3. Nicht die erste Wahl
Ihr erster Stopp war ein rund um die Uhr geöffnetes Internetcafe. Eliza war schon einige Male dort gewesen, kannte den Besitzer und die Stammkunden. Niemand hier würde Fragen stellen.
Vincent folgte ihr einem Schatten gleich durch das kleine Cafe und sah sich neugierig um. An einem runden Tisch in einer Ecke hielt Eliza an und wandte sich zu ihm.
"Ich hätte jetzt Lust auf einen Kaffee Late.", meinte sie in ihrer hochnäsigsten Stimme. Vincent quittierte diese mit einer leichten Verbeugung, einem Lächeln und ging zur Theke. Er nahm ihre Zickereien und Provokationen mit erstaunlicher Gelassenheit hin. Dieser Umstand frustrierte Eliza mehr als alles andere.
Sie war es nicht gewohnt mit Geduld behandelt zu werden. Schnell verbannte sie diesen Gedanken aus ihrem Verstand und konzentrierte sich auf ihre Aufgabe. Den Laptop einschaltend, holte sie erneut das Bild ihrer Eltern auf dieser Picknickdecke hervor. Vincent hatte es ihr beim aussteigen wieder zugesteckt. Mit klopfenden Herzen verband sie ihren Laptop mit den Internet und begann nach Cataleya und Tristan Pavlo zu suchen.
Es war ein weit verbreiteter ungarischer Name, doch die Vornamen waren dann doch etwas besonderes. Sie versank in den Informationen und bemerkte nicht wie Vincent mit ihrem Kaffee zurück zu ihrem Tisch schlenderte. Leise setzte er sich neben sie auf den Sessel und schielte auf ihren Laptop. Genervt beugte Eliza sich vor.
"Ich arbeite besser wenn mir niemand über die Schultern schaut." Entschuldigend hob Vincent die Hände.
"Tut mir leid. Ich war nur neugierig. Kannst du mir erklären wonach du suchst?" Ohne den Blick vom Bildschirm zu wenden antwortete sie ihm.
"Ich suche in den zentralen Datenbanken und den offenen Suchmaschinen nach den Namen der Beiden. Oder zumindest eine Variation davon, vielleicht waren sie unter einem anderen Vornamen damals gemeldet. Das Zeitfenster meiner Geburt gibt uns genügend Rahmeninformationen um zu einem hoffentlich schnellen Ergebnis zu kommen."
Seufzend lehnte sie sich zurück während ihr Rechner arbeitete und nahm einen Schluck von dem Kaffee Late. Er war nicht so schlecht. Plötzlich kam ihr ein beunruhigender Gedanke.
"Hast du das mit der Kreditkarte bezahlt?" Vincent schüttelte den Kopf.
"Nein, ich hatte genug Kleingeld dabei. Aber du solltest dir deswegen wirklich keine Sorgen machen. Sangai wird es kaum interessieren wo du im Internet surfst."
Das war Eliza egal, es war der Gedanke, dass jemand jeden ihrer Schritte nachvollziehen konnte, der sie innerlich zusammenzucken ließ. Es war als würde sie eine Leine an ihrem Hals spüren.
Der Laptop öffnete ein weiteres Bild und offenbarte den Führerschein von jemanden namens Tristan Pavlo. Das Foto war verschwommen, doch irritiert bemerkte Eliza rote Haare. War ihr Vater etwa ein Rotschopf? Unter den normalen Daten wartete eine Adresse. Sie war in Budapest.
"Du hast sie gefunden?", staunend beugte Vincent sich vor. Sie konnte sein Aftershave riechen und ihr Herz unkontrolliert wild schlagen spüren. Seine Nähe war nervig.
"Ja, wir sollten dort in weniger als drei Stunden ankommen, wenn wir schnell fahren." Nickend bestätigte Vincent ihre Berechnungen.
"Aber zuerst sollten wir dir ein paar Sachen kaufen.", meinte er schief lächelnd und zückte die Kreditkarte. Eliza verdrehte die Augen.
"Ich hab dir schon gesagt; ich brauche nichts."
