12. Schick wie Vivian Ward
Überrascht sahen sie einander an. Singapur war eine weite Strecke entfernt und würde eine erneute Flugreise in Anspruch nehmen.
"Das wird sich organisieren lassen.", meinte Eliza entschlossen und verabschiedete Kerem schnell. Der junge Mann verließ den Raum mit einem breitem Grinsen und bedankte sich nochmals. Hastig schloss Eliza die Tür und drehte sich zu Vincent und Mila. Beide warfen ihr einen unsicheren Blick zu. Seufzend verschränkte Eliza die Arme.
"Schaut nicht so. Wir kriegen das hin. Ich buche uns die Flüge und der Rest wird sich von alleine klären. Mila kommst du mit?" Kurz überlegte sie und nickte schließlich.
"Warum nicht. Ich war noch nie in Singapur und solange ihr zahlt, sehe ich keinen Grund der dagegen spricht." Nickend packte Eliza ihren Laptop aus und begann nach billigen Flügen für morgen zu suchen. Zögerlich trat Vincent an sie heran.
"Ich werde Sangai Bescheid sagen müssen." Eliza erstarrte, sie hatte seine Aufgabe an ihrer Seite so gut verdrängt, dass sie das plötzliche Gefühl des Verrats überraschte.
"Mach nur.", murmelte sie ohne ihn anzusehen. Nur zu gerne hätte sie ihm eine andere Antwort gegeben, aber noch hatte sich keine Gelegenheit ergeben aus ihrem Deal mit Sangai auszubrechen ohne Vincent zu verlieren. Vincent nickte und ging in das kleinere Schlafzimmer um zu telefonieren. Mila setzte sich neben sie auf die Caoch und beobachtete ihre schnellen Finger.
"Diese Sache mit Sangai bedrückt dich.", schlussfolgerte sie. Eliza nickte kurz.
"Es ist nicht nur das. Es ist das Gefühl kontrolliert zu werden, eingesperrt zu sein. Ich hasse das." Mila blickte sie mitleidig an.
"Das tut mir sehr leid. Ich hoffe wer auch immer dir das schon einmal angetan hat, büßt für seine Verbrechen."
"Ist nicht sehr wahrscheinlich, aber danke.", meinte Eliza hoffnungslos. Sie hatte sich schon lange mit den Tatsachen abgefunden. Theo würde für nichts das er ihr angetan hatte im Gefängnis landen. Niemand anderer würde ihn zur Rechenschaft ziehen. Selbst sie hatte die Rache längst hinter sich gelassen. Alles was sie nun wollte, war vergessen. Vincent trat zu ihnen und legte das Handy schwerfällig auf den Couchtisch. Sein Gesicht trug eine Maske aus emotionaler Erschöpfung und kochender Wut.
"Er ist einverstanden, droht uns allerdings. Er gibt uns nicht mehr lange Zeit."
"Wir können unsere Suche nicht beschleunigen. Wenn er ein Problem hat, soll er selbst suchen und uns in Ruhe lassen!", brach es aus ihr hervor. Bedrückt sah Vincent sie an und schlagartig bekam sie ein schlechtes Gewissen. Nun hatte sie ihn angeschrien, weil Sangai sie unter Druck setzte. Das war Vincent gegenüber nicht fair! Zögerlich griff sie nach seiner Hand und biss sich auf die Lippen.
"Tut mir leid. Ich sollte nicht den Nachrichtenüberbringer anschreien." Langsam lächelte Vincent und für dieses Lächeln hätte Eliza sich noch hundert Mal entschuldigt.
"Wann geht unser Flieger morgen?", fragte Mila und unterbrach den zarten Moment zwischen Eliza und Vincent. Eliza blickte zu ihrem Laptop und entschied sich für einen frühen Flug. Je eher sie weiter zögen desto eher würden sie antworten finden.
"Der nächste Flieger nach Singapur geht um vier Uhr früh." Mila nickte und stand auf.
"Ich werde Kerem Bescheid geben. Der Junge wird es sicher kaum noch erwarten können." Kichernd verließ sie den Raum. Eliza lehnte sich erschöpft in die Kissen und legte den Kopf schief.
"Warst du schon mal in diesem Club?", fragte sie Vincent neugierig. Dieser schüttelte den Kopf und ließ sich neben sie sinken.
"Ich habe noch nicht mal davon gehört. Aber es ergibt Sinn. Die einzige Konstante im Leben eines Unsterblichen wären andere Unsterbliche. Ein geheimer Ort um einander wiederzusehen ist sicher wie ein kleines Stück Heimat für viele von ihnen."
"Sangai kennt den Club auch?" Vincent nickte.
" Er schien mit ihm vertraut, aber als ich Singapur erwähnte wurde seine Stimme wütend und ungeduldig. Ich glaube, er hat dort ein paar Feinde."
"Wo nicht..", meinte Eliza sarkastisch und seufzte gedehnt.
"Ob meine Eltern einen besseren Ruf genießen?" Vincent strich sanft über ihre Wange und lächelte leicht.
"Bis jetzt kommen sie mir nicht wie Monster vor und Osmann schien sie zu mögen." Eliza lehnte sich an seine Schulter, roch seinen Geruch und fühlte seine Wärme.
"Ich glaube er beneidet sie um die Fähigkeit Kinder zu zeugen." Vincent küsste ihren Scheitel, ließ ihre Nähe zu.
"Das kann ich nachvollziehen." Verwundert hob sie den Kopf und sah ihn an. Er zuckte mit den Schultern.
"Ich habe keine Familie, keine Heimat, keine Wurzeln. Mit einem Kind könnte ich all das erschaffen. Ich denke, vielen Unsterblichen geht es genauso." Eliza ließ sich diesen Gedanken durch den Kopf gehen. Sie hatte dieselbe Ausgangssituation wie Vincent. Verstand seine Einsamkeit und den Wunsch nach einem Zuhause, einer Familie. Bis zu diesem Zeitpunkt war ihr jedoch nie die Idee gekommen, eine eigene Familie zu gründen.
"Heißt das, du willst Kinder?", fragte sie mit einem leicht panischen Gesichtsausdruck. Vincent lachte laut und umarmte sie fest.
"Ja, aber nicht jetzt und nicht heute. Du kannst also beruhigt atmen." Schief lächelnd knuffte sie ihn gegen die Schulter. Wie kam es das er ihre Gedanken so leicht erraten konnte? Die Eingangstür ihrer Suite ging auf und Mila trat ein.
"Kerem weiß wann wir los wollen und ist überglücklich. Der Junge muss wirklich bis über beide Ohren verliebt sein! Oh und Vincent, ich habe Nerve noch einmal getroffen. Ich bin mir ziemlich sicher, dass sie sich bereits in sexy Unterwäsche geworfen hat."
Vincent lief rot an, Eliza knurrte leise und Mila begann lauthals zu lachen.
"Ihr seid so lustig. Ich geh schlafen.", meinte die Dolmetscherin, ging in das größere Schlafzimmer und schloss die Tür. Eliza sah ihr nach und wandte sich sofort danach an Vincent.
"Wenn du zu Nerve gehst, bring ich dich um.", zischte sie bitter, doch Vincents Antwort war ein rotbäckiges Lächeln und ein leidenschaftlicher Kuss.
"Du bist alles was ich will.", hauchte er an ihren Lippen und Eliza vergaß zu atmen. Hastig stand sie auf und lächelte nervös.
"Wir...wir sollten schlafen gehen.", stotterte sie ungelenk und hörte auf ihrem Weg zum Schlafzimmer Vincents leises Lachen hinter sich. Als sie die Schlafzimmertür schloss, wartete bereits Mila im Bett sitzend auf sie.
"Na der Streit scheint sich ja gelegt zu haben." Knapp nickte Eliza und zog sich ihren Pyjama an. Mila lächelte wissend und legte sich nieder. Ihr Gähnen war laut und hallte in Eliza wieder.
Die Müdigkeit ließ ihre Gliedmaßen schwer werden, doch ihr Kopf war voller rasender Gedanken. Selbst als sie im Bett lag und an die reichlich verzierte Decke starrte, konnte sie das weiche Bett nicht genießen. Mila neben ihr schlief beinahe sofort ein und murmelte im Schlaf vereinzelte Worte einer anderen Sprache.
Welcher konnte Eliza nicht erraten. Die Stunden vergingen, doch ihr Herz ließ sich einfach nicht beruhigen. Aufgebracht warf sie schließlich die Decke von sich und verließ den Raum. Einem Ninja gleich schlich sie auf Zehnspitzen zu dem kleineren Schlafzimmer in dem Vincent schlief. Vorsichtig öffnete sie die Tür und sah ihn ruhig schlummernd im Bett liegen.
Ihr Herz raste. Sollte sie sich erneut in sein Bett schleichen? Was wäre wenn er sie wieder erwischte? Zögerlich sah sie zurück zu dem Schlafzimmer in dem Mila immer noch schlief und gestand sich seufzend ein, dass sie wohl neben ihr keine Ruhe finden würde.
Leise trat sie an Vincents Bett, hob die Decke hoch und kroch neben ihn. Vorsichtig legte sie ihren Kopf neben seinen und genoss die Wärme, die von seinem nackten Oberkörper ausging. Er bewegte sich und umarmte sie ihm schlaf. Seine Lippen ganz nah an ihrem Ohr hörte sie ihn leise murmeln.
"Schön, dass du wieder da bist." Eliza musste lächeln und endlich konnte sie Ruhe in ihr Herz einkehren fühlen. Müdigkeit übermannte sie und selig kuschte sie sich an ihn.
Der Flug nach Singapur gestaltete sich angenehm und unkompliziert. Kerem hatte ein ebenso großzügiges Budget wie Eliza und Vincent und spendierte ihnen die erste Klasse.
Luxus pur und zu Elizas Unwohlsein gewöhnte sie sich langsam an diesen Lebensstil. Als sie landeten war es bereits Abend, doch sie waren ausgeruht und einigten sich darauf gleich ein Hotel zu finden. Auch diese Suche gestaltete sich einfacher mit Kerems zusätzlichem Geld. In einem schicken Hotel mieteten sie sich eine teurere Suite mit vielen Zimmern. Mila und Eliza sahen sich immer noch staunend um als Kerem zu ihnen trat.
"Der Club ist sehr exklusiv. Es herrscht ein strenger Dresscode."
"Wie kommen wir da überhaupt rein?", meinte Vincent nachdenklich und stellte sich an Elizas Seite. Sie hatten beim aufstehen in Osmanns Räumen kein Wort mehr gewechselt, doch Eliza war mit einem Lächeln zurück zu Mila gehuscht.
Das Kuscheln und nebeneinander schlafen war intimer als alles was Eliza zuvor erlebt hatte und sie genoss jeden Moment davon. Vincent schien ihre Gefühle zu teilen, jedes Mal wenn er sie ansah, lächelte er.
"Elizas Eltern werden reichen, aber wir können uns da drin nicht frei bewegen wenn wir mit unserer Kleidung zu sehr auffallen." Mila nickte wissend.
"Das ist wie in Pretty Woman. Wir müssen uns einfach schick machen! Ich hab in der Lobby einen Cocktailkleidverleih gesehen. Die haben bestimmt etwas Tolles für uns."
Unsicher legte Eliza den Kopf schief.
"Also ich weiß nicht."
"Komm schon, Ms Ward, wird sicher interessant.", meinte Vincent verschmitzt lächelnd und Eliza gab nach obwohl sie sich fragte woher Vincent sich so gut mit diesem alten Film auskannte.
Mit einem gespielt genervten Blick ließ sie sich von Mila aus dem Hotelzimmer ziehen.
