E L F
Elara konnte kaum atmen, während Lysanders Worte in ihrem Kopf widerhallten. Der Verräter ist näher, als du denkst. Der Raum, der eben noch still und sicher wirkte, schien sich plötzlich bedrohlich zusammenzuziehen. Jeder Schatten in der Ecke, jedes Flackern der Kerze auf dem Tisch fühlte sich wie eine versteckte Gefahr an.
„Wie finden wir sie?" flüsterte Elara, unfähig, den Kloß in ihrer Kehle zu schlucken. Ihre Hände waren schweißnass, und sie bemerkte, wie Gawain ihr einen besorgten Blick zuwarf.
Lysander lehnte sich zurück und rieb sich die Schläfen, als würde der Gedanke an das, was er gleich sagen musste, ihn quälen. „Ihr müsst vorsichtig sein, Prinzessin. Diese Leute haben sich jahrelang vorbereitet. Sie haben überall Augen und Ohren. Ein falscher Schritt, und sie werden wissen, dass ihr auf sie aufmerksam geworden seid."
„Und was schlägst du vor?" Gawain trat vor, seine Stirn in tiefen Falten. „Wir können doch nicht einfach herumsitzen und nichts tun."
Lysander betrachtete ihn einen Moment lang, dann nickte er langsam. „Es gibt einen Ort im Schloss, an dem sich diese Verschwörer regelmäßig treffen. In den alten Gemächern, weit unter den Thronsälen. Ein Geheimgang führt von der Bibliothek dorthin. Sie haben ihn seit Jahren für ihre Machenschaften genutzt, und ich vermute, dass ihr dort Antworten finden werdet."
„Die alten Gemächer?" Elara erinnerte sich dunkel daran, dass sie früher Geschichten über diese geheimen Räume gehört hatte, als sie noch ein Kind war. Ein Ort, der in den tiefsten Eingeweiden des Schlosses lag, vergessen und verlassen. Aber jetzt, mit diesem Wissen, erschien er in einem ganz neuen Licht.
„Aber es ist gefährlich," fügte Lysander hinzu. „Wenn sie euch dort entdecken, wird es kein Zurück mehr geben. Sie werden euch töten, bevor ihr auch nur den Mund öffnen könnt."
Elara nickte langsam. „Wir haben keine andere Wahl," sagte sie, ihre Stimme fest. „Wenn wir den Verräter entlarven wollen, müssen wir dieses Risiko eingehen."
Gawain sah sie skeptisch an. „Bist du sicher, dass das klug ist? Wir könnten jemanden als Spion schicken, um mehr Informationen zu sammeln."
Elara schüttelte den Kopf. „Es muss jetzt sein. Ich habe das Gefühl, dass wir keine Zeit mehr haben. Aric wird bald seinen nächsten Zug machen, und wenn wir bis dahin nicht wissen, wer hinter all dem steckt, ist das Königreich verloren."
Gawain runzelte die Stirn, aber nach einem Moment nickte er. „Dann los. Wir dürfen keine Zeit verlieren."
Lysander erhob sich schwerfällig von seinem Stuhl und zog aus einer versteckten Ecke des Raumes eine alte Karte hervor. Er entfaltete sie auf dem Tisch, und das Pergament knisterte leise in der stillen Luft. „Das hier zeigt den Weg durch die Geheimgänge des Schlosses. Ihr müsst vorsichtig sein. Die Gänge sind voller Fallen und Abzweigungen. Es gibt nur einen richtigen Weg."
Elara betrachtete die Karte aufmerksam und prägte sich den Weg ein, während Gawain seine Hand auf ihre Schulter legte. „Wir schaffen das," sagte er leise, und sie spürte die Wärme seiner Hand durch den Stoff ihres Kleides. Doch tief in ihrem Inneren konnte sie das Unbehagen nicht abschütteln.
„Danke, Lysander," sagte sie schließlich, als sie die Karte einrollte. „Wir werden vorsichtig sein."
„Möge das Schicksal mit euch sein," erwiderte Lysander, seine Augen müde und voller Sorge. „Und passt aufeinander auf."
Sie hatten den Geheimgang in der Bibliothek schneller gefunden, als Elara erwartet hatte. Eine unscheinbare, längst verstaubte Bücherreihe hatte den verborgenen Hebel verdeckt, und als sie ihn zogen, öffnete sich eine schwere Steinplatte mit einem dumpfen Geräusch. Dahinter erstreckte sich ein enger, feuchter Gang, der in die Tiefen des Schlosses führte.
„Bleib dicht bei mir," murmelte Gawain, während sie den schmalen Korridor betraten. Die Wände waren kalt und glitschig, und nur das leise Tropfen von Wasser begleitete ihre Schritte. Jeder Schritt schien lauter zu sein, als er sollte, und Elara konnte das Zittern in ihren Händen nicht unterdrücken. Ihre Nerven waren zum Zerreißen gespannt.
„Wenn das hier wirklich der Ort ist, an dem sie sich treffen, dann müssen wir uns beeilen," sagte Gawain, während sie eine steile Wendeltreppe hinabstiegen. „Je länger wir hier unten sind, desto größer die Gefahr."
Elara nickte stumm. Sie wusste, dass er recht hatte, aber es fühlte sich an, als wären die Wände des Ganges lebendig, als würden sie auf sie zukommen, sie erdrücken. Es war, als hätte dieser Ort seine eigene böse Seele.
Endlich erreichten sie eine schwere Eisentür am Ende des Korridors. Gawain zögerte kurz, bevor er sich umdrehte und Elara anblickte. „Bereit?" flüsterte er.
„So bereit, wie ich es je sein werde," antwortete sie leise, das Herz hämmerte in ihrer Brust.
Gawain legte die Hand auf den Türknauf, doch in diesem Moment durchfuhr Elara ein seltsames Gefühl. Etwas stimmte nicht. Es war, als hätte sich die Luft um sie herum verändert – eine unsichtbare Spannung, die plötzlich greifbar wurde. Sie wollte etwas sagen, doch die Worte blieben ihr im Hals stecken.
Gawain drückte die Tür langsam auf, und sie traten in den Raum dahinter. Elara hatte erwartet, einen düsteren, verlassenen Ort vorzufinden, aber stattdessen sah sie einen Raum, der seltsam vertraut wirkte. Ein langer Tisch, Fackeln, die die Wände beleuchteten, und... Männer, die um den Tisch versammelt waren.
„Was...?" Elaras Stimme war kaum mehr als ein Flüstern.
Die Männer drehten sich um, und plötzlich erkannte sie ein Gesicht. Aric. Er stand am Kopf des Tisches, seine Augen auf sie gerichtet, ein triumphierendes Lächeln auf seinen Lippen.
„Willkommen, Prinzessin," sagte er leise, während die Tür hinter ihr zuschlug.
Gawain stand neben ihr, doch er machte keine Anstalten, sein Schwert zu ziehen. Stattdessen ließ er seine Hand langsam sinken, und als Elara ihn ansah, traf sie ein Schlag. Sein Gesicht war kalt, emotionslos.
„Gawain?" Ihre Stimme bebte. „Was ist hier los?"
„Es tut mir leid, Elara," sagte Gawain leise, doch in seiner Stimme lag keine Reue. „Es musste so kommen."
Elara spürte, wie ihr Herz in tausend Stücke brach.
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