Kapitel 23 - Die etwas andere Geburtstagsfeier
„Was hältst du eigentlich von diesem Spruch: Alte Liebe rostet nicht?", fragte Mia, während ihre Finger unablässig mit einem blauen Nylonführstrick spielten.
Wir saßen auf einer Holzbank am Rande einer Pferdekoppel und beobachteten Olga und Casanova, die zufrieden auf dem eingezäunten Wiesenstück standen, wo sie sich das frische Gras schmecken ließen.
Ich wusste selbst nicht, was ich ihr darauf antworten sollte. „Ach weißt du, diese ganzen Sprichwörter, die haben doch sowieso keinen Wahrheitsgehalt. Die hat sich einer ausgedacht, der furchtbar schlechte Erfahrungen gemacht hat. Oder glaubst du zum Beispiel an den Quatsch, dass eine schwarze Katze Unglück bringt, wenn sie von rechts nach links läuft?", erwiderte ich.
Mia lachte, aber es klang freudlos.
„Warum willst du das überhaupt wissen?", hakte ich nach, obwohl ich es mir eigentlich denken konnte.
„Jeremiah redet neuerdings ständig von Paula. Jetzt will er sich sogar mit ihr treffen. Weißt du, wie er das begründet? Sie hätten noch was aus der Vergangenheit zu klären."
Ich schüttelte den Kopf. Für mich klang das nach einer ganz fadenscheinigen Ausrede. Und natürlich wusste Mia das auch. Ich würde sie nicht noch mehr verunsichern, indem ich deutlich machte, was ich von der ganzen Sache hielt.
„Wie gehst du damit um, wenn er sich mit ihr trifft?", fragte ich stattdessen.
„Ach keine Ahnung! Verbieten kann ich es ihm doch sowieso nicht. Aber mir muss er nicht vormachen, dass das alles vollkommen ohne Hintergedanken wäre."
„Er weiß überhaupt nicht, was er an dir hat, dieser Blödmann", sagte ich zornig, und bedauerte gleichzeitig, dass ich keine tröstenderen Worte fand.
Eine Weile saßen wir schweigend nebeneinander. Nur die Kaugeräusche der Pferde und das leise Gezwitscher einiger Sperlinge, die sich auf einem Kirschbaum neben uns versammelt hatten, waren zu hören.
„Lass uns über was anderes reden. Heute ist doch Chase Geburtstag. Trefft Ihr Euch?"
Die plötzliche und unerwartete Erwähnung seines Namens ließ mich zusammenschrecken.
„Ich...also..., ja, er hat gestern angerufen und will wohl später irgendwo mit mir hinfahren", stammelte ich und spürte deutlich, wie meine Wangen heiß wurden.
„Oho, was hat er denn vor? Das klingt ja richtig scharf."
„Ach Quatsch, bestimmt gehen wir nur was trinken. Oder spazieren", beeilte ich mich zu sagen.
„Und was ist mit Levy? Denkst Du darüber nach, ihn zu verlassen?"
„Was, nein! Natürlich nicht. Chase ist ein Arschloch, was Beziehungen angeht. Ich würde ihn niemals als festen Freund haben wollen", informierte ich sie mit entrüsteter Stimme.
Mia warf mir einen amüsierten Blick zu.
„Oh je, bei dir ist ja längst Hopfen und Malz verloren", stellte sie fest.
Ich holte tief Luft, um sie darüber aufzuklären, dass es selbstverständlich überhaupt nicht infrage kam, mich von Chase um den Finger wickeln zu lassen. Doch dann klappte ich den Mund wieder zu, ohne mich zu äußern.
„Ich wusste es", sagte sie trocken.
Betont lässig sah ich auf meine Armbanduhr und sagte:
„Lass uns zurückgehen, die Pferde grasen jetzt schon lange genug."
Wir riefen nach den Tieren, die sofort die Ohren aufstellten. Olga kam augenblicklich zum Zaun gelaufen, während ich Casanova natürlich wieder mit sanfter Gewalt von seinem saftigen Futter trennen musste.
Ich nutzte die Bank, auf der wir zuvor gesessen hatten, um mich auf den bloßen Pferderücken zu schwingen. Für mich gab es nichts Schöneres, als ohne Sattel zu reiten, auch wenn ich dazu selten Gelegenheit bekam. Bei einer schnellen Gangart war es äußerst schwierig, die kräftigen, schwungvollen Bewegungen so ganz ohne Hilfsmittel auszusitzen, aber wir würden jetzt, auf dem Weg zurück zum Stall, sowieso nur im Schritttempo bleiben.
Mia stellte ihren Fuß ebenfalls auf die breite Sitzfläche der Holzbank, griff mit einer Hand in Olgas lange Mähne und zog sich hoch.