"Aber ich. Wenn das hier wirklich eine längere Reise für uns zwei wird, will ich vorbereitet sein. Du nicht?" Zähneknirschend musste sie ihm recht geben. Ihr Rucksack war alt und schon an einigen Stellen zerrissen, ihre Kleidung sah nicht viel besser aus. Und die Elektronik außer natürlich ihr Laptop war ebenfalls veraltet.
"Komm schon. Sieh es als Möglichkeit Sangai um einige Euros zu erleichtern." Dieser Gedanke ließ sie lächeln. Auf seine Kosten war das ganze keine schlechte Idee.
"Einverstanden. Gehen wir." Sie stand auf und packte ihre Habseligkeiten wieder ein. Vincent ging voraus und startete den Motor. Er war bereits angeschnallt als sie neben ihm Platz nahm. Mit einem breiten Grinsen im Gesicht fuhr er sie zum größten Shoppingcenter Wiens.
Ihre Shoppingtour gestaltete sich einfacher als erwartet. Während Eliza neue Kleidung, Reisetaschen und Hygieneartikel besorgte, kaufte Vincent Campingausrüstung. Zusammen liefen sie von Geschäft zu Geschäft und kaufen nach Lust und Laune, eine Erfahrung die Eliza noch nie zuvor gemacht hatte. Für jeden sinnvollen Gegenstand, kaufte sie etwa drei unnütze Sachen. Am Ende stapelten sich die Shoppingtaschen im Kofferraum ihres Autos, doch beide waren sie zufrieden mit ihrer Ausbeute. Die Kreditkarte schien zu glühen.
"Haben wir alles?", fragte Vincent als er sich anschnallte und die mögliche Adresse ihrer Eltern ins Navigationsgerät eingab. Eliza überlegte. Sie hatte zwei neue Jeans, feste Schuhe, eine schöne dunkelblaue Jacke und sogar ein wenig Goldschmuck. Das letztere war als Versicherung für brenzlige Situationen. Mit Gold konnte man so manchem Kriminellen entkommen. Vor ihr auf dem Boden lag eine Tasche mit Snacks für die Fahrt und etwas zu trinken.
"Ich denke schon. Fahren wir los." Vincent nickte und fuhr los. Er war ein guter Fahrer und die Musik, die er sich ausgesucht hatte, war eigentlich nicht schlecht. In einer angenehmen Lautstärke sang eine männliche Stimme von der Süße der offenen Straße. Das Schweigen zwischen ihnen war beruhigend und unkompliziert. Eliza musste sich immer wieder daran erinnern, dass sie nicht freiwillig in diesem Auto saß. Viel zu behaglich fühlte sie sich in seiner Nähe.
"Warst du schon mal in Budapest?", fragte Vincent und biss von einer Tafel Schokolade ab. Dieser Mann schien eine Vorliebe für Süßigkeiten zu haben. Ein riesiger Teil ihres Reiseproviants bestand aus Vincents Leckereien. Er war in der Schokotheke vollkommen ausgerastet und hatte Unmengen gekauft. Eigentlich beachtlich da seine muskulöse Statur nichts von dieser Liebe preisgab. Eliza schüttelte den Kopf.
"Nein. Ich war noch nie außerhalb Österreichs. Hatte nicht das Geld. Und auch keine Zeit."
"Es ist schön. Budapest meine ich. Ich war vor ein paar Jahren für Sangai dort. Die Altstadt ist atemberaubend."
"Machst du solche Aufträge für Sangai öfter?" Vincent nickte.
"Ich bin sozusagen das Mädchen für alles. Ich denke, er hat immer gehofft, dass ich ein nützliches Talent entwickle, aber naja das hat nicht geklappt." Interessiert blickte sie ihn von der Seite an. Dieser Mann war ihr ein Rätsel. Seine Art passte nicht zu dem ruchlosen Mafiaboss, der Sangai nun mal war.
"Heißt das du hast ein unnützes Talent?", fragte sie spitz und konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen. Vincent bekam tatsächlich rote Wangen.
"Naja, Talent ist übertrieben. Ich kann malen. Also ich bin gut darin, schätze ich." Diagnose, schwaches Selbstwertgefühl, befand Eliza.
