Die Wahrheit oder alles Lügen?
Stöhnend stehe ich auf. Wenn das so weiter geht und ich jeden Tag mindestens ein Mal auf dem Boden liege, werde ich irgendwann keine Knochen mehr besitzen, denn sie suchen sich einen neuen Körper, weil sie genau wissen, dass sie sich bei mir sowieso brechen werden.
Aber die Person, die nun vor mir steht, gibt dem ganzen wenigstens einen kleinen Lichtblick. "Summer", rufe ich erfreut. Was soll ich jetzt sagen? Danke, dass du mich umgerannt hast? Tut mir leid, dass ich im Weg stand? Beide hören sich nicht gerade versöhnlich an. Soll ich sie einfach fragen, was sie in den Ferien macht?
Doch bevor ich auch nur irgendeinen Satz über die Lippen bekommen kann, schluchzt Summer plötzlich auf. Nanu, was ist denn mit ihr los? Nun habe ich auch etwas, was ich zu ihr sagen kann: "Ist alles in Ordnung?". Summer sieht total aufgelöst auf. Tränen rinnen ihr übers Gesicht und ihre Augen sind rot geädert und angeschwollen. So kenne ich sie gar nicht! Für mich ist sie das stets fröhliche Mädchen, was mir immer geholfen hat, wenn ich mal nicht weiter wusste. Sie ist die, die mich an unserem ersten Tag auf Hogwarts ehrfürchtig angestarrt hat und mich bewunderte, nur weil mein Nachname Potter ist.
Ich will sie in den Arm nehmen und trösten, aber ich höre nur einen dumpfen Schlag. Summer wird von mir weggerissen und fliegt seitlich weg, durch eine offene Tür eines Abteils. Nun steht unerwartet ihr Zwillingsbruder Lucas vor mir.
Ich starre ihn verdutzt an. Wie ist er denn jetzt da hin gekommen? Es war wie in diesen Actionfilmen. Er kam aus dem Abteil rechts von mir gesprungen und hat seine Schwester beiseite geschubst, die dann in das Abteil links von mir gefallen ist. Wie kann er nur so unvorsichtig mit ihr umgehen, vor allem, wenn sie gerade anscheinend alles andere als fröhlich war?
"Was war das denn gerade?", frage ich ihn vorwurfsvoll. Lucas schaut mich mit zusammengekniffenen Augen an und meint leichthin: "Eine reine Vorsichtsmaßnahme.". Wow! Ich habe ihn eigentlich als netten Menschen in Erinnerung, aber wenn er jetzt behauptet, ich sehe so gefährlich aus, dass er Summer vor mir beschützen müsse, sollte ich mir meine Einstellung zu ihm vielleicht nochmal überlegen.
"Und warum musst du zu dieser Maßnahme greifen?", frage ich und versuche, ruhig zu bleiben, aber das gelingt mir nicht sonderlich. Aber wirklich, wenn man sich schon vor mir schützen muss, habe ich das volle Recht dazu.
"Lily, es geht nicht immer nur um dich. Nur wenn du wissen willst, warum Summer so traurig ist, brauchst du nicht nur mit dem Finger zu schnippen und wir würden es dir erzählen. Du bist genauso Schülerin auf dieser Schule, wie alle anderen. Nur weil dein Dad etwas Besonderes getan hat und du seine Tochter bist, heißt das noch lange nicht, dass du auch etwas Besonderes bist.". Das ist wie ein Schlag ins Gesicht.
Komme ich wirklich so arrogant rüber, dass alle denken, ich würde mich als etwas Besseres fühlen? Ich finde es schrecklich, die Tochter einer Berühmtheit zu sein. Ich leide tagtäglich darunter, dass alle immer sofort an meinen Vater denken und nicht an mich, wenn ich mich ihnen vorstelle. Ich bin berühmt, weil mein Dad es ist und nicht, weil ich selbst etwas Besonderes getan habe. Viele Menschen wollen meine Freunde sein. Aber nicht, weil sie finden, ich wäre nett, sondern nur, weil sie wissen, dass ich die Tochter Harry Potters bin.
