☀︎ C A L E B - 15 ☀︎
Caleb blieb wie angewurzelt stehen, drehte auf dem Absatz um und – tatsächlich, Richard stand nur wenige Meter entfernt an seinem Wagen. Offenbar war er gerade eben selber erst angekommen.
"Richard verdammt, wohin des Weges?", zischte Caleb, seinen Schrecken herunterschluckend. "Dich suchen natürlich!"
Richard zog eine Braue in die Höhe, eher er die Tür seines Wagens zuschlug. Die Tiefgarage war so gut gedämmt, dass der Knall im Ansatz verschluckt wurde. "Wie passend. Ich suche dich auch."
"Was ist hier eigentlich los?" Caleb ging zu Richard hinüber. "Du faselst etwas von Problemen in Manhattan, ich lasse alles stehen und liegen, und als ich ankomme ... nichts. Ich habe den Projektleiter an der Strippe gehabt, fast eine Stunde. Es läuft alles wie am Schnürchen!"
Richard musterte Caleb mit einem undurchdringlichen Blick. „Du denkst also, alles läuft nach Plan?" Er legte eine Pause ein und ließ seine Worte in der stillen Tiefgarage nachhallen. „Manchmal sind es nicht die offensichtlichen Dinge, die uns zu Fall bringen. Es sind die Dinge, die unter der Oberfläche lauern."
Caleb spürte, wie Richards Worte ihn provozierten. Er wusste, dass es eine Anspielung aufs Inn war, aber er würde sich nicht so einfach entlarven lassen. "Spare dir deine Rätsel! Was willst du?"
Richard schmunzelte und lehnte sich an seinen teuren Sportwagen an. "Einfach nur reden, Caleb. Über dich, über mich ... über Sandpoint. Du hattest gesagt, es würde sich nicht lohnen. In deinen Unterlagen steht etwas völlig anderes. Dort war deine Einschätzung überaus gewinnbringend."
Caleb fühlte eine Enge in seiner Brust. Die Worte, die er so gefürchtet hatte, waren ausgesprochen. Er atmete tief durch, versuchte ruhig und beherrscht zu wirken. "Vielleicht habe ich mich bei meiner Berechnung vertan, vielleicht war ich ... abgelenkt", sagte er mit fester Stimme.
"Abgelenkt?" Richard schnaubte süffisant. "Ablenkung ist ein Luxus, den sich Leute wie wir nicht leisten können, Caleb! Die Branche verzeiht solche Fehler nicht. Und du weißt, wie schnell sich Gerüchte verbreiten."
Die Drohung war subtil, aber klar. Caleb fühlte, wie er ins Schwitzen geriet. "Drohst du mir?"
Richard lächelte kalt. "Ach was, mein alter Freund. Aber vielleicht solltest du darüber nachdenken, ob das 'Sandpoint Inn' wirklich so unrentabel ist, wie du behauptet hast. Manchmal kann ein zweiter Blick Wunder wirken."
"Möglicherweise."
"Ja, möglicherweise", wiederholte er Calebs Worte. "Passender Weise habe ich das schon für dich getan. Und wie der Zufall es will komme ich zu einem völlig anderen Ergebnis was das Inn betrifft?"
Calebs Magen verkrampfte sich, als er Richards Worte hörte. Seine Brauen senkten sich tief. "Was meinst du?"
Richard genoß sichtlich Calebs Unwissenheit. "Nun, ich habe mir vom 'Sandpoint Inn' mein eigenes Bild gemacht. Eine Nacht und einen ganzen Morgen lang. Und was soll ich dir sagen, Caleb?" Richard schmunzelte. "Ich habe mich selten so ... erholt gefühlt."
"Du warst im ..." Plötzlich wurde ihm einiges klar. Deswegen hatte Richard ihn angerufen und ihm das angebliche Problem von Manhattan aufgetischt. Er wollte, dass Caleb um jeden Preis ins Büro kommt, um in der Zwischenzeit selber ins Inn zu fahren.
Richards Gesicht wurde plötzlich ernst. Er stieß sich vom Wagen ab und schloß die Lücke zwischen ihm und Caleb. Er starrte ihm fest und unerschrocken in seine Augen. Seine Stimme war eiskalt und eindrucksvoll. "Ich warne dich, Caleb. Lass dir diese Sache eine Lehre gewesen sein. Bescheißt du mich noch ein einziges Mal, wird es dir leid tun, ist das klar?"
Caleb presste seine Kiefer aufeinander, dass seine Muskeln zuckten, ehe er nickte.
"Schön, dass wir uns einig sind." Richard klopfte Caleb fest auf die Schulter und nickte ihm zufrieden zu. "Ich habe übrigens entschieden, dass wir das Inn abkaufen. Damit du keinen erneuten Fehler in der Sache machst, sage ich John bescheid, er soll sich um alles Weitere kümmern."
Caleb versteifte sich. Er konnte einfach nicht begreifen, wie schnell die Dinge sich gewendet hatten. "Nein. Ich ... ich kümmere mich selber darum." Er würde es Becky sicher am Schonendsten beibringen können.
Richard runzelte die Stirn. "Hm ... na gut. Aber enttäusch mich nicht wieder."
Caleb nickte stumm.
"Fein." Richard drehte sich um, öffnete die Beifahrertür und griff nach seiner ledernen Aktentasche. "Ich muss hoch, Leonards kommt gleich." Er warf die Tür wieder zu, sah Caleb ein letztes Mal an und lächelte zufrieden. "Schön, dass wir das aus der Welt schaffen konnten."
Er ließ Caleb stehen und schritt an ihm vorbei Richtung Aufzugtür. Das Klacken der Absätze seiner ledernen Schuhe hörten jedoch abrupt auf. "Ach, Caleb?"
Caleb fuhr zu Richard herum, einen fragenden Ausdruck auf seinem Gesicht.
"Wie war eigentlich deine Meinung zu Becky?", fragte Richard, während er Caleb wieder fest in die Augen blickte. Die Art, wie er ihren Namen aussprach, ließ Calebs Haut kribbeln und selbst die feinsten Härchen warnend aufstellen.
"Sie war eine hervorragende Gastgeberin."
Richard lachte leise und es klang wie das Knistern von Eis. "Ja, Becky ist wirklich etwas Besonderes, nicht wahr? So warmherzig ... so attraktiv." Er ließ die Worte schweben und ging einen kleinen Schritt zu Caleb zurück. "Sie hat eine besondere Art, sich um ihre Gäste zu kümmern, findest du nicht auch?"
Caleb schluckte hart. Das war keine gewöhnliche Konversation mehr. Er fühlte, dass Richard mit ihm spielte. "Ich weiß nicht, worauf du anspielst" antwortete er, seine Augen verengend.
"Ich denke, du weißt ganz genau, was ich meine. Du bist doch auch kein Kind von Traurigkeit, Caleb." Richard zwinkerte ihm zu. "Haben dir die sexuellen Gefälligkeiten als kleiner Extra-Service denn zugesagt?"
Jeder Muskel in Calebs Körper spannte sich an. "Pass auf, was du sagst, Richard. Du bewegst dich auf dünnem Eis."
"Aber ich habe doch recht, oder nicht? Du hast sie doch geknallt, stimmt's? Warum sonst solltest du deine Bewertung ändern? War sie also so gut, ja?"
Caleb presste seine Lippen aufeinander, wie er es immer Tat, wenn Richard ekelig wurde. Richard war ein Arsch. Das war er schon immer. Er würde sich nie ändern. Also schluckte Caleb seine Wut so gut es ging hinunter.
Richard lachte, als er Calebs Anspannung spürte. "Entspann dich, Großer." Er atmete theatralisch lange ein. "Dann sind wir wenigstens bei dieser einen Sache einer Meinung. Ich fand sie nämlich auch gut. Sehr sogar."
