Kapitel 14
Karasu ließ den schwarzen Ring durch seine Finger wandern und drehte diesen hin und her. Er wusste nicht so recht, was dieses Gefühl war, was sich seit Neustem immer wieder in seiner Brust ausbreitete. War es die ihm eigentlich allzu gut bekannte Wut, die ihn durchströmte und sich nun als etwas anderes ausgab, sich anderes anfühlte? Oder war es vielleicht etwas Neues? War es vielleicht Enttäuschung, dass Koko ihn verraten hatte? Oder war es Beunruhigung? Die Angst, etwas Schlimmes könne nun passieren? Oder war es tatsächlich so etwas wie Sorge?
Aber Sorge worum? Um Koko? Um sich selbst? Um Nemesis?
Karasu schüttelte den Kopf, als hätte er die Gefühle so abschütteln können. „Nein,", dachte er, „Es kann nichts davon sein." Es war Rachsucht oder jedenfalls wollte er, dass es Rachsucht war. Karasu hatte sie schon so häufig verspürt und doch hatte sie nun ein neues Ziel gefunden; Voice Dankworth. Karasu hatte diesen Namen immer wieder in seinem Kopf wiederholt und jedes Mal, wenn er ihn auch nur für eine Sekunde lang sah, vergraute es seine Laune.
Karasu konnte wirklich nicht noch einen Feind gebrauchen. Wieso musste ihm alle dieses Jahr kaputt machen? Es hätte doch so schön werden können.
Ein Jahr gemeinsam mit Nemesis. Sie hätten gegeneinander im Turnier kämpfen und sich messen können. Eine schöne Vorstellung, doch es war nur ein entfernter Tagtraum.
Karasu sah hinauf in den grauen Himmel. Vielleicht könnten er und Nemesis eines Tages irgendwo weit von hier weg zu zweit sein. Nur sie beiden, irgendwo, wo keiner sie nerven konnte.
Plötzlich konnte er hören, wie Menschen an ihm vorbeirannten und er senkte seinen Blick, gerade noch schnell genug, um zu sehen, dass es einige Lehrer waren, angeführt von einem Hogwartsschüler.
„Beeilt euch. Es kommt vielleicht auf jede Sekunde an.", rief eine der Lehrerinnen von Hogwarts und sie eilten über den Hof ins Gebäude hinein.
Karasu rappelte sich auf. Das sollte er sich nicht entgehen lassen. Vielleicht würde ihn dies ja ablenken, was auch immer passiert war.
Er lief der Gruppe hinterher. Auch er hatte es eilig, er wollte sie nicht verlieren. Und schließlich kamen sie an einer Masse an Schülern an, welche aufgeregt murmelten. Karasu schob sich hinter den Lehrern her an den Schülern vorbei. Dank seiner kleinen und dünnen Statur fiel es ihm nicht sonderlich schwer. Als er in der ersten Reihe angekommen war, stand Nemesis neben ihm und betrachtete, das Geschehene mit hochgezogenen Augenbrauen.
Ein Mädchen lag auf dem Boden. Blut um sie herum, die Lehrer nun über sie gebeugt. Einer von ihnen nutzte einen Zauber, um die Blutungen zu stoppen. Ihr Gesicht war von hier aus nicht zu erkennen und die blonden Haare waren vom Blut rot gefärbt. Nur die blau-rote Uniform verriet, dass es sich um eine Ilvermorny Schülerin handeln musste.
Was war nur geschehen? Wusste Nemesis vielleicht mehr?
„Sofort alle in die große Halle! Schülersprechen und Vertrauensschüler, sammelt alle Schüler augenblicklich ein und führt sie dorthin!", befiel eine der Lehrerinnen.
Nemesis drehte sich um: „Ihr habt sie gehört. Bewegt euch!", fauchte er und sofort setzte sich die Menge in einem einzigen Durcheinander in Bewegung.
Karasu und Nemesis schlossen sich der Menge an, doch kaum waren sie einige Gänge weiter, packte Nemesis Karasu am Arm und hielt ihn zurück: „Bitte sag mir, dass du damit nichts zu tun hast." Karasu sah ihn nur verwirrt an. „Natürlich nicht.", fauchte er, „Was hätte ich denn für einen Grund gehabt?"
Nemesis sah ihm noch einige Momente tief in die Augen, als wäre er sich nicht sicher, ob er ihm glauben solle. Doch Nemesis kannte ihn am besten. Er sollte eigentlich wissen, dass er niemals jemanden einfach so angreifen würde, wenn es ihm nicht irgendetwas bringen würde. Und außerdem würde er definitiv diskreter vorgehen und es nicht direkt auf dem Gang tun.
