allein.«
»Jemanden deckst?« Während Terry und ich eine ganz eigene Unterhaltung führten, konnten wir doch sicher sein, dass Ray zuhörte - zumindest dem Wasserhahn und klirrendem Geschirr zufolge.
»Hä? Ich rede vom Diebstahl. Doof, dass das rausgekommen ist, dabei war das echt nur eine Kleinigkeit. Aber die Chefin hat das gar nicht gut gefunden. Zumindest hab ich keine Anzeige am Hals.«
»Wir reden jetzt aber schon vom selben Thema, oder? Warst du etwa dabei, als Killian was entwenden wollte?«
»Sag nicht, du hast mich nicht bemerkt. Was bist du denn für nen Kumpel, Alter?«
»Sorry, echt jetzt! Ich war so mit mir selbst beschäftigt... naja...«
Seufzen. Langes, tiefes Seufzen. Doch dann atmete es wieder auf. »Wie geht es ihm? Du warst hoffentlich nicht zu streng.«
Ich biss mir auf die Lippe. Sie schienen Killian zu mögen - da hatten wir eindeutig was gemeinsam. Nur dass meine Gefühle über schlichtes Mögen hinausgingen. »Deswegen habe ich angerufen. Es muss unbedingt was besprochen werden. Ist wichtig.«
»Was besprechen? Sag bloß, du hast Killian verkauft...«, meinte Terry. Ich bildetet mir ein, ein Aufhorchen zu vernehmen. Es interessierte ihn also ganz schön, was? Da konnte nicht einfach aufgetischt werden, wie ich ihn behandelt hatte. Stattdessen wurden die miesen Stellen gestrichen.
»Nein. Ich hatte vor, ihn zu verkaufen, aber...« Ein Glücksgefühl der Erleichterung breitete sich aus. »..ich konnte nicht. Vorhin erst waren wir beim Händler gewesen. Alles kam ganz anders.«
Hatte ich mit einem freudigen Jubeln gerechnet oder eine andere überdrehte Art der Freue - wie Terry nun mal war - kam lange Zeit nichts. Bis er sich räusperte. »Ähm... also... Er bleibt bei dir?«
»Sieht so aus.« Seufzend schloss ich die Augen. Der hübsche Junge lag oben und schlief. Jegliche Sorge, er könnte morgen nicht mehr an meiner Seite sein, schien umsonst. Wie hatte die Erwägung existieren können, ihn zu verkaufen?
»Lass mich dir brüderlich auf die Schulter klopfen und sagen, dass ich echt stolz bin.«, mischte sich auf einmal Ray mit ein. Wie erwähnt - der schlaue Fuchs passte eben auf. »Dass du deine Angst überwindest ist sehr gut. Dabei hatten wir fest angenommen, Killian würde bald Geschichte sein. Darf ich mich soweit vorlehnen, dass da irgendwas zwischen euch läuft?«
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