Kapitel 19
„Hier?", frage ich erstaunt. Er will hier zusammen mit mir essen?
„J...Ja. Ist das ein Problem für dich?"
„N...Nein!"
Nun ja, eigentlich schon. Ich möchte wirklich nicht von Natalie oder Harry bei einem Date mit Brian beobachtet und schon gar nicht bedient werden.
„Na dann! Einen Tisch für zwei, bitte!", sagt er dann an Natalie gewandt, welche mir freudig zuzwinkert.
„Gerne!"
Wir folgen ihr an einen der noch freien Tische und ein mulmiges Gefühl macht sich in meiner Magengegend breit. Oh nein, diese Ecke bedient Harry meistens, das kann ja lustig werden. Mich würde es nicht wundern, wenn er mir noch nicht mal meine Bestellung abnehmen würde. Ich meine ich bin ja gar nicht anwesend für ihn und er wird ja wohl keine Luft bedienen. Brian stellt sich schnell neben mich und rückt mir meinen Stuhl zurecht, woraufhin ich dankbar lächelnd Platz nehme und darauf warte, dass auch er sich mir gegenüber hinsetzt. Keine zwei Minuten später steht auch schon Harry vor uns und sieht mich wie erwartet nicht einmal an.
„Also, was willst du trinken?", fragt Brian mich dann.
„Für mich nur ein stilles Wasser!"
„Okay, dann ein stilles Wasser und für mich eine Cola!", sagt Brian an Harry gerichtet, der sich die Bestellung jedoch nicht aufschreibt. Mit seinen stechenden Augen betrachtet er Brian eindringlich und sieht mich dann das erste Mal seit Tagen wieder richtig an. Sein skeptischer Blick scheint mich zu fragen: Das ist dein komischer Freund?
Empört starre ich ihn an.
Ja!, verteidige ich Brian, doch Harry rührt sich nicht vom Fleck. Immer noch ungläubig starrt er zwischen Brian und mir hin und her und man kann Brian ansehen, wie unwohl ihm gerade ist.
Mit so einem Kerl gehst du aus?, fragt Harrys Blick mich wieder.
Was willst du denn damit sagen?, starre ich ihn zornig an, doch Harry scheint sich nur darüber lustig zu machen. Wieder sieht er Brian an, der verwirrt zwischen Harry und mir hin und her guckt und die Welt nicht mehr zu verstehen scheint.
Schau ihn dir an!, gibt Harry mir belustigt zu verstehen, doch ich weiß nicht was er meint. Brian ist ein gut aussehender, anständiger Kerl.
Was meinst du?, schaue ich ihn verwirrt an, doch Harry schüttelt nur leicht lächelnd mit dem Kopf. Ach, zisch einfach ab, gebe ich ihm dann genervt zu verstehen und er dreht sich unerwarteter Weise sofort um und lässt uns alleine.
„Was war das denn für ein komischer Kerl?", reißt Brian mich dann aus meinen Gedanken und ich löse meinen Blick von Harry.
„Ach, das ist der Neue. Er weiß noch nicht so richtig, wie man sich vor Gästen zu benehmen hat!", erkläre ich ihm.
„Offensichtlich!", gibt Brian dann langgezogen von sich und ich unterdrücke den plötzlichen Drang, diese Aussage zurückzunehmen und Harry zu verteidigen, weil er seinen Job eigentlich gut macht, doch ich komme schnell wieder zur Besinnung.
„Also, welches dieser leckeren Pastagerichte würdest du mir empfehlen?"
~~~~~
Ich unterhalte mich noch lange Zeit mit Brian, während wir schon längst unsere Hauptgerichte aufgegessen haben. Zum Glück habe ich größtenteils ausgeblendet, dass Natalie und Harry uns aufmerksam beobachten.
„Willst du noch etwas zum Nachtisch?", fragt Brian mich dann.
„Puh, ich bin ziemlich voll!", gebe ich ihm zu verstehen und halte mir eine Hand an den Bauch.
„Komm schon, wenn wir schon mal hier sind!" Er sieht mich mit flehenden Augen an und letztendlich lenke ich doch ein. Er zahlt ja schließlich und zu Essen fällt es mir extrem schwer Nein zu sagen.
„Na schön!"
„Super!" Er greift nach der Dessertkarte und studiert sie mit einem interessierten Blick.
„Was möchtest du?", erkundigt er sich dann.
„Such du aus!", kichere ich und schäme mich schon beinahe dafür, weil es unbeabsichtigter Weise klang, wie ein verliebtes Teenager-Kichern. Brian gibt Harry ein Fingerzeichen, der keine zehn Sekunden später schon wieder an unserem Tisch steht und erwartungsvoll zu Brian sieht.
„Für mich einmal das Tiramisu, und für meine reizende Begleitung...", überlegt er. „Ein Schokoladen-Eis, bitte!" Oh, nein, das hätte ich ihm sagen müssen.
„Sie mag kein Schokoladen-Eis, du Idiot!", erklärt Harry ihm dann an meiner Stelle, doch ich schaue ihn nur fassungslos an. Harry!, ermahne ich ihn mit einem strengen Blick. Er kann doch nicht so mit den Gästen sprechen. Brian sieht mich verwirrt an.
„Warte, ich dachte du liebst Schokolade?", wundert er sich.
„Tue ich auch, aber"
„Aber kein Schokoladen-Eis!", unterbricht Harry mich. Was hat Brian ihm denn getan? Nur weil er mir aus dem Weg gehen möchte, muss er doch nicht so unfreundlich zu Freunden von mir sein. Was ist nur in ihn gefahren?
„Ignorier ihn einfach!", gebe ich Brian zu verstehen, dessen Blick jedoch immer noch konsterniert auf Harry liegt. Er scheint sich das auch nicht gefallen zu lassen.
„Alter, wer bist du eigentlich?", fragt er ihn dann.
„Sein Name ist Eustachius!", antworte ich für Harry.
„Eustachius? Was ist das denn für ein bescheuerter Name? Alter, du tust mir echt leid!" Abfällig betrachtet Brian Harry von oben bis unten. Wieso springt er denn darauf an? Kann er ihn nicht einfach ignorieren?
„Was hast du denn für eine bescheuerte Visage, Alter?", schießt Harry zurück und ich würde am liebsten im Boden versinken. Wieso benehmen die sich jetzt wie Kleinkinder?
„Eustachius!", ermahne ich ihn. „Entschuldige uns kurz, Brian!", gebe ich ihm zu verstehen, bevor ich meine Serviette von meinem Schoß auf den Tisch lege und aufstehe. Ich ziehe Harry am Arm mit mir, bevor ich im Flur stehen bleibe und die Arme vor der Brust verschränke.
„Was soll das, Harry?", frage ich ihn aufgebracht. „Du willst selber nichts mit mir zu tun haben? Schön! Aber das ist kein Grund meine anderen Freunde zu vergraulen! Was ist bloß in dich gefahren?"
„Dieser Bernhard ist ein Idiot!"
„Sein Name ist Brian! Und woher willst du das wissen? Du kennst ihn gar nicht!" Harrys Blick schweift kurz zurück zu dem Tisch an dem ein verwirrter Brian sitzt.
„Sagen wir einfach, ich habe eine gute Menschenkenntnis!", versucht er mir klar zu machen und sieht mich dann wieder an. „Glaub mir, du hast etwas Besseres verdient!" Er wagt es, so etwas zu behaupten?
„Ach und wer bist du, dass du mir so etwas sagen kannst?", will ich wütend von ihm wissen. Er hat mir deutlich zu verstehen gegeben, dass wir alles andere als Freunde sind und jetzt will er mir vorschreiben, mit wem ich was zu tun habe? Und dann glaubt er auch noch zu wissen, was gut für mich ist? Er war doch derjenige, der gesagt hat, dass wir uns überhaupt nicht mehr kennen.
„Dieser Bernhard"
„Brian!"
„Er ist nicht gut für dich, verdammt!", redet er mir jetzt wieder ein. Wieso versucht er mich von ihm fernzuhalten?
„Ach, und wer ist gut für mich? Du etwa?", rutscht es mir ohne nach zu denken raus und ich spüre wie Harry mich eindringlich mustert.
„Nein... nein, ich am allerwenigsten!" Hätte ich mir schon denken können, wo er doch unbedingt will, dass ich mich von ihm fernhalte.
„Dann lass mich gefälligst in Frieden!" Aufgebracht stapfe ich zurück zu Brian und lasse mich auf meinen Stuhl fallen.
„Alles okay?", erkundigt er sich.
„Ja, es ist nur... Ach egal, ignorier ihn einfach, er ist ein Trottel!"
Brian lacht kurz auf und stimmt mir dann zu: „Das ist er in der Tat! Aber er kommt mir extrem bekannt vor..." Nachdenklich sieht Brian wieder zu Harry, der gerade dabei ist anderen Gästen die Bestellung abzunehmen.
„Ach ja?", hake ich überrascht nach.
„Ja, ich weiß auch nicht..."
„Nun ja, er arbeitet schon seit einer Woche hier, vielleicht hast du ihn gesehen, als du mich abgeholt hast!", versuche ich ihm zu erklären, doch er schüttelt nur langsam mit dem Kopf.
„Nein, das ist es nicht! Er hat etwas an sich, das... Ich weiß auch nicht, ich habe ihn definitiv schon mal gesehen, ich weiß nur nicht mehr in welchem Zusammenhang!"
