Kapitel 2
Fassungslosigkeit, Trauer, Entsetzen... Ich hatte mit allem gerechnet, aber nicht mit dieser dumpfen Leere die mich umfängt. Es ist, als würde mein Kopf streiken, sich weigern, der Wahrheit in's Auge zu blicken. Wie in Trance setze ich mich in Bewegung, einen Fuß vor den anderen setzend. Die anderen Dreizehnjährigen machen mir platz und ich gehe benommen nach vorne, den Blick gesenkt. Ich kann es nicht ertragen in die Gesichter meiner Mitschüler und Freunde zu blicken, in denen sich Mitleid mit mir, aber auch Erleichterung wiederspiegelt... Ein lauter Aufschluchzer läßt mich innehalten und umdrehen. Meine Mutter...Sie weint! Sie weint... Tränen... Gefühle... Surreal... Surreal... es ist nicht surreal... es ist nicht Surreal! Bei ihrem Anblick bricht nun endgültig der Damm und all die Gefühle die bis jetzt ausgeblieben sind brechen nun aus mir heraus, drohen mich zu überschwemmen. Es fühlt sich an, als hätte er alle Luft aus meinem Körper gepresst und obwohl ich atme, drohe ich an all den aufkeimendem Emotionen zu ersticken. Entsetzen, Trauer, Fassungslosigkeit und ...und Wut! Ich bin wütend auf das Kapitol, weil sie diese blöden Spiele veranstalteten und ohne mit der Wimper zu zucken zusehen, wie jedes Jahr aufs neue 23 junge Menschen sterben! Wie meine Schwester starb! Und wahrscheinlich auch wie ich sterben werde! Ich bin wütend auf die Distrikte, weil sie sich dass einfach so gefallen lassen! Und ich bin wütend auf mich, weil ich mir immer nur sorgen um mich gemacht hatte, während in der Arena Kinder starben! Heiß und gleißend pulsiert die Wut in meinen Adern, fließt in meinem Blut. Vielleicht bin ich nicht stark genug, mich dem Zwang der Arena zu wiedersetzen, aber in jedem Fall besitze ich die Kraft, mich nicht bedingungslos zu stellen. Wie von selbst blinzeln meine Augen die Tränen weg, meine Füße fliegen über die Treppe zum Podest. Oben angekommen hebe ich schließlich zum ersten mal den Kopf und hoffe, das die Kameras den Zorn in meinen Augen einfangen. Und während der bekannte Ernteablauf vortfährt, spüre ich, wie sich plötzlich ein neues Gefühl in mir breit macht: Erschöpfung. Saphira fragt nach Freiwilligen, aber wie bei Will zuvor meldet sich niemand. "Supi", flötet sie daraufhin,"Dann freue ich mich ihnen die Tribute für die 33. Hungerspiele in der Geschichte Panems vorstellen zu dürfen: Will Evenwhits und Sky Byrd!" Keiner applaudiert. Die Geste mag nicht stark sein, aber sie ist Aussagekräftig. Die Leute sind nicht mit all dem einverstanden, was sich Jahr für Jahr auf diesem Platz abspielt. Trotzdem meint Saphira nun ein wenig gereizt:"Nun schön, dann halt nicht. Tribute, gebt euch die Hand! Will hat die meiste Zeit weiterhin ausdruckslos in die Menge gestarrt, doch als er meine Hand nimmt und sie kräftig schüttelt, meine ich die Andeutung eines Lächelns über sein Gesicht huschen zu sehen. Kraftlos erwiedere ich seinen Händedruck und beginne ihn nebenbei einer genauen Musterung zu unterziehen, angefangen bei seinen dunkelbraunen, leicht verwuschelten Haaren, über die markanten Gesichtszüge in seinem dunklen Gesicht, bis hin zu der leicht zerissenen Jeanshose, welche die edle Optik seines etwas zu großen Hemdes wieder zerstört. Eigentlich sieht er freundlich aus... Schlagartig wird mir wieder klar, dass wir schon bald mit 22 anderen Tributen in eine Arena geschmissen zu werden, um uns dort bis aufs Blut zu bekämpfen. Sofort vergeht mir das Lächeln und ich ziehe meine Hand weg. Als Saphira uns ins Rathaus führt spüre ich seinen stechenden Blick in meinem Rücken.
