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Kapitel 4: Die alte Welt

Noelle 

Gegenwart

Sie hatte geglaubt, dass der äußere Rand der Insel sich bereits allem entzog, was sie sich je hätte vorstellen können. Doch was sie nun sah, raubte ihr den Verstand. Strukturen von Straßen und Wohnhäusern waren wahllos zusammengewürfelt, miteinander verwachsen, allesamt überzogen mit einer Schicht von purpurnen Flechten und Geschwüren. Noelle glaubte sich klein, wie durch die Innereien eines Monsters laufend. Und hinzu kam der Gestank. Erst ganz unauffällig, wurde er stärker, je weiter sie sich dem Zentrum der Insel näherten. Es roch süßlich, bitter, nach Eiter und Blut. Es roch nach Tod. Es roch nach Verwesung.

Auf dem obersten Absatz einer Treppe, die am Rand eines schwarzen Abgrundes entlangführte, stoppte Noelle. Sie rannte zum Geländer, klammerte sich daran und schaffte nicht länger, ihr Frühstück in sich zu behalten. Sie hustete und hustete, bis Sterne über ihr Blickfeld tanzten, sie kraftlos nach vorne fiel und -

Noelles Hände schnellten zu ihrer Brille. Zu spät. Sie rutschte ihr von der Nase und stürzte hinab, wo das schwarze Nichts sie verschlang.

„He!" Etka packte sie am Kragen und riss sie vom Abgrund weg.
Dann stolperte Noelle rückwärts, bis eine Wand sie stoppte. Sie waren nicht einmal eine halbe Stunde unterwegs gewesen, waren nicht einmal gesprungen, und schon jetzt konnte sie sich nicht mehr auf den Beinen halten. Sie knickten ihr weg und ihr Körper folgte. Schwerfällig sank sie an der Wand hinab, bis sie saß. Sie spürte die Wärme in ihrem Rücken, das warme Pulsieren eines lebenden Organismus. Noelle hatte nicht die Kraft, sich dagegen zu sträuben oder davor zu ekeln.

Sonja hielt ihr eine Thermoskanne und ein sandfarbenes Stofftuch entgegen. „Trinken. Dann halt dir das vor die Nase! Los!"

Noelle nickte und tat wie geheißen. Das Wasser schmeckte fade, nicht lebendig und erdig wie das Regenwasser, das sie an Bord der Kolonie sammelten, sondern destilliert und leblos, wie aus einem Labor. Die Schlucke rannen ihre Kehle hinab und mit jedem gewann Noelle ein Stück ihrer Kraft zurück.

„Es schmeckt nicht sonderlich gut", gestand Etka, den Blick auf Noelle gerichtet. „Aber es ist mit wichtigen Mineralien versetzt. Es wird dir guttun."
„Mineralien?"
„Frag deine Mutter, wie die das hinbekommen haben, nicht mich", sagte er. „Ich weiß nur, dass es rar ist und du jeden Schluck genießen solltest."
Noelle atmete tief durch und nahm bedächtig einen weiteren. Noch einen und noch einen, bis die Flasche leer war. Die Kraft kehrte zurück in ihre Glieder, aber nicht in dem Maße, wie Noelle es gewohnt war.

„W-wie lange noch?", keuchte sie.
Noelle fühlte sich elend, diese Frage zu stellen. Sie waren vielleicht gerade einmal eine halbe Stunde unterwegs und schon verließ ihre Kraft sie.
Sonja und Etka wechselten besorgte Blicke. „Ein wenig wird es noch dauern."
Seit sie die Eingeweide der alten Welt betreten hatten, hatte Noelle Etkas Ohren kein einziges Mal stillstehen sehen. Sie drehten sich unaufhörlich, zuckten und zitterten. Ob er all die Zeit über die Umgebung nach auffälligen Geräuschen absuchte? Noelle konnte sich indes mit jedem Schritt weniger vorstellen, dass auf diesen schaurigen, höllengleichen Kreuzungen einst der Puls einer Zivilisation geschlagen hatte. Selbst die alte Kolonie, Eden, war nur ein Schatten dessen gewesen, was einst der Menschheit gehört hatte.
„Außerdem müssen wir in Bewegung bleiben", sagte er. „Verweilen wir zu lange, könnten sie uns bemerken."

