Kapitel 13
Durchgefroren betrete ich das Restaurant und ziehe meinen Mantel aus. Vielleicht war dieses blaue, kurze Kleid um diese Jahreszeit nicht unbedingt die beste Idee und die Feinstrumpfhose bringt in dieser Hinsicht auch nicht besonders viel, aber Brian meinte ich soll mir etwas Schönes anziehen. Wenigstens wärmen diese Stiefel mich ein bisschen.
„Hübsch siehst du heute aus, Luna!", höre ich PH sagen, der gerade an mir vorbei in die Küche geht, als ich mir meine Schürze umbinde.
„Danke, lieb von dir!"
Schlagartig hellt sich meine Mine auf, als ich merke, dass der Aufwand im Badezimmer wie es aussieht doch nicht völlig umsonst war. Auch wenn ich nicht besonders geübt in so was bin, habe ich mir diesmal viel Mühe mit meinem Make-Up gegeben und mir sogar Schminkutensilien von Natalie ausgeliehen, da ich selber nicht viele besitze, sodass ich im Nachhinein sogar einigermaßen zufrieden mit dem Endergebnis bin. Als ich um die Ecke biege, sehe ich, dass bereits eine Frau an der Theke sitzt und ungeduldig darauf wartet, ihre Bestellung abgeben zu können.
„Haben sie sich schon entschieden?", frage ich freundlich nach.
„Ich hätte gerne einen Ceasar-Salad und eine große Flasche Mineralwasser!", sagt sie und reicht mir die Karte. Immer diese Leute, die ihre Kalorien zählen müssen... Irgendwann merken auch die, dass nichts auf der Welt glücklicher machen kann als Essen.
„Gerne!", erwidere ich aber ohne mir etwas anmerken zu lassen und gehe in die Küche, um PH die Bestellung zu geben und aus dem Getränkekühlschrank eine Flasche Wasser zu holen.
„Haben wir denn kein Mineralwasser mehr?", frage ich verwundert, als ich keines in diesem riesigen Kühlschrank ausfindig machen kann.
„Im Vorratskeller müsste noch reichlich was sein, wir haben anscheinend nur vergessen es wieder aufzufüllen!"
Seufzend verlasse ich die Küche wieder und mache mich auf den Weg in den Keller. Die alte Holztreppe knarzt bei jeder Bewegung und die Glühbirne an der Decke flackert nur noch schwach, weshalb dieser Raum nicht unbedingt zu meinen liebsten gehört. Schnell gehe ich auf die Wasserkästen zu und hole eine Flasche Mineralwasser heraus, um schleunigst wieder nach oben zu gehen. Harry kann nachher den Kasten mit hoch schleppen.
Ich drehe mich wieder um, doch stoße ich unerwartet mit jemandem zusammen, sodass mir vor Schreck die Flasche aus der Hand fällt. Im flackernden Licht beobachte ich, wie eine mit einem kleinen Kreuz tätowierte Hand blitzschnell die Glasflasche auffängt und sie somit vor dem Zerspringen am Boden bewahrt.
„Oh mein Gott! Tu. Das. Nie. Wieder!", gebe ich noch immer erschrocken von mir.
„Wie siehst du denn aus?", ist jedoch alles, was er daraufhin skeptisch von sich gibt. Sofort verfliegt meine gute Laune wieder.
„Ich treffe mich mit einem Freund!"
Jetzt zieht er wieder eine Augenbraue nach oben und deutet mit der Flasche in der Hand auf mein dunkelblaues Kleid.
„Und da ziehst du dich so an?" Empört von dieser Bemerkung reiße ich ihm die Flasche aus der Hand und dränge mich an ihm vorbei zur Treppe.
„Ich gehe auf eine Party, also ja!" Als ich die Treppenstufen nach oben stapfe und höre, wie er mir folgt drehe ich mich allerdings wieder um.
„Du kannst übrigens schon mal zwei Wasserkästen nach oben tragen, du hast ja sonst nichts Besseres zu tun!"
Unbeeindruckt zuckt Harry mit den Schultern und greift mit jeder Hand nach einem der Wasserkästen, sodass ich beinahe gezwungen bin mir das Spiel seiner Armmuskeln anzuschauen. Ich beobachte, wie er mit Leichtigkeit die Treppe nach oben spaziert und dann wieder vor mir stehen bleibt.
„Willst du vielleicht Platz machen, oder bist du noch zu sehr mit Starren beschäftigt?", fragt er mich und durchbohrt mich dabei mit seinen stechenden grünen Augen. Bevor er sehen kann, wie mir die Röte ins Gesicht schießt drehe ich mich schnell um und gehe zurück in die Küche. Man, war das peinlich! Wieso um alles in der Welt, habe ich ihn so angestarrt? Ja, ich kann nicht leugnen, dass er gut aussieht, aber es ist immer noch Harry.
Ich suche gerade nach einem Öffner für die Flasche, als er mit den Kästen reinkommt und sie vor dem Kühlschrank abstellt.
„Also, mit wem gehst du auf diese Party?", fragt er mich und fängt an die erste Flasche einzuräumen.
„Ist doch unwichtig, kennst du nicht!", antworte ich ihm und durchsuche alle Schubladen, als ich immer noch keinen finden kann.
„Ist er dein Freund?" Ungläubig drehe ich mich zu ihm um.
„Was? Nein, wir kennen uns kaum!"
„Aber du willst was von ihm!", stellt er unbeeindruckt fest, weshalb ich ihn nur noch fassungsloser anstarren kann.
„Wie bitte?"
Mit zwei weiteren Flaschen in der Hand schaut er mich wieder an. „Na, sonst würdest du dich doch wohl nicht so anziehen oder?"
Ich kann nur ungläubig den Kopf schütteln und suche nach irgendwas anderem mit was ich die Flasche öffnen kann. Ich will etwas erwidern, aber ich schließe wieder den Mund, als mir bewusst wird, dass ich mich in keiner Weise vor ihm rechtfertigen muss.
„Was ist das denn für eine Party, für die du dich so in Schale werfen musst?"
Ich greife hoffnungsvoll nach einem Feuerzeug und versuche damit die Flasche aufzumachen, wie ich es schon häufig in irgendwelchen Filmen beobachtet habe.
„Keine Ahnung, sie findet in irgendeiner Sky-Bar statt!", erkläre ich ihm, während ich ratlos feststellen muss, dass ich keine Ahnung habe, wie das mit dem Feuerzeug funktionieren soll.
„Wer veranstaltet denn die Party?"
Genervt, weil ich die Flasche immer noch nicht aufkriege, antworte ich ihm: „Das weiß ich doch nicht, ich bin nur eine Begleitung!"
Jetzt kommt Harry auf mich zu und nimmt mir die Flasche aus der Hand.
„Wenn ich das also richtig verstanden habe", ich beobachte wie er den Flaschendeckel mit seiner bloßen Hand von der Flasche löst, „gehst du mit einem Typen, den du kaum kennst, auf eine Party, auf welcher du wahrscheinlich ebenfalls niemanden kennst und von welcher du noch nicht mal weißt, was für eine Party es ist und wo genau sie stattfindet!" Wenn er das so sagt klingt er fast wie meine Mutter, die mir gleich verbieten würde auch nur einen Fuß nach draußen zu setzen. Seit wann ist er eigentlich so interessiert daran, was ich tue?
„Wieso kümmert dich das überhaupt?", frage ich immer noch genervt und nehme ihm wieder die Flasche aus der Hand.
„Ich will es einfach nur wissen!"
„Aha! Sonst willst du nicht mit mir reden, aber jetzt löcherst du mich mit Fragen! So, wenn wir schon mal so nett am quatschen sind, was hast du denn heute noch so vor?", frage ich ihn, obwohl ich sicher weiß, dass er sowieso wieder abblocken wird.
„Gar nichts!"
Er dreht sich weg und fängt wieder an die Flaschen weiter einzusortieren. Augen verdrehend greife ich nach dem Salatteller, den PH mir in diesem Augenblick zuschiebt und ich bringe der Frau am Tresen ihre Bestellung. Die ganze Zeit hat Harry immer so gewirkt, als ob er meine Nähe nicht ertragen würde und jetzt fragt er mich plötzlich aus. Was interessiert es ihn überhaupt, wenn er mich augenscheinlich sowieso nicht mehr ausstehen kann? Er ist einfach nur noch ein riesiges Rätsel... Früher wusste ich alles über ihn und heute... heute ist er nur noch ein Fremder. Er verhält sich wie ein komplett anderer Mensch, ich habe erst eine Hand voll bekannte Reaktionen von ihm beobachten können. Ist es überhaupt möglich sich so zu verändern?