„Na ja, vielleicht kommst du noch drauf!"
„Ja, vielleicht!" Brian wendet seinen Blick von Harry ab, der gerade in der Küche verschwindet und schenkt mir dann ein warmes Lächeln. Was meint Harry nur damit, dass er nicht gut für mich ist? Bis auf, dass er wie ein normaler Typ in seinem Alter sich gerne auf Partys betrinkt, ist er ein völlig anständiger Mensch. Er ist in der Uni sehr bemüht und kommt aus einem guten Elternhaus.
Aus dem Augenwinkel sehe ich, wie Harry zurück aus der Küche kommt und sich genau auf uns zu bewegt. Er stellt Brian sein Tiramisu hin und stellt auch mir einen Teller auf meinen Platz, den ich überrascht mustere. „Ich war so frei!", erklärt er sich und zwinkert mir einmal zu.
Ich betrachte verwirrt die Pancakes mit der Schokoladensauce. Wieso ist er in einem Moment unausstehlich, sagt dann, dass wir uns aus dem Weg gehen sollten und bringt mir dann mein absolutes Lieblingsdessert? Von wegen, wir kennen uns gar nicht mehr, er weiß genau, dass ich mir nie etwas Anderes bestellt habe, wenn dieses Dessert auf der Karte stand.
„Ich weiß jetzt, wo ich dich schon mal gesehen habe!", unterbricht Brian dann den Blickkontakt zwischen Harry und mir und zeigt mit dem Finger auf ihn. „Du warst der, der sich auf der Party letztens geprügelt hat!" Sofort werde ich hellhörig. Ich wusste, dass nicht die Eingangstür schuld an Harrys verletztem Gesicht war, deshalb überrascht es mich nicht sonderlich. Ich schaue aufmerksam zu Harry, über dessen Auge noch immer eine kleine Wunde zu sehen ist.
„Du verwechselst mich!", gibt Harry Brian desinteressiert zu verstehen, welcher sich jedoch sicher zu sein scheint.
„Nein, das warst ganz sicher du! Du hast den Typen richtig fertiggemacht!" Diese Worte aus Brians Mund zu hören lässt mich schwer schlucken. Ich weiß ja, dass Harry schon früher Aggressionsprobleme hatte und es ist anhand seines heutigen Auftretens nicht schwer vorstellbar, dass sich dies nicht geändert hat, aber dennoch denke ich nicht gerne daran, dass er tatsächlich anderen Leuten wehtun könnte. Schon, wenn er sich mit seinem Bruder gestritten hat, konnte ich es nicht mit ansehen. Ich weiß auch nicht, woran ich gedacht habe, als ich ihn auf der Party so verletzt gesehen habe. Mir war zwar klar, dass es nicht die Eingangstür war, die ihn so zugerichtet hat, aber diese Worte jetzt tatsächlich ausgesprochen zu hören, ist noch mal etwas Anderes.
„Machst du irgendeinen Kampfsport?", fragt Brian weiter, doch Harry geht immer noch nicht auf ihn ein.
„Nein!", lautet seine knappe Antwort, bevor er sich schon von uns abwendet und geht.
Nachdem wir unser Dessert aufgegessen haben begleitet Brian mich noch nach draußen.
„So...", setze ich an. „Danke noch mal für das Essen. Und dieser kleine Zwischenfall mit Eustachius tut mir wirklich leid!"
„Ach Quatsch", winkt er ab. „Du kannst doch nichts dafür, dass er ein Idiot ohne Manieren ist!"
„Ja, wahrscheinlich hast du recht..." Wir gehen auf meinen Wagen zu und ich drehe mich noch mal zu Brian um. „Na dann, wir sehen uns Montag!", verabschiede ich mich.
„Wenn ich es bis Montag ohne dich überlebe!", scherzt er. Ich will gerade Brian zum Abschied umarmen, als er mich jedoch unerwarteter Weise auf die Wange küsst. Mit großen Augen sehe ich ihn an und muss feststellen, dass ich damit gar nicht gerechnet habe. Aber was habe ich denn gedacht, was Brian für ein Ziel verfolgt? Er wird sich wohl kaum so häufig mit mir treffen wollen, wenn er nur an einer platonischen Freundschaft interessiert ist.
„Gute Nacht, Luna!", raunt Brian mir ins Ohr, bevor er sich lächelnd von mir abwendet und die Straße entlanggeht. Verdutzt sehe ich ihm hinterher und bringe noch ein leises Gute Nacht über die Lippen, bevor ich mit hoch rotem Gesicht in mein Auto steigen will. Ich halte allerdings in meiner Bewegung inne, als ich von Harrys rauer Stimme unterbrochen werde.
„Das war ja Herz aller liebst!"
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