"Wir treffen uns in zwei Stunde wieder hier. Und ihr sucht euch besser auch ein paar nette Anzüge!", rief Mila ihnen noch zu, bevor die Tür zu schwang. Tatsächlich behielt Mila recht.
In der Hotelloby gab es für besondere Anlässe einen Kleiderverleih. Die Dolmetscherin stürzte sich auf die Kleider und je tiefer sie in Anproben, Schminken und Frisuren versanken umso mehr gefallen fand Eliza dran sich aufzubrezeln. Sie hatte so etwas noch nie zuvor getan, hatte weder das Geld, noch die Zeit oder die Freundin dafür gehabt, doch nun lebte sie einen heimlichen Traum.
Da rot zu ihrem Teint und den schwarzen Haaren am besten passte, entschied sie sich auch dieses Mal für ein kräftiges burgunderrotes Kleid mit Perlen und halblangen Ärmeln.
Der Saum ging nur bis zur Mitte ihres Oberschenkels und ließ ihre Beine ewig lang aussehen. Die Haare wurden zu einem komplizierten Knoten gedreht und ein dezentes Make-up aufgetragen.
Mila entschied sich für ein grünes, figurbetontes Kleid, das ihre Augen strahlen und ihren blonden Bob zur Geltung brachte. Mit einigen raffinierten Spangen im Haar wirkte Mila wie aus einem anderen Jahrzehnt. Die Stunden waren um und kichernd hasteten sie zurück zu ihrem Hotelzimmer.
Eliza konnte es nicht erwarten, Vincent ihr Kleid zu zeigen. Sie öffnete die Tür und blieb wie angewurzelt stehen. Mila hinter hier staunte ebenso. Vor ihnen standen Vincent und Kerem, beide in schicken Anzügen, glatt rasiert und gemachten Frisuren.
Eliza wollte etwas sagen, wollte Vincent ein Kompliment machen, doch ihr Mund brachte kein Wort heraus. Ehrfürchtig trat sie ein und machte vor Vincent halt. Seine Augen wanderten langsam über ihren Körper und sprachlos lächelte er sie an.
"Wow, Vincent, ich wusste gar nicht das du so gut aussehen kannst.", meinte Mila neben ihnen und brach damit den Zauber. Mit roten Wangen lächelte Vincent die Dolmetscherin an.
"Danke, aber das hat Kerem ausgesucht. Ich hatte nicht wirklich eine Ahnung, was mir stehen würde."
"Du siehst toll aus.", hauchte Eliza und sofort war Vincents Blick wieder bei ihr. Er grinste sie an.
"Du auch. Ich meine, ähm..du bist wunderschön..nein..umwerfend! Ich hab dich im ersten Moment gar nicht erkannt...nein, das ich nicht was ich meinte..du bist toll.", stotterte er während seine Wangen langsam in einem tiefrot versanken. Er war so süß. Eliza konnte Bewunderung in seinen Augen sehen und fühlte sich als würde sie schweben.
Zärtlich nahm sie sein Gesicht zwischen ihre Hände und küsste ihn. Mila hakte sich bei Kerem unter, der sie unsicher ansah.
"Ignorier die beiden einfach. Die haben ihren pretty Woman moment. Wollen wir uns einen Cocktail holen?" Kerem legte den Kopf schief, doch bevor er antworten konnte löste sich Eliza von Vincent und verschränkte die Arme.
"Ist ja gut! Wir sind so weit. Fahren wir." Erleichtert seufzte Kerem und ging mit Mila voran. In der Hotellobby riefen sie ein Taxi, dass sie zu dem geheimen Club der Unsterblichen bringen sollte.
Nervös spielte Eliza mit einer der Perlen an ihrem Kleid und blickte aus dem Autofenster auf das nächtliche Singapur. Der kleine Stadtstaat war mit seiner Beleuchtung und dem regen Treiben der Touristen immer belebt und schien sie einzuladen ihre Sorgen zu vergessen.
