𝕂𝕒𝕡𝕚𝕥𝕖𝕝 𝟙𝟠-𝕂𝕒𝕥𝕟𝕚𝕤𝕤
Zum tausendsten Mal heute überprüfte ich das große Display der Uhr auf meinem Handgelenk. Keine Sponsorengeschenke. Ich ließ mich auf das Bett meines vorübergehenden Zimmers fallen und aktivierte per Fernbedienung die Übertragung der Hungerspiele auf einem riesigen Bildschirm vor mir. Die Interviews der anderen Mentoren waren gerade zu Ende gegangen und die Arena wurde gezeigt. Ich beugte mich gespannt nach vorne.
Ein paar belanglose Tribute, die planlos durch die Gegend wanderten oder sich ausruhten, wurden gezeigt . Jeder vor den Bildschirmen wartete auf die beliebten Karrieros, deshalb wurde die Aufmerksamkeitsspanne der Zuschauer so lange wie möglich gespannt, damit sie in der Hoffnung, die Karrieros zu sehen, nicht schnell wieder ausschalteten.
Diese waren nicht zu sehen, dafür aber etwas anderes Interessantes.
Ein halb verdurstetes, zu Tode erschöpftes Mädchen wurde gefilmt. Mandy Glee aus Distrikt sieben, um die siebzehn. Ich erinnerte mich an sie. Ihre Schwester, Theresa Glee, war eine der ersten, die beim Gemetzel beim Füllhorn gestorben war. Mandy war daraufhin kopflos geflohen und sah so aus, als hätte sie bis jetzt nicht aufgehört zu laufen.
Sie stolperte aus dem Wald heraus auf eine Lichtung. In der Mitte dieser stand ein kleines Haus.
Und mit klein meine ich wirklich klein. Es war einstöckig und weiß verputzt, mit einem spitzen Dach, dessen höchster Punkt einen großen Menschen um vielleicht zwei Köpfe überragt hätte.
Das erschöpfte Mädchen bemerkte die Hütte jedoch nicht, da es sich gerade vor Anstrengung übergab - allerdings war beinahe nichts mehr in seinem Magen, was es erbrechen könnte. Das kurze, blonde Haar fiel ihm nass geschwitzt ins Gesicht.
Mandy würgte noch eine Weile, bis sie sich endlich halbwegs erholt hatte.
Dann hob sie den Kopf und sah sich halbherzig um. Als ihr müder Blick das Haus neben ihr traf, erstarrte sie für einen Moment. Dann stolperte sie rückwärts - und fiel hin.
Als das Mädchen sich aufrappeln wollte, sah es für einen kurzen Moment durch eines der offenen Fenster. Sofort wurde das Innere der Hütte in Nahaufnahme für uns übertragen, genauso wie wir hier im Kapitol durch eine neue Technologie die Gerüche, die Mandy gerade riechen musste, ebenfalls wahrnahmen.
Ein Tisch stand in der Mitte des einzigen Raumes des Hauses. Auf ihm standen einige Teller voller Essen und silberne Becher voller Wasser, welches in der Sonne funkelte. Die Düfte nach Fleisch,frisch gebackenem Brot und Suppe waberten verführerisch durch die Luft,noch viel köstlicher,als sie normalerweise rochen.Sogar ich hatte auf einmal das enorme Bedürfnis, von diesem Brot zu kosten, obwohl ich gerade erst zwei Portionen meines Lieblingsgerichts in mich hineingestopft hatte.
Und Mandy war halb verhungert und am Verdursten.
Sie machte einen zögerlichen Schritt in Richtung der Tür.
Das Mädchen öffnete das Tor und zwängte sich hindurch. Wenn es den Kopf einzog, streifte sein Haar die Decke. Mit zwei schnellen Schritten war Mandy bei dem Tisch und ergriff den erstbesten Becher. Sie leerte ihn mit einem Zug und griff gleich nach dem nächsten. Insgesamt trank sie vier von ihnen in wenigen Sekunden bis auf den letzten Tropfen aus. Drei waren noch übrig.
Dann hielt der weibliche Tribut kurz inne. Sie sah aus,als wäre ihr schon wieder schlecht, aber sie besaß genügend Hausverstand, um zu wissen, dass sie so schnell wie möglich von hier verschwinden musste.
Mit einem misstrauischen Blick auf die kleinen Betten, die überall im Raum verteilt waren, stopfte sie sich rasch ein Stück Brot in den Mund, dann nahm sie von den Tellern, was sie in die Finger bekam, und drehte sich zur Tür um.
Ich lehnte mich angespannt vor. Gleich hatte sie es geschafft.
Plötzlich schoss unter jedem der Betten eine kleine Gestalt hervor. Zwei von ihnen hüpften auf den Tisch , der Rest starrte Mandy aus bösartigen, kleinen Augen an. Die roten Zipfelmützen waren wohl das größte an ihnen. Mutationen von Zwergen.
