DAS TRIBUNAL
Soundtrack: Hans Zimmer - I Never Woke Up In Handcuffs Before aus dem Sherlock Holmes OST. Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich dieses Stück schon mal verlinkt habe, aber ich komme grad nicht drauf, wo... irgendwo bei Banshee, glaube ich. Abspielen ab Anfang.
und Corvus Corax - Her Wirt, abspielen ab dem Moment, in dem Solofar aus dem Hinterzimmer geführt wird.
[Hier müsste ein GIF oder Video sein. Aktualisiere jetzt die App, um es zu sehen.]
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Hastator, Hauptstadt von Nyradon, 437 nach der Eroberung
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Sie packten ihn am Kragen, rissen ihn unter seinen Bettdecken hervor und warfen einen Sack über seinen Kopf. Er stank nach Schimmel und verfaultem Tierfutter, so sehr, dass Solofar ein Würgen unterdrücken musste. Ihre Stimmen waren laut und grob, voller Gewalt, ihre Handgriffe ebenso.
„Was...", murmelte er verschlafen, doch einer der Männer brachte ihn mit einem Schlag in die Magengrube zum Schweigen.
Hände schlossen sich wie Schellen um seine Arme. Solofar versuchte, sich aus ihren Griffen zu winden, bekam einen Arm frei und schlug blind. Metall traf ihn hart an der Schläfe, und ihm wurde schwarz vor Augen.
„Halt einfach still und komm mit uns, dann geht es schnell vorbei. Wenn du dich wehrst..." Stahl sang leise gegen eine Schwertscheide.
„Wer seid ihr?", verlangte Solofar zu wissen.
„Das wirst du früh genug erfahren", knurrte der Panthera selbstzufrieden.
Sie hievten ihn auf die Hufe und zerrten ihn die Treppe hinunter auf die Straße, fluchend und lachend. Eine Flasche zerschellte klirrend auf dem Straßenpflaster. Durch den Sack konnte er nur Schemen erkennen, die Straßenzüge, durch die sie ihn schleiften, waren ihm unbekannt. Fackeln tanzten als orangefarbene Flecken in der Finsternis.
Der Weg schien sich ewig hinzuziehen, kaum jemand begegnete ihnen in den verworrenen Gassen. Manchmal glaubte Solofar, einen Ort wiederzuerkennen, doch das Gefühl verschwand, so schnell es gekommen war.
Immer wieder überlegte er, wie er sich am besten befreien konnte, doch seine Entführer waren weit in der Überzahl, bewaffnet mit klirrenden Schwertern und den Totschlägern, die die Banden gerne nutzten. Wer hat wohl einen Grund, mich mitten in der Nacht zu entführen? Mit den Banden hatte ich bisher nichts zu tun, und auch sonst gibt es niemanden, außer ein paar schlechten Verlierern, dem ich bisher auf die Füße getreten bin. Er beschloss, abzuwarten. Sie hatten ihn nicht auf der Stelle umgebracht. Bis zu ihrem Ziel würde er am Leben bleiben.
Die Männer hielten an, einer von ihnen, wohl der Wortführer, hämmerte an eine Tür. „Wir haben ihn!", verkündete er. Einer seiner Begleiter kicherte.
Schlüssel klirrten. Die Tür öffnete sich, ein Rechteck aus Licht. Die Männer stießen ihn hinein, er stolperte über die niedrige Stufe, und die Entführer lachten.
„Läuft schlechter als wir, und dabei ist er nüchtern!", spottete jemand.
„Weißt du es genau? Er könnte vor dem Schlafen genauso gesoffen haben wie wir auch!"
„Oh nein, er ist 'n braver kleiner Alchemiestudent, die trinken doch nichts!"
Ein anderer Mann lachte sarkastisch, Gläser klirrten aneinander.
Sie hatten wohl ein Hinterzimmer betreten, doch die Gerüche und Geräusche einer Taverne schlugen bereits jetzt über Solofar zusammen, der Gestank nach schlechtem Essen, verschüttetem Schnaps und schalem Bier, nach Schweiß und ungewaschenen Körpern. Eine Gruppe Spielmänner malträtierte ihre Instrumente, kaum zu hören unter dem Johlen und Brüllen der Gäste, dumpf hinter der Wand. Solofar fürchtete den Moment, in dem sie die Taverne betreten würden.
