9. Die Wahrheit
Sie gaben Mila frei und beschlossen zurück ins Hotel zu fahren. Erst am Nachmittag würde sie Eliza und Vincent noch einmal wegen der Schriftstücke besuchen. Sie hatten immer noch keine Spur wohin Cataleya und Tristan verschwunden waren.
Eliza war tief in Gedanken versunken als sie das Hotel betraten und in den Aufzug einstiegen. Ihr Zimmer war während ihrer Abwesenheit geputzt worden und dankbar warf Eliza sich auf das frisch gemachte Bett. Auf die Decke starrend grübelte sie über Dimetra nach. Die ganze Geschichte war absolut verwirrend. Vincent nahm sich währenddessen etwas zu trinken und betrachtete die Schriftstücke ihrer Eltern erneut.
"Ich bin gespannt was Mila uns übersetzten kann.", meinte er beiläufig und erntete nur einen bösen Blick von Eliza. Sie würde keinen unnötigen Smalltalk mit ihm machen. Frustriert fuhr er sich mit den Händen über die Haare und trat an ihr Bett.
"Was muss ich tun damit du mit dieser Schweigenummer aufhörst?" Eliza setzte sich auf und begegnete seinem zornigen Blick mit gleicher Wut.
"Du hast bereits genug getan.", zischte sie und sah die Kränkung in seinen Augen. Er drehte sich auf dem Absatz um nur um sich Sekunden später erneut ihr zuzuwenden.
"Was willst du von mir hören? Das es mir leid tut? Natürlich tut es mir leid, aber ich habe es dir aus einem guten Grund nicht erzählt."
"Und der wäre?", schnaubend verschränkte Eliza die Hände vor der Brust.
"Diese ganze Sache...Unsterblichkeit ist unmöglich zu begreifen. Ich habe mein Leben in diesen Kreisen verbracht und kann es selbst immer noch nicht glauben. Ich hätte unmöglich wissen können, dass deine Eltern genauso sind wie er."
"Sie sind nicht wie er. Meine Eltern sind keine mordlustigen, kindermisshandelnden Irren!", schrie sie ihm entgegen.
"Das weißt du nicht!", entgegnete er mit zusammengebissenen Zähnen. Natürlich wusste sie es nicht. Sie kannte ihre Eltern nicht, kannte weder ihre Geschichte noch ihre Gründe das eigene Kind zurückzulassen. Doch ihn diese Worte aussprechen zu hören, machte alles nur noch schlimmer. Vincent sah in ihr Gesicht und schien zu begreifen, wie tief er sie getroffen hatte. Zögerlich trat er näher und hob die Hände wie um sie zu umarmen, tat es dann jedoch nicht.
"Es tut mir leid. Das hätte ich nicht sagen sollen. Ich möchte nur das du mich verstehst." Und das tat sie. Sie konnte verstehen, warum er ihr nicht die ganze Wahrheit gesagt hatte. Es war logisch, aber ihre Gefühle waren es nun mal nicht. Die Angst verraten zu werden, die Furcht zu vertrauen war so sehr ein Teil von ihr, dass es ihr schwer fiel irgendetwas anderes zu sehen, als das. Langsam hob sie den Blick und begegnete seinem.
Er war gut zu ihr gewesen und hatte mehr Herz bewiesen als sie. Sollte sie ihm noch eine Chance geben? Wenn sie ehrlich zu sich selbst war, hatte er sie verdient. Tief durchatmend ließ sie die Wut los.
"Das tue ich. Aber mach das nie wieder, nie wieder, hörst du mich! Von jetzt an will ich die Wahrheit, egal wie verrückt sie klingt. Auch wenn Sangai ein Einhorn im Keller versteckt, ich will das wissen." Zärtlich griff sie nach seinem Nacken und zog ihn zu sich, zog ihn in eine feste Umarmung. Vincent atmete erleichtert aus und ließ sich gegen sie sinken.