Bevor ich vor Lucas in Tränen ausbreche, mache ich auf dem Absatz kehrt und renne zu den Toiletten. Er hat ja so Recht. Mir war von Anfang an klar, dass ich mich nicht hinter meinem Namen verstecken kann. Ich kann keine Freunde bekommen, ohne dass ich ihnen meinen Namen verrate. Aber sobald ich das getan habe, ist es nicht mehr zu garantieren, dass sie wirklich echte Freunde sind.
Vielleicht ist Scorpius auch so einer. Das kann natürlich dahinter stecken, warum er mich nun nicht mehr leiden kann. Er hat gedacht, ich wäre ganz normal, aber als ich ihm dann doch zu arrogant geworden bin, hat er lieber einen Schritt zurück getan. Er hat sich einen anderen Grund gesucht, um unsere Freundschaft so natürlich wie möglich zu beenden. Wieso ist er nicht so ehrlich und sagt es mir einfach ins Gesicht?
Erst der Streit mit ihm und jetzt auch noch mit Lucas. Mit Jack habe ich noch nicht geredet und Ruby sitzt nun auch ganz verlassen im Abteil, wo ich sie zurückgelassen habe. Warum geht heute nur alles so verdammt schief? Warum sind alle gegen mich?
Als ich mich wieder ein wenig beruhigt habe, öffne ich die Tür zur Toilette und schaue argwöhnisch nach draußen. Das hat doch keinen Sinn, strafe ich mich selbst in Gedanken. Ich darf nicht so feige sein und mich einfach in einer Toilette einsperren. Das Ganze wird dadurch trotzdem nicht besser.
Ein paar Minuten später stoße ich die Tür zum Abteil auf. Ruby schaut mich mit vorwurfsvollen Augen an, so wie Raven, wenn ich ihr nichts zu essen gebe, sie mir aber Post mitgebracht hat. "Wo warst du denn so lange? Ich habe mir schon Sorgen gemacht!", sagt Ruby empört. "Ich habe Scorpius überall gesucht, ihn aber nicht gefunden.", lüge ich schnell, aber mit schwerem Herzen. Es wäre einfach zu viel, was ich ihr erklären müsste.
Ich setze mich wieder auf meinen Platz und schaue aus dem Fenster. "Die Süßigkeitenfrau war übrigens schon da.", meint Ruby beiläufig. Ich stöhne. War ja klar. Heute geht einfach alles schief.
Die weitere Fahrt verbringen wir beide schweigend. Jeder hängt seinen Gedanken nach. Ich sehe zu, wie die Landschaft an uns vorbeistreift, Ruby liest weiter in ihrem Buch und lernt.
Als wir endlich ankommen, habe ich nur noch ein kurzes "Bis bald" für sie übrig. Sie wird sich bestimmt wundern, warum ich so abweisend bin, aber leider kann ich darauf im Moment keine Rücksicht nehmen. Auf dem Flur begegne ich Albus und James, die mir netterweise helfen, meinen Koffer auf den Bahnsteig zu hieven.
"Lily, Albus, James!", höre ich von irgendwo. Ich schaue hoch und sehe, wie meine Mom auf uns zu kommt. Zuerst nimmt sie mich in den Arm. Es ist echt nicht schön, so lange von seiner Mum getrennt zu sein. Fast ein halbes Jahr. Vor Hogwarts waren wir vielleicht mal für eine Woche getrennt. Bin ich froh, dass wir Raven haben, um uns wenigstens Briefe schreiben zu können!
"Zu Hause musst du mir unbedingt erzählen, was du noch alles so erlebt hast. Persönlich ist es ja doch immer schöner, als über Briefe.", flüstert Mom mir ins Ohr. Doch ich bin nicht so ganz bei der Sache. Ich sehe, wie Scorpius aus dem Zug steigt und zu seinen Eltern geht. Nun sehe ich sie auch, zum ersten Mal. Ich starre ihn und seine Eltern so offensichtlich an, wie es nur geht, aber er dreht sich kein einziges Mal zu mir um. Ob nun aus Absicht oder, weil er mich einfach nicht gesehen hat, weiß ich nicht genau. Aber ich habe eine vage Vermutung...
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Hallo☺️
Das war jetzt wieder erstmal das letzte Kapitel. In einer Woche bin ich dann wieder zu Hause und kann weiter updaten 🙈
Bis dahin wünsche ich euch noch schöne Ferien und ja, dann bis in einer Woche 💞✨
Eure Vilureef
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