Für einen Augenblick öffnete sich die Tür, eine Kostprobe des Schankraumes schwappte hinein, und Solofar wandte angewidert den Kopf. Ich hoffe, ich muss nicht aus diesem Zimmer. Eine Gestalt betrat den Raum und schlug hastig die Tür wieder zu.
„Das ist der Bastard?", fragte er, offensichtlich betrunken.
„Aye, das ist er." Der Wortführer der Entführer klang zufrieden.
Der Schemen musterte ihn von oben bis unten. „Er soll sich etwas zurecht machen." Die Kette einer Taschenuhr klirrte. „Er hat eine Minute. Der werte Magistrato und die Geschworenen sind bereit."
„Die Zeugen?"
„Angemessen besoffen. Beeilt euch." Der Schemen wandte sich um und trat hinaus in den Lärm.
Der Panthera neben Solofar drückte ihm ein Bündel aus Leinen und Leder in die Hand. „Du hast ihn gehört. Aber mach langsam. Wenn du zu schnell bist, bist du gleich bewusstlos, und dann wird deine Verteidigung wohl reichlich dünn ausfallen."
Mit gemessenen Bewegungen schlüpfte Solofar in das Hemd und die Jacke, die er als seine eigenen erkannte. Sie müssen sie wohl mitgenommen haben, als sie mich geholt haben. Langsam setzten sich die Stücke in seinem sich langsam aus der Schlaftrunkenheit erwachenden Kopf zusammen. Richter. Geschworene. Zeugen. Es scheint, als finde eine Gerichtsverhandlung statt. Hier, in einer Taverne. Verwirrt griff er nach den Schnüren des Hemds.
Der Griff des Mannes neben ihm hielt ihn auf. „Das reicht."
„Wo bin ich hier?", wollte Solofar wissen.
„Im Gericht des ehrenwerten Magistrato Cazzo. Ein Hauch der Demut vor dem Richter ist mehr als nur etwas angebracht", erklärte der Panthera. „Vorwärts jetzt."
Solofar stemmte sich gegen ihn. „Wir sind doch in einer Taverne."
Gelächter erhob sich von den anderen Schlägern, Solofar spürte, wie sich der Mann neben ihm schüttelte. „Oh, mein armes kleines Pferdchen. Das sind wir. Was aber auch besser für die Laune des ehrenwerten Magistrato ist, denn dann ist er direkt an der Quelle für seinen vermaledeiten Wein. Und jetzt vorwärts, sonst prügeln wir dich in den Saal." Wieder klirrte Metall.
Solofar stellte seinen Widerstand ein und trat einen unsicheren Schritt vorwärts. „Warum bin ich angeklagt?"
„Das wird der Magistrato dir schon sagen", murrte der Mann ungeduldig. „Und jetzt halt die Klappe. Reden tust du nur, wenn du gefragt wirst, und hebe vorher anständig deine Hand. Kennst das doch als braver Student, oder?"
Solofar nickte verwirrt.
„Schön." Der Panthera riss die Tür auf, eine Welle stickiger, stinkender Luft schwappte hinein. Unsanft schubste er Solofar voran. „Meine Damen und Herren! Ich präsentiere voller Stolz den Angeklagten!", brüllte er.
Buhrufe dröhnten durch den Saal. Solofar hatte das Gefühl, taub zu werden. Bier und Schnaps spritzte auf seine Jacke, Fäuste und Finger streiften seine Arme. Die Schläger hinter ihm johlten und ließen die Waffen rasseln.
Mit einer Hand in seiner Mähne geleitete der Anführer der Schläger Solofar an seinen Platz. Glas zersplitterte dicht neben ihm und bespritzte ihn mit Scherben und Rum.
„Bleib stehen, wo du bist. Rühr dich nicht vom Fleck, oder du bereust es." Ein Totschläger streifte Solofars Arm, dann riss der Mann ihm den Sack vom Kopf.