"Ich verspreche es dir. Ich wollte dir nie wehtun.", murmelte er in ihr Haar und so verrückt es klang. Sie glaubte ihm. Sekundenlang standen sie da und genossen die Nähe des anderen während der Streit langsam in die ferne rückte. Schließlich machte Eliza sich los und seufzte. Sie war vollkommen erschöpft, der Vormittag hatte ihr viel Kraft geraubt. Gähnend setzte sie sich wieder auf ihr Bett.
"Bist du müde?", fragte Vincent und setzte sich ebenfalls.
"Ich hab nicht so gut geschlafen.", schwindelte Eliza etwas. Sie hatte sehr gut in seinen Armen geschlafen, doch sie wollte wegen ihrer komplizierten Beziehung nicht zugeben wie emotional erschöpft sie war, wollte ihre Schwäche nicht zeigen. Vincent runzelte die Stirn.
"Hm, dann muss das wohl eine andere Frau gewesen sein, die mir da die halbe Nacht ins Ohr geschnarcht hat." Erschrocken riss Eliza die Augen auf. Er wusste es! Er wusste genau, dass sie bei ihm im Bett geschlafen hatte. Vincent lachte, als er ihren entgeisterten Gesichtsausdruck sah.
"Dachtest wohl ich hätte es nicht bemerkt?" Elizas Wangen färbten sich rot und sie versuchte ihr Gesicht mit den Händen zu verbergen. Lachend trat Vincent erneut näher, kniete sich vor ihr hin und zog sanft ihre Hände zur Seite. Sein Lächeln war freundlich und liebevoll. Bei weitem nicht das arrogante Grinsen, das die meisten anderen Männer ihr zugeworfen hätten.
"Ich fand es nett. Ist schön jemanden neben sich zu haben, auch wenn dieser jemand einem ständig die Decke stiehlt." Eliza lächelte, konnte den Humor hinter dieser Aussage nicht einfach ignorieren.
"Das ist nicht meine Schuld! Ich kann nicht kontrollieren, was ich im Schlaf mache.", konterte sie, "und schnarchen tust du! Nicht ich." Ungläubig schüttelte Vincent den Kopf.
"Das glaub ich dir nicht."
"Ach hast du früher etwa neben jemanden geschlafen, der dir das Gegenteil eingeredet hat?". fragte sie scherzhaft und bekam einen gespielt bösen Blick zugeworfen.
"Nein, nicht das ich wüsste. Wie ist es mit dir? Hattest du einen Dauergast in deinem Bett, der dich vielleicht belogen hat?" Schlagartig blitzte ein Bild ihres Ex-freundes vor ihrem geistigen Auge auf und verbannte ihr Lächeln. Selbst nach all den Jahren würde sie sein Gesicht niemals vergessen. Er hatte gelogen und noch so viel mehr als das. Die Lügen waren bei weitem nicht das schlimmste, das dieser Mann ihr angetan hatte.
In den Jahren ihrer Beziehung war sie von einem selbstbewussten jungen Mädchen zu einer ängstlichen, abhängigen Frau geworden. Die Zeit mit ihm war eines der düstersten Kapitel ihres Lebens und hatte sie mehr als nur Härte gelehrt. Er hatte ihre Schwäche schamlos ausgenutzt und als sie ihn endlich losgeworden war, hatte sie sich geschworen, nie wieder zu vertrauen. Mit dem rasenden Herzen einer misshandelten Frau blickte sie in Vincents freundliche Augen.
Die beiden Männer hatten nichts gemein, doch die Angst erneut in Abhängigkeit zu geraten war allgegenwärtig. Vincent schien zu spüren, das die verspielte Atmosphäre verflogen war und setzte sich zurück auf sein Bett. Die Hände im Schoss faltend blickte er sie an.
"Ich habe etwas falsches gesagt.", mutmaßte er und fuhr sich nachdenklich über sein Kinn. Eliza schüttelte reflexartig den Kopf.
"Nein, ist schon okay. Ich sollte sowieso sehen was ich über die neuen Namen meiner Eltern herausfinden kann." Sie griff nach ihrem Laptop und zog ihn zu sich, als sie Vincent erneut sprechen hörte.
