22. Hast du einen Plan?
Vincent wusste, dass das Gebäude aus insgesamt vier Stockwerken bestand. Alle durch mehrere Aufzüge und ein kleines stickiges Treppenhaus verbunden. Das Erdgeschoss war der Wohn- und Trainingsbereich vieler Soldaten und Ziehsöhne. Die mit Holz verkleideten Wände weckten fast den Anschein eines gemütlichen Wohnheimes.
Zu schade, dass es das nicht war. Im ersten Stock würde sich Tristan mit Sangai in dessen Arbeitsräumlichkeiten aufhalten. Außerdem lebte dort Sangai in einer privaten, schwer zugänglichen Wohnung.
Kaum jemand war je in dessen Räume vorgelassen worden und selbst Vincent hatte nie einen Fuß hinein gesetzt. Sangai pflegte einen weitaus luxuriöseren Stil auf seinem Stockwerk, etwas das kein anderer Stock vorzuweisen konnte.
Zweiter und dritter Stock waren Medizinische Räume und mehrere Technikräume. Dort oben war alles weiß und makellos. Er hatte oft zu Bestrafung Putzdienst gehabt und war daher vertraut mit dem Aufbau von Sangais Festung, doch die meiste Zeit über hatte er im Erdgeschoss und Keller verbracht. Eliza zu finden würde nicht leicht werden, sie konnte überall sein. Sich schüttelnd dachte er an den Keller, Sangais persönlicher Kerker. Ein Ort den man so schnell nicht wieder verließ. Er betete dafür, Eliza nicht in den kalten Zimmern dieser Hölle zu finden.
"Was machst du hier?", zischte Hunter hinter ihm und riss ihn damit aus dem Pläneschmieden. Schnell zog Vincent seinen Bruder den Flur entlang zu dessen Zimmer.
"Was soll..", begann Hunter und wurde in sein eigenes Zimmer geworfen. Hektisch schloss Vincent die Tür hinter sich und sah sich um. Hunters Zimmer hatte sich nicht verändert.
Das schmale Bett stand immer noch unter dem kleinen Fenster, weil Hunter ohne den Blick nach draußen klaustrophisch wurde. Es gab außer dem Bett nur noch einen Schreibtisch und einen Kleiderschrank. Nirgends waren persönliche Gegenstände vorhanden, alles war aufgeräumt und klinisch sauber.
Vincents Raum hatte genauso ausgesehen. Sangai schätzte es nicht wenn sie ihre Persönlichkeit offen zeigten. Trotzdem wusste Vincent genau, dass Hunter einige Poster von Animeserien in seinem Kleiderschrank versteckte. Vielleicht sogar die ein oder andere Sammelfigur. Es war seine einzige Leidenschaft. Etwas, dass selbst Sangai ihm nicht aus dem Leib hatte prügeln können. Stürmisch umarmte er seinen Bruder.
"Es ist so schön dich wiederzusehen!"
"Ja, ja. Aber was tust du hier? Ich dachte, du wolltest dir von Osmann hilfe holen, oder so. Ganz genau hab ich deinen Plan nicht verstanden." Augen verdrehend ließ Vincent ihn los.
"Na du warst auch sehr abgelenkt von Sahana." Hunter verschränkte ärgerlich die Arme.
"Das tut jetzt nichts zur Sache! Hast du eine Ahnung in was für Schwierigkeiten du dich wieder gebracht hast? Und mich auch." Vincent winkte ab.
"Hast dus noch nicht begriffen. Ich bin Sangais Sohn." "Das sind wir alle und es hat bis jetzt noch niemandem geholfen.", unterbrach Hunter unwirsch. Vincent seufzte. Natürlich glaubte er ihm nicht sofort. Sie waren beide ein lebenlang als Sangais Söhne bezeichnet worden und trotzdem hatte das keine Veränderung in Sangais Verhalten ihnen gegenüber gebracht.
"Hunter...ich meine es ernst. Biologisch und so bin ich sein Sohn."
"Was?" Entsetzt sah sein Bruder ihn an.
"Ja..hat mich auch ganz schön umgehauen." Die Information sank langsam in Hunters verstand und überwältigt ließ er sich auf sein Bett fallen.
"Das ist echt..krank..und Sangai hat das gewusst?"
"Die ganze Zeit. Ich war wohl nicht der Sohn, den er sich gewünscht hat. Schlussendlich wird mir diese biologische Verbindung aber auch nur ein wenig Zeit und Zweifel auf seiner Seite borgen. Wir müssen uns beeilen."
"Wir?", Hunter stand auf, "was meinst du mit >wir<? Ich habe keine Verbindung zu Sangai. Wenn mich wer erwischt, bin ich ganz schnell tot." Das entsprach der Wahrheit. Das Risiko war gewaltig und doch konnte Vincent sich keinen anderen Plan überlegen. Er brauchte seine Unterstützung oder würde zusammen mit Eliza sterben. Zaghaft trat er näher.
"Bruder, ich brauch deine Hilfe. Ohne dich komme ich hier nicht wieder raus." Hunter verzog das Gesicht.
"Also bin ich trotzdem noch dein Bruder, obwohl du zu Sangai gehörst." Vincent schüttelte den Kopf. Das war für ihn keine Frage. Er wusste genau wo sein Platz war und er war ganz sicher nicht an Sangais Seite.
"Ich gehöre zu dir und Eliza. Ihr seid meine Familie, ganz sicher nicht dieser geisteskranke ehemalige Unsterbliche. Wirst du mir helfen?" Ein Kampf fand auf Hunters Gesicht statt, man sah ihm das innerliche Ringen nur zu deutlich an. Einige Sekunden vergingen, als Hunter plötzlich gequält seufzte und den Kopf in den Nacken warf.
"Bitte sag mir, du hast einen Plan."
"Ja!...so ungefähr. Sangai ist mit Tristan beschäftigt und währenddessen können wir Eliza suchen und sie hier rausholen. Solange wir uns nicht zu auffällig verhalten sollte alles gut sein." Unsicher lächelnd öffnete Vincent die Tür und wartete bis Hunter ihm zögerlich folgte.
"Das gefällt mir nicht. Es wirkt nicht so als hättest du die Sache gut durchdacht.", brummte er neben Vincent während sie langsam durch die Flure zum Aufzug schlenderten. Den Weg kannten sie beide blind.
"Wann tue ich das schon, aber bis jetzt hat es geklappt.", entgegnete er leise und beobachtete die Umgebung besorgt. Just in diesem Moment kreuzten einige junge Männer ihren Weg. Sie waren zwischen vierzehn und neunzehn. Verschwitzt, schienen sie gerade aus dem Training zu kommen.
"Hey Hunter.", grüßten ihre Ziehbrüder freundlich und ignorierten Vincent gefließlich. Hunter lächelte ihnen angespannt zu, doch Vincent konnte nur die Augen verdrehen. Er war noch nie beliebt gewesen, aber nun schien er in den Augen seiner Brüder zu einer Persona non grata verfallen zu sein. Und tatsächlich störte ihn das ein wenig.
Was hatte er schon großartiges verbrochen, dass man ihn wie einen Aussätzigen behandeln musste? Gut, er hatte Sangai verraten und versucht mit Eliza zu fliehen, aber mal ehrlich...war das genug um seinen Bruder zu verurteilen?
"Na wie es aussieht haben die anderen mich schon abgeschrieben.", meinte er und sah den jungen Männern nach. Hunter zuckte mit den Achseln.
"Du hast es dir nie leicht mit ihnen gemacht. Sie sind keine schlechten Menschen und ganz sicher haben sie es nicht verdient, dass..."
"Was?" Sie blieben vor dem Aufzug stehen, drückten auf den Rufknopf und warteten. Hunter zog die Augenbrauen zusammen.
"Sangai ist gnadenloser zu den jüngeren. Gewalt, psychisch und körperlich ist omnipräsent. Als wir in der Ausbildung waren, durfte man noch kleinere Fehler machen ohne gleich mit dem Tod rechenen zu müssen."
"Stimmt. Sangai hat zumindest so getan als würde ihm etwas an uns liegen. Aber Tod? Er würde doch nicht so einfach Kinder töten, nur weil sie eine Matheaufgabe nicht richtig gelöst haben." Er sah das Gegenteil in Hunters traurigem Blick.
"Letzte Woche sind drei Kinder von ihm hingerichtet worden. Zwei von ihnen haben den ersten IQ-Test mit zu wenigen Punkten absolviert. Der dritte hat sich beim Klavierspielen ungeschickt angestellt. Gestern erst hat ein fünfzehnjähriger gegen einen erwachsenen Mann im Kampftraining verloren und nun ist er im Keller eingesperrt. Und wir wissen beide was im Keller passiert."
Folter, ging es Vincent durch den Kopf. Offenbar verlor Sangai langsam die Geduld mit den Kindern, die er aufzog. Tief in Vincent begann ein Feuer zu brennen, wütend und aufmüpfig wünschte er sich seinen Vater töten und den Kindern dieses Ortes eine bessere Zukunft ermöglichen zu können.
"Sie haben Angst. Alle von ihnen." Der Aufzug kam und schreckte sie aus dem tiefen Gespräch. Schweigend betraten sie den Aufzug und etwas zu panisch drückte Hunter auf den vierten Stock.
"Weißt du wo sie Eliza festhalten?" Die Aufzugtüren schlossen sich und begleitet von leiser Fahrstuhlmusik fuhren sie los.
"Nicht genau, aber ich weiß, dass sie Experimente mit ihr machen. Sie muss also in den versperrbaren Zimmern im vierten Stock sein." Vincent diskutierte nicht, Hunters Annahme war so gut wie seine. Schweiß rann seinen Rücken hinunter und ein strengen Geruch kam aus seinen Armbeugen.
Furcht saß in seinem Nacken und ließ seine Hände zittern. Er hatte zwar davor so großspurig gesprochen, doch er wollte nicht sterben, er wollte Eliza nicht verlieren und auf keinen Fall wollte er für Hunters oder Tristans Tod verantwortlich sein.
"Hast du auch einen Plan wie du sie hier raus schaffen willst?" Vincent wollte ihm antworten, aber jede seiner Antwortmöglichkeiten hörte sich lahm und sehr wage an. Nein, er hatte keinen Plan. Sein primäres Ziel war es gewesen zu Eliza zu gelangen. Alles andere war irgendwie in den Hintergrund geraten. Hunter seufzte laut und fuhr sich über das Gesicht.
"Wenn ich bei dieser Aktion draufgehe, werde ich dich als böser Geist heimsuchen, Alter." Den Kopf schieflegend zuckte Vincent mit den Achseln.
"Wenn du draufgehst, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass ich auch nicht überlebe. Aber sieh es positiv, falls wir den nächsten Morgen erleben, stehen deine Chancen bei Sahana viel besser, als zuvor." Ein verräterisches Lächeln kroch über Hunters Lippen. Mit einem >Ping< öffenten sich die Aufzugtüren und entließen sie in den vierten Stock. Alles hier war in weiß oder grau gehalten.
Weiße Wände, graue Böden. Das wenige, völlig überarbeitete Pflegepersonal trug weiße Kittel und eiserne Blicke. Gespielt selbstbewusst gingen sie die Flure entlang und betrachteten dabei unauffällig die Namensschilder an den Türen. Einige waren die Namen ihrer Ziehbrüder, die nach Missionen oder nach experimentellen Eingriffen gepflegt wurden.
"Was macht ihr hier?", fragte eine Frau mittleren Alters mit kurzen schwarzen Haaren und einem Klembrett in der Hand. Sie trug einen weißen Laborkittel und ein Namensschild. Doktor Valentina Cortez laß Vincent schnell und überlegte sich eine Lüge.
"Wir sollen das hier zu einer Elizabeth Wimmer bringen. Keine Ahnung was das soll, aber Sangai hat es uns aufgetragen." Leichthin zog er den einzigen Gegenstand, den er bei sich hatte aus der Tasche und zeigte Elizas goldenen Armreif.
"Euch beiden? Ihr müsst das zu zweit machen?", skeptisch verschränkte Cortez die Arme. Vincent verzog unglücklich das Gesicht und trat näher.
"Mir wird schlecht, wenn ich Blut oder Nadeln sehe, aber bitte sagen Sie es nicht Sangai. Sonst bekomme ich Ärger. Hunter soll mich nur wieder nach unten schleppen falls ich umfalle."
Da war Abscheu über seine Schwäche in ihrem Blick, aber auch der Willen die Lüge zu glauben. Seufzend nickte sie.
"Na was solls. Sie liegt hier vorne. Ich muss sowieso noch einmal Blut abnehmen. Macht es schnell, ich habe keine Lust auf irgendein Drama." Dankbar folgten sie der Frau zu einer unmarkierten Tür und traten ein. Vincents Herz blieb stehen.
Eliza lag in einem Krankenbett, am ganzen Körper hatte sie Verbände, Blutergüsse und Einstichstellen. Sie war blass und sah mit gleichgültiger Miene aus dem vertikalen Panoramafenster.
"Hallo, Miss Eliza. Ich brauche mal wieder etwas Blut.", meinte die Ärztin und trat an sie heran. Eliza reagierte nicht, schloss nur teilnahmslos die Augen.
"Hattet ihr nicht eine Aufgabe zu erledigen?" Der Blick der Ärztin wanderte zu Vincent, "du solltest ihr das Ding schnell geben. Ich habe nicht den ganzen Tag Zeit." In ihrer Hand hielt sie bereits die Nadel, die weiteres Leben aus Eliza zeihen würde. In diesem Moment sah Vincent rot. Wut entbrannt und ohne nachzudenken schlug er der Ärztin mit der flachen Hand ins Gesicht und stieß sie hart zu Boden.
"Ah, was? Was denkst du das du tust! Ihr Bastarde!", schrie Cortez ihn schmerzerfüllt an. Seine Wut war noch lange nicht verraucht, doch Vincents Augen wanderten zu Eliza. Schnell deutete er Hunter an die Ärztin in Schach zu halten.
"Dafür werdet ihr büßen!", verärgert versuchte Cortez aufstehen, doch Hunter war bereits über ihr.
"Das würde ich nicht tun." Mit seiner bedrohlichen Ausstrahlung und mit der Androhung bloßer körperlicher Stärke hielt Hunter die Frau gefangen und verschaffte ihm bitter nötige Zeit. Zögerlich trat Vincent näher an Elizas Krankenbett und beobachtete wie sich ihre Augen mit jedem Schritt weiteten und ihr Atem unregelmäßig wurde. Ihr ungläubiger Blick wanderte ziellos über sein Gesicht.
"Vincent?" "Ja, ja ich bin es.", zärtlich strich er über ihre Haare und küsste ihre Stirn, "es tut mir so leid. Ich bin hier, endlich bin ich hier." Sie zuckte zurück und biss die Zähne zusammen.
"Was tust du hier? Willst du mich verspotten wie Sangai?" Alleine der Gedanke, dass Sangai dies während ihrer Gefangenschaft in dieser Hölle getan hatte, schürte die zornigen Flammen in seinem Herzen weiter. Reichte es denn nicht sie wie eine Laborratte zu behandeln? Musste sein Vater ihren Willen ebenso brechen? Kopfschüttelnd beugte er sich über sie.
"Ich bin hier um dich zu retten.", flüsterte er und sah Bitterkeit in ihren Augen.
"Du lügst."
"Nein..nein. Ich schwöre es dir! Alles was ich will ist dich von diesem Ort wegzubringen. Fort von Sangai. Bitte glaub mir." Schwach drückte sie sich von ihm und brach dabei sein Herz.
"Du lügst.", schluchzte sie diesmal hoffnungslos. Ihr zerstörter Körper zitterte als die Tränen über ihre Wangen liefen. Der Herzmonitor neben ihnen piepte unregelmäßig als die Angst und der Schmerz in qualvollen Muskelzuckungen ihren Ausdruck fanden.
Vincent schämte sich, fühlte den Selbsthass wie eine giftige Wurzel in ihm wachsen. Er hätte schneller sein müssen. Er hätte verhindern müssen, dass sie je solche Schmerzen erleidet. Nie wieder würde er das Zulassen. Bestimmt umfasste er ihr Gesicht mit seinen Händen und legte seine Stirn an ihre. Seine Haut war warm gegen die Kälte, die sich in ihr eingenistet zu haben schien.
"Nein. Das tue ich nicht. Ich werde dich retten und danach wirst du mich nie mehr los."
"Bitte nicht...bitte mach mir keine Hoffnung.", hauchte sie erschöpft, aber Vincent nahm dies als Herausforderung. Er holte den goldenen Armreif aus seiner Hosentasche und legte ihn in ihre zitternde Hand. Zögerlich blickte sie auf das alte Schmuckstück.
"Ich liebe dich und ich brauche dich. Du musst Hoffnung haben, sonst überleben wir diese Flucht vielleicht nicht." Ein kaputtes Lächeln kämpfte sich auf ihre aufgesprungenen Lippen, als sie den Armreif anlegte und zu ihm aufblickte.
"Du liebst mich?"
"Ja, irgendwie schon. Ohne dich ist die Welt furchtbar öde." Liebevoll strich sie über den Armreif und schließlich über seine Wange.
"Ich habe dich so unendlich vermisst." In diesem Moment ging für Vincent die Sonne auf. endlich sah er die Frau, in die er sich verliebt hatte. Selbst Folter und Gefangenschaft hatten ihre Persönlichkeit nicht brechen können.
"Äh, Vince? Ich störe nur ungern, aber was machen wir mit ihr?", unterbrach Hunter und zeigte auf Dr. Cortez, die immer noch schmollend auf dem Boden hockte.
"Ich muss sie etwas fragen." ,mit aller Kraft kämpfte Eliza sich aus dem Bett. Ihr Körper oder zumindest die nötigsten Stellen wurden von einem unförmigen blauen Krankenhauskittel bedeckt.
"Wir haben nicht viel Zeit.", merkte Vincent an, doch Eliza ließ sich nicht abhalten.
"Sangai hat mir erzählt, dass seine Wissenschaftler das Unsterblichkeitsgen entdeckt hätten. Angeblich habe ich es und Sie wären in der Lage daraus ein Serum herzustellen, dass denselben Effekt hat. Ein Unsterblichkeitselexier. Hat er gelogen? Oder ist es wahr?" Erschrocken riss er die Augen auf. Die Konsequenzen für die Welt wollte er sich nicht vorstellen.
"Von mir erfahrt ihr nichts!", schieß Cortez aus und stand auf. Vincent überlegte gerade noch wie sie die Antwort auf diese Frage erhalten könnten, als Eliza kurzerhand eine Bettpfanne nahm und sie der Ärztin über den Kopf zog.
"Ich will die Wahrheit!", schrie sie sie an und zum ersten Mal sah er Furcht im Gesicht der Ärztin. Blut rann in einem kleinen Rinnsal über ihre Stirn.
"Wir haben gelogen! Man kann kein Serum herstellen. Entweder man hat das Gen oder eben nicht. Den Effekt des Gens können wir nicht künstlich nach produzieren und selbst wenn, wäre es unwahrscheinlich das Sangai den Prozess überlebt hätte. Wir wissen immer noch viel zu wenig. Zum Beispiel was das Gen auslöst oder was die Symptome des aktivierten Gens wieder verblassen lässt. Sangai wollte Antworten, die wir ihm unmöglich auf die Schnelle geben konnten. Also haben wir.."
"gelogen.", vollendete Vincent den Satz der Wissenschaftlerin atemlos. Trotz allem war die Entdeckung des verantwortlichen Gens eine unglaubliche Neuigkeit. Eliza holte noch einmal wütend mit der Bettpfanne aus und schlug die Ärztin bewusstlos.
"Scheiße, okay, Gehen wir. Hast du einen Plan wie wir hier rauskommen?", fragte sie voller neuer Energie. Hunter warf ihm einen vielsagenden Blick zu.
"Äh..", kam es aus Vincents Mund. Eliza verdrehte die Augen.
"Keinen Plan also. Dann fangen wir mal damit an." Aus der Tasche der Ärztin holte sie ein Feuerzeug und einen kleinen USB-Stick.
"Dieses Miststück hat immer nach Rauch gestunken. Es war klar, dass sie irgendwo Streichhölzer oder so hat. Hier, dass nimmst du besser. Ich habe keine Taschen." Vincent drückte sie den Datenstick in die Hand. Ohne lange zu überlegen legte Eliza ein Feuer auf ihrem Krankenbett.
Fasziniert sahen sie zu wie sich die Flammen ausbreiteten und sie schließlich aus dem Raum zwang. Vincent stützte seine Freundin während Hunter weiter alles in Brand setzte, dass sich anzünden ließ. Sein teuflisches Grinsen offenbarte den tiefsitzenden Wunsch, das früher getan zu haben.
Cataleya 1998 Budapest
"Hier ist ein Brief von Rose.", rief Tristan aus dem Vorzimmer und kam mit der Post und einem Blumenstraus in der Hand ins Wohnzimmer. Cataleyas Herz machte einen Satz als sie ihn lächelnd mit den Blumen sah.
"Sind die für mich?", fragte sie verspielt, obwohl sie genau wusste, dass sie die einzige Frau war, der Tristan je Blumen kaufen würde. Er küsste sie zärtlich und überreichte ihr das duftende Bündel.
"Natürlich, Liebste. Ich stell sie in eine Vase." Ihr Blick folgte ihm in die Küche, während sie sich zurück auf die Coach fallen ließ. Ihre Wohnung war nicht groß oder gar luxeriös, aber sehr heimilig. Sie fühlten sich wohl, besonders da die Nachbarin Judith ihnen ein Gefühl der Geborgenheit vermittelte. Obwohl Cataleya Jahrhunderte älter war, verband sie mit Judith eine mütterliche Beziehung.
Jedes Mal, wenn die ältere Frau ihnen Kekse brachte oder sie nach ihrem Tag fragte, musste sie an ihre eigene Mutter denken. Geschickt öffnete sie Roses Brief und holte das Papier und eine getrocknete Hortensie heraus. Roses Markenzeichen. Sie liebte solche Spielereinen seit sie in der Antike ein junges Mädchen gewesen war und Cataleya liebte sie für das Beibehalten dieser kleinen Menschlichkeit.
"Und was berichtet, Tratschkönigin Hortensia- Rose?" Sie musste lachen, Rose mochte es gar nicht mit ihrem ganzen Namen angesprochen zu werden und außer Tristan tat das auch niemand. Mit einem Grinsen überflog sie die ersten Zeilen und spürte wie das Lächeln langsam starb. Tristan bemerkte ihren Stimmungswechsel und setzte sich besorgt neben sie.
"Was ist los?"
"Es geht um Sangai...offenbar hat er seine Unsterblichkeit verloren. Er hat begonnen zu altern." Fassungslos starrte sie die Zeilen an und konnte doch ihren Sinn nur halb erfassen. Es war jedes Mal ein Schock wenn einer von ihnen die Unsterblichkeit einbüßte und zurück ins Land der Sterblichkeit musste. Tristan lehnte sich über ihre Schulter und las angespannt mit.
"Wie geht er damit um?"
"Das schreibt sie nicht. Nur ,dass er den Kontakt zu den anderen abgebrochen hat, nur nicht zu Celeste."
"Ich weiß wirklich nicht warum sie mit ihm befreundet ist.", brummte Tristan neben ihr und eine konkrete Antwort hatte Cataleya auch nicht. Die meisten fanden Sangais kalte, unmenschliche Art abstoßend. Besonders widerlich fand sie seine kleine Kinderarme. Rekrutiert von der Straße und darauf gedrillt ihm zu dienen. Einfach abscheulich Kinder so zu behandeln.
"Ich kann nicht glauben, dass er nicht mehr zu uns gehört...es geht so plötzlich...so unerwartet." Was würde sie tun, wenn morgen das Versprechen der Unendlichkeit verflog?
Auf einmal wieder das Ticken der Zeit zu spüren musste ein Schock sein. Besorgt sah sie den Mann neben sich an. In seinen Augen spiegelte sich dieselbe Sorge. Sie hatten keine Angst sterblich zu sein, würden es sogar begrüßen, nein, die Angst entsprang dem Gedanken, den anderen verlassen zu müssen.
Die Unendlichkeit ohne Tristan jagte ihr unangenehme Schauer über den Rücken. Zuversichtlich umarmte er sie.
"Wenn es passiert, dann machen wir das gemeinsam. Das Universum schuldet uns zumindest ein sterbliches Leben zusammen." An seiner Brust lächelnd, dachte sie an eine alternde Zukunft. Falten und Gebrechen, aber auch ein gemeinsamer Weg, ein Ziel.
"Wir wären das coolste, alte Paar der Welt.", flüsterte sie und blickte in seine Augen. Der Schalk wartete dort bereits.
"Und ganz sicher, das einzige, dass seine Enkel mit Geschichten aus anderen Epochen langweilt."
"Wir wären ganz bestimmt nicht langweilig!", protestierte sie und küsste ihn. Langweilig wären sie bestimmt nicht, aber vielleicht endlich verwurzelt.
Anmerkung der Autorin: Was geht ab? Bei mir recht viel momentan. Ich fange bald einen neuen Job an und freue mich schon auf die Veränderung. Bei diesem Buch fehlen nur noch genau zwei Kapitel. Danach müsst ihr mir sagen ob es Interesse für ein Sequel gibt. Ich spiele schon eine weile mit der Idee. Aber jetzt kommt erst mal der Schluss :)
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