Solofar nahm einen tiefen Atemzug, in der Hoffnung, erlöst zu sein von dem Gestank nach Fäulnis, doch er wurde enttäuscht. Es stank noch immer, doch nun nach unzähligen Talgkerzen und Öllampen, dem Schweiß und den verschütteten Getränken der Pantheras, die Fell an Fell die Taverne füllten. Sie standen dicht an dicht zwischen den voll besetzten Tischen, neben der Theke, an der eine fette Luchsfrau zwischen Beleidigungen die Becher neu füllte, auf der Galerie, und auf der wackeligen Treppe, die hinauf führte. Männer und Frauen mit Knüppeln und Schwertern hielten die Menge in Schach, allesamt angetrunken und zugleich vergnügt und aggressiv. Ein Serval versuchte, sich zwischen den Schlägern hindurch zu drängen, offensichtlich, um Solofar eine Flasche über den Kopf zu ziehen, und wurde mit einem Hieb auf die Planken geschickt. Jemand zog ihn zurück in den wogenden Mob.
Vor Solofar waren mehrere Tische zu einer wackeligen Pyramide gestapelt worden. Eine schwarze Tischdecke bedeckte den obersten, eine Flasche Wein stand dort nebst einem Holzhammer. Eine Reihe junger Männer und Frauen, gekleidet in schwarze Talare, saßen an ihren Tischen und beobachteten Solofar scharf. Manche schüttelten den Kopf, als verzweifelten sie ob seiner Schandtaten. Und ich weiß nicht einmal, weswegen ich hier bin. Eine Löwin, ebenfalls in einen Talar gekleidet, hämmerte mit einem Buch auf den Tisch vor ihr und bat um Ruhe, unterbrochen von ihren Lachanfällen. Der Krug Bier auf dem Tisch wackelte besorgniserregend.
Solofar erkannte sie. Das ist Giorgia. Studentin der Philosophie. Und die anderen... Er betrachtete die Reihe in Roben. Giovecchio. Lanci. Rebecca. Alessia. Und noch ein paar andere, die ich von der Universität kenne. Auch im Publikum sah er bekannte Gesichter, ein paar Männer und Frauen, die er aus den Vorlesungen kannte, manche von langen, weingetränkten Abenden mit Gezzarro, einige, von denen er wusste, dass sie den Banden angehörten. Er hob eine Hand und winkte Lanci zu.
Sofort stieß der Anführer der Entführer, den Solofar nun als einen Panther mit dem roten Hemd eines Bandenmitglieds erkannte, ihm unsanft den Schwertgriff in den Rücken. Lanci riss entsetzt die Augen auf, wandte angewidert den Blick ab und flüsterte aufgeregt und verächtlich mit Giovecchio und Elisa. Solofar stutzte. Warum grüßt er mich nicht zurück? Was habe ich getan, dass ich hier nun vorgeladen bin, und dass Lanci, der nicht einmal Jura studiert, nun bei den sogenannten Geschworenen sitzt?
„Ruhe!", schrie Giorgia und ließ erneut das Buch auf den Tisch knallen. Solofar entzifferte die Schrift auf dem Titel. Die philosophischen Theorien des Baron Vacopo di Luceri. Giorgia nimmt ihr Studium wahrlich ernst.
Der Mob brüllte weiter, Humpen wurden im Takt mit dem kaum hörbaren Lied der Spielleute auf Tische und Balustraden geschlagen. Solofar hörte seinen Namen in Verbindung mit Beleidigungen, betrunkener Hass schlug ihm mit dem stinkenden Atem der Trinker entgegen. Das ist nicht echt, so weit bin ich. Es ist ein Theaterstück. Aber warum das alles geschieht, bleibt mir ein Rätsel.
Giorgia warf verzweifelt kichernd das Buch auf den Tisch. Die Geschworenen schienen zusehends gereizt, einer von ihnen sah auf seine Taschenuhr und musterte die Löwin tadelnd. Giorgia warf die Hände in die Luft, dann leerte sie ihren Krug und hob den Saum ihres Talars und des Rockes darunter an. Die Löwen in der Menge brüllten zustimmend, Pfiffe gellten. Giorgia zog eine kleine Pistole aus ihrem Strumpfband, spannte den Hahn und schoss in die Luft.
Augenblicklich erstarb das Geschrei zu einem lautem Murmeln. Giorgia kicherte betrunken und pustete den Rauch vom Lauf der Pistole. „Meine Damen und Herren, bitte erhebt euch für den ehrenwerten Magistrato Testa di Cazzo!"
Jubel und weitere Buhrufe erhoben sich, der Dudelsackspieler blies mit aller Kraft in sein Instrument, wohl die reichlich misstönende Imitation einer Fanfare. Flaschen flogen und zerplatzten an den gestapelten Möbeln.
