Prolog
1. FEBRUAR
UHRZEIT: 09:02
Als der schwarze Mustang vormittags im Internatshof vorrollte, knirschten die Reifen über die nassen Steine wie Geister an nassen Scheiben.
An den beschlagenen Autofenstern tropfte noch der Regen hinunter und ließ die Landschaft dahinter nur in großen Farbflecken erkennbar machen.
Elijah Blackford, Privatdetektiv lehnte sich vor, zog den Schlüssel und sah währenddessen hoch, hoch zu den vielen Fenstern, an denen Schüler St. Alins ihm emotionslos entgegen starrten.
Es war bloß ein kurzer Moment des Blickkontakts gewesen, schlicht und kühl und distanziert, bevor Elijah die Fahrertür aufstieß und einen Moment vor seinem Auto verharrte. Das Sandsteingebäude war umgeben von weiten dunkelgrünen Wäldern, der Morgentau schien nie zu weichen und die Luft war ständig gespannt, ständig dick, als würde ein Gewitter bevorstehen. Über dem jungen Mann wölbte sich ein grauer endloser Himmel, der wirkte, als würde er diesen Ort mit Schwärze am Ende des Tages verschlucken, und ebenso die Köpfe, die hier schliefen.
Er schulterte seine dunkelbraune Ledertasche und mit einer Hand in der Hosentasche, ganz in Schwarz gekleidet, ging er die Eingangstreppen hinauf.
Elijah wurde vor den Türen des Internats von dem Schulleiter, einem alten Mann mit weichem Kiefer und harten Augen, begrüßt. „Blackford.", sagte er, so als würden sie sich kennen. Elijah kannte ihn aber nicht, nicht auf die Art, dass er ihn auf die selbe Weise zurückgegrüßt hätte. Er hatte von dem alten Mann in der Tat gelesen, nachdem er und die Mutter zu ihm vor ein paar unmittelbaren Tagen wegen des Verschwindens von Elena Woolf, einer 18 jährigen Schülerin, Kontakt aufgenommen hatte, aber trotzdem war Elijah nach außen hin noch immer reserviert.
Gegenüber dem Schulleiter, und gegenüber dem, was hinter den Schlosswänden des Internats vorgehen sollte. Hirngespenster.
Der 24-Jährige Mann mit dem dunkelblonden Haar ließ daraufhin eine Hand in seiner Hosentasche und hob lediglich die andere für den Händedruck.
Elijah straffte seine Schultern, als er eintrat, als eine Stille ihn erwartete, eine Stille, wie die vorher genannte gespannte, dicke Luft, die einen an diesem Ort denken ließ, dass ein Gewitter bevorstand.
In der Tat, ein Gewitter war nah.
Mit jedem weiteren Schritt fühlte es sich an, als würden sich die Augen der Jugendlichen, die er noch nichtmal alle ausmachen konnte - es war leer - in seinen Rücken brennen. Der Boden war aus kaltem Stein und groß schwarzweiß kariert, die Decken gewölbt, die Flure und selbst die Räume ständig mit einem neuen Zug der eisernen Winterluft gefüllt. Denn aus jedem Riss, jedem Spalt, jedem Loch kroch unaufhörlich eine fiese, hinterlistige Kälte, und Wind, und Beheizung, die gab es hier nicht. In einer Ecke roch es verdächtig nach Ott - doch keinem gestreckten - und noch immer blieb Blackfords Miene unverzogen. Die Schritte hallten in seinen Ohren. Die Windzüge zischten und waren scharf, man konnte sie an den Schlössern der Fenster rütteln hören.
Blackford wurde in das Büro des Schulleiters geführt, ein plötzlich warmer Raum, dessen Wärme sicherlich bei den anderen im Internat fehlte. Gerade einmal 150 Schüler besuchten das Internat, erklärte der alte Mann, alle schliefen hier, wohnten hier, sahen ihre Familie selten oder nie. Oder hatten keine Familie. Es waren allgemeine Kerninformationen, ein leichtes Gespräch, bis die Schwere kam, mit der Elena Woolf vorgestellt wurde.
Elena Maria Woolf, 18 Jahre alt, 13. Klasse, würde dieses Jahr ihren Schulabschluss in St. Alin. ablegen. Eltern wohlhabend, Elena unscheinbar, einfach. Der Schulleiter händigte Elijah Dokumente, auf denen die gleichen Informationen standen. Viele, die er vergangene Nacht schon zugeschickt bekommen hatte. Und die Namen der Schüler, die mit Elena in die gleiche Klasse gingen, mit denen er anfangen würde.
Elena Woolf, verschwunden in der Nacht vom 29. auf den 30. Januar.
Und Elijah Blackford, der Privatdetektiv, der die Grenze von grauem auf illegales Terrain überschritten hatte.
Während Elijah las, begann der unheilvolle Himmel über St. Alin sich zu verdunkeln und im Anthrazit fing das erwartete Gewitter an, zu stürmen.
Über dem Torbogen der Schule hatte es gestanden:
St. Alin – Veni Vidi Vici
Ich kam, ich sah, ich siegte.
Der Sturm würde noch für viele folgende Tage bleiben.
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro