8. Postkarte mit froher Botschaft
Mila suchte ihnen ein recht touristisches Cafe in der Innenstadt. Es hatte immer noch den Charme Sofias, doch war bei weitem nicht mehr so traditionelle. Schweigend setzten sie sich während Mila aufsprang um ein Telefonat entgegenzunehmen. Eliza sah das als ihre Chance. Sie würde keine Sekunde länger auf Vincents Antwort warten.
"Los jetzt, sag mir was du weißt.", zischte sie zornig. Vincent seufzte unbehaglich. Sein Blick glitt über die anderen Gäste des Cafés, bevor er sich zu ihr beugte.
"Es ist eine lange Geschichte.."
"dann erzähl schnell.", unterbrach sie ihn ungehalten. Wieder schien Vincent sich eine Ausrede ausdenken zu wollen. Zu seinem Glück kam in diesem Moment Mila zurück zu ihrem Tisch. Verwirrt blickte sie zwischen ihnen hin und her und nickte wissend.
"Ich störe, nicht wahr? Wie wäre es wenn ich uns Frühstück bestelle und ihr besprecht euch kurz."
"Danke Mila.", antwortete Eliza ohne den Blick von Vincent zu nehmen. Mila stand lächelnd wieder auf und ging zur Theke des Cafés.
"Um es dir zu erklären, muss ich beim Anfang anfangen."
"Ich höre."
"Als ich ein Kind war, hielt ich Sangai für einen Zauberer, ein Monster und schließlich für einen Dämon. Und obwohl seine Taten durchaus monströse Züge hatten, war er nichts davon. Früher ist es mir nicht aufgefallen, welchem Kind würde das. Aber als die Zeit verging und ich älter wurde, bemerkte ich Sangais wahre Natur wie auch meine älteren Brüder es bemerkt hatten.", er holte tief Luft und sah ihr in die Augen, "er altert nicht...genau wie deine Eltern. Das ist das große Geheimnis."
Schockiert riss sie die Augen auf. Unmöglich, einfach unmöglich. So etwas wie ewige Jugend oder Unsterblichkeit gab es nicht! Wie konnte er mit einem ernsten Gesicht vor ihr sitzen und ihr diesen Schwachsinn erzählen.
"Du glaubst mir nicht?", mutmaßte er und Eliza schnaubte.
"Natürlich nicht! Wie sollte ich auch? Unsterblichkeit? Was für einen Blödsinn redest du da?!", ihre Stimme war einige Oktaven höher gerutscht. Vincent hob seine Hände und versuchte sie zu beruhigen.
"Ich weiß wie es klingt. Ich würde es selbst nicht glauben, wäre ich nicht bei Sangai aufgewachsen. Er hat sich noch nie verändert und wenn ich mir die Bilder deiner Eltern ansehe, glaube ich, dass sie genauso sind." Die Bilder, blitzschnell schossen sie durch Elizas Verstand. Kopfschüttelnd presste sie die Hände vor ihr Gesicht. Das konnte doch alles nicht wahr sein.
"Was noch? Was weißt du über meine Eltern und was will Sangai mit ihnen?" Vincent verzog das Gesicht.
"Leider genauso viel wie du. Ich habe es dir schon einmal gesagt, ich bin keiner seiner Lieblinge. In den letzten Jahre habe ich Sangai kaum gesehen. Aber wenn ich recht habe und deine Eltern wirklich wie Sangai Unsterbliche sind, könnte uns Dimetra Petrov mehr erzählen. Vielleicht sogar wohin sie verschwunden sind."
Unschlüssig blickte Eliza ihren Begleiter, ihren Wachhund an. Sie wollte ihm glauben, doch wie konnte sie ihm nach dieser Heimlichtuerei wieder vertrauen? Mila kam zurück und blickte sie fragend an.
"So alles geklärt zwischen euch." Vincent schüttelte den Kopf, "Nein"
"Ja", hielt Eliza dagegen und nahm Mila ihren Kaffee aus der Hand. Besorgt warf Vincent ihr einen Blick zu, doch sie ignorierte ihn. Alle ihre Vorbehalte, ihre Sorgen, ihr Misstrauen hatten einen Grund gefunden Wurzeln zu schlagen und von nun an würde sie sich von ihm fernhalten.
"Ich habe euch auch ein paar Brötchen besorgt.", meinte Mila und reichte das Essen herum.
"Hast du für dich nichts gekauft?" Eliza warf einen fragenden Blick auf Milas einsamen Kaffee. Diese schüttelte den Kopf.
"Ich habe schon Zuhause gegessen mit meiner Familie. Meine Frau besteht darauf, dass wir zumindest einmal am Tag gemeinsam essen." Mila tat so als wäre sie darüber genervt, doch die Liebe strahlte aus ihren Augen wie ein Leuchtfeuer. Eliza konnte es ihr nicht verdenken, der Gedanke an Familie, brachte sie wieder zu ihrer eigenen und schon machte sich schlechte Laune in ihr breit.
Ihre Gefühle wie ihr Verstand waren ein chaotisches Mienenfeld. Sie musste Dimetra finden, erst dann würde sie die Wahrheit erfahren. Mila schien die dicke Luft zwischen ihnen zu bemerken und schwieg wie auch ihre Auftraggeber.
Sobald sie fertig waren, fuhr Mila sie zur Adresse der mysteriösen Dimetra Petrov. Ihre Wohnung lag außerhalb der Innenstadt, in einer ärmeren Gegend. Die Wohnhäuser sahen nicht mehr ganz so schön aus und es gab mehr als einen Bettler an den Straßenseiten. Mila parkte, sah sich unschlüssig um und betrachtete schließlich auch Vincent und Elizas Kleidung. Den Kopf schief legend, zog sie die Handbremse an.
"Zum Glück seht ihr nicht wie komplette Touristen aus. Bleibt bei mir und sagt hin und wieder >da<, dann wird schon nichts passieren." Sie stieg aus.
"Ist das ihr ernst?", fragte Vincent Eliza vorsichtig und erhielt keine Antwort. Stattdessen zuckte sie gleichgültig mit den Schultern und folgte Mila auf die Straße. Eliza hörte Vincent hinter ihr schwer seufzen und erfreute sich an der kleinen Kränkung. Sie wollte ihn verletzen, so wie er sie verletzt hatte.
"Es sollte gleich da hinten sein.", meinte Mila und harkte sich bei Eliza unter. Die Frauen gingen vor während Vincent bedrückt hinterher ging.
"Was hast du mit dem armen Kerl gemacht?", flüsterte Mila und warf Vincent einen schnellen Blick zu.
"Glaub mir, er hat es verdient.", entgegnete Eliza bockig und kassierte einen verwunderten Blick ihrer Begleiterin.
"Aber als ich euch heute Morgen abgeholt habe, schien noch alles in Ordnung zu sein. Es hat etwas mit diesem Bild im Rathaus zu tun, oder?" Kopfschüttelnd mied Eliza ihren Blick.
"Es ist besser, wenn du es nicht weißt."
"Ihr zwei seid so eigenartig. Ein Glück für euch, das ihr außerdem spannend und reich seid. Ansonsten wäre ich wohl längst fort." Mit diesen Worten erreichten sie Dimetras Wohnhaus und läuteten an. Mila sagte etwas auf Bulgarisch in die Fernsprechanlage und beinahe sofort wurden sie hineingelassen. Die Wohnung war im Erdgeschoss des alten Wohnhauses. Es erinnerte Eliza viel zu sehr an Judiths Wohnung in Budapest. Eine alte Frau stand bereits an der Schwelle ihrer Wohnung und starrte ihnen ungläubig entgegen.
"Maman, maman..", hauchte die alte Frau, am ganzen Körper zitternd und streckte Eliza die Hände entgegen.
"Das ist nicht bulgarisch oder?", fragte Vincent hinter Mila verwirrt. Eliza hörte Milas Antwort nicht. Alles was sie wahrnahm waren die langen weißen Haare der Frau, sie hatten dieselbe glatte, feste Struktur wie ihre eigenen. Sie sah die lächelnden Augen ihrer Mutter und das Grübchen am Kinn ihres Vaters.
"Maman.", hauchte Dimetra noch einmal und erstickt holte Eliza Luft. Diese Frau nannte sie Mutter, verwechselte sie wohl mit Cataleya. Es war unmöglich, so etwas wie Unsterblichkeit existierte doch nicht!
Mit dieser Erkenntnis sprudelten Tränen über Elizas Wangen. Dimetra trat erschrocken zurück, nur um Sekunden später ihre dünnen Arme um Elizas zitternden Körper zu legen. Sie hielt sie fest, strich beruhigend über Elizas Kopf und sagte etwas auf Bulgarisch. Mila übersetzte sofort. "Es tut mir leid. Ich habe mich geirrt, es tut mir leid. Bitte vergib mir."
Dimetra zog Eliza und deren Begleiter in die Wohnung und bat sie in dem kleinen Wohnzimmer Platz zu nehmen. Eliza versuchte krampfhaft ihre Gefühle unter Kontrolle zu bringen und die Tränen zu verbergen.
Vincent versuchte nur ein Mal sie zu trösten und wurde mit einem wütenden Blick zurück gewiesen. Sie sah sich aufmerksam um, versuchte Hinweise auf ihre Eltern zu finden, doch alles was sie sah, war die Wohnung einer Abenteuerin. Dimetra schien viel gereist zu sein und die Dekoration ihrer Wohnung gab das wieder. Bilder ihres Lebens hingen an den Wänden und erschrocken bemerkte sie die körperliche Ähnlichkeit zwischen sich und Dimetra. Diese nahm ihnen gegenüber auf einem kleinen Sessel Platz und begann auf Bulgarisch zu sprechen. Mila legte nachdenklich den Kopf schief.
"Sie fragt wer wir sind und was wir von ihr wollen?" Eliza holte das Bild ihrer Eltern aus der Tasche und legte es auf den hölzernen Couchtisch.
"Ich denke, sie weiß weswegen ich hier bin.", hauchte Eliza. Dimetra blickte einen Moment auf den Couchtisch, sie schien unsicher zu sein. Schließlich nahm sie das Bild zaghaft entgegen und betrachtete es lange. Als sie wieder aufsah war ihr Blick von Trauer verhangen. Sie begann zu sprechen und Mila übersetzte unison.
"Ich wusste, das du eines Tages kommst. Mama hat mir am Tag deiner Geburt geschrieben." Verwirrt legte Mila ihre Stirn in Falten.
"Was meint sie mit Mama?", fragte sie Eliza. Diese schüttelte den Kopf.
"Stell keine Fragen, Mila. Bitte übersetzte einfach." Mit dieser Abweisung schien sie nicht gerechnet zu haben, deshalb nickte sie knapp und wartete auf Elizas Erwiderung auf Dimetras Aussage.
"Ich möchte wissen, wer meine Eltern sind und wer sie ist.", sagte sie schließlich mit festen Blick auf die alte Frau. Mila übersetzte und Dimetras Gesicht begann ein leichtes Lächeln zu zieren. Schwerfällig stand sie auf und suchte an der Wand ihres Wohnzimmers nach einem Bild. Als sie es gefunden hatte, legte sie es vorsichtig in Elizas Schoss.
Es zeigte unverkennbar Cataleya und Tristan in altmodischer Kleidung. Ein kleines Baby schlief in Cataleyas Armen. Sie sahen wie eine glückliche Familie aus. Das Bild war in schwarz-weiß und schon sehr alt. Dimetra zeigte auf das Baby.
"Das bin ich. Und das sind unsere Eltern." Elizas Mund stand offen als sie in die lächelnden Gesichter ihrer Eltern und in das alte Gesicht ihrer...Schwester sah. Dimetra war ihre Schwester. Und die Augen ihrer Schwester waren sanft als sie Elizas Hände nahm und nickte.
Wieder wollten Tränen aus ihren Augen wandern, doch Eliza zwang sich ruhig zu bleiben. Milas verwirrten Gesichtsausdruck ignorierend gab sie das Bild zurück.
"Wann war das?", fragte sie Dimetra und erhielt sogleich eine Antwort.
"1943 in Marseille, Frankreich. Unsere Eltern hatten dort Jahre gelebt, bevor sie mich bekommen haben. Als dann der Zweite Weltkrieg ausbrach und die Nazis vorrückten, wurde alles anders. Maman schloss sich der französischen Résistance an und Papa floh mit mir nach England. Ich habe sie daraufhin lange nicht gesehen. Wir lebten zusammen bis ich Mitte zwanzig war und nach Bulgarien ging um hier Entwicklungsarbeit zu leisten. Das Land hat mich immer fasziniert. Es vergingen Jahrzehnte bis sie mich in Sofia aufgespürt hatten und für einige Jahre lebten wir wieder als Familie. Es war schön sie bei mir zu haben. Sie waren so liebevoll."
Auf Dimetras Gesicht erschien ein glückseliger Ausdruck. Eliza konnte sich nicht vorstellen mit ihren Eltern zusammenzuleben, noch weniger wie deren Vormund auszusehen.
"Was geschah dann?", fragte sie drängend. Dimetras Blick glitt zu ihren faltigen Händen. Die Freude war verschwunden und mit zusammengesunkenen Schultern berichtete sie weiter.
"Ich wurde alt. Und mit meinem Alter zogen sie weiter. Sie waren nie in der Lage ihren Kindern beim Sterben zuzusehen."
"Kindern?", bestürzt blickte Eliza von Mila zu Dimetra.
"Ja, sie hat Kinder gesagt. Meine Übersetzungen sind gut, vertrau mir.", meinte Mila etwas gekränkt.
"Was meint sie mit Kindern? Hatten Cataleya und Tristan mehr als uns?" Mila übersetzte wieder. Dimetra nickte als sie die Übersetzung hörte.
"Wir hatten viele Brüder und Schwester, doch soweit ich weiß sind wir die letzten ihrer lebenden Kinder." Das musste Eliza erst einmal verdauen. Der Schock eine Schwester zu haben war kaum verarbeitet als sie an all die anderen Geschwister dachte, dessen Bekanntschaft sie nie machen würde können. Wie es aussah kam sie doch aus einer großen Familie.
"Vor zwanzig Jahren bekam ich dann diese Postkarte." Dimetra holte eine vergilbte Postkarte aus einem ihrer hölzernen Schränke und legte sie auf den Couchtisch. Eliza hob es an. Das Bild zeigte Budapest im Sonnenaufgang. Auf der Rückseite standen nur ein paar Zeilen. Vorsichtig reichte sie die Postkarte an Mila weiter. Diese laß vor.
"Liebste Dimetra, liebstes Kind, heute wurdest du eine große Schwester. Wenn sie dich sucht, öffne die Tür. In ewiger Liebe Maman und Papa." Also hatten Cataleya und Tristan vorgearbeitet. Sie hatten gewusst, das Eliza irgendwann nach Antworten suchen würde und Dimetra vorgewarnt. Dimetra nahm die Postkarte in ihre Hände und strich zärtlich darüber.
"Es war die letzte Nachricht von ihnen und mehr haben sie mir nie gesagt."
"Sie haben mich nicht groß gezogen. Ich wuchs in einer betreuten Wohnung in Wien auf. Alleine.", gab Eliza zurück. Verwundert legte Dimetra den Kopf schief.
"Das hätte ich nicht gedacht."
"Weißt du warum sie mich zurück gelassen haben?", Elizas Stimme brach ab und tief durchatmend erinnerte sie sich daran stark zu sein. Dimetra schüttelte bekümmert den Kopf.
"Ich weiß es nicht. Tut mir leid. Und es tut mir auch leid, dich im Flur mit Maman verwechselt zu haben. Du siehst ihr so ähnlich." Eine Tränen stahl sich aus Elizas Auge und schniefend wischte sie sie fort.
"Ich finde ich sehe dir ähnlicher.", murmelte sie bitter lachend. Dimetra musste ebenfalls Grinsen, als sie die Übersetzung hörte. Es gab noch eine Frage, die Eliza stellen musste.
"Wo sind sie jetzt? Wo sind unsere Eltern?" Dimetra schwieg kurz und in diesem Schweigen hatte Eliza bereits ihre Antwort.
"Ich weiß es nicht.", hauchte die alte Frau auf Bulgarisch und zeigte ihre Einsamkeit und die Hoffnungslosigkeit ihre Eltern vor ihrem Tod noch einmal sehen zu können. Der Anblick brach Eliza das Herz und schürte die Wut gegen die unbekannten Erzeuger, die offenbar nur Kinder machen konnten und sie dann vergaßen.
Wie sollte es anders sein, wenn sie unsterblich waren? Was wäre da das Leben eines einzelnen Menschen wert. Dimetra fragte nicht warum sie Cataleya und Tristan suchte, vermutlich hatte sie sich die Gründe bereits zusammengereimt. Seufzend gab Eliza sich geschlagen. Dimetra wusste nicht mehr und würde ihnen keine Hilfe sein können.
Sie verabschiedeten sich, doch Eliza konnte dieser Frau nicht den Rücken kehren. Es war wie der Blick in die eigene Zukunft. Verstörend und Beängstigend zugleich. Als sie wieder auf der Straße standen holten sie alle tief Luft, als wären sei gerade aus einer Tauchkugel gestiegen.
Vincent der während des Gesprächs verdächtig ruhig gewesen war, blickte sie mitfühlend an. Eliza schüttelte nur merklich den Kopf, sie wollte in diesem Moment weder mit ihm reden noch sein Mitleid ertragen müssen. Sie war vollkommen durcheinander und musste die vergangenen Ereignisse erst für sich selbst verarbeiten.
Tristan- 1500 Nordamerika
Er hasste Schiffe. Die Art wie das schwimmende Gefährt schaukelte verursachte ein unangenehmes Gefühl in seinem Magen und ließ ihn sich regelmäßig übergeben.
Es war grauenhaft. Zum Glück würde ihre Reise nicht mehr lange dauern. Tristan konnte es nicht erwarten in Nordamerika zu landen. Er hatte für viele Jahre gespart und war nun endlich in der Lage gewesen sich die Überfahrt zu leisten. Das Schiff auf dem er sich befand war keinesfalls luxuriös, die meisten anderen Passagiere waren entweder Verbrecher oder Tagelöhner, die sich ein besseres Leben in der neuen Welt erhofften.
Sie erzählten sich unglaubliche Geschichten über die Natur der neuen Welt und die grausamen Wilden, die sie bewohnten. Tristan war vorsichtig wenn er mit den teilweise aggressiven Siedlern sprach.
Er selbst war in vielen Ländern bereits ein Fremder gewesen, hatte Eroberungen und Mord erlebt. Er würde niemals jemanden aufgrund deren Herkunft oder Kultur wild nennen. Um solch eine Ignoranz an den Tag zu legen war er bereits zu weit gereist und hatte zu viel erlebt.
"Was wirst du machen, wenn wir ankommen?", fragte ihn einer der Siedler. Er war ein unrasierter Riese von einem Bauern, hatte sowohl Frau als auch Kind dabei. Sie alle würden die Kosten ihre Überfahrt auf einer Plantage abarbeiten.
Tristan räusperte sich und knabberte etwas an dem Brot, dass vor ihm auf dem Teller lag. Es war Mittagszeit und die meisten Passagiere saßen am Tisch oder in ihren Ecken um das trockene Brot zu verschlingen.
"Ich weiß es noch nicht.", antwortete er dem Riesen und erntete einen erstaunten Gesichtsausdruck.
"Hast du keine Schulden abzuarbeiten?"
"Nein."
"Ah, dann bist du wohl einer von denen, die vor Schulden davon laufen.", der Riese nickte wissend, "vielleicht sogar vor einer Ehefrau?"
Wie es aussah gab es auch genug Menschen, die in die neue Welt flüchteten, ob vor Geldeintreibern oder der eigenen Familie. Tristan schüttelte den Kopf. Er hatte für keine der beiden Gründe Verständnis.
"Nein, ich habe mir die Überfahrt verdient und was den Grund für meine Reise angeht...nun ich bin einfach neugierig."
"Neugierig?", fragte die Frau des Riesen verwundert. Beide sahen ihn an als hätte er in einer anderen Sprache gesprochen. Allerdings verstand er ihre Verwirrung. Für Menschen wie sie, arme Bauer, zuerst durch die Krone ausgeplündert, nun an einen Sklavenhalter gebunden, würde die Faszination der neuen Welt keinen Sinn ergeben.
Sie waren zu sehr durch ihre Armut und dem Versuch dieser zu entkommen gefesselt. Tristan jedoch, hatte genug Geld und die Geduld sich alles zu erarbeiten, was er brauchte. Die Zeit stand für ihn still, er machte sich keine Sorgen um sein Alter oder seine Nachkommen.
Er war alleine und würde überleben. So wie er es bereits Jahrhunderte tat. Nur kurz sah er die Tochter des Bauernpaares an und zwang sich dann den Blick abzuwenden. Das Bedürfnis eine Familie zu gründen war in den Jahren seiner Einsamkeit nur stärker geworden.
Überall um ihn herum, heirateten die Menschen und bekamen Kinder. Er selbst hatte die Ehe mehrere Male probiert, hatte geliebt und verloren, doch ein Kind war aus seiner Leidenschaft nie entstanden. Vielleicht würde Nordamerika ihm helfen, der Trübsal und der in Wellen kommenden Depression zu entfliehen.
"Ja, ich bin neugierig, wie der Rest der Welt aussieht. Ich möchte erkunden, was noch kein Mensch vorher erkundet hat."
"Na viel Glück dabei, mein Freund. Wir werden unsere Schulden abarbeiten und uns Land sichern. Ein eigenes Stücken vom Paradies."
"Genau, Liebster, und wenn wir es diesen Wilden eigenhändig entreißen müssen.", pflichtete die Ehefrau zu und Tristan enthielt sich einer Entgegnung. Das Schicksal dieser Familie hatte keinen Wert für ihn, sie waren Eintagsfliegen, die er sobald sie von Bord gegangen waren, nie wieder sehen würde. Unschlüssig stand er auf und ging aus dem Passagierraum aufs Deck des Schiffes.
Er mochte es nicht in der Meeresbrise zu stehen und das Schaukeln des Schiffes am Wellengang zu spüren, doch er brauchte etwas frische Luft. Zu viele Menschen waren in dem kleinen Raum unter Deck gepfercht. Er ging zur Reling und sah auf das offene Meer hinaus. Überrascht stellte er fest, dass die Aussicht seit dem letzten Mal geändert hatte. In der Ferne erkannte er andere Schiffe und Land.
"Das da vorne ist Nordamerika.", meinte ein Matrose beiläufig. Tristans Herz machte einen Satz und diesmal hatte es nichts mit der Seekrankheit zu tun. Er war endlich angekommen.
Ein neues Abenteuer begann.
Anmerkung der Autorin: Nicht böse sein, ich bin grad so faul!! Sagt mir mal was ihr über Cataleya und Tristan bis jezt denkt. Wie gefallen euch die kleinen Abenteuer? Fühlt ihr mit ihnen, auch wenn ihr viel über ihre Zukunft wisst? Oder gerade deswegen?
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro