9. Kapitel
Nachdem ich mich vergewissere hatte, dass alle schliefen, hatte ich mich ein paar Meter vom Baumdreieck entfernt und auf den feuchten Boden gesetzt.
Der Regen setze sich in mein Fell fest und durchnässte mich langsam auf Haut und Knochen. Doch ich konnte das Ritual, was ich jede Nacht machte, nicht nocheinmal verschieben.
"Tut mir leid wegen gestern.", sagte ich und sah in den Himmel. "Vater hat uns verbannt.", erzählte ich weiter und schloss meine Augen.
"Ich bin mir sicher, dass er das nicht getan hätte, wärst du noch hier. Du hättest ihn zu Vernunft gebracht und so lange argumentiert, bis er aufgegeben hätte." Ich lachte leise. "Jetzt wollen wir ihm beweisen, dass wir auch was können, indem wir einer Prophezeiung folgen. Wir sollen der Sonne folgen und jemanden nach Hause bringen.", fuhr ich fort und öffnete wieder meine Augen.
"Ach Sturm.", seufzte ich leise. "Ich vermisse dich."
"Mit wem redest du?", hörte ich Rindes Stimme. Knurrend sprang ich auf und funkelte ihn wütend an.
Rinde zuckte nicht einmal zusammen, sondern sah mich nur verwundert an.
"Warum spionierst du mir hinterher?", knurrte ich, dabei war es mir egal, ob ich die anderen weckte. "Ich spioniere dir nicht hinterher! Ich bin wach geworden und habe dich gehört. Das ist alles.", erwiederte Rinde ruhig.
"Kannst du seit neuesten Geister sehen?", machte er sich über mich lustig.
Wütend knurrte ich nocheinmal. Ich konnte nicht genau sagen wieso es mich so frustrierte, dass er mich dabei beobacht hatte, aber eins war mir klar: das war nur ein Ding zwischen mir und Sturm!
"Mach dich nocheinmal über mich lustig und ich werde dich töten!", drohte ich ernst. Wieder lachte Rinde und setzte sein gespielt ängstliches Gesicht auf.
Das reicht!, schoss es mir durch den Kopf und ich wollte mich auf den wüstenseeligen Wolf stürzen, als mich etwas- oder jemand- daran hinderte.
Mein Kopf war plötzlich wie leergefegt. Der Wind säuselte durch die Blätter und schien zu reden: "Er ist es nicht wert."
Trotz das ich diese sanfte Stimme nur ganz leise hörte, wurde die Leere durch ein unbeschreibliches Gefühl ausgetauscht. Ich wollte Lächeln, aber der Schock saß mir in den Knochen. Das war eindeutig Sturms Stimme gewesen, aber das war unmöglich, es ging einfach nicht.
"Was tust du so geschockt? Ich habe gar nichts gemacht.", sagte Rinde, Verwirrung schwankte in seiner Stimme und er musterte mich. Getrost ignorierte ich ihn und versuchte aus dem Blätterrauschen wieder die Stimme meiner Schwester zu hören, doch sie kam nicht wieder.
Ich wollte nur wieder ihre Stimme hören. Nur noch einmal.
Bitte! Sag etwas!, flehte ich und versuchte die überwältigende Trauer zu verbergen.
Ich wusste nicht, ob es die Müdigkeit, die Trauer, der Hunger, die Anstrengung oder vielleicht einfach alles war, dass dafür sorgte, dass mir schwarz vor Augen wurde. Das letzte was ich sah, war Rindes entsetztes Gesicht.
Als ich aufwachte, sah ich Sturm vor mir, die mich breit anlächelte.
Sie stubste mich an meiner Schulter an und ich lachte leise. Doch als ich dies auch bei ihr machen wollte, berührte ich nicht meine strahlende Schwester, sondern ihre blutverschmierte Leiche, die vor mir auf dem Boden lag.
Ich jaulte kläglich auf und stolperte zurück.
Nein! Nein! Nein! Meine Sinne waren wie betäubt. Ich konnte nicht mehr klar denken. Ich schmeckte nur das bittere Blut, dass von meiner Stirn tropfte.
Ich konnte sie nicht beschützen! Es war alles meine Schuld! Ich schrie auf, ich wollte den Mörder bestrafen, wollte etwas tun. Doch die Trauer überwältigte den Hass und ich jaulte nur noch bedauernd auf.
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