Kapitel 1
"Dreams don't work unless you do."
Drei Monate später...
In den letzten drei Monaten hatte ich mich gut eingelebt. Ich hatte mich an das Leben in San Francisco gewöhnt und genoss die Vielfältigkeit, die diese Stadt zu bieten hatte. Man konnte nicht bestreiten, dass Paris eine gewisse Eleganz besaß, wie keine andere Stadt der Welt, doch Paris war nicht bunt oder so offen, wie San Francisco.
Ich versuchte viel in meiner Freizeit zu unternehmen und so wenig wie möglich an meine Zeit in Frankreich zu denken, seitdem ich hier lebte.
Vier Tage nach meiner Anreise hatte ich einen Job in einer modernen Bäckerei, die Jessica's Sweets hieß und damit auch zwei neue Freunde, die mir jeden Arbeitstag um einiges versüßten.
„Guten Morgen, Amélie", begrüßte mich meine Kollegin Cassandra.
Cassandra war eine hübsche Brünette mit blauen Augen, unter denen sich eine kleine Nase und schale Lippen befanden. Sie hatte Kurven, über die sich ihr Freund Nicholas, den ich vor einer Woche kennengelernt hatte, besonders freute.
„Bon matin, Cassandra", grinste ich.
„Bist du bereit?"
„Wofür denn?", fragte ich verwirrt.
„Ich liebe deinen französischen Akzent", seufzte sie. Ich schenkte ihr ein breites Grinsen. „Bist du bereit für die Kuchen, Torten und Cupcakes?"
„Bien sûr." Dieses Mal sah mich meine Kollegin verwirrt an. „Natürlich. Du solltest wirklich Französisch lernen."
„Aber natürlisch, mon ami. Denn isch abe nichts anderes zu tun als Französisch zu lernen"; bemerkte sie mit falschem französischen Akzent.
Lachend sagte ich: „So klinge ich gar nicht."
„Stimmt, bei dir klingt das auch nicht so gestellt, wie bei mir", schmunzelte sie.
„Wenn du meinst. Was steht heute an?"
„Jessica hat gesagt, dass es heute viel zu tun gibt, weil wir in zwei Tagen eine Party beliefern müssen. Den einjährigen Geburtstag von Zwillingen, wenn ich mich recht erinnere."
„Womit sollen wir beginnen?"
„Jessica hat ausdrücklich gesagt, dass keiner außer dir die Torte auch nur ansehen darf. Sie möchte, dass du deinen französischen Zauber spielen lässt"; grinste Cassandra. „Wer die Cupcakes macht ist ihr egal, also werde ich das übernehmen und Jeff wird sich um die Dekoration kümmern."
Ich nickte. „Bei welcher Torte soll ich meinen Zauber spielen lassen?", fragte ich grinsend.
„Mir wurde gesagt, dass der Teig in Regenbogenfarben sein und das Innere soll mit einer Buttercreme-Erdbeermischung gefüllt werden."
„Für die könnte ich ein wenig brauchen, immerhin muss ich jede Schicht einzeln backen. Ich werde euch wohl leider nicht helfen können."
Drei Stunden später war ich dabei die letzte Kuchenplatte aufzustapeln, als ich die Stimme meiner Chefin hörte. „Amélie, wie weit bist du mit der Geburtstagstorte für die Zwillinge?"
„Es fehlt nur noch die Buttercreme vor dem Marzipan und dann kann auch schon die Dekoration drauf."
„Das ist gut, es wartet nämlich noch eine Hochzeitstorte auf dich." Sie sah mich entschuldigend an.
Mein Blick fiel auf die Uhr, die an der Wand hing. 9:15, das Frühstück musste ich wohl ausfallen lassen. „Okay."
„Iss vorher aber bitte noch etwas, in Ordnung?"
„Ich werde es versuchen", lächelte ich.
„Ich meine es ernst, wenn du möchtest, dann hole ich dir noch etwas, bevor ich zu meiner Zehn-Uhr-Termin fahre", sagte sie.
„Nein, ich werde mir selbst etwas holen, sonst komme ich heute überhaupt nicht mehr hier raus."
„Ist gut, wir sehen uns dann noch." Jessica verschwand mit einem Winken aus der Küche.
„Au revoir."
„Auf geht's, Amélie. Du musst etwas essen", bemerkte Jeff eine Stunde später.
Ich brachte mich mit einem Stöhnen in eine aufrechte Position. Mein Rücken würde mich früher oder später noch umbringen.
„Gleich, ich muss nur noch die Torte in den Kühlschrank stellen, dann kann es auch schon losgehen."
„Ich hoffe, dass du einen Regenschirm mit hast, denn ich will nicht, dass diese Haarpracht durch das herabfallende Wasser ruiniert wird."
Jeff war 1,80 m groß, hatte die schönsten blauen Augen, die ich je gesehen hatte und Muskeln, die sich deutlich unter seinem grauen Shirt abzeichneten. Eine Versuchung auf zwei Beinen und eine solche Verschwendung, denn Jeff war wie jeder gute Mann entweder vergeben oder schwul und in diesem Fall traf beides zu. Wäre Jeff nicht so glücklich mit seinem Lebensgefährten Julio, dann hätte ich versucht wenigstens einen von beiden umzustimmen.
„Je suis désolée", entschuldigte ich mich auf Französisch. „Alles, was ich dir anbieten kann ist eine Regenjacke."
„Nein, danke", meinte Jeff und verzog sein Gesicht angewidert. „Einen solchen modischen Fauxpas werde ich mir, auch der Haare wegen, nicht leisten."
„Wie du meinst." Mit den Schultern zuckend versuchte ich die schwere, große Torte vom Tisch zu heben, um sie in den Kühlschrank räumen zu können. Ohne Erfolg. „Könntest du mit bitte eine Hand leihen? Die Torte ist viel zu schwer."
„Geh mal zur Seite, Süße." Ich wurde durch Jeffs Hüfte aus dem Weg geräumt, sodass er das mit Buttercreme gefüllte Monstrum heben und in den großen silbernen Kühlschrank räumen konnte. „Jetzt können wir gehen."
„Merci beaucoup, monsieur", grinste ich.
„De rien"; gab er zurück und ich sah ihn erstaunt an.
„Tu parles français?"
„Wir müssen es ja nicht gleich übertreiben, Süße."
„Ich schwöre es dir, Amélie. Der Typ ist in dich verliebt", behauptete Jeff, wie jedes Mal, wenn wir uns etwas zum Essen im Supermarkt von gegenüber holten und Hubert abkassierte.
„Non, ist er nicht."
„Er steht auf dich, wie ich auf heiße, durchtrainierte Spanier stehe."
Augenverdrehend wandte ich mich an ihn: „Er ist einfach nur nett."
„Aber natürlich", fing er an. „Und ich hatte gestern Nacht keinen richtig heißen Sex."
„Trop d'informations", murmelte ich und versuchte das nicht gerade jugendfreie Bild zu verdrängen, das sich in meinen Kopf schleichen wollte.
„Es ist wirklich entzückend, wenn du anfängst Französisch zu reden."
„Bonjour, Amélie", begrüßte mich Hubert, der etwas verschwitzte, brillentragende Junge mit den zu großen Zähnen.
„Bonjour, Hubert", lächelte ich, weil ich nicht unhöflich sein wollte, obwohl mit die Tatsache, dass er mich auf Französisch begrüßt hatte, etwas unangenehm war.
„Es klingt schön, wenn du meinen Namen mit deinem französischen Akzent aussprichst."
„Weißt du, was noch schöner klingt?", hörte ich Jeff murren, bevor ich antworten konnte. „Das Geräusch, wenn unser Essen über den Scanner gezogen wird."
„N-Natürlich", stotterte Hubert daraufhin.
Ich hatte den leisen Verdacht, dass er nicht wusste, dass Jeff schwul war. Vielleicht hielt er ihn sogar für meinen festen Freund? Wenn ihn das auf Abstand hielt, dann hatte ich nichts dagegen.
„Qu'est-ce que tu fais?", fragte ich Jeff, der über den Tisch gebeugt an etwas arbeitete.
„Ich nehme mal stark an, dass das ‚Du hast einen tollen Hintern, Jeff' bedeutet", grinste er und sah mich über seine Schulter an.
„Nein, es heißt ‚Was machst du?'"
„Die Dekoration für die Hochzeitstorte, die du hoffentlich fertig hast."
„Darf ich mal sehen?"
„Nein!" Er scheuchte mich aus dem kleinen gekühlten Raum, ohne dass ich einen kleinen Blick auf sein neuestes Kunstwerk erhaschen konnte. „Ist die Torte schon fertig?", fragte er, nachdem er die Tür hinter uns geschlossen hatte.
„Noch nicht ganz. Der Teig der obersten Stufe ist gerade im offen, während die crème noch im Kühlschrank ist. Es ist eine Trüffeltorte, die muss sowieso über Nacht im Kühlschrank kalt gestellt werden."
„Wie lange brauchst du noch bis du fertig bist?"
„Eine halbe Stunde, pourquoi?"
„Weil wir zwei heute mit Julio und einem Freund etwas trinken gehen werden", informierte er mich.
„Tut mir leid, aber ihr müsst heute leider ohne mich die Korken knallen lassen. Ich bin so müde, dass ich mich nur auf mein Bett fallen lassen uns bis übermorgen schlafen möchte."
Er schnalzte mit der Zunge. „Süß, dass du denkst, du hättest Mitspracherecht." Er tätschelte kurz meinen Kopf und wandte sich danach wieder seiner Arbeit zu.
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