"Wir sind da.", flüsterte Kerem als das Auto stehen blieb. Sie stiegen aus und Eliza sah sich neugierig um. Der Club schien in der belebten Partygegend angesiedelt zu sein.
Mit einem altmodischen Zeichen, wurde er als Nittiyam bezeichnet. Vor dem Club stand eine lange Schlange und zum ersten Mal war Eliza froh, sich für diese Kleidung entschieden zu haben. Die jungen Menschen, die auf Einlass warteten, trugen ebenso schicke Kleidung, wenn nicht sogar schönere Sachen.
"Und jetzt?", fragte Mila neben ihr unsicher. Eliza atmete tief durch, gab Vincent einen Kuss auf die Wange und trat mit wiegenden Hüften und einem Lächeln zum Türsteher. Dieser entgegnete ihrem Lächeln mit einem unbeeindruckten Starren.
Eliza ließ sich davon nicht einschüchtern, sie war schon an viel grimmiger aussehenden Wachleuten vorbeigekommen und dieses Mal hatte sie eine Trumpfkarte.
"Name?", brummte der bullige Türsteher und hielt seine Liste bereit. Eliza lächelte ihn süß an.
"Cataleya."
Tristan 1820 westküste Kanadas
Unbewegt stand er vor dem Grab seiner Tochter und fühlte den Schmerz ihres Verlustes in Wellen über sein Herz rauschen. Die Welt versank hinter diesem Gefühl zu einer grauen Kulisse.
Medina war 51 Jahre alt geworden, doch alles was Tristan sah, war das kleine Mädchen, das seine Welt ausgemacht hatte. Der Moment ihrer Geburt hatte sein unsterbliches Dasein zu einem Leben gemacht. Schwer atmend warf er einen Blick hinter sich.
Cataleya stand in einem Meter Abstand und weinte leise. Ihre abgemagerte Gestalt war von Trauer geschwächt. Niemand sonst war auf dem Friedhof, sie waren alle bereits gegangen um bei Medinas Tochter Charlotte eine Totenwache zu halten.
Nun war die Nacht hereingebrochen und die Kälte legte sich über das Land. Sie sollten gehen, Schutz suchen und gemeinsam trauern, doch keiner von ihnen wagte es sich zu rühren. Medinas Tod hatten ihren Ängsten ein Gesicht gegeben, ihnen Leben eingehaucht. Keines ihrer drei Kinder war unsterblich und jedes von ihnen würde sie am Ende verlassen, ob früher oder später machte keinen Unterschied.
Er würde sie verlieren, begraben wie sein Herz in kaltem Schlamm Westkanadas. Tristan begann zu zittern. Langsam trat Cataleya näher und suchte seinen Blick. Ihre dunklen Augen spiegelten seine Trauer wieder, doch Tristan sah etwas in ihrem Gesicht, dass er nicht besaß. Stärke. Cataleya hatte die Macht wahrhaftig zu lieben und die unweigerlich folgende Trauer zu überleben.
Tristan wusste nicht ob er dieselbe Kraft hatte. Sein Leben lang hatte er versucht, die Beziehungen zu anderen kalt und distanziert zu halten. Nur Cataleya und den gemeinsamen Kindern hatte er es gestattet ein Heim in seinem Herzen zu errichten. Nun lag es in Trümmern. Sanft strich sie mit ihren kalten Fingern über sein Kinn.
"Lass uns gehen, Liebster.", hauchte sie in die einsame Nacht und Tristan wollte ihr zustimmen, wollte mit ihr gehen, doch Angst raubte seinem Körper alle Kraft. Mit Medinas Tod brach eine Welt für ihn zusammen und derselbe Schmerz würde auch beim Tod der beiden Söhne hereinbrechen. Und Cataleya war zwar unsterblich, doch auch sie konnte eines gewaltsamen Todes sterben.
Er fühlte Panik in sich aufsteigen und den Drang zu fliehen. Mit seinem ganzen Sein wollte er sich selbst diese Höllenqualen ersparen. Cataleya schien die Gefühle in seinem Gesicht zu sehen, denn sorgsam trat sie einen Schritt zurück.
"Tu das nicht.", sagte sie mit zitternder Stimme und hob die Hände. Tristan holte Atem, wollte seine Intentionen verneinen, doch jedes Wort stellte sich quer in seiner Kehle. Er konnte nicht bei ihr bleiben. Dieses Leben, dieser Ort war mit Medina gestorben. Er musste weiterziehen oder die Schmerzen würden ihm den Verstand rauben.
"Bitte, Tristan...", leise Tränen rannen ihre Wangen hinunter. Kopfschüttelnd senkte er das Haupt und trat noch einen Schritt zurück, schuf weite zwischen sich und der Liebe seines Lebens.
"Ich kann nicht."
"Was kannst du nicht?", brach es aus Cataleya heraus und bitter verzog sie das Gesicht. Tristan fühlte sich elend, jedoch war seine Entscheidung gefällt und ein Zurück sah er nicht.
"Ich kann nicht hier bleiben. Bitte versteh das." Zornig verschränkte sie die Arme.
"Oh ich verstehe das, keine Sorge. Ich weiß, wie schmerzhaft Medinas Tod ist. Ich weiß, was wir beide verloren haben. Unsere Söhne jedoch werden es nicht verstehen." Seine Söhne. Er atmete erschöpft aus. Noah und Benjamin waren erwachsen, lebten ein eigenes Leben.
Natürlich würden sie ihn vermissen, doch irgendwann wäre er nur noch eine Erinnerung und wenn sie starben, wäre Tristan nicht da und müsste ihren Verlust nicht ertragen. Zumindest war es dies was er sich selbst einzureden versuchte.
"Sie werden mich vergessen, so wie alle Menschen vor ihnen, die mich gekannt haben."
"Und ich? Werde ich dich auch vergessen?", fragte Cataleya leise. Tristan trat unbewusst auf sie zu und streckte seine Hand aus. Cataleya ergriff sie, behielt ihre Distanz jedoch bei.
"Ich hoffe nicht.", hauchte er, "ich hoffe, dass wir uns eines Tages wieder sehen. Irgendwann in der Zukunft." Sie schenkte ihm ein kleines Lächeln während sie sachte den Kopf schüttelte.
"In all deinem Wissen, bist du doch der dümmste Mann, dem ich je begegnet bin. Den Schmerz, den du fühlst, wirst du alleine nur schwerlich bewältigen können. Aber geh, tu was du denkst tun zu müssen. Erwarte nur nicht, dass ich auf dich warte."
Tristans Lippen verzogen sich zu einem unsicheren Lächeln. Vermutlich hatte sie recht. Im emotionalen Bereich war sie schon immer weitaus klüger gewesen als er, doch stur wie er war, konnte er seiner Entscheidung nicht den Rücken kehren. Das Bedürfnis zu fliehen pochte präsent in seinem Herzen, drängte ihn endlich zu gehen.
"Egal was passiert...ich werde dich immer lieben, Cataleya. Du bist das beste, das mir in meiner Ewigkeit je wiederfahren ist."
"Dennoch verlässt du mich." Gleichgültig ließ sie seine Hand fallen, drehte sich um und ließ ihn hinter sich zurück.
Bekümmert sah er ihr nach und fragte sich zögerlich ob er den richtigen Weg gewählt hatte.
War die Flucht in eine erneute Einsamkeit, die Lösung für seine quälende Trauer?
Anmerkung der Autorin: Dieses Buch gefällt mir immer besser. Ganz ehrlich, ich war mir bei dieser Idee nicht ganz sicher, aber nach und nach macht sie richtig Spaß. Am besten gefällt mir die Möglichkeit mit meinen Charakteren um den Globus zu fliegen und imaginär viel Geld auszugeben. Wer würde das nicht gerne mal machen? :)
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