"Wer war es?" Verwirrt spielend lächelte sie. Vincent ließ sich davon nicht täuschen und Eliza konnte dies nur zu gut verstehen. Sie war immer eine schlechte Schauspielerin gewesen.
"Ich habe dir so vieles über mich erzählt und ich habe das Gefühl ich weiß nichts über dich."
"Und das ist auch gut so. Meine Vergangenheit geht dich nichts an.", entgegnete sie verteidigend. Vincent seufzte und setzte sich neben sie auf ihr Bett. Er hielt Abstand, aber sie konnte seine Wärme dennoch fühlen.
"Ich weiß nicht, was das hier ist...zwischen uns.", hauchte er, "aber du kannst mir alles sagen, ich werde dich weder verurteilen, noch irgendwelche dummen Sachen sagen. Zumindest hoffe ich das. Bitte, erzähl es mir." Seine Stimme war flehend und brach Elizas Widerstand langsam auseinander. Er hatte recht, hatte ihr alles über Sangai und seine Kindheit erzählt, allerdings war es erneut ein großer Schritt für sie. Zittrig atmete sie tief durch.
"Sein Name war Theo.", flüsterte sie heißer. Vincent nahm ihre Worte mit einem mitfühlenden nicken auf. Er schien froh zu sein, dass sie überhaupt etwas gesagt hatte. Was sollte sie ihm nun erzählen? Wo sollte sie anfangen? Theo hatte ihr so viele furchtbare Erinnerungen geschenkt. Erschöpft ließ sie die Schultern hängen.
"Ich kann warten. Du musst jetzt nicht mehr sagen. Ich weiß, der Tag war anstrengend für dich.", meinte Vincent und berührte ihre Hand zärtlich. Erleichtert lächelte sie ihn an.
"Danke für dein Verständnis." Er erwiderte ihr Lächeln großzügig.
"Ich glaube wir brauchen beide eine Pause. Vor dem Hotel gibt es eine Einkaufsstraße. Lust ein wenig shoppen zu gehen?"
"Wird Sangai dann nicht wieder wütend?", fragte sie besorgt. Sie wollte nicht, dass er wieder angeschrien wurde. Vincent verdiente eine solche Behandlung nicht. Leichtfertig winkte er ab und zog sie mit sich auf die Beine.
"Komm schon. Das wird lustig." Und das war es tatsächlich. Lachend und händchenhaltend liefen sie durch die Geschäfte der Einkaufstraße und verschenkten mehr von Sangais Geld. Es waren diese Moment, freudigen Unfugs, in den Eliza begriff, dass Vincent genau wie sie nie wirklich ein sorgloses Kind hatte sein können. Zu schnell hatten sie erwachsen werden und sich der harten Realität stellen müssen.
Da war kein Platz für Spiel gewesen, doch nun hielt sie nichts mehr zurück. Sie brachten das kindliche ineinander zum Vorscheinen und mit jedem Lächeln und jeder sanften Berührung vertraute Eliza ihm mehr. Kurz bevor Mila zu ihnen kommen sollte, gingen sie zurück in ihr Zimmer. Gemeinsam räumten sie auf, verstauten ihre neuen Schätze und bestellten sich Essen auf das Zimmer. Vincent räumte ihren Esstisch frei und legte die Schriftstücke bereit.
"Hoffentlich kommt das Essen bald. Ich habe einen Bärenhunger." Vincent klopfte auf seinen Bauch, wie um zu beweisen, dass er leer war. Eliza pflichtete ihm lachend bei. Es klopfte und schnell öffnete Eliza die Tür. Mila stand mit einem Karton in der Hand vor ihr.
"Was ist das?", fragte Eliza sie als Mila eintrat.
"Süßigkeiten. Ich dachte, sie könnten deine Laune bessern." Mit einem kecken Grinsen drückte sie Eliza den Karton in die Hand und begrüßte Vincent. Eliza folgte ihr in den Wohnbereich.
"Meine Laune ist besser, danke der Nachfrage. Hier sind die Schriftstücke." Sie deutete auf den Tisch. Neugierig trat Mila näher, ihre Augen weiteten sich als sie die einzelnen Dokumente sichtete.
"Wow! Das ist wirklich eine schöne Sammlung verschiedenster Sprachen. Soll ich euch die Übersetzungen aufschreiben?"
"Das wäre toll.", meinte Vincent und reichte ihr einen Block. Milas Augen waren nicht mehr von den Postkarten und Briefen fort zu reißen, ihre gesamte Aufmerksamkeit galt ihnen. Sorgsam rückten Vincent und Eliza in den Hintergrund und ließen Mila in Ruhe arbeiten.
"Hoffen wir mal sie findet uns einen Hinweis, wohin sie gegangen sein könnten.", flüsterte Vincent besorgt. Eliza konnte ihm nur zustimmen. Der Peilsender in ihrem Nacken verursachte ihr Kopfzerbrechen. So gerne sie Sangai und seine Drohungen auch ausblendete, sie würden nicht einfach verschwinden.
"Hier ist mal die erste Postkarte.", meinte Mila beiläufig und reichte sie an Vincent weiter. Aufmerksam betrachteten sie den Gruß aus der Türkei und Milas Übersetzung. In großen Buchstaben stand auf Milas Zettel
"Türkisch. Liebste Freunde, obwohl wir uns seit Jahrzehnten nicht gesehen haben, würde ich euch nie vergessen. Mein Haus steht für euch stets offen. Ich würde mich freuen euch wiederzusehen. Abdel Osmann." Die Adresse zu der die Postkarte gehen sollte, war von Hand fortgerissen worden und einen Absender gab es auch nicht.
"Abdel Osmann muss ein Freund meiner Eltern gewesen sein."
"Ich kenne diesen Namen irgendwo her." Auf Vincents Gesicht erschien ein nachdenklicher Ausdruck, hartnäckig bemühte sich sein Gehirn den Namen zu zuordnen während Eliza daran dachte, dass ihre Eltern tatsächlich Freunde besessen hatten und vermutlich noch immer hatten. Mit jedem Hinweise wurden sie mehr zu echten Menschen und verloren den Beigeschmack einer kindlichen Fantasie.
"Hier sind die nächsten zwei.", berichtete Mila grinsend.
"Du bist ganz schön schnell.", kommentierte Eliza und trat näher. Mila zuckte mit den Schultern.
"Das sind nur die Postkarten. Die meisten davon haben nur einige Sätze und sind in den Sprachen verfasst, die ich bereits kenne. Die Briefe allerdings...", unwillig verzog sie das Gesicht, "..werden eine Herausforderung." Eliza nahm die zwei übersetzten Postkarten entgegen. Eine davon war aus Paris von einer gewissen Odette Francis. Sie beglückwünschte Elizas Eltern zu der Geburt ihrer Tochter. Eliza nahm an, dass sie damit Dimetra meinte. Die andere Postkarte kam von einer Celeste Yao. Sie schrieb in Englisch und hatte eine schöne geschwungene Schrift. Die Postkarte kam aus Beijing.
"Liebster Tristan, ich denke an unseren Sonnenuntergang. Komm mich mal wieder besuchen.", laß Eliza verwirrt.
"Was? Ich dachte deine Eltern wären ein Paar..warum würden sie einen Liebesbrief, der nur an Tristan adressiert ist aufheben?", fragte Vincent irritiert.
"Vielleicht ist es gar kein Liebesbrief sondern was anderes." Verwundert zuckte Eliza mit den Achseln. Es war ihr ein Rätsel.
"Ah!", rief Vincent laut aus und erschrak damit alle Anwesenden.
"Abdel Osmann! Ich wusste, ich kenne den Namen irgendwo her. Er ist ein Bekannter von Sangai. Ich hab seinen Namen während ein paar Gesprächen gehört. Er ist..", unversehens stoppte Vincent sich und blickte in Milas Richtung. Diese hob die Augenbrauen und wartete. Eliza konnte sich vorstellen wie Vincents Satz beendet worden wäre und beschloss Mila einfach die Wahrheit zu sagen.
"Er ist unsterblich. Wie meine Eltern.", vollendete sie Vincents Satz und blickte Mila entschlossen in die Augen. Die Dolmetscherin nickte langsam.
"Okay. Ihr seid also nicht ganz dicht. Das ist... okay. Euer Geld verliert dadurch keinen Wert. Ich..äh...mach dann mal weiter." Eliza ging zu ihr, zwang sie ihr ins Gesicht zu sehen und legte das Bild ihrer Eltern in Milas Hände.
"Du wolltest wissen, was es mit dem Bild im Rathaus auf sich hat. Darauf waren meine Eltern zu sehen, genauso wie auf diesem hier, zwanzig Jahre später. Dimetra..ist meine Schwester. So wie du es mir übersetzt hast. Meine Eltern sind unsterblich und wie es aussieht gibt es davon eine Menge. Das ist die Wahrheit." Und sie so auszusprechen, ließ Eliza erleichtert ausatmen. Wenn sie alle Beweise aufzählte, schien die Geschichte nicht so verrückt, wie sie geglaubt hatte. Mila betrachtete das Bild von Cataleya und Tristan und schluckte hart.
"Das ist doch unmöglich oder?" Bedächtig schüttelte Eliza den Kopf.
"Leider nicht. Du verdienst unsere Ehrlichkeit, wenn du weiter mit uns arbeiten willst. Und das hoffe ich." In diesem Moment beschloss sie Mila alles zu erzählen. Über Sangai und Vincents Rolle. Sie wusste nun, dass sie alleine nicht weiterkommen würden. Sie brauchten Mila auf ihrer Seite. Nachdem alles gesagt war, lehnte sich die Dolmetscherin überwältigt zurück und blickte von Eliza zu Vincent.
"Das ist ganz schön verzwickt."
"Du sagst es.", gab Vincent ihr Recht.
"Also, was war das mit Abdel Osmann?", fragte Mila schief lächelnd. Eliza lachte leise, sie hatte gewusst, dass Mila nicht so leicht zu verschrecken war. Vincent schien ebenso erfreut über ihre Reaktion.
"Er ist ein Unsterblicher. Soweit ich weiß, lebt er in Ankara. Wenn er wirklich ein Freund deiner Eltern ist, dann weiß er vielleicht mehr."
"Das heißt, wir müssen nach Ankara fliegen.", bemerkte Eliza stirnrunzelnd an und sah in die Gesichter ihrer Begleiter. Mila grinste breit.
"Ich bin bereit, wenn ihr es seid."
Cataleya 1760 Kanada
Es war kälter in den Wäldern Kanadas, doch Cataleya war nichts anderes übrig geblieben als weiter nach Norden zu ziehen. Die Kriege erschöpften sie. Es war nicht so sehr das Kämpfen, diesen Teil liebte sie.
Es war der Tod, der ihr Schwierigkeiten machte. Wie ein ständiger Begleiter schien er nur ihre Mitmenschen zu holen und sie stets übrig zu lassen. Die Einsamkeit ihres Lebens schien ihr von Jahr zu Jahr mehr von ihrer Willenskraft zu rauben.
Schwerfällig ging sie die verschneite Straße entlang. Die Stadt in der sie mit anderen färbigen Menschen lebte, war klein und arm, doch zumindest kümmerten sich die Menschen umeinander.
Von der Regierung im Stich gelassen, versuchten sie zu überleben und eine sichere Heimat zu schaffen. Viele der Menschen in ihrer Stadt waren ehemalige Sklaven oder Flüchtlinge.
Cataleya fühlte sich ihnen verbunden. In ihren Händen trug sie schwere Taschen mit Lebensmitteln. Daraus würde sie einen großen Topf Suppe für die Kinder machen. Wie in so vielen Dörfern und Städten zuvor kümmerte sie sich auch hier um die verwaisten Kinder bis sie alt genug waren, eigene Wege zu gehen.
Zitternd übersah sie einen Stein und stolperte, die Taschen vielen aus ihren Händen und landeten wie Cataleya im Schnee. Fluchend richtete sie sich auf und sammelte wütend auf sich selbst und diese ewige Kälte ihre Lebensmittel wieder ein, als jemand zu ihr trat und eine der Kartoffeln auf hob.
