12. Scheißidee
"Varuna.."
"Fang gar nicht erst damit an! Ich habe dich geliebt, verdammt noch einmal! Und du hast mich zum Gespött von ganz Namra gemacht!"
"Aber.." Dvalin hielt inne. Es hatte keinen Sinn, Varuna zur Vernunft zu bringen. Das Wichtigste war, die Mine der Schatten zu schließen.
Mit einem schnellen, aber effektiven Zauber griff er sie an und während sie noch dabei war, ihn abzuwehren, rannte er auf den Eingang zu.
***
Nicht nach draußen zu können und in dieser Höhle fest zu sitzen ging Natascha gegen den Strich. Unruhig stand sie auf.
Yaga hatte ihr ein Buch gegeben, das sie lesen sollte und hatte selbst die Höhle verlassen, um etwas Wichtiges zu erledigen. Unruhig ging sie auf und ab. Sie war es einfach nicht gewohnt, sich so wenig zu bewegen. Immerhin hatte die letzten zehn Jahre täglich trainiert.
Täglich.
Natascha seufzte und starrte wieder auf das Buch. Es war sterbenslangweilig. Sie wollte die Zaubersprüche darin nicht nur lernen, sie wollte sie endlich ausprobieren!
Ein Rascheln am Höhleneingang verriet ihr, dass Yaga zurückgekommen war.
"Wann kann ich denn endlich hier wieder raus?", fragte sie ungeduldig, als die Hexe die Höhle betrat.
Diese kicherte. "Geduld, mein Kind, hab Geduld." Sie trat zu Natascha und legte ihr beschwichtigend die Hand an den Arm. "Da draußen erwarten dich viele Gefahren und du musst vorbereitet sein."
Sie blickte auf das aufgeschlagene Buch. "Hast du gelernt?"
"Das Buch ist langweilig", antwortete das Mädchen. Wieder kicherte die Alte. "Keine Sorge. Bald wirst du Gelegenheit haben, alles da drin auch zu versuchen." Mit einem theatralischen Seufzer setzte sich Natascha wieder und stützte eine Hand ins Kinn. "Wenn du mir nur endlich sagen würdest, wozu das ganze gut sein soll."
Yaga nahm einen Hocker und rückte an ihren Schützling heran. Sie fischte ein kleines, schmales Buch aus dem Stapel am Tisch, schlug es auf und schob es Natascha unter die Nase. "Lies."
"Und was heißt das?", wollte sie wissen, als sie fertig war.
"Das hier..", Yaga zeigte an eine Stelle, " "Tochter der Herrin", das bist du." Natascha blickte auf und Yaga sprach weiter: "Du bist die Erbin unserer Herrin und hier, um uns zu befreien." "Aber.. wie kommst du da drauf?" Das Mädchen verstand nicht. "Hier: dem Tode entronnen-"
"Ja, das ist einfach", flüsterte sie, "Ich bin gestorben. An jenem Tag.."
Yaga nickte heftig. "Das war notwendig, sonst könntest du die Prophezeiung nicht erfüllen." "Aber was hat es hiermit auf sich? Da steht eine Warnung." Natascha deutete auf den Text darunter. Yaga schwieg kurz, dann antwortete sie: "Das andere Mädchen.."
"Dajana?" Die Hexe schürzte die Lippen. "Auch sie ist eine Erbin. Und nun weiß ich auch, dass sie es ist, die uns gefährlich werden kann."
Erschrocken sah Natascha sie an: "Dann müssen wir doch etwas tun!" Yaga lächelte wieder. "Keine Sorge, mein Kind, das werden wir."
***
Tarik parkte Dimitris Auto vor Charlies Haus. "Vielleicht ist es besser, wenn ich zuerst alleine mit ihr rede", meinte er.
Arman, der bereits mit dem Sicherheitsgurt kämpfte, hielt inne.
"Überleg mal: Nils hat gemeint, sie hätte alles vergessen und trotzdem wusste Charlie, wer ich bin, sonst hätte sie mich nicht angerufen."
Misstrauisch blickte Arman ihn an. "Ich kann dir nicht folgen."