"Und Sangai hält das für unnütz?" Vincent legte den Kopf schief.
"In seinem Business wird Wert auf andere Talente gelegt. Meine Ziehbrüder haben alle Fähigkeiten die Sangai von Nutzen sein können." Überrascht hob sie die Augenbrauen.
"Du hast Ziehbrüder?" Nickend legte er die Schokolade zur Seite. Offenbar hatten ihre Fragen seine Aufmerksamkeit erweckt.
"Jede Menge, die meisten von ihnen sind älter als ich."
"Wer waren deine Pflegeeltern? Oder wurdest du adoptiert?" Vincent biss sich auf die Unterlippe und warf ihr kurz einen Blick zu.
"Ich weiß nicht ob ich dir das erzählen darf." Stöhnend strich Eliza ihre Haare aus dem Gesicht.
"Ach komm schon. In welcher Hinsicht wäre die Antwort irgendetwas wert?"
"Ich schätze du hast recht. Sangai hat mich adoptiert als ich etwa zwölf war. Zu dem Zeitpunkt hatte er schon viele meiner Ziehbrüder bei sich. Ich war nur der jüngste in einer langen Reihe."
Erschrocken riss sie die Augen auf. War das sein ernst? Spielte Sangai etwa Peter Pan und seine verlorenen Jungen? Allerdings ergaben nun Vincents Worte von vorhin mehr Sinn. Natürlich erwartete Sangai für seine Großzügigkeit außergewöhnliche Schützlinge. Welchen Wert hatte ein Kind wenn es nicht etwas Besonderes war?
"Ich nehme nicht an, dass es eine schöne Kindheit war?", fragte sie und konnte in dem traurigen Zug um seine Lippen bereits die Antwort erraten. Kein Wunder dass er sich in den Süßigkeiten aus seiner Kindheit verloren hatte. Etwas ähnliches hatte sie mit dem Goldschmuck getan.
Er würde ihnen nützlich sein, keine Frage, aber wenn Eliza ehrlich zu sich selbst war, hatte sie das Glitzern der Diamanten und die schöne Farbe des Goldes einfach verführt. Es war das Kind in ihr, dass nie etwas Schönes oder neues besessen hatte.
"Die Welt schätzt Kinder, nicht die Kindheit. Es gibt einen Gewinn zu machen und Männer, die ihn machen." Unsicher blickte Eliza ihren Reisebegleiter an. Er wirkte plötzlich so ernst und in sich verloren. Sie hatte das Gefühl sich entschuldigen zu müssen, mühsam unterdrückte sie es und biss die Zähne zusammen.
"Tut mir leid. Du wolltest das sicher nicht wissen.", murmelte er und das schlechte Gefühl in Elizas Magen intensivierte sich. All das hier war nicht seine Schuld. Er war das Beiprodukt eines grausamen Mafiabosses. Und eigentlich hatte er sie fair behandelt. Besser als die meisten. Aufgebend blickte sie auf ihre Hände.
"Es tut mir auch leid. Ich werde versuchen dich nicht mehr so scheiße zu behandeln." Irritiert blickte er sie von der Seite kurz an.
"Was? Wann hast du das denn gemacht?" Er verarschte sie. Das musst er, doch als Eliza in sein Gesicht blickte, erkannte sie dort nur ernsthafte Verwunderung. In diesem Moment fragte sie sich wie niedrig sein Maßstab für schlechte Behandlung war und wünschte sich gleichzeitig die Ursache niemals herausfinden zu müssen.
"Schon gut. Ist egal..", meinte sie zögerlich und kramte in ihrer vollen neuen Handtasche. Sie war aus weichem Leder und hatte kleine Blumen aufgedruckt. In ihr befanden sich einige ihrer neuen Schätze unter anderem ein neues Make-up-set und ein Tablett. Langsam probierte sie den tiefroten Lippenstift aus und holte dann ihr Handy hervor. Ihr Ziel war es eine passende Unterkunft im Internet zu suchen.
"Was machst du da?", fragte Vincent und versuchte auf ihr Handy zu schielen.