Der Raum, in dem ich mich schließlich wiederfinde ist prächtig. Prächtig und unendlich wertvoll eingerichtet, so wertvoll, dass eine der ohnehin schon sparsamen Familien unseres Distriktes von dem Geld, dass das Mobiliar wahrscheinlich gekostet haben muss, bestimmt ein halbes Jahr überleben könnte. Die weißen Sofas, das hölzerne Parkett, der riesige Kronenleuchter... alles wirkt so perfekt, steril, deplatziert. Kapitolsgeschaffen. Dies ist also der Ort, an dem ich Abschied nehmen werde. Kaum habe ich es lir auf einem der weichen, weißen Sofas bequem gemacht, kommt auch schon meine Mutter hereingestürmt. Ich springe auf und werfe mich ihr in die Arme. So verharren wir eine ganze Weile, Arm in Arm, mitten in einem Raum, von dem ich gehofft hatte, ihn nie wieder von Innen zu sehen. Nach einiger Zeit löst sie sich allerdings von mir um etwas aus ihrer Jackentasche zu holen und als ich sehe was es ist steigen mir die Tränen in die Augen. Ich dränge sie zurück und betrachte die Kette genauer: Es ist die Kette die mein Vater ihr zur Hochzeit geschenkt hat und ich weiß das sie ihr viel bedeutet, obwohl mein Vater längst nicht mehr unter uns weilt. "
Für mich?", frage ich sie ungläubig. "Jeder Tribut darf ein Andenken von Zuhause mit in das Kapitol nehmen und ich möchte das du sie in der Arena trägst", flüstert sie. Kaum habe ich ihr die Kette aus der Hand genommen und sie mir umgelegt kommt auch schon ein Friedenswächter herein und verkündet emotionslos, dass unsere Zeit um sei. "Ich habe dich lieb", schreie ich ihr noch hinterher, dann ist sie weg. Für eine Weile bin ich allein, doch schließlich wird die Tür aufgestoßen und erneut muss ich die Tränen unterdrücken, als meine Freundin Lucy herein stürmt. Innbrünstig beteuert sie mir, dass ich die beste Freundin bin, die sie je hatte und das sie mich niemals vergessen könnte. Ich antworte, dass es mir genau so geht. Schließlich wischt sie sich mit dem Handrücken notdürftig die Tränen aus den Augen und flüstert leise "Ich habe dich lieb, Sky" und bevor ich auch nur einen Ton erwiedern kann ist die aus der Tür gerauscht. Mit einem wiederhallenden Knall schließt ein Friedenswächter die Tür hinter ihr und mir wird schmerzlich bewusst, dass nun niemand mehr kommen wird um mir lebewohl zu sagen. Wehmütig wandert mein Blick aus dem Fenster und ich wünschte, ich wäre ein Vogel. Ich würde meine Flügel ausbreiten und fliegen, weg von hier, weg von all dem Elend dieser Welt, zwischen hunderten anderen Vögeln, die alle die gleiche Freiheit fühlen wie ich. Doch eines bleibt mir schmerzlich bewusst: es gibt einen Unterschied zwischen mir und den Vögeln, den selbst das wunderschönste paar Flügel nicht zu überwinden mag: Sie sind frei und ich bin es nicht.
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Hallo ihr Lesesüchtigen!
Ich hoffe das Kapitel hat euch gefallen, ich würde ich mich sehr über Feedback freuen :)
Jedenfalls habe ich euch oben mal ein Covrr von Hangingtree verlinkt, welches mir persönlich sehr gut gefällt, (verlinkt? Kann man das so sagen?) weil, ganz ehrlich, wer mag das Lied nicht? XD
Bleibt Lesesüchtig!
Euer Panemgirl_2003
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