Tarik kratzte sich nervös im Nacken. "Nun ja, es war nur so eine Überlegung. Wenn sie nur alles vergessen hat, was mit Namra zu tun hat.. meinst du nicht, sie wäre wieder straight zu dir gekommen, wenn sie wüsste, wer du bist."
"Das können wir ja jetzt herausfinden." Arman war es endlich gelungen, sich aus dem Gurt zu befreien und er öffnete die Beifahrertür.
Tarik folgte ihm. "Halt dich einfach ein bisschen zurück und lass mich reden, okay?"
Arman nickte ernst und sie gingen gemeinsam zur Haustür.
***
Der Tag war sonnig und warm und der Vormittag auf den Koppeln war anstrengend gewesen. Argos hatte mit Jaron und seinem Vater einen morschen Zaun ersetzt. Dabei hatte sich sein Bruder an einem alten Nagel aufgeschnitten und nun begleitete er ihn zurück zum Haus, damit seine Großmutter sich darum kümmern konnte.
Jaron wankte leicht beim gehen. Ihm war beim Anblick seines eigenen Blutes schlecht geworden und Argos passte auf, dass er nicht gleich umkippte.
Sie fanden Rona, wie üblich um die Tageszeit, in der Küche. Als sie ihren verletzten Enkel sah, stürzte sie sofort zu ihm und führte ihn ins Nebenzimmer, um seine Wunde zu versorgen.
Argos genoss die Kühle des Hauses und lehnte sich gegen einen Türstock, um Dajana zu beobachten, die gerade dabei war, den Salat für das Mittagessen zu putzen. Als sie merkte, dass sie beobachtet wurde, hielt sie inne und sah auf. Überrascht weiteten sich ihre Augen.
"Hi...", begann sie unsicher.
"Dir scheint es ja schon wieder ziemlich gut zu gehen", bemerkte er. Dajana nickte nur und konzentrierte sich wieder auf den Salat.
Gut, scheinbar wollte sie nicht reden.
Doch Argos selbst hatte noch keine Lust, wieder zu gehen. "Wirst du Dimitri und Jenny heute nachmittag begleiten, wenn sie zu Mick reiten?"
Sie sah auf: "Kommst du auch mit?" Augenblicklich bereute sie ihre Worte. Das hatte viel zu hoffnungslos und definitiv anhänglich geklungen.
Wie peinlich.
Und sie schien ihn in Verlegenheit gebracht zu haben. Er fuhr sich mit einer Hand über den Hinterkopf und sah sie nicht an, als er antwortete: "Wenn du das willst."
"Schon gut," versuchte Dajana, den Moment zu retten, "du hast sicher wichtigeres zu tun." Wie oft hatte sie diesen blöden Salat jetzt schon gewaschen? Sie starrte ihn an und wünschte sich, sie wäre unsichtbar.
"Ich sagte dir doch, wenn du das magst, komm' ich mit dir." Argos stand plötzlich neben ihr und zog sanft ihre Hände aus dem Waschwasser. "Ich denke, das Grüne lässt sich nicht abwaschen."
Mit einem Zwinkern trocknete er dem verdutzten Mädchen die Hände. "Und lass dir von Rona eine Salbe für deine Hände geben."
Was konnte sie anderes tun als nicken? Argos lächelte sie noch einmal kurz an, dann holte er einen Stapel Geschirr aus einem Küchenschrank und verschwand im Esszimmer.
***
Zur Mittagszeit machten sich Jenny und Dimitri auf den Weg zurück. In Sichtweite des Hofs kam ihnen Lore entgegen.
"Da seid ihr ja! Ich wollte euch gerade zum Essen holen." Da bemerkte sie die ineinander verschränkten Hände der beiden. "Oh!" Sie sah die zwei mit erhobenen Brauen an. Sie zuckten verlegen mit den Schultern.
Da musste Lore herzlich lachen. "Das wurde ja auch mal Zeit."
Dimitri und Jenny sahen sie verwirrt an. War es so offensichtlich gewesen? Verdutzt folgten sie ihr zurück zum Hof.
***
Charlie öffnete die Tür beim ersten Läuten. "Hi." Sie lächelte freundlich.
Tarik hob grüßend die Hand.
"Freut mich, dass du so schnell hier sein konntest." Da erblickte sie Arman. "Und wer ist dein Freund hier?"
Wie vom Donner gerührt starrte Arman sie an. Tariks schlimmste Befürchtungen waren wahr geworden.
"Das weißt du nicht?", rief Tarik entgeistert.
Sie sah ihn verwirrt an. "Sollte ich?" Dann wandte sie sich wieder an Arman und betrachtete ihn näher. "Tut mir leid. Du kommst mir schon bekannt vor, aber mir fällt beim besten Willen nicht ein, woher."
Tarik sah sie eindringlich an. "Weißt du denn noch, wie wir uns kennen gelernt haben?"
"Na klar doch", erwiderte sie skeptisch. Irgendwie lief das Gespräch in eine Richtung, die ihr unheimlich wurde. "Wir waren doch vor zwei Jahren gemeinsam im Feriencamp."
Tarik schüttelte verwirrt den Kopf. "Und dann kannst du dich an Arman nicht mehr erinnern?"
Wieder betrachtete sie den ihr fremden, jungen Mann genauer. "Warst du auch dort?"
Noch immer unfähig, etwas zu sagen, nickte er. "Warst du auch ein Gast oder einer von Lore und Richards Kindern?", hakte Charlie nach. Er kam ihr definitiv bekannt vor, doch jedes Mal, wenn sie nach der Erinnerung greifen wollte, entglitt sie ihr wieder.
"Charlie..", brachte Arman schließlich hervor. Tarik kam ihm zur Hilfe. "Du weißt aber schon, dass das kein normales Ferienlager war?"
Sie verengte die Augen. "Was soll das den jetzt bitte heißen?" Und in so wenig Worten wie möglich, erzählte ihr Tarik von der Zauberwelt Namra und dass sie dort eine Wächterin und die Sternenfee war. Und dass sie dort fast ein Jahr mit Arman zusammengelebt hatte, bevor sie gestorben wäre, um ihm das Leben zu retten.
Völlig entsetzt starrte sie ihn an. "Tarik, hast du was genommen?"
"Es ist alles wahr, Charlie." Arman trat einen Schritt auf sie zu doch sie wich verängstigt zurück.
"Geht weg, ihr macht mir Angst," sagte sie mit zittriger Stimme und hob abwehrend die Arme. Arman griff nach ihrer Hand. "Charlie, du musst mit uns kommen."
"Lass mich los!" Panisch versuchte sie, sich seinem Griff zu entwinden, doch er hielt sie weiter fest.
"Nein, komm mit, Mick kann dir helfen."
Tarik versuchte die Situation zu entschärfen: "Vielleicht sollten wir besser.."
"Nein!", schrie ihn Arman wütend an, "Wir müssen sie zurück bringen!"
In dem Moment schlug Charlie zu. Arman taumelte einen Schritt zurück und sie wollte zurück ins Haus und die Türe schließen. Doch er fing sich zu schnell wieder und packte sie.
"Nein! Lass los!", schrie sie verzweifelt und krallte sich in seinen Arm, den er um ihre Hüfte geschlungen hatte. "Ihr seid wahnsinnig! HILFE!", rief sie mit aller Kraft.
"Verdammt noch mal, Tarik, hilf mir!", presste Arman hervor. Charlie schlug ihren Kopf nach hinten gegen seine Nase. Er stöhnte vor Schmerz, ließ aber noch immer nicht los.
"Tarik!"
Dieser hatte starr vor Schreck die ganze Szene beobachtet. Doch jetzt trat er vor und versuchte, beschwichtigend auf sie einzureden. "Charlie beruhige dich. Das ist alles nicht.."
"HILFE!!", schrie sie wieder und wand sich noch immer gegen Arman.
Tarik atmete zittrig aus. Das lief hier gerade alles völlig aus dem Ruder. Er trat einen weiteren Schritt nach vorne und legte einen Finger auf Charlies Stirn. Leise murmelte er ein Wort und augenblicklich sackte sie bewusstlos in Armans Armen zusammen. Er hob sie behutsam in seine Arme.
"Bist du komplett irre!?", fuhr Tarik ihn an.
Doch Arman ignorierte ihn. "Komm jetzt." Mit steinernem Blick trug er Charlie an ihm vorbei nach draußen.
Tarik blieb nichts anderes übrig, als ihm zu folgen.
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