„Sie ...", echote Sonja ehrfürchtig. „Hast du einen von ihnen hören können?"
„Noch nicht. Es ist leise."
„Ein gutes Zeichen?", fragte Noelle hoffnungsvoll.
„Kommt ganz drauf an."
Die alte Welt war still. Um Geräusche zu produzieren, bräuchte es Leben und dieses Leben gab es nicht mehr, zumindest nicht in Form von Menschen, Pflanzen oder Tieren. Abseits der Wucherungen sprossen in den Ecken Pilze und Schimmel. Noelle streifte versehentlich einen der kleinen Hutträger mit der Hand und riss ihm die Kopfbedeckung weg. Ein Schauer durchfuhr sie.
„Wir sollten zumindest zu den anderen hinzustoßen", sagte Artemis. „Kannst du wieder gehen Noelle?"

Die Angesprochene nickte, band sich das Tuch um und stütze sich ab, musste jedoch feststellen, dass ihre Beine ihr nicht gehorchten. Irgendetwas drückte sie zu Boden. Angst? Oder war es das Miasma, von dem dieser Ort nur so triefte und das ihr bei jedem Atemzug die Kehle zuschnürte. Sie versuchte es mehrmals. Bis Sonja Artemis ihren Rucksack reichte, sich umdrehte und hinhockte.

„Halt dich fest. An meinen Schultern."
„Aber du kannst ... du kannst mich doch nicht tragen!"
„Willst du getragen werden oder willst du zurückgelassen werden?"
Noelle griff nach den Schultern der Gehörnten. Mit Leichtigkeit, als trüge sie nur eine Tasche, stand sie auf und setzte sich in Bewegung.
„Es ist nicht mehr weit, ich spüre das", kündigte sie an. „Los!"

***

Nicht mehr weit. Noelle empfand die Strecke alles andere, nur nicht als nicht mehr weit. Stunden später erreichten sie eine Lichtung. Zumindest assoziierte Noelle den Anblick, der sich ihr nun bot, damit. Eigentlich war es nur ein großer, runder, leerer Platz, in dessen Mitte ein Lagerfeuer brannte.

„Hier müssten sie sein", erklärte Etka.
Noelle richtete ihren Blick zu der kuppelähnlichen Vorrichtung, die sich durch die Geschwüre, tote Bäume, die wie die Rippenknochen einer riesigen Bestie aus der Erde ragten, und bleichgraue Ruinen mit Einschusslöchern über ihnen hinwegspannte. An der höchsten Stelle war ein Loch ausgespart, durch das sich der Rauch des Lagerfeuers seinen Weg hindurch, bis an den, vom Sonnenuntergang eingefärbten, Himmel bahnte. Sie waren noch immer nicht gesprungen. Das war noch immer der echte Himmel. Ihre Glieder entspannten sich, sie atmete erleichtert aus.

Sobald sie am Feuer ankamen und Sonja sie absetzte, blitzte etwas in ihrem Augenwinkel auf. Noelle wandte sich um und sah, dass aus den Häusereinbuchtungen rundherum Menschen aus ihren Verstecken kamen. Sie erkannte all die populären Springer, die in der Kolonie wie Stars gefeiert wurden. Nur entstellten sie nun seltsame Mutationen, grimmige Gesichtern und klaffende Wunden. Wenn Noelle noch etwas im Magen getragen hätte, sie hätte es jetzt wieder verloren.

Eine Frau trug den Kopf eines Wolfes, ein Mann hatte vier Arme und noch ein anderer überragte seine Kollegen um mindestens zwei Köpfe, da seine Arme und Beine jeweils ein Gelenk mehr besaßen. Allesamt hatten sie irgendwelche tierischen Eigenschaften. Noelle konnte auch erkennen, bei wem die Mutationen weiter fortgeschritten waren und bei wem sie gerade erst ausgebrochen sein mussten. Die Frau mit dem Wolfskopf näherte sich ihnen zuerst.
„Luna", begrüßte Sonja sie mit einer Umarmung, „Gut, dass ihr hier seid."
Die Angesprochene ließ ein kehliges Knurren verlauten, das Noelle erst beim genaueren Hinhören als ein Lachen erkannte. Artemis beugte sich zu ihr herunter.

„Unsere Truppenanführerin", erklärte er. „Sie ist vorgegangen und wird uns nachher begleiten."
Besagte schien zu spüren, dass über sie geredet wurde. Sie wandte sich um und ihr Blick fing Noelles auf. Sobald das Mädchen ihre Augen sah, erinnerte sie sich. Sie kannte Luna, wenn auch mit dem Kopf einer Frau, mit baumrindenbraunen Augen, wilden schwarze Locken und einem herausfordernden Grinsen.

„Noelle Faust." Aus dem Lachen wurde ein tatsächliches Knurren. „Die Höflichkeit hast du wohl in der Kolonie gelassen."
Noelle schüttelte hastig den Kopf. Sie stand auf, verbeugte sich und murmelte eine Entschuldigung, dabei wusste sie nicht einmal wofür.
Luna zog die Lefzen hoch. „Denk bloß nicht, dass wir dich wie eine Prinzessin behandeln. Nur weil deine Mutter -"

„Genug!" Sonja stieß sie in die Seite. „Du siehst doch, dass sie weint!"
Weinen? Noelle bemerkte es erst, als die Träne ihre Wange hinabgeronnen war und auf den Boden traf. Warum weinte sie?
„Das war doch nur ein Spaß!", gab Luna gekränkt zurück.
„Gut so", murrte Sonja.
Noelle führte ihre Hände zum Gesicht. Immer mehr Tränen entwischten ihren Augen, sie ließen sich kaum mehr stoppen. Verdattert nahm sie Brille und Tuch ab, um sich mit Letzterem trocken zu tupfen.
„Ich bin nicht traurig", versuchte sie sich zu rechtfertigen, „Ich weiß nicht warum. Ich weiß nicht -"

Ihr Herz machte einen Satz und Noelle glaubte kurz, es emporwürgen zu müssen. Sie wusste ganz genau, warum sie weinte. Ihr Körper reagierte auf etwas. Etwas, was die anderen Springer nun ebenfalls zu bemerken schienen. Sonja trat unsicher von einem Fuß auf den anderen. Etka drehte sich um die eigene Achse, die Ohren zuckten noch wilder als auf dem Weg hierher.
„Wir müssen springen", verkündete Artemis. „Jetzt!"
„Jetzt?" Noelles Stimme klang schrill. Sie räusperte sich und wiederholte ihre Frage. „Jetzt? Jetzt springen? Aber -"
„Er hat recht", unterbrach Etka sie. „Sie haben uns aufgespürt."
„Verfickte Scheiße!", rief Luna. „Aber die Kundschafter sind noch nicht zurück. Wir müssen auf sie warten!"
„Warten und sterben?", fragte Etka.
Luna unterdrückte einen frustrierten Aufschrei, der aus ihrer Hundeschnauze wie ein Jaulen klang.

Dann wandte sie sich an den Rest des Trupps. „Wir springen!"
Noelle hätte erwartet, dass das Schattenspringen schillernder ablief, wie der Sprung durch ein Portal. Doch einer nach dem anderen stellte sich in das Licht des Feuers, klemmte die Arme eng an den Körper und ließ sich rückwärtsfallen. Dort, wo sie auf den Boden hätten treffen sollen, tauchten sie ein, wie in Wasser.

„Noelle!" Etka packte sie an den Schultern. „Ich helfe dir! Bereit?"
Noelle spürte die heißen Tränen ihre Wangen entlanglaufen.
Ihre Stimme bebte. „Was, wenn es nicht geht? Ich kann nicht! Ich -"

Etka schubste sie von sich. Noelle ruderte mit den Armen. Ein stummer Schrei entfuhr ihren Lippen, während sie rückwärts Richtung Boden stürzte. Sobald sie glaubte, aufzuprallen, gab der Beton nach und das Schwarz ihres eigenen Schattens verschluckte sie.


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