„Sie gehört zu Voice.", sagte Nemesis nun und Karasu sah ihn überrascht an: „Woher weißt du das denn jetzt schon wieder?" „Koko hats mir gesagt."
Koko? Wieso hatte er denn mit Koko gesprochen?
„Und wieso sollten wir das glauben, was Koko sagt?", fragte Karasu mit erhobenem Haupt und in seiner Brust breitete sich Wut aus. Nemesis sah ihn ernst an. „Ich glaube, dass du sie zu voreilig verurteilt hast.", sagte er, „Ich hab etwas herausgefunden. Aber lass uns später darüber reden. Jetzt muss ich erstmal meine Aufgabe als Schulsprecher erfüllen."
Karasu konnte die Besorgnis in Nemesis Augen nicht leiden. Sie passte einfach nicht zu ihm und Karasu wollte glauben, sie sei nur gespielt, doch es gab keinen Grund, weshalb Nemesis ihm hätte etwas vorspielen sollen.
„Koko hat uns verraten.", sagte Karasu und verschränkte die Arme, „Da gibt es nichts zu bereden." Nemesis seufzte: „Wie kannst du nur intelligent und gleichzeitig so dumm sein." Karasu funkelte ihn wütend an. „Was soll das denn heißen?", er zog die Augenbrauen hoch, während Nemesis und er ihren Weg den Gang entlang fortsetzten. „Das ist sicherlich genau, was Voice will; Uns auseinandertreiben.", sagte Nemesis und Karasu konnte aus dem Augenwinkel das rote Funkeln in seinen Augen sehen, dass er so liebte, „Er weiß genau, dass er es niemals mit uns aufnehmen kann, solange wir zusammen sind."
Karasu wurde still. War Voice denn wirklich so intelligent, dass er solche Psychospielchen treiben würde? Dabei waren Psychospielchen doch sonst eher Karasus und Nemesis Ding. Würde Voice wirklich versuchen, Feuer mit Feuer zu bekämpfen?
Nemesis blieb erneut stehen. Er sah einen Augenblick tief in Karasus nachdenkliche Augen. „Lass uns erst herausfinden, was passiert ist. Ich verspreche dir; Sollten wir herausfinden, dass Koko freiwillig geredet hat, dann werde ich dir deine Rache nicht verwehren."
„Und sollte nicht ihre Schuld sein?", fragte Karasu. Nemesis kam Karasu herausfordernd näher: „Dann werden wir alles, was Voice lieb ist in Brand setzten."
Ein lautes Durcheinander herrschte in der großen Halle und niemand schien so recht zu wissen, was vor sich ging. Adriana erfüllte ein mulmiges Gefühl. Wenn sie ohne Grund alle in die große Halle beorderten, konnte das nichts Gutes heißen, oder?
„Ich habe gehört eine Ilvermorny Schülerin sei schwer verletzt worden.", sagte ein braunhaariges Hogwarts Mädchen, dass sich gerade an ihr vorbei schob, um zu einem Beauxbatonsschüler zu gelangen. „Hier verletzen sich doch ständig Leute. Wieso so ein großer Aufstand?", fragte dieser und kratzte sich am Hinterkopf. „Vielleicht wurde sie angegriffen oder so. Wäre hier an der Schule nicht das erste Mal.", antwortete das Mädchen und setzte sich neben ihn.
Bei dieser Vorstellung drehte sich Adriana der Magen um und ihr wurde schwindelig. Scheinbar sah man es ihr an, denn der Beauxbatonsschüler sah plötzlich an dem anderen Mädchen vorbei zu Adriana hinüber und fragte: „Geht es dir gut?"
Andriana zuckte halbherzig mit den Schultern. Sie war gerade einfach ein wenig überfordert. Wenn wirklich eine Schülerin aus ihrer Schule angegriffen worden war, hatte sie so viele Fragen. Wieso und wer? Müsste sie jetzt auch befürchten, angegriffen zu werden?
„Du solltest dich vielleicht setzten.", sagte der Junge nun und zog sich am Ärmel hinunter auf die Bank. Die Blicke der beiden waren ernsthaft besorgt. „Vielleicht ist das ja auch nur ein Gerücht.", sagte das Mädchen nur, „Nur weil das irgendwelche Schüler erzählen, heißt es ja nicht, dass es stimmt."
Sie klang selbst nicht so ganz überzeugt, aber Adriana wusste zu schätzen, dass sie wenigstens versuchte, sie zu beruhigen, obwohl sie einander nicht einmal kannten. „Wie heißt du?", fragte das Mädchen schließlich. Sie wollte wohl versuchen, Adriana abzulenken und sie versuchte sich so gut es ging darauf einzulassen.
„Adriana Ramírez.", sagte sie und versuchte ein Lächeln aufzusetzen. Das braunhaarige Mädchen streckte ihr ihre Hand entgegen: „Ella Potter. Und das ist Alvar..." Sie sah ihn einen Moment nachdenklich an, dann lehnte er sich nach vorne und sagte: „Ruiz, aber das ist wirklich nicht so wichtig." Er lächelte charmant, doch Adriana starrte einfach nur Ella an.
Der Name Potter kam ihr verdächtig bekannt vor, doch sie konnte einfach nicht ausmachen, wo sie ihn schonmal gehört hatte.
Der Junge, Alvar, sah sie belustigt an. „Er ist ihr Cousin.", sagte er und Ella versetzte ihn einen Schubs in die Seite. Das Fragezeichen in Adrianas Kopf war nur noch größer geworden. Wer war ihr Cousin?
Ihre Ahnungslosigkeit war ihr wohl ins Gesicht geschrieben, denn er fuhr fort: „Harry Potter? Der Junge, der überlebt hat und Voldemort zum Fall gebracht hat?" „Musst du das rumerzählen? Ich bin auch mal froh, wenn mich nicht immer alle darauf reduzieren!", fauchte Ella und Adriana lächelte sie an: „Keine Sorge, in Ilvermorny wirst du noch einige finden, die nicht viel mit der Britischen Zauberer Geschichte am Hut haben."
Adriana hatte zwar nach Alvars kleinen Hilfen wieder gewusst, weshalb sie den Namen Potter bereits kannte, doch in Amerika interessierten sich die Leute für gewöhnlich nicht sonderlich für die Geschichte der Zauberei aus anderen Ländern.
Plötzlich schwang die große Flügeltür der großen Halle mit einem gewaltigen Rumms zu. Dumbledore war zuletzt hineingekommen und hatte sie mit einem Flick seines Zauberstabes zufliegen lassen. Er eilte nun durch die Masse der verwirrten und teils verängstigten Schüler. Sein grau-silberner Umhang wehte theatralisch hinter ihm her und als Adriana einen kurzen Blick in sein Gesicht erhaschen konnte, dachte sie einen Hauch an Besorgnis darin zu erkennen.
Er blieb am Rednerpult stehen. Augenblicklich wurde die große Halle still und alle Augen waren auf ihn gerichtet. Er seufzte.
„Meine Lieben Schüler und Schülerinnen. Mit Bedauern muss ich euch mitteilen, dass sich an diesem Nachmittag etwas Grauenvolles in unserer Schule zugetragen hat." Die Besorgnis schwing nun ganz eindeutig in seiner Stimme mit und wieder drehte sich Adrianas Magen um. „Eine Schülerin wurde schwer verletzt und musste augenblicklich ins Sankt Mungos Hospital verfrachtet werden. Ihre Verletzungen wurden eindeutig von einem Menschen verursacht."
Adriana wurde schwindelig. Am liebsten hätte sie sich auf ihre eigenen Füße übergeben. Alvar und Ella tauschten besorgte Blicke aus und als Ella Adriana ansah, legte sie ihr einen Arm um die Schulter. Sie war wirklich lieb.
„Daher müssen in dieser Nacht alle Schüler und Schülerinnen hier in der großen Halle bleiben, bis das gesamte Schulgelände nach möglichen Eindringlingen durchsucht und die Auroren mögliche Spuren sammeln konnten.", Dumbledore sah über seine halbmondförmigen Brillengläser zu ihnen hinunter., „Hoffen wir alle, dass sie schnell etwas finden."
Und wenn sie nichts finden würden? Würde das dann heißen, der Täter würde weiterhin frei herumlaufen? Würde das vielleicht bedeuten, der Täter wäre einer der Schüler oder der Lehrer?
In der großen Halle herrschte berückte Stimmung und Paulina hatte beinah das Gefühl, als würde sie davon erdrückt werden. Es viel ihr nicht schwer, positiv zu bleiben, wenn ihre Mitschüler sich über sie lustig machten oder Jason und Sabrina sich über sie aufregten, aber eine solche Gewalttat löste selbst in ihr ein ungutes Gefühl aus.
Sie saß im Schneidersitz auf dem Boden auf einer der ausgelegten Matratzen, neben ihr Anthony. Sie hatten sich extra einen Platz weit weg von den anderen Durmstrang Schülern gesucht. So mussten Anthony und sie wenigstens heute mal etwas Ruhe und Frieden. Seit der letzten Prüfung waren die Beschimpfungen ihrer Mitschüler noch schlimmer geworden und auch wenn sich immerhin Jason inzwischen ein wenig zurückhielt, fiel es Paulina zunehmend schwerer, ihre positive Art beizubehalten und an manchen Tagen bereute sie es sogar, sich für das Turnier beworben zu haben.
Einige Reihen weiter schoben sich Jason und Sabrina durch die Reihen der Matratzen und suchten offenbar nach einem Platz. Es entging Paulina nicht, dass Jason Sabrinas Hand fest umschlossen hielt und sie konnte sich gut vorstellen, wie Sabrina so tat, als hätte sie furchtbare Angst, einfach damit Jason sich um sie sorgte. Sie wusste eben genau, wie man Jungs um den Finder wickelt.
Paulina grinste nur, als Jasons Blick auf den ihrigen traf und zu ihrer Überraschung lächelte er verlegen zurück. „Scheint so, als würden die beiden es endlich auf die Reihe bekommen.", sagte Paulina und drehte sich zu Anthony um, doch dieser hörte ihr gar nicht zu.
Verträumt starrte er zu dem zierlichen Mädchen mit den smaragdgrünen Augen hinüber. Seit er in ihrem Notizbuch gelesen hatte, schien sein Kopf wirklich nur noch bei ihr zu sein. „Tony!", stöhnte Paulina und rüttelte an seinem Arm, „Ich versuch hier mit dir zu reden!"
„Mh?", machte er nur, ohne sie anzusehen. Paulina seufzte: „Wie schaffst du es, dich ständig in Mädchen zu verlieben, mit denen du noch nie ein Wort gewechselt hast?"
Es war einige der wenigen Dinge, die Paulina an ihren Bruder nicht leiden konnte, denn es war andauernd so. Jedes Mal verliebte er sich in irgendeins der Mädchen, die noch nicht einmal seinen Namen kannten. Und Paulina? Sie durfte sich dann jedes Mal um ihn kümmern, ihn wieder aufbauen, wenn ihm sein kleines Herz wieder einmal gebrochen wurde und er weinend auf seinem Bett lag und laut zu „I wanna know what love is" mitsang, als hätte er gerade die Liebe seines Lebens verloren.
Eigentlich war es ja ganz niedlich, dass er an die wahre Liebe glaubte und so sensibel war, doch auf Dauer war es echt anstrengend, sich immer wieder darum kümmern zu müssen und Paulina wünschte sich, dass er wenigstens einmal glücklich verliebt sein würde.
„Das stimmt doch so gar nicht.", sagte Tony nun und warf Paulina nur einen flüchtigen Blick zu, „Ich hab ihr letztes Jahr mal die Türe aufgehalten, dafür hat sie sich bedankt. Und im dritten Schuljahr da hat sie mir mal gesagt, dass ich besser aufpassen soll, wo ich hinlaufe, nachdem ich sie umgerannt habe."
Paulina zog eine Augenbraue hoch. Das konnte man wohl kaum als Gespräch bezeichnen.
„Ich würde sie gerne fotografieren. Denkst du, sie lässt mich ein Foto von ihr machen, wenn ich sie frage?", plötzlich drehte Anthony sich energetisch zu ihr um, seine Kamera fest umschlossen. „Ich denke wohl kaum.", antwortete Paulina und stieß ihrem Bruder leicht in die Seite, „Außerdem solltest du die Kamera vielleicht besser wegstecken. Es ist nicht der Zeitpunkt..."
„Ich werd sie fragen, ob wir zusammen zum Ball gehen werden!", sagte er entschlossen und wollte gerade aufspringen, doch Paulina packte ihn abrupt am Saum seines Hemdes. „Jetzt ist wirklich nicht der richtige Zeitpunkt dafür! Hast du schon vergessen; Eine Schülerin ist fast getötet worden." Sie warf ihm einen strengen Blick zu. Sie konnte die Enttäuschung in seinen Augen sehen, doch er stimmte er mit einem knappen Nicken zu und sie ließ ihn wieder los.
„Du kannst sie ja morgen fragen.", Paulina schenkte ihm ein tröstendes Lächeln und er nickte erneut.
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