"Augen auf die Straße, Matrose. Ich suche nur nach einem Schlafplatz für heute Nacht. Ich weiß nicht ob wir die Informationen die wir brauchen, heute schon finden werden. So oder so brauchen wir einen Ort zum frisch machen und Pläne schmieden. Und da wir diese schicke Kreditkarte haben..."
Sie ließ den Rest des Satzes offen stehen und warf Vincent einen vielsagenden Blick zu. Dieser quittierte ihre schamlose Idee mit einem schallenden Lachen. Eliza konnte nicht anders als mit ihm zu lachen als sie eines der teuersten Hotels der Stadt buchte.
"Warte hier, nimm das.", er griff in das Fach bei seiner Autotür und holte eine türkisene Kamera hervor. Sie war eine von diesen Schnellentwickler Kameras, die außer überteuert und sentimental keine wirklichen Eigenschaften hatten. Eliza hatte nicht bemerkt wie er sie gekauft hatte, allerdings war sie im Elektronikmarkt etwas abgelenkt gewesen. Sie nahm ihm die Kamera ab und blickte sie skeptisch an.
"Was soll ich damit tun?"
"Na ein Foto von uns machen!", entgegnete Vincent energisch.
"Und warum?" Er stöhnte laut und schüttelte den Kopf. "Gute Erinnerungen muss man festhalten. Zumindest hat das meine Mutter früher immer gesagt. Also mach schon, bitte, für mich." Verwundert runzelte Eliza die Stirn. Wie zur Hölle war sie an diesem Punkt gelangt.
Ein Teil von ihr wollte ein Foto machen, es war kitschig und unnötig, dazu kam die ganze Erpressungsgeschichte seines Bosses, aber irgendwie erschien ihr der Gedanke schön. Sie hatten gelacht und in diesem Moment, diesem beinahe perfekten Moment verdrängte sie alles andere und grinste in die Kamera. Vincent tat es ihr gleich.
"Du bist nicht der bösartige Wachhund, denn ich mir vorgestellt habe.", bemerkte sie während sie das Foto hin und her schwenkte um es zu trocknen. Vincent lachte.
"Ja, aber verrat es Sangai nicht. Die Wahrheit ist, ich war nicht die erste Wahl für diesen Job. Vermutlich nicht mal unter den top drei. Du wirst es nicht glauben, aber du bist ziemlich wertvoll und deine Eltern erst recht. Einer meiner Brüder hätte das hier erledigen sollen, doch er hat sich vor zwei Tagen das Bein gebrochen. Also musste Sangai improvisieren."
"Und du bist dabei herausgekommen." Er zuckte die Achseln.
"Keiner meiner anderen Brüder war da und hätte es übernehmen können. Er hatte keine Wahl." Diese Tatsache erleichterte ihr das Atmen ungemein. Wie es aussah wären seine Brüder bei weitem loyaler gewesen und hätten ihr nicht so viele Freiheiten zugestanden.
Vincent war anders, er würde nicht sofort wegen jeder Kleinigkeit zu Sangai laufen außerdem liebte sie seine Art seinem Ziehvater still und leise eins auswischen zu wollen.
"Wir sind fast da.", meinte er und tatsächlich fuhren sie von der Autobahn hinunter und in die Altstadt. Ihr Hotel lag perfekt und hatte eine breite Einfahrt. Ein Parkservice erwartete sie und trug gleichzeitig ihre Einkaufstaschen in die Lobby. Eliza überließ Vincent den Papierkram und sah sich um.
Das Hotel war der Hammer. Es gab einen riesigen Springbrunnen in der Mitte der Lobby mit lebenden Fischen darin. Kristallluster hingen von der Decke und der Marmorboden glänzte im Licht.
Jeder hier trug teure Kleidung und überall glitzerten Diamanten. Vincent kam zu ihr und legte eine Schlüsselkarte für ihre Suite in ihre geöffnete Hand. Räuspernd steckte er seine eigene ein.
"Unsere Sachen werden nach oben gebracht. Möchtest du gleich rauf?" Sie wünschte sich diese Frage bejahen zu können. Nur zu gerne hätte sie sich aufs Bett fallen lassen. Sie war so müde, doch noch schien die Sonne über ihren Köpfen und es galt ein Rätsel zu lösen. Ohne eine Antwort würde sie sowieso nicht einschlafen können.
"Suchen wir die Adresse." Er folgte ihr schweigend in die Altstadt Budapests.
Cataleya- 1580 Havanna
Zittrig atmete sie aus und ein, versuchte ihre Atmung so gut es ging unter Kontrolle zu bringen. Weder Weinen noch betteln würden sie aus dieser Situation retten. Der Mann auf ihr stöhnte laut und rollte sich schließlich von ihr herunter. Cataleya blickte an die Decke.
Das Blumenmuster war ihr vertraut. Seit gut drei Jahren war sie in dem Besitz Sir John Tremblings. Einer seiner Freunde hatte sie zuvor besessen und da dieser keinen Gefallen mehr an ihr gefunden hatte, war sie weitergereicht worden. Ein Geschenk, ein Objekt, eine Sklavin, mehr nicht. Cataleyas Handgelenke schmerzten, sie waren mit eisenhandschellen ans Kopfende gebunden. Dennoch sie wagte es nicht sich zu beschweren.
Sir John war weit aus gewalttätiger als ihre vorherigen Meister. Schwerfällig stand der ältere Mann auf und schrie nach einer Dienerin. Diese kannte die Prozedur bereits. Ohne großes Aufhebens half ihr die junge Frau aufzustehen und brachte sie in einen angrenzenden kleinen Raum. Ihr Gefängnis.
Er hatte ein schmales Fenster und eine alte Matratze. Etwas zu essen stand bereits am Boden davor. Die kahlen Wände sorgen stets für eine feuchte Kühle, selbst wenn es draußen drückend heiß war. Cataleya ließ sich auf die Matratze fallen und begann langsam ihren Körper zu dehnen.
Das lange sitzen und liegen wirkte sich furchtbar auf ihre Muskeln aus. Trotz allem versuchte sie stark zu bleiben und ihren Körper nicht vollkommen zu vernachlässigen. Meda hatte sie gewarnt. Einem vernachlässigten Körper würde der Verstand folgen. Noch war Cataleya nicht bereit sich aufzugeben.
"Ich werde noch etwas zu waschen bringen.", flüsterte die Dienerin und verschwand. Die Tür wurde hinter ihr zugesperrt. Freiheit war etwas das Cataleya längst vergessen hatte. Seufzend begann sie zu essen, ignorierte den Schmutz auf ihrem Körper, den Schweiß ihres Meisters und blickte aus dem Fenster.
Das Haus in dem sie nun lebte war nicht mehr in ihrer Heimat. Sie hatte viele Jahre in ihrem Land in den Händen des Mannes verbracht, der ihre Mutter getötet hatte. Schließlich war sie an dessen Sohn weitergereicht worden. Dieser hatte sie nach vielen Jahren verkauft und sie war mit einem großen Schiff über das Wasser gebracht worden.
Dem Sohn war sie unheimlich geworden. Trotz der vielen Jahre die vergangen waren, hatte sich Cataleyas Äußeres nicht verändert. Sie war immer noch jung. Auch wenn das Haar verfilzt, die Haut voller blauer Flecke und Schrammen war und ihre Augen die Jugend längst verloren hatten. Ihre Schönheit war geblieben, anders als ihre Mutter es ihr damals prophezeit hatte.
Die Insel auf der sie nun lebte, war klein und eigenwillig. Immer noch herrschten die weißen Männer, doch viele von ihnen kamen und gingen ohne sesshaft zu werden. Die Tür öffnete sich knarrend und die Dienerin trat erneut ein. In ihrer Hand hielt sie eine Schale mit Wasser, Seife und ein Handtuch.
"Danke.", flüsterte Cataleya in der Sprache der Dienerin. Mittlerweile war sie recht gut darin neue Sprachen zu lernen. Die Dienerin nickte.
"Kann ich dir mit den Haaren helfen? Sir Tremblings wünscht sich, dass sie sauber gemacht werden." Cataleya biss die Zähne zusammen, legte das Brot weg und drehte der jungen Frau den Rücken zu. Beinahe sofort begann diese ihre Haare sanft zu bürsten. Wie schwarze Seide flossen die Haare lange über ihren Rücken.
"Es tut mir leid...was er dir antut.", hauchte sie vorsichtig. Cataleya schlug die Augen nieder. Ihr tat es auch leid, es tat ihr leid um die Jahrzehnte der Angst und der Schmerzen. Sie konnte ihren Körper weder ansehen, noch spüren.
"Ich habe gehört, dass du sehr viel älter bist als du aussiehst."
"Das stimmt."
"Wie machst du das?", fragte die Dienerin gespannt. Cataleya hätte selbst gerne eine Antwort auf diese Frage.
"Es ist nur..", begann die Dienerin und schloss den Mund wieder. Cataleya drehte sich zu ihr und blickte ihr zum ersten Mal in die Augen. Sie hatte schöne dunkle Augen, passend zu einer schönen dunklen Haut.
"Was ist?", fragte sie die junge Frau und bemerkte deren Tränen.
"Ich dachte, dass du vielleicht eine Zauberin bist. Und das du mir helfen könntest." Cataleya verengte die Augen skeptisch. Mit den Worten Zauberin musste man vorsichtig sein. Die weißen Männer töteten gerne die spirituelle gesegneten Menschen.
Und Cataleyas Fähigkeit Mitgefühl zu hegen, hielt sich in Grenzen, besonders wenn man bedachte, dass diese Dienerin sie ebenso gefangen hielt wie Sir Trembling.
"Wobei bräuchtest du Hilfe?", fragte sie dennoch neugierig. Die Hand ihres Gegenübers wanderte verdächtig zu ihrem Bauch und Cataleya hatte ihre Antwort bereits.
"Ich erwarte ein Kind."
"Was ist mit dem Vater?" Die junge Frau schüttelte verzweifelt den Kopf. "Er hat davon erfahren und ist geflohen. Ich kann keinen Bastard auf die Welt bringen. Sir Tremblings würde mich entlassen und ich würde als unverheiratete Mutter niemals wieder eine ehrenvolle Arbeit finden. Ich wäre verloren."
Diese Zukunftsaussicht war durchaus plausible. Cataleya hatte diese Art von Gespräch schon so oft gehört. Immer wieder waren es die Frauen, die mit einer unmöglichen Entscheidung konfrontiert waren. Es gab eine Möglichkeit ihr zu helfen. Meda, Cataleyas Mutter, hatte ihr Kräuterkunde gelehrt und mit den richtigen Kräutern wäre diese Schwangerschaft beendet.
Allerdings wäre es ein schwieriges Unterfangen, schließlich war sie in diesem Raum eingeschlossen. Eine hoffnungsvolle Idee wuchs in Cataleyas Verstand. "Ich kann dir helfen. Es gibt Kräuter, die dich retten könnten." Sie wartete auf die Reaktion der Dienerin und wurde belohnt. Das Lächeln ihres Gegenübers war breit.
"Dafür müsstest du mich hier raus lassen.", beendete sie ihre Forderung und sah das Lächeln erlöschen.
"Aber..nein ich kann doch nicht...bitte, du musst mir helfen..", stotterte sie hilflos. Cataleya schüttelte langsam den Kopf. Sie würde in diesem Punkt nicht nachgeben. Sie hatte zu lange im Schatten gelebt, die Sonne lockte sie.
"Ich helfe dir, im Gegenzug für meine Freiheit. Das ist das Angebot, dass ich dir geben kann. Nichts anderes gilt." Die Augen der Dienerin waren weit aufgerissen und sprachlos atmete sie mehrmals durch.
"Überleg es dir. Aber warte nicht zu lange. Das Kind in dir wächst jeden Tag.", Cataleya lächelte als die Dienerin hektisch aufstand und aus dem Raum rannte.
Ihr Lächeln war bösartig und fratzenhaft, aber doch das erste in vielen, vielen Jahren.
Anmerkung der Autorin: Momentan hab ich voll den Flow. Die Geschichte nimmt an Fahrt auf. Ich weiß, sie ist bei weitem nicht so aktion geladen, wie einige andere, aber auch das ruhige muss mal ausprobiert werden. Was denkt ihr?
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro