Davonlaufen
Natürlich hatte Leia Bedenken, doch es war noch eine ganze Weile hin, bis zum nächsten Wochenende. Wer wusste schon was bis dahin noch alles geschehen würde.
In der Halle angekommen, stand ein Teil ihrer Klasse bereits an der Wand. Der andere Teil fehlte noch und wenige Schüler saßen auf der Bank. Das waren die unsportlichen, jene die keine Lust auf Sport hatten. Als Ash den Raum betrat, hielt Leia sofort die Luft an. Er trug eine kurze Hose, sodass sie seine stählernen Waden sehen konnte. Dazu trug er ein Tank Top. Unverschämt wie gut er aussah. Das musste verboten werden.
Wie konnte jemand in seinen Alter nur schon so muskulös sein?
Doch am meisten bewunderte Leia seine Tattoos.
Sein gesamter Körper schien ein einziges Kunstwerk zu sein. Gerne würde sie auch den Rest davon erspähen. Ihr wurde ganz anders bei dem Gedanken daran.
„Leia, mach den Mund zu. Du siehst aus als würdest du jeden Moment über ihn herfallen wollen", flüsterte Julie ihr peinlich berührt zu.
„Was?! Nein, ich habe nur... ich finde... ich mag seine Tattoos", stotterte sie flüsternd zurück und wandte schleunigst ihren Blick ab.
Die Hitze stieg ihr in die Wangen. Seit wann fand sie Jungs interessant? Leia ärgere sich über sich selbst. Gerade er. Ash, der ihr das Leben von der ersten Sekunde an an dieser Schule so schwer machte. Von nun an würde sie ihm die kalte Schulter zeigen und ihm aus dem Weg gehen. Dies schwor sie sich.
Auch wenn sie insgeheim wusste, dass dies wohl kaum möglich war.
„Sind alle da? Dann können wir beginnen. Fünf Runden warm laufen und keine Abkürzungen! Ich habe euch im Auge", gab der lange Dürre Sportlehrer mit der Glatze von sich.
„Das ist Mr. Roos, er ist ein Sportler durch und durch. Sehr streng, aber das wirst du noch merken", kicherte Julie. Während die beiden Mädchen zu laufen begannen.
„Das sieht man ihm schon an. Du hättest nichts sagen brauchen", gab Leia mit mit verzerrter Miene zurück.
Kaum hatten sie die ersten beiden Runden hinter sich, stieg Leia ein vertrauter Geruch in die Nase. Ein Duft der ihre Sinne benebelte.
„Na Ladys, seid ihr schon heiß? Also wenn ihr mich fragt, heißer geht's kaum", drang Ash's stimme rau an ihr Ohr.
Wohlige Schauer liefen in Wellen über Leia's rücken auf und ab. Allein der klang seine Stimme vermochte dies bei ihr auszulösen.
„Lass das Ash. Lauf einfach weiter!", zischte Julie. Sie sah Leia an, dass es ihr unangenehm war.
„Warum denn? Es erfreut mich zu sehen, wie Leia jedesmal aus ihrer Fassung gerät. Außerdem genieße ich gerade diese Aussicht", hauchte er rau lachend.
Nun wurde auch Julie feuerrot. Wie konnte jemand nur so offensiv flirten, obwohl er von Leia bereits mehrere Körbe bekommen hatte und das in gerade mal zwei Tagen.
Leia lief schneller. Das kribbeln war bereits erwacht und summte in ihrem Inneren sanft vor sich her. Wie ein Bienenstock, der gerade durch die ersten Sonnenstrahlen zum Leben erwacht war. Warum tut er mir das an? Warum?
Fragte sie in ihre Gedanken hinein.
Wollte er sie wirklich bis aufs äußere reizen? Wollte er sie bloß stellen? War er so ein widerlicher Arsch? Er hatte die Ornamente, die Zeichen genau gesehen. Dies hatte Ash ihr offenbart. Doch warum hatte er keine Angst vor ihr? Hatte er so etwas schon einmal gesehen? Kannte er vielleicht noch jemanden oder gar mehrere, welche wie Leia waren?