Ein Panthera in einem roten Talar und weißem Kragen erklomm taumelnd die Pyramide aus Tischen und ließ sich schwer auf dem Stuhl dahinter nieder. Affektiert bedeckte er seine Nase mit einem Taschentuch. Eine graue Perücke mit langen Locken, wie Richter sie wohl in den Vereinigten Königreichen trugen, hing schief auf seinem Kopf. Seine Ohren lugten zwischen den mottenzerfressenen Haaren hervor. Sie waren groß, mit schwarzen Pinseln an den Enden.
Solofar starrte ihn an. „Gezzarro?" Erneut traf ihn der Schwertgriff im Rücken, nun begleitet von einem wütenden Knurren.
Der Panthera im roten Talar musterte Solofar und den Mob mit ausgesuchtem Ekel. Er nahm die Flasche, schnippte den Korken fort und nahm einen Schluck. Sichtlich zufriedener grub er eine Zigarette aus den Untiefen seiner Robe und klemmte sie zwischen die Lippen.
„Ruhe!", brüllte Giorgia. Es half, erneut verblasste der Lärm.
Der Mann im roten Talar entzündete die Zigarette an einer Kerze, das Ende glühte auf. „Nun, meine werten Damen und Herren", lallte er, Rauch verdeckte sein Gesicht. „Wen haben wir denn hier?"
„Angeklagter", Giorgia musterte Solofar geringschätzig, „nennt Euren Namen."
Den weißt du längst, Gezzarro. Doch er beschloss, das Spiel mitzuspielen, selbst wenn es zusehends an seinen Nerven zerrte. „Mein Name ist Sir Solofar Darke von Murrim, und ich verlange zu wissen, was hier vor sich geht!"
„Master Darke, Ihr habt Euch einer Menge Verbrechen schuldig gemacht und müsst Euch nun für diese verantworten", erklärte Gezzarro ernst und schnippte Asche auf den Tavernenboden.
„Dann verlange ich..." Der Panther hinter ihm rammte ihm erneut unsanft den Schwertknauf in den Rücken, und Solofar hob seine Hand.
„Das Wort sei dem Angeklagten erteilt", sagte Giorgia gönnerhaft.
„Dann verlange ich, dass mir ein Anwalt zur Seite gestellt wird, der meine Verteidigung als seine Aufgabe betrachtet." Solofar straffte die Schultern. Sehen wir zu, dass dieser Unfug bald ein Ende hat.
Der Mob brüllte vor Lachen, erneut flogen Flaschen. Die Schläger versuchten, zur Ordnung zu rufen. Giorgia drehte sich zum Publikum um. „Man hole den Pflichtverteidiger!"
Zwei Männer schleppten einen bis zur Besinnungslosigkeit betrunkenen Gepard vor und warfen ihn unsanft auf einen Stuhl. Der Mann hob den Kopf, blinzelte in das Kerzenlicht, legte den Kopf auf den Tisch und schlief weiter.
„Dies ist Master Samuele, Euer Pflichtverteidiger. Er kennt jeden Fall wie seine Westentasche", stellte Giorgia ihn großspurig vor.
„Da er nicht mal weiß, was in seiner Westentasche ist, ist das verflucht beschissen!", schrie die Wirtin und lachte kreischend. Die Menge johlte ihre Zustimmung.
Solofar biss gereizt die Zähne zusammen. „Ist das dein Ernst, Giorgia?"
„Frau Gerichtsdienerin, wenn ich bitten darf." Giorgia hob pikiert ihren Krug. „Und ja, das ist mein voller Ernst, Master Darke." Seinen Namen spuckte sie förmlich aus. „Ihr seid im Gericht des ehrenwerten Magistrato Testa di Cazzo, und Ihr habt es ebenso zu ehren wie alle anderen auch. Und nun schweigt. Ich rufe den Ankläger auf. Master Ivorne, tretet vor!"
Ein Löwe mit streng zurückgebundener Mähne schritt in den Zeugenstand, einem umgekippten, mit weiteren schmutzigen Laken behängten Tisch. Giorgia erteilte ihm mit einer Handbewegung das Wort. Solofar kannte ihn. Noch einer von Gezzarros Freunden. Nicht der beste Fechter unter ihnen, aber er wäre es gern.
Ivorne erwiderte seinen Blick selbstzufrieden. „Die Anklage lautet, dass Solofar Darke ein schreckliches Arschloch ist."
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