~~~~~
Als Natalie mich um zehn Uhr ablöst, sehe ich auf meinem Handy, dass Brian mir geschrieben hat, dass er bereits vor der Tür wartet. Ich schnappe mir schnell meinen Mantel und meine Handtasche und verlasse das Lokal durch die Vordertür. Er stößt sich von der Hauswand ab, kommt lächelnd auf mich zu und umarmt mich innig.
„Du siehst wunderschön aus!", sagt er mir und ich murmele ein leises „Danke" vor mich hin. Mit Komplimenten konnte ich noch nie so gut umgehen. Nach zehn bis fünfzehn Minuten Fußweg betreten wir ein hohes Gebäude, was aussieht wie ...
„Ein Hotel?", frage ich Brian verwirrt und betrachte in der Eingangshalle den Schriftzug Hardin-Mills Hotel, der an beiden Seiten mit fünf Sternen versehen ist.
„Ja, ich sagte doch, dass der Typ, der die Party veranstaltet, in der Sky-Bar seiner Eltern seinen Geburtstag feiert!", erklärt er mir, während wir an der Rezeption vorbei in Richtung Aufzug gehen und mich ein mulmiges Gefühl beschleicht. Aufzüge kann ich absolut nicht leiden. Ich bin einmal als Kind in einem stecken geblieben und seitdem habe ich leicht klaustrophobische Züge. Auch, wenn Harry dabei war und mich mit seinen Worten und seiner bloßen Anwesenheit vor einem psychischen Nervenzusammenbruch bewahrt hat, habe ich dennoch die ganze Zeit geglaubt, dass ich diesen Aufzug nie wieder verlassen würde und darin sterben müsste. Die Türen vor uns öffnen sich und ein älteres Ehepaar tritt heraus.
„Ein Aufzug aus Glas?", wundere ich mich und betrete den kleinen, engen Raum vor mir.
„Ziemlich cool, oder?", stellt er mir eine Gegenfrage. Er scheint nicht genau verstanden zu haben, wie ich es gemeint habe. Ein Aufzug aus Glas! Das heißt, man ist nicht nur in einem kleinen, verschlossenen, in die Höhe fahrenden Raum gefangen, man kann auch noch sehen wie sich der feste Boden immer weiter von einem entfernt. Ich beobachte, wie Brian die Taste mit der Zahl 36 drückt und ich spüre, wie meine Hände immer feuchter werden.
„Nach ganz oben?", frage ich ihn kleinlaut und spüre wie sich der Aufzug mit einem Ruck in Bewegung setzt. Okay, nicht nach unten sehen!
„Das ist eine Sky-Bar, Luna! Natürlich ist die auf dem Dach!", lacht er, als er merkt wie ich mich anspanne.
„Ich dachte die heißt nur so..." Ich schaue krampfhaft auf die Betonwände, die diesen Glaskasten umgeben, als plötzlich auch diese in Glas übergehen und man somit einen Blick über die ganze Stadt erhält. Schnell wende ich meinen Blick ab und schaue auf die Anzeige. 10,11,12,...
„So hoch sind wir schon?"
„Eine Hammer Aussicht, nicht wahr?"
„Mmh..", kann ich nur immer noch angespannt hervorbringen.
„Aber die Aussicht vom Dach kann nichts toppen!"
Ich kann es kaum erwarten! Wer baut denn einen Aufzug aus Glas in einen Glasschacht? Können diese Menschen keine Rücksicht auf andere nehmen?
Schau einfach in den Himmel, dann hast du das Gefühl zu fliegen, kommen mir Harrys Worte wieder in den Sinn und ich wende meinen Blick von der Anzeige nach oben ab und beobachte, wie ich dem klaren Sternenhimmel immer näher komme und dabei spüre, wie sich meine Atmung wieder beruhigt und ich mich ein wenig entspanne.
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