Ihre Gedanken fuhren Achterbahn. Sie hatte so viele Fragen, jedoch keine einzige Antwort dazu.
Vielleicht sollte sie in die Offensive gehen? Ash darauf ansprechen?
Nein, das würde sie nicht tun. Solle er doch glauben was er wolle. Nur noch zwei Stunden trennten sie vom Wochenende. Ein Wochenende, dass sie zum üben nützen würde.
„Miss Gastrell, es ist lobenswert wenn sie eine extra Runde drehen. Jedoch sollten sie sich nicht überanstrengen", ertönte die Stimme von Mr. Roos und riss Leia aus ihren wirren Gedanken.
Sie hatte nicht bemerkt, wie schnell sie gelaufen war. Leia hatte sogar erneut zu Julie und Ash aufgeholt. Denn jetzt fiel ihr auf, dass sie unmittelbar hinter den beiden lief. Ash wandte ihr grinsend sein Gesicht zu. Zwinkernd kam er und Julie zum stehen.
„Mann, Leia... du bist aber schnell. Hätte nicht gedacht, dass du so sportlich bist", hechelte Julie nach Luft japsend.
Verdammt, schon wieder hatte er es getan. Es schien ihn erneut zu belustigen. Rot vor Scham blieb Leia stehen und biss sich auf ihrer Unterlippe rum.
„Naja, ich habe früher Marathon gelaufen", log sie und funkelte Ash böse an.
Der wiederum grinste noch dreckiger als zuvor schon. Er grinste so sehr, dass sich ein Grübchen auf seiner rechten Wange bildete. Was Leia sehr süß fand.
Das Summen in ihr wurde etwas stärker, weshalb sich Leia schnell auf ihre Atmung konzentrierte. Denn sie trug nicht sonderlich viel Stoff über ihrer Haut. Es wäre fatal, wenn sich die Zeichen nun zeigen würden. Der Rest der zwei Stunden verliefen jedoch ohne weitere Vorkommnisse. Es wurde Völkerball gespielt. Was Leia genoss, denn Ash war im gegnerischen Team und wann immer Leia den Ball bekam, schleuderte sie ihn Ash um die Ohren. Leider jedoch nur einmal erfolgreich. Sie traf ihn voller Wucht am Hinterkopf, was ihr umgehend sogar leid tat. Ash grinste jedoch nur herausfordernd. Es schien ihm zu gefallen, dass Leia ihm soviel Aufmerksamkeit zukommen ließ.
Unter der Dusche war das kribbeln endgültig verstummt. Leia genoss das heiße wasser, dass auf ihren Körper prasselte und ihre Verspannungen liebkosend lockerte. Die letzte Stunde bei Mr. Brown verging wie im Zuge. Als das Läuten der Schulglocke erklang, waren alle umgehend in Aufbruchstimmung.
„Und du willst morgen wirklich nicht mit uns kommen?", tat Julie noch einen weiteren Versuch, Leia zum ausgehen zu animieren.
„Nein, nicht dieses Wochenende. Ich hab noch einiges zu tun. Aber nächsten Samstag bin ich dabei, versprochen", lächelte Leia ihrer neuen Freundin zu.
Mit einem gespielten Schmollmund nickte Julie und die beiden Mädchen verließen das Gebäude. Heute war es recht mild draußen. Kein Regen in Sicht, jedoch war der Himmel Wolkenbehangen.
Leia wank Julie zum Abschied zu und steuerte auf den Parkplatz zu.
Natürlich stand Ash an seinem Wagen gelehnt mit verschränkten armen, grinsend wie immer.
Leia würdigte ihn keines Blickes und ging stur weiter. Sein leises raues lachen vernahm sie, als sie die Straße erreicht hatte.
Blödmann.
Dachte sie schnaubend beim überqueren der Straße. Dann hörte Leia seinen Motor aufheulen.
Angeberischer Blödmann.
Grinste sie, während sie hurtig die Stufen in den Underground überwand. Die Bahn war heute extrem voll. Viele Firmen hatten nun bereits Feierabend. Leia blieb sowieso an einer der vielen Türen stehen. Nur für den Fall der Fälle.
Zuhause angekommen, stand ihre Mutter am Herd und bereitete die Gemüsesuppe zu, welche Leia so mochte.
„Na mein Engel, wie war die Schule?", gab ihre Mutter ihr einen Kuss und rührte die Suppe im Topf. Ehe sie die Platte ausschaltete und ihn vom Herd nahm, um den Topf in der Mitte des Tisches zu platzieren.
„Ganz okay. Wir hatten Sport und Julie, meine Banknachbarin ist wirklich nett.", antwortete sie ihrer Mutter und nahm Platz.
„Das freut mich. Bring sie doch mal mit. Ich würde Julie wirklich gerne kennenlernen", redete Susen weiter, während sie den Teller ihrer Tochter füllte.
„Ich werde sie bei Gelegenheit einladen. Mom die Suppe schmeckt, wie immer", lächelte Leia ihre Mutter an und aß nun schweigend ihren Teller leer.
„Was hast du morgen vor mein Engel? Ich werde erst gegen acht Uhr Zuhause sein", hakte Susen nach, während sie den Tisch abräumte.
„Nicht viel, ich werde meine Atemtechnik verbessern. Eventuell gehe ich in den Park, vorausgesetzt es regnet nicht", antwortete Leia und reichte ihrer Mutter das schmutzige Geschirr.
„In Ordnung mein Schatz, wenn du dich dann sicherer fühlst, übe weiter. Ich glaube jedoch, dass du es mittlerweile gut unter Kontrolle hast. Du solltest ausgehen, das Leben genießen. Aber tue das, was du für richtig hältst", nickte Susen ihrer Tochter zu und fuhr ihr liebevoll über ihr Haar.
Als das Telefon klingelte, eilte Susen Blitzschnell ins Wohnzimmer. Leia hörte ihre Mutter lachen. Als sie aus der Küche in den Flur schritt, spähte Leia in den Wohnraum hinein. Ihre Mutter schritt auf und ab, lächelte und redete wie ein Wasserfall. Daher vermutete Leia, Mina am anderen Ende der Leitung. Ein wehmütiges Lächeln bildete sich für einen Moment auf Leia's Lippen, ehe sie sich auf den Weg in ihr Reich machte. Dafür war sie ihrer Mutter sehr dankbar. Endlich hatte sie ihr eigenes Reich. Ein relativ großes Zimmer mit eigenem Bad. Alles fand darin Platz. Sogar ein kleines Sofa, könnte sich Leia kaufen, wenn sie das nötige Kleingeld dafür hätten. Was ja nun bald der Fall war. Ihr liebstes war jedoch ihr Bücherregal. Leia liebte es in fremde Welten einzutauchen, Abenteuer mit zu erleben. Das lesen hatte sie sehr früh für dich entdeckt. Immer wann sie die Gelegenheit dazu hatte, steckte ihre Nase in einem Buch. Manche hatte sie bereits mehrfach gelesen. Doch dieses Wochenende würde ganz ihrer Konzentration gehören. Sie legte ihren Parka und ihre Tasche ab und schmiss sich auf ihr Bett. Dann sah sie kurz auf ihr Smartphone.
Das Nachrichtenzeichen blinkte auf. Sie drückte auf das kleine Briefchen und starrte erschrocken auf die geschriebenen Worte.
Braves Mädchen, bleib schön Zuhause.
Wir wollen ja dein kleines Geheimnis wahren.
Leia's Herz klopfte wild. Die Nummer die ihr diese Nachricht geschrieben hatte, war nicht in ihren Kontakten gespeichert. Dennoch wusste sie genau, wer der Verfasser dieser Nachricht war. Ash.
Es konnte nur Ash sein. Aber woher hatte er ihre Nummer bekommen? Das kribbeln war zurückgekehrt. Leia war außer sich vor Wut. Hier in ihrem Reich, konnte sie jedoch sein wer sie wollte. So gab sie nach und ließ das kribbeln die überhand gewinnen. Umgehend fühlte sie sich stark, unbesiegbar. Leia mochte dieses Gefühl. Zumindest wenn sie alleine war.
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