Gedankengut.
Und dann saß ich dort, an einem Zaun angelehnt, umgeben von Menschen, die hektisch umherrannten und versuchten, die Holzstücke zu löschen. Diese Leute hatten Nicklas und zwei andere Verletzte kurz zuvor in ein weiteres Auto eingeladen. Es ist ein sehr großes Auto gewesen, sodass alle Leute gut hineinpassten. Direkt neben mir saßen Farin, Alma und ein Junge, dessen Namen ich nicht kannte. Sie sahen ungefähr so aufgelöst aus, wie ich mich fühlte. Es war ein seltsames Gefühl. Im einen Moment noch ist alles so klar und du bist mal wieder gut drauf und im nächsten ist da nur noch bloße Verwirrung. Was sollte ich schon denken, ich war noch nie zuvor mit Feuer angegriffen worden. Das Feuer war doch etwas schönes, schmerzhaft zwar schon, aber niemals gewalttätig. Und ich musste nur daran denken, wie ich mich gerade noch wegducken konnte, sonst hätte mich das brennende Stück Holz erwischt, mitten in mein Gesicht. Aber statt mir traf es Nicklas, einfach so. Mitten in sein Gesicht.
Farin drehte sich zu mir. "Wie geht's dir?", fragte er mich.
"Mir geht's gut.", sagte ich nur, denn ich war körperlich in guter Verfassung. Er zögerte.
"Und wie fühlst du dich?"
"Verwirrt." Und das war die Antwort, die er wollte.
"Uns allen geht's so. Das ist noch nie passiert." Er sah nachdenklich aus. Sein Gesicht war dreckig und seine Hände voller Ruß. Er war einer derer gewesen, die Nicklas und andere aus dem Raum geholt hatten.
"Was glaubst du, woran es liegt?", fragte ich ihn jetzt, weil es mich wirklich beschäftigte. "Meinst du, jemand hat das absichtlich getan?"
"Ich fürchte, es gibt keine andere Erklärung." Er seufzte. Etwas war ins einem Gesichtsausdruck, aber es war keine Verwirrung. Er war bitter und wütend.
"Was glaubst du, wen sie angreifen wollten?" Ich traute es mich fast nicht, die Frage zu stellen. Mit so viel Gewalt war ich vorher noch nie konfrontiert worden und diese Seite der Mauer begann nun wirklich, mir Angst zu machen. Farin zuckte mit der Schulter. Er wusste auch nicht, was er mir antworten sollte. Doch in dem Moment lief ein anderer Junge, den ich nicht kannte an uns vorbei und nahm Farin die Worte ab.
"Na, dich wollten sie angreifen! Schau mich nicht so an, Stadtmädchen! Denkst wohl, dass du -"
"Es reicht, Alec! Hör mit deinen Verschwörungstheorien auf!", Farin stand auf, um auf Alec's Höhe zu sein, aber er ließ sich davon nicht abschrecken. Alec drehte sich erneut zu mir um mir Vorwürfe an den Kopf zu werfen.
"Seit du hier bist haben wir nur Probleme und jetzt brennt unsere Schule! Ich wünschte nur, jemand hätte dich getroffen. So richtig fest getroffen, an deinen kleinen verlausten Kopf!" Ich starrte ihn an. Er war so wütend auf mich und dabei kannte ich ihn gar nicht. Ich wurde nur noch verwirrter und in meinem Kopf drehte sich alles.
"Verschwinde, du Hund! Was bildest du dir ein?" Farin schupste den größeren ein ganzes Stück nach hinten. Alec widmete mir nur noch abfällige Blicke und dann war er weg und auf einmal war alles viel leiser. Alle hatten wohl zugehört und alle schienen mich anzuschauen und mir war das alles jetzt viel zu viel. Und mir wurde bewusster, was gerade in mir passierte. Meine ganze Sicht verschwamm, als mir auffiel, wie fröhlich ich noch heute früh gewesen bin und wie jetzt alles von Sekunde zu Sekunde schlimmer wurde. Ich konnte einfach nichtmehr verstehen, was dieser Ort, diese ganze Situation, in der ich seit Tagen feststeckte, überhaupt für einen Sinn machte. Ich saß da und ließ alle Leute mich anstarren und lästern. Ich hatte mich noch nie zuvor so fehl am Platz gefühlt. Das hier war gerade kein Abenteuer mehr in eine andere Welt, es war der schlimmste Ort auf Erden. Und wie ich so auf den Boden stierte, bemerkte ich eine Berührung auf meiner Wange, die mich zusammenzucken ließ. Farin hatte sich wieder neben mich gesetzt mir eine Träne aus dem Gesicht gestrichen und es verwirrte meinen verkorksten Kopf noch mehr, denn ich hatte gar nicht mitbekommen, wie sie dorthin gelangt war, aber jetzt, wo sie da nichtmehr war, war die Stelle auf meiner Backe ganz kalt. Und ich fühlte mich so schwach, wo ich mich doch immer so stark und mächtig gefühlt hatte. Ich hatte mir doch vorgenommen, klug zu sein und listig und clever, aber jetzt war ich nur schwach und dumm. Alec war so fies gewesen und so gemein und ich wusste einfach nicht, was ich dagegen tun konnte und Farin war so nett, aber wer hatte nun recht? Farin und Nicklas und all die Leute oder Alec?
"Kann ich nicht einfach wieder nach Hause gehen, Farin? Ich hab niemanden darum gebeten, hier zu sein!" Ich wollte schreien. Erst verschleppte man mich hierher und dann wollte man mich nicht haben.
"Ich finde es gut, dass du hier bist. Hast du hier nicht auch schon schöne Sachen erlebt?" Ich zögerte. Und ich wusste nicht, was ich sagen sollte.
Und da kam aus der Ferne auf einmal Lisa angerannt. Man hörte ihre kleinen Absätze an den Schuhen auf dem Boden klacken, als sie gelaufen kam. Ich sah sie nur an, unfähig, Gefühle zu fühlen. Aus der Ferne rief sie schon meinen Namen, ganz besorgt und hell. Als sie angekommen war, stürzte sie sich nahezu auf mich, umarmte mich sehr lange und sehr warm. Normalerweise hätte ich diese Umarmung genießen können, doch jetzt lag ich da unter ihr und sie schnaufte in meinen Nacken und ich merkte, dass ihr Herz pochte. Sie war wohl recht lange gelaufen. "Ich hab' mich so gesorgt!!! Oh mein Gott, Zoraia, es tut mir so leid, ich bin sofort losgerannt, als ich es erfahren habe! Es tut mir so leid, dass es so lange gedauert hat, wie geht es dir?" Sie war so besorgt um mich und trotz ihres unglaublich jungen Erscheinungsbildes, benahm sie sich so erwachsen, so besorgt, dass ich schon beinahe Sorgenfalten auf ihrer jugendlichen Stirn sehen konnte. Und jetzt gerade in diesem Moment, in dem vor einer Dreiviertelstunde noch das absolute Chaos passiert war und in dem vor fünf Minuten meine ganzen Gedanken umgestoßen wurden, erschien mir das surreal.
Aber jetzt war ich wirklich müde von meinen Gedanken, also schloss ich sie aus. Ich ließ es einfach. Lisa stand auf und gab mir ihre Hand. Ich nahm sie, ließ mir von ihr aufhelfen und drehte mich nichtmehr um. Ich ging mit ihr, Hand in Hand die Straße von der Schule weg. Ich lief mit ihr und sie redete und redete davon, wie geschockt sie war, als sie davon gehört hatte, was passiert ist. Und ich nickte und stimmte ihr zu. Und dann erwähnte sie Nicklas. Und ich würde hellhörig und ich begann doch wieder, etwas zu denken. Ich wollte gerade wirklich gerne zu ihm gehen und sehen wie es ihm und den anderen ging. Ich hatte ein schlechtes Gewissen und ich begann zu denken, wie es wäre, wenn mich das Holzstück getroffen hätte. Ich hatte Nicklas nicht lange ansehen können, nachdem das Chaos ausgebrochen war, aber es sah schmerzhaft und gefährlich aus. Und ich wollte Lisa davon erzählen, was ich dachte, aber auf einmal kam es mir in den Sinn, dass sie mich nicht gehen lassen würde. Aber jetzt hatte ich keine Lust auf Regeln und als sie gerade eben dabei war, mir zu sagen, dass es zuhause etwas leckeres zu essen gab, was ich noch nie gegessen hatte und was ich lieben würde, nahm ich ganz langsam meine Hand aus ihrem Griff und drehte mich auf einmal ganz schnell um und rannte, so schnell wie mich meine Füße trugen. Lisa rief und rannte mir hinterher, aber ich schlich mich schnell durch eine offene Tür und wartete bis Lisa vorbeigerannt war.
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Vielen Dank fürs Lesen, ich hoffe sehr, dass es euch gefallen hat!
N Kommentar würde mir natürlich sehr gefallen, also haut in die Tasten!
Dankedankedankeee
Hab euch lieb,
Bis bald,
Eure Julia
❤️❤️❤️
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