"Ich brauche keine Hilfe.", brummte Cataleya und nahm das Gemüse aus der Hand des Fremden. Sie hob den Blick und erstarrte. Dieser Mann...diese Augen. Bilder aus einer heißen Nacht mit einem Unbekannten in den Wäldern der Cherokee kamen in ihr Hoch. Es war derselbe Mann. Tristan. Nie würde sie seine sanften Hände und diese roten Haare vergessen.
Aber das war Jahrzehnte her, er müsste ein alter Mann sein, wenn nicht gar tot. Ihn jung und unverändert vor sich zu sehen, war ein Schock. Die einzige Erklärung war, dass er wie sie ein ewiges Leben führte. Wiedererkennen flackerte auch in seinem Blick, er starrte sie an, unfähig etwas zu sagen. Mit großen Augen stand Cataleya auf, ließ diesen Geist aus ihrer Vergangenheit jedoch nicht aus den Augen.
"Ich kenne dich.", flüsterte sie über das heulen des Windes. Tristan nickte langsam und hob Cataleyas Taschen hoch.
"Darf ich dich begleiten?", fragte er höflich und wie bei ihrer ersten Begegnung begleitete er sie gemächlich. Keiner von ihnen wagte es ein Wort zu sagen, die Blicke der Stadtbewohner folgten ihnen durch die Straßen. Schneller als es Cataleya lieb gewesen wäre, waren sie bei ihrem Haus angekommen. Mit einer Kopfbewegung lud sie ihn ein und schließlich saßen sie gemeinsam vor dem Kamin und versuchten sich wieder zu wärmen. Draußen tobte der Winter weiter.
"Wie ist das möglich?", hauchte Cataleya und griff nach seiner Hand. Seine Haut war rau und warm. Sie konnte sich an diese Hände erinnern, wie sie über ihren Körper gewandert waren.
"Ich weiß es nicht.", antwortete Tristan kaum hörbar und griff fester nach ihren Händen, "ich habe noch nie jemanden kennengelernt, der so ist wie ich." Cataleya legte den Kopf schief.
"Ich auch nicht. Allerdings wüsste ich nicht wie ich mich beschreiben sollte."
"Langlebig. Ich würde mich als sehr sehr langlebig beschreiben. Unfähig zu altern, unfähig zu sterben..." Die Einsamkeit in seiner Stimme glich ihrer eigenen. Wie sie musste er ein Leben voller Verluste gelebt haben. Zärtlich strich sie über seine Wange, wie damals im Wald.
Sie hatte schon vor all dieser Zeit etwas in ihm Wiedererkannt. Nun wusste sie was. Sie waren gleich. Tristan blickte in ihre Augen, beugte sich vor und küsste sie sanft.
Der Kuss war nicht unwillkommen, doch in diesem Moment wollte Cataleya herausfinden, wer der Mann vor ihr war, wollte mit ihm über ihr gesamtes Leben sprechen ohne zu lügen, ohne zu schwindeln.
Sie wollte nur einmal in ihrem Leben erneut die Wahrheit über ihre Herkunft aussprechen. Bestimmt drückte sie ihn von sich und lächelte leicht.
"Ich möchte dir erzählen, woher ich komme und ich will wissen, woher du kommst."
"Die Wahrheit...du willst die Wahrheit sagen.", bemerkte Tristan und ein vorsichtiges Grinsen ließ sein Gesicht noch jünger aussehen. Ihm schien dieser Gedanke zu gefallen. Lässig lehnte er sich zurück und nickte.
"Dann fang an Cataleya. Ich bin bereit." Mit wild klopfendem Herzen begannen sie ein Gespräch, das noch Tage andauern würde.
Anmerkung der Autorin: Sorry fürs lange warten. Momentan läuft in meinem Leben nicht alles so rund. Ich bemühe mich trotzdem gute Kapitel zu schreiben. Hoffe euch hat dieses hier gefallen.
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