Richards Worte klangen so beiläufig, aber sie waren wie ein Schlag in Calebs Gesicht. Eine Kälte kroch in sein Innerstes, und für einen Moment schien die Zeit stillzustehen. Ein kurzes Zischen entwich Calebs Lippen, bevor er seine Worte fand.
"Was sagst du da?" Seine Stimme klang gefährlich leise, bedrohlich. Caleb hatte kein konkretes Bild vor Augen, aber die dunklen Andeutungen ließen ihn das Schlimmste befürchten.
Richards selbstgefälliges Grinsen auf den Lippen wurde von der künstlichen Beleuchtung der Tiefgarage unheilvoll unterstrichen. "Ach komm schon, Caleb. Wieso sollte es mir anders ergehen als dir? Dieser perfekte Körper, diese seidigen langen Locken, dieses unbedarfte Lächeln. Wie ein verführerischer Engel, oder? Ich verstehe dich nun viel besser! Welcher normale Mann sollte ihr auch wiedersehen können?"
Caleb funkelte Richard wütend an. Seine Vorahnung schien langsam grausame Gewissheit zu werden. "Was hast du getan?" Seine Stimme war ein gefährliches Flüstern, und die Spannung zwischen den beiden Männern war fast greifbar.
Richard schüttelte tadelnd den Finger. "Tz, tz. Das klingt fast so, als ob du eifersüchtig wärst. Du hast Gefühle für sie, nicht war?" Er machte einen theatralischen Schritt zurück und schaute Caleb mit einem übertriebenen gespielten Mitleid an. "Keine Sorge, ich habe sie gut behandelt. Obwohl ... ein bisschen zickig war sie schon. Aber du weißt ja, wie überzeugend ich sein kann."
Caleb konnte nicht mehr an sich halten. Mit einem lauten Knurren stürmte er auf Richard zu, packte ihn am Kragen und presste ihn gegen die Wand neben dem Aufzug. "Du verdammter Wichser!," fauchte er. "Sag mir genau, was passiert ist."
Richard, obwohl in einer unterlegenen Position, grinste nur breiter. "Dachtest du, ich würde diese Schmach der Lüge einfach auf mir sitzen lassen, du Stück Scheiße? Du hast mich betrogen, Caleb! Wegen irgendeinem Flittchen. Und nun spielst du dich auf? Warum? Weil dir bewusst wird, dass diese Hure einfach eine Schwäche für dominante Männer hat? Oder vielleicht weil du Angst hast, dass ich wieder der Bessere von uns beiden gewesen sein könnte, so wie unser ganzes Leben lang schon? Fahr zu ihr, frag sie, aber an deiner Stelle würde ich die Antwort fürchten!"
Calebs Reaktion kam prompt. Er zog seine Faust zurück, und bevor Richard reagieren konnte, schlug er zu, ließ seine gesamte Wut in den Schlag fließen. Richard stöhnte auf und rutschte die Wand hinunter, aus der Nase blutend und kurzzeitig benommen.
Mit schwerem Atem ließ Caleb ihn fallen und trat zurück. Richard, noch immer am Boden, hustete, wischte sich das Blut von den Lippen und begann leise zu lachen.
"Dein ganzes Leben hängst du an meinem Schlappen, Caleb." Richard spuckt Blut auf den Boden. "Und bei der erst besten Gelegenheit hintergehst du mich wegen einem geilen Fick. Du bist ein Loser, und du wirst immer einer bleiben!"
Caleb trat einen Schritt näher, sodass sich die beiden Männer fast berührten. Seine Präsenz war erdrückend und die Luft zwischen ihnen knisterte vor Spannung. "Wenn du ihr auch nur ein Haar gekrümmt hast, Richard," raunte Caleb, seine Stimme so gefährlich leise, dass sie fast ein Flüstern war, "dann wirst du es in einer Weise bereuen, die du dir nicht vorstellen kannst!"
Ohne ein weiteres Wort ging Caleb mit entschlossenen Schritten zurück zu seinem Wagen.
Er musste zu ihr. Er musste sicherstellen, dass sie in Ordnung war.
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