„Sag mal, was schenkst du ihm eigentlich? Also zum Geburtstag? Oder bekommt er nichts von dir?", wollte sie plötzlich wissen.
Ich merkte, dass ich rot wurde, aber ich antwortete ihr trotzdem.
„Eine Zeichnung. Ich habe ihn gezeichnet, weißt du?"
Mia zeigte sich tief beeindruckt. „Wie cool! Das hätte ich aber gerne mal gesehen."
„Ach naja, so toll ist es nicht geworden. Aber glaubst du, er freut sich über sowas? Also, dass ihn jemand zeichnet?"
„Na klar! Wer würde sich denn da nicht freuen? Ist natürlich ein klarer Liebesbeweis", erwiderte sie und zwinkerte mir frech zu.
***
Mein Pulsschlag lag schon seit über einer Stunde bei mindestens Hundertzwanzig, obwohl ich mich in keiner Weise sportlich betätigt hatte - denn das Auftragen von Mascara und Eyeliner konnte man wahrlich nicht als Sport bezeichnen.
Ich musste dringend meine Atmung regulieren, wenn ich den Treffpunkt, den Chase vorgeschlagen hatte, lebend erreichen wollte.
„Auf dem großen Parkplatz unten am Strand? Ich würde dir gerne was zeigen", hatte er am Telefon gesagt.
Puh, war ich aufgeregt.
Die Zeichnung hatte ich gut versteckt zwischen den noch unbenutzten Blättern meines Blocks. Ich wollte sie ihm heute Abend geben, wenn wir den Geburtstag mit seinen Freunden in Harrys Bar feiern würden.
Als ich nach weniger als fünf Minuten den Parkplatz erreichte, wartete Chase schon auf mich. Lässig saß er auf einer der flachen Steinbänke, die das Areal von der Strandpromenade abgrenzten.
Ich setzte den BMW rückwärts in eine Parklücke, stieg aus und ging ein wenig zögerlich auf ihn zu. Meine Beine fühlten sich wacklig an und das Herz schlug mir noch immer bis zum Hals. Was würde das heute werden? Kein normaler Spaziergang, das hatte ich im Gefühl.
Er stand auf und kam mir entgegen.
„Hey, da bist Du ja."
„Zuallererst mal herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag", sagte ich und hauchte ihm ein zaghaftes Küsschen auf die Wange.
„Danke", antwortete er leise, streifte dann wie zufällig meine Hand, bevor er mir bedeutete, ihm zu folgen.
„Komm mit, wir müssen ein Stück am Strand entlang."
„Du machst es aber spannend."
„Lass dich überraschen", erwiderte er lächelnd.
Nebeneinander überquerten wir die belebte Promenade und liefen dann über den breiten Sandstrand in Richtung der zahlreichen Hotelanlagen, die hier, aufgereiht wie an einer Perlenkette, entlang der Dünenlandschaft erbaut worden waren.
Im Wasser gaben die Surfer ihr Können zum besten. Ich bewunderte die Art, mit der sie spielerisch auf den Wellen balancierten und scheinbar mühelos das Gleichgewicht hielten.
Über uns schrie eine Möwe.
Nachdem wir die Hotels und Ferienhäuser hinter uns gelassen hatten, kamen wir zu einem weniger frequentierten Strandabschnitt. Vereinzelt lagen kleine Fischerboote am Ufer. Ein Mann mit seinem Bordercollie kam uns entgegen. Als die beiden etwa auf gleicher Höhe waren, lief der Hund plötzlich auf mich zu, setzte sich schwanzwedelnd in den Sand und gab ein aufforderndes Bellen von sich. Die schönen verschiedenfarbigen Augen fixierten mich.
„Komm, du verrücktes Huhn", rief der Mann lachend, woraufhin der Collie mir noch einen kurzen Blick schenkte, um dann gehorsam zu seinem Herrchen zurückzukehren.
Chase berührte mich kurz am Arm.
„Hier geht's hoch", informierte er mich.
Über eine steinerne Treppe, die durch die Dünen aufwärts in Richtung der Hügellandschaft führte, erreichten wir kurz darauf ein kleines, aber imposantes Villenviertel. Nicht mehr als vier Häuser, erbaut im Mid Century Modern Stil erstreckten sich hufeisenförmig in einem schmalen Wendehammer.
Chase blieb vor einem einstöckigen Gebäude stehen, dessen Fassaden aus Naturstein gestaltet waren, und das durch riesige, verspiegelte Fensterflächen bestach.
Er fischte einen Schlüsselbund aus seiner Hosentasche, machte eine einladenden Handbewegung und sagte:
„Treten Sie doch näher Madam."
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