Einer der Zwerge am Tisch nahm einen leeren Becher in seiner Patschhände, während der andere einen Teller betrachtete. »Wer hat aus meinem Becherchen getrunken?«, kreischte der ein, der andere schrie gleichzeitig : »Wer hat von meinem Tellerchen gegessen?« Beim Sprechen entblößten sie spitze, weiße Zähne.
Jetzt rannten die anderen Zwerge los. Mandy war schon durch die Tür, doch die Mutationen waren schnell. Einer der kleinen Wichte sprang vor und umklammerte ihr Bein. Verzweifelt versuchte sie, ihn abzuschütteln, aber da hatten die restlichen sechs Zwerge sie schon erreicht und nagten ihr mit ihren Piranha-Zähnen das Fleisch von den Knochen.
Insgesamt waren es sieben Mutationen. Sieben Zwerge. Die Arena war ein verdammtes Märchenland.
Ich schloss gequält die Augen, bis Mandys Schreie verklungen waren.
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Aufmerksam verfolgte ich jeden Jugendlichen in der Arena. Es dauerte lange,bis endlich Rory, Madge und Gale zu sehen waren.
Sie hatten sich auf einer Lichtung im Wald ein Lager erschaffen. Rory schien sich leicht verletzt zu haben, aber sonst waren alle soweit in Sicherheit. Ich stieß erleichtert Luft aus. Hoffentlich war Lyra noch am Leben. Promt wurde diese gezeigt. Auch sie schien keine Verletzungen zu haben, denn in diesem Moment wanderte sie über eine Lichtung gefolgt von... Madge. Ich kniff die Augen zusammen. Madge gab es zweimal. Das musste eine Falle sein.
Mit einem Satz sprang ich vom Bett und lief nach unten. Wo waren die Spielemacher?! Sie konnten Lyra - oder Rory und Gale - doch nicht so dreist täuschen? Das ging nicht!
Mit wütenden Schritten stampfte ich in den Aufzug, aus dem mir ein Kapitolsdiener mit einem Putzwagen entgegen kam. »Wo sind die Spielemacher?«, fuhr ich ihn an. Er musterte mich stumm und tippte sich gegen die Lippen. Ich verstand. Er hatte in der Vergangenheit ein Verbrechen verbrochen und ihm war die Zunge rausgetrennt worden. Er war nun ein Avox.
Ich mäßigte mich.»Bring mich zum richtigen Stockwerk.« Der Avox betätigte einen Schalter und der Aufzug fuhr mehrere Stockwerke nach unten. Ich spürte seinen vorwurfsvollen Blick. Ich wusste nicht, ob ich das Recht hatte , zu den Spielemachern zu gehen, aber die zweite Madge musste ein Fehler sein. Es konnte nicht mal in den Hungerspielen erlaubt sein, Tribute zu klonen , um andere in die Irre zu führen.
Der Fahrstuhl öffnete sich mit einem leisen Glockenschlag. Ich stürmte hinaus und rannte am langen Gang umher, bis ich einen Raum mit der Aufschrift Spielmacher fand. Die Tür ging automatisch auf. Und damit ging auch der Alarm los. Langsam löste ich den Blick vom Boden und ließ meinen Blick durch das Zimmer, von dem aus die Spiele geleitet wurden , gleiten.
Der Alarm schrillte in meinen Ohren. Ungefähr ein Dutzend Spielemacher starrten mich an. »Ich,ähm ... ich.... « Ich stockte. Plötzlich wusste ich nicht mehr, wie ich mich ausdrücken sollte.
Plutarch Heavensbee, der dieses Jahr zum oberste Spielmacher auserkoren worden war, kam auf mich zu, sein Blick unerklärlich.
»Miss Everdeen, sie sollten nicht hier drinnen sein. Kommen sie bitte mit.« Ich seufzte. Ausgerechnet Heavensbee, der während meinem Einzeltraining letztes Jahr in einer Schüssel Bowle gelandet war, fand mich hier. Keine große Überraschung, trotzdem hätte ich mir bessere Voraussetzungen vorstellen können.
»Es ...Es gab einen Fehler. Madge gibt es zweimal. Sie können nicht von mir verlangen, dass ich einfach stumm zusehe, während ihr sie in die Irre führt.« Heavensbee sah mich zweifelnd an. »Das ist der Sinn der Hungespiele, Miss. Kommen Sie nun bitte mit mir. « Er nahm mich überraschend sanft am Arm und führte mich in einen Nebenraum, der eher eine Kammer glich. Als die automatische Tür zuging , waren wir von den anderen Spielemachern getrennt.
Ich holte tief Luft, um Heavensbee meine Meinung zu geigen, als er mir die Hand auf den Mund legte und mich warnend ansah.
»Ich habe das verordnet. Dazu bin ich da, das ist schließlich der Job von Spielmachern. Aber... Kommen Sie, Miss Everdeen, ich möchte Ihnen etwas zeigen. Etwas, das mich früher oder später das Leben kosten wird.«
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