Thirty-eight
Thirty-eight:
Mrs. Andrews
„Okay, wie wär's heute Abend mit Kino?", hakte Clint nach und ich seufzte, während ich lustlos mein Brot hin- und herdrehte.
Ich zuckte mit meinen Schultern. „Was ist ein Kino?", fragte ich nach einigen Minuten nach und biss doch auf den Anfang der Unterhaltung an.
Seit Tagen hatte ich mich nur im Gästezimmer zurückgezogen. Das lag daran, dass ich es erst einmal verdauen musste, was er mir erzählt hatte. Das ich einen Unfall gehabt hatte, bei dem ich einen Genickbruch erlitt, war mir etwas zu viel des Guten. Und ich musste mich erst an den Gedanken gewöhnen, nun nicht mehr festgehalten zu werden, wenn ich irgendwo hinwollte. Ich konnte hin, wo immer ich hinwollte.
„Eine große Leinwand, auf dem man Filme schaut", erklärte er und trank aus seinem Glas. Ich hatte meinen Kakao wieder. Ich fing an, Kakao zu lieben.
„Aber du hast doch auch hier Filme", erwiderte ich. „Wozu dann hinfahren?"
Er setzte das Glas wieder auf dem Tisch ab. „Naja, Carolina, eine Freundin", murmelte er und holte für einen kurzen Moment tief Luft, „Ist in der Stadt und würde dich gerne wiedersehen."
„Ehm-", war alles, was ich rausbrachte.
Er zuckte mit den Schultern. „War nur so ein Gedanke." Er sah auf seinen Teller. „Außerdem dachte ich mir, würdest du gerne mal nach draußen? Es ist gutes Wetter."
„Okay", nickte ich und er blinzelte kurz überrascht.
„Okay?"
„Okay", wiederholte ich. „Lass uns heute Abend mit Carolina ins Kino."
„Okay", grinste er nach einigen Sekunden kurz und ich seufzte, ehe ich mein Brot anhob und hineinbiss.
Dass er mich dabei beobachtete ließ meine Errötung wieder hervorschießen.
---------
„Von wo kommst du eigentlich?", hakte ich nach als wir beim Abwasch waren und er mir zeigte, wie eine Spülmaschine funktionierte.
„Idaho. Meine Familie lebt nun aber in Detroit und Manhattan."
„Wo liegt Detroit?"
„Weit weg, Vika", seufzte er und ich reichte ihm einen Teller.
„Und wo liegt Manhattan?"
„Wir sind gerade in der Stadt Manhattan", lachte er.
„Oh", machte ich überrascht.
„Im Übrigen ist dein heutiges Outfit zauberhaft."
Ich sah an mir herunter. Ein luftiges hellblaues Kleid mit Viertelärmeln, wie mir Wanda vorhin bei einem Telefonat mit ihr erzählt hatte. Dabei hatte sie mich und ich sie sehen können. War ein echt eigenartiges Gerät, welches ich bei mir tragen sollte. Das war anders als das Telefon, dass mir Charlie vor einigen Monaten mal gegeben hatte. Das hier war eine reine Glasscheibe – total blöd fand ich. Denn mit Knöpfen wäre ich eher zurechtgekommen als mit dem.
„Danke", meinte ich. „Hab ich bei meinen Sachen gefunden."
„Ich kenn es", lächelte er. „Ich hab es dir zu deinem letzten Geburtstag geschenkt. Auch wenn du nicht wach warst", erklärte er.
Meine Wangen wurden rot. „Dankeschön", bedankte ich mich und er zog mich an der Taille kurz zu sich.
„Gerne", verpasste er mir einen Wangenkuss und ich taumelte wieder etwas zurück – was ihn schmunzeln ließ.
„Du magst mein Gesicht anscheinend sehr."
„Deinen Hals mag ich mehr", lächelte er und sah auf den Teller hinab, als ich ihm diesen reichte.
„Wie meinst du das?", runzelte ich die Stirn.
„Loki und Arabella einmal gesehen?" Ich nickte als er den Teller beiseite packte, sich umdrehte und gegen die Anrichte lehnte. Er verschränkte die Arme vor der Brust. „So meine ich das", zogen sich seine Mundwinkel nach oben.
Ich wurde noch einen ticken röter im Gesicht und lehnte mich an der anderen Seite der Küche gegen die andere Anrichte, während ich meine Hände vor mir zusammenfaltete und etwas knetete.
„Wie nah standen wir uns? I-ich mein, wir waren verlobt", nickte ich ihm zu. „A-aber war das auch k-kein... nun ja... Zwang?"
Er lachte. „Nein, es war kein Zwang", schüttelte er den Kopf. „Wir standen uns immer zu nah, wenn ich so drüber nachdenke", meeinte er einige Sekunden später. „Für deine Schwester jedenfalls zu nah."
„Ihr scheint euch nicht sehr zu mögen", sagte ich leise. „Das find ich schade", gab ich meine Meinung kund. Denn offensichtlich war sie gegen eine Verlobung gewesen, wenn sie ihn so sehr verabscheute. Ich hätte gern gewusst, dass sie den Mann, den ich liebte, auch gemocht hätte – und nicht gehasst.
„Naja, früher waren wir einmal gute Freunde", merkte er schulterzuckend an.
„Aber?", zog ich eine Augenbraue fragend die Stirn hinauf.
„Sie hat es mir nie verziehen, dass ich dir wehgetan habe", seufzte er und sah auf. „Auch wenn es nie wirklich meine Absicht war, musst du wissen. Von einer Hexe besessen zu sein, ist nichts Schönes. Und das würde ich nicht einmal meinem schlimmsten Feind wünschen."
„Wer ist dein schlimmster Feind?", rutschte es aus mir heraus.
„Früher war es dein Freund", sagte er und hob die Zeigefinger für Gänsefüßchen an, ehe er die Hände wieder sinken ließ. „Austin."
„Austin?", hoben sich meine Augenbrauen an. „Und heute?", fragte ich belustigt nach. Irgendwie fand ich die Unterhaltung gerade interessant.
Er sah mir lächelnd in die Augen. „Meine Selbstbeherrschung."
Sein Lächeln verschwand aus seinem Gesicht und er blieb einige Sekunden so, bis er sich räusperte und von der Anrichte abstieß. „Egal, lass uns über was anderes reden, als meine Feinde", winkte er's schnell ab und ich runzelte meine Stirn als er aus der Küche lief. „Davon habe ich sowieso schon zu viele", murmelte er leise, dachte aber wahrscheinlich, ich hörte ihn nicht.
„Was machen wir bis zum Abend hin?", hakte ich nach als ich in den Flur lief.
„Einkaufen?", rief er. „Immerhin sollte man essen auch Zuhause haben, wenn man Hunger hat."
„Okay", antwortete ich. „Ich hole nur schnell eine Tasche."
„Ich gehe doch mit einkaufen", erklärte er lachend und zog mich vom Zimmer weg.
„Aber draußen muss es doch kalt sein", wisperte ich leise.
Er sah kurz aus dem Fenster im Wohnzimmer und seufzte. „Nein, es ist nicht kalt."
„Und wenn doch?", fragte ich nach.
„Du solltest aufhören, so viel Bullshit zu labern", ergriff er meine Hand. „Auch wenn's süß ist."
--------
Er zog mich in den Flur zur Wohnungstür.
„Wo gehen wir einkaufen?", hakte ich nach als er mir meine Schuhe hinstellte und sich seine herausnahm.
„Bei Walmart?", sagte er. „Keine Ahnung", schüttelte er den Kopf. „Ich lege mich nicht bei einem Supermarkt fest, sondern nehme mir einfach gerade den, an dem ich vorbeifahre, sofern er Schokolade und Chips hat."
„Sollte ich mir nun sorgen machen?", hakte ich nach als ich mich wieder richtig hinstellte und gegen die Wand lehnte.
„Nö", schüttelte er den Kopf. „Es sei denn, du bekommst Angst, weil ich eine Schwäche für Süßigkeiten habe."
„Hat die nicht jeder?"
„Nein", schüttelte er den Kopf. „Deine Schwester ist eine absolute Ausnahme."
„Ah, ja", lächelte ich, als er meine Hand wieder ergriff und mich hinaus aus der Wohnung zog.
Gerade als er die Tür schloss, schloss sich in diesem Stockwerk eine der anderen zwei Türen ebenfalls.
„Oh, guten Morgen, Mr. Barton", lächelte eine ältere Dame.
„Morgen, Mrs. Andrews."
Sie hatte ergrautes Haar, hier und da. Ansonsten waren ihre Haare von einem schönen honigblond. Hinzu hatte sie geschwungene Augenbrauen, was mich für ihr Alter überraschte. Kleine Fältchen durchzogen ihr gealtertes Gesicht, doch ihre Augen und ihr treues und vertrautes Lächeln gaben mir das Gefühl von Geborgenheit. Am meisten jedoch ihre Augen, die wie ein schöner Himmel überzogen mit kleinen Sternen leuchteten. Ihre Robe war mehr klassisch, mehr als neumodisch. Etwas Vintage, wenn ich mich nicht irrte. Doch plötzlich fragte ich mich, woher ich wusste, was der Begriff Vintage bedeutete. Ich runzelte deswegen meine Stirn.
„Sie müssen Victoria sein", lächelte sie einige Sekunden später und ich blinzelte kurz überrascht, ehe ich schnell nickte.
„Ja", lächelte ich. „Freut mich, Sie kennenzulernen."
„Wie geht es Ihrem Sohn, Mrs. Andrews?", fragte Clint freundlich und drückte meine Hand, nachdem er abgeschlossen hatte, ehe er sie mit seinen Fingern verschränkte.
„Malcolm geht es wunderbar. Danke der Nachfrage, Mr. Barton", lächelte sie und lief zum Fahrstuhl, ehe sie auf den Knopf drückte und Clint mich mit dazu zog. „Sagen Sie, Victoria, wie geht es Ihnen?", fragte sie mich und ich wurde etwas rot.
„Sehr gut", antwortete ich. „Und Ihnen?", fügte ich noch schnell hinzu.
Sie schmunzelte leise. „Oh, danke, mir geht es ausgezeichnet." Ich lächelte kurz, ehe ich zu Clint sah und beinahe erschrak. Beinahe. Denn er schien mich zu beobachten, wie ich mich zu unterhalten versuchte. „Ich hoffe doch, es geht Ihnen wieder so gut, wie vor dem Unfall, Victoria", sprach Mrs. Andrews aus und ich blinzelte irritiert, ehe ich wieder zur älteren Dame sah.
„Ja, ich versuche, mich stetig zu erholen", lächelte ich und wurde leicht gegen Clint gedrückt, der mir kurzdarauf einen Kuss an die Schläfe hauchte.
„Das wird schon, Vika", nuschelte er in mein Haar und meine Mundwinkel zuckten.
„Ich weiß, Mr. Barton", verdrehte ich meine Augen.
Ich musste nun mal das Beste aus allem machen, was mir die Welt momentan gab. Selbst, wenn es hieß, ich würde mein Gedächtnis nie wieder zurückerlangen.
----------
Datum der Veröffentlichung: 26.03.2020 11:09 Uhr
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro