Four
Four:
Mary
„Ich habe mal eine Frage", fing Natasha seufzend an und bog links ab.
„Frag", meinte ich mit verschränkten Armen grimmig und sah aus dem Fenster.
„Stehst du auf Clint?", fragte sie trocken und meine Augen wurden groß als ich sie ansah.
>Geht's noch?
Ich lachte schadenfroh los, schüttelte den Kopf. Wenn ich jetzt ein Getränk getrunken hätte, hätte ich dieses sofort ausgespuckt. „Wie kommst du denn darauf?", stellte ich als Gegenfrage, setzte ein verwirrtes Gesicht auf.
„Nur so", zuckte sie leicht mit ihren Schultern. „Mir ist schon öfter aufgefallen, dass du in seiner Gegenwart anders bist, als wenn du mit mir, Nathan oder Charlie zusammen bist." Sie seufzte nochmal. „Und du guckst ihn ganz anders an als andere."
„Ach, jetzt soll ich anders gucken?", erwiderte ich, zog eine Augenbraue hoch. „Wie soll ich dass denn aufnehmen? Und von wem hast du diesen Floh ins Ohr gesetzt bekommen?", verdrehte ich meine Augen. „Nate oder Charlie, huh?"
„Sie haben sich gestern genauso Sorgen um dich gemacht wie ich, als du nicht nach Hause gekommen bist", sagte sie. „Und da hat Nate nur Vermutungen ausgesprochen", erzählte sie. „Das du bei Clint bist, dass du betrunken irgendwo in einer Seitenstraße liegst, dass du entführt wurdest, dass du bla, bla, bla." Sie seufzte, wartete. Und einige Sekunden später stellte sie ihre entscheidende Frage. „Stehst du auf ihn?"
Ich strich mir mein Haar zurück, sah aus dem Fenster. „Ein wenig", gab ich zu. „Aber es geht dich nichts an", stellte ich klar. „Und er hat mir deutlich gemacht, was er von mir hält, als er mich immer wieder abgewiesen hat."
Sie runzelte ihre Stirn, fuhr konzentriert weiter. „Du solltest aufpassen, Victoria", meinte sie und ich runzelte auch die Stirn, ehe ich ihr mein Gesicht zuwandte.
„Weswegen?"
„Er ist nicht der Typ, der sich festlegt", erklärte sie mir. „Er hatte hier und da mal ein paar Affären, aber ansonsten hat er nur Sex", stellte sie klar. „Keine Freundschaft, keine Beziehung, nur Sex." Ich zog eine Augenbraue wieder hoch. „Das läuft schon so seit-", sie stoppte von selbst. So zog ich eine Augenbraue gleich nochmal hoch als ihr Blick kurz zu mir huschte. Anscheinend wusste sie nicht, ob sie es mir sagen sollte... oder so ähnlich.
„Nun spuck's schon aus", verdrehte ich die Augen.
„Entschuldigung", murmelte sie mit Blick nach vorne und ich legte die Stirn in Falten. „Er hatte immer wieder Affären, doch schon ewig niemand festen mehr seit Laura."
„Laura?", hakte ich danach perplex nach.
Seine Haushälterin?
„Seine Exfrau."
„Das tut mir leid für ihn", log ich. Nun ja, ganz gelogen war es nicht. Es tat mir leid für ihn. Dass sie ihn nicht gut behandelt hatte und daran die Ehe zerbrochen war und ihm das Herz von ihr gebrochen wurde. Sowas tat bestimmt weh. Aber ich konnte es nicht beurteilen... ich hatte noch nie ein gebrochenes Herz.
<Dein Mitgefühl ist kacke.
„Sie hatte einen Unfall, Victoria", widersprach mir Nat scharf und zog ihre Augenbrauen zusammen als ihr Blick zu mir huschte. Als wenn sie meine Gedanken erraten hatte. „Wenn du also deinen Spaß willst, dann hab ihn mit Clint." Ich zuckte zusammen als sie an mir vorbeizeigte. „Los, geh und vögle ihn." Was war denn nun schief bei ihr? „Doch für weiteres ist er nicht geschaffen." Ich unterdrückte es, erneut die Augen zu verdrehen. „Ich kenne meinen besten Freund lange genug dafür."
„Ich werde schon nichts mit dem besten Freund meiner Schwester anfangen, der wohlbemerkt elf Jahre älter ist als ich", erwiderte ich gereizt. „Ich versuche noch immer, mir mal einen anständigen Mann in meinem Alter zu angeln."
„Es gibt aber keine anständigen Männer", entgegnete sie direkt.
„Danke, das wusste ich eigentlich auch schon", seufzte ich.
„Vertrau mir einfach, bitte", bat sie und legte mir kurz ihre Hand aufs Knie, doch ich schlug diese wie ein trotziges Kind weg, verschränkte die Arme vor der Brust und sah schmollend wieder wie am Anfang aus dem Fenster. „Er ist nicht geeignet für dich, Victoria", sagte sie. „Er ist niemand, der eine Beziehung führen möchte. Er will keine Zukunft mit nur einer Frau."
>Er ist doch bestimmt nicht so ein Arschloch, wie Natasha ihn gerade darstellt, oder?
<Sei im Allgemeinen immer vorsichtig. Du könntest ja ein paarmal deinen Spaß mit ihm haben und das wär's. Du könntest von ihm lernen.
>Du weißt, dass ich diese Art von Beziehung nicht mag. Für eine solche Beziehung wäre ich nicht bereit.
<Das ist dann dein Problem.
„Bist du mir jetzt böse?", hakte Natasha nach.
„Nein", seufzte ich. „Aber du brauchst mich nicht warnen", rollte ich leicht mit meinen Augen. „Ich weiß, worauf ich mich da einlasse."
„Du bist meine kleine Schwester, Vika", schmunzelte sie. „Es ist mein Job, mir Sorgen um dich zu machen." Sie tätschelte mein Knie, wobei ich ihre Hand diesmal nicht wegschlug.
Doch danach war es still, bis wir bei Shield ankamen.
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Clint wartete bereits ungeduldig auf uns. Mein Magen fühlte sich plötzlich aber so flau an, wenn ich ihn anblickte und seinen Blick auf mir bemerkte. Sah er wirklich in mir nur ein Objekt der Begierde?
„Warum brauchen Frauen immer so lange?", beschwerte er sich. Natasha seufzte.
„Wir sehen uns nachher zur Mittagspause, Vic?"
Ich sah zurück, nickte und winkte ihr dann, ehe sie kehrt machte und umdrehte.
Während er sich beschwerte, lief ich die Gänge neben ihm mit starrem Blick geradeaus entlang und stieg letztendlich mit ihm in den Aufzug, dessen Türen sich hinter ihm schlossen. „Warum ignorierst du mich?", fragte Clint von der Seite. „Hab ich jetzt schon wieder was falsch gemacht, Romanoff?"
>Warum muss ich immer die Arschkarte haben, mit ihm alleine gelassen zu werden, wenn ich es gerade nicht wollte?
„Komm schon, bist du nur wegen der kleinen Bemerkung von vorhin wütend auf mich?", fragte er, lachte leise vor sich hin. „Das ist lächerlich", schmunzelte er leise und strich sich übers Kinn. „Das ist dir hoffentlich klar?" Ich biss mir fest auf die Unterlippe, um keinen Ton von mir zu geben oder etwas zu erwidern. Mein Blick war starr auf die Türen vor mir gerichtet, während ich immer fester auf meiner Unterlippe kaute. Plötzlich merkte ich, wie er meine Unterlippe von meinen Zähnen entfernte. „Hör auf", bat er und stellte sich vor mich. „Das tut der Lippe nicht gut."
„Wenn du deine Pfoten nicht wegnimmst, tust du dir gleich weh", warnte ich ihn vor.
Okay, ich war angepisst. Wegen ihm, seiner dämlichen Bemerkung – ich wusste, es war kindisch von mir, aber egal –, wegen Natashas und meiner Unterhaltung vorhin im Auto. Es verunsicherte mich alles.
Hatte ich einfach kein Glück, einen Kerl zu finden, der lieb zu mir war, mich zum Lachen brachte und Geduld besaß? Oder musste ich erst all diesen Scheiß mit dem Dating durchstehen?
Unbewusst kaute ich plötzlich erneut auf meiner Unterlippe und zuckte zusammen als Clint mein Gesicht ergriff und meine Unterlippe wieder von meinen Lippen löste. „Du sollst aufhören", sagte Clint vor mir, mit etwas rauem in der Stimme, und ich bekam prompt einfach eine Gänsehaut. Wie machten die Kerle das? Uns eine Gänsehaut allein mit ihrer Stimme zu verpassen? „Und nach gestern Abend solltest du wissen, dass ich es hasse, wenn du an deiner Unterlippe herumkaust." Was sollte denn nun diese Anmerkung?
„Wieso?", sagte ich bemüht um einen ruhigen Ton, wobei seine Mundwinkel zuckten.
„Weil es mich-", in diesem Moment öffneten sich die Fahrstuhltüren, sodass er nach einigen Sekunden des Blickkontaktes diesen abbrach und den Fahrstuhl verließ.
Wir waren auf Krankenstationsetage von Shield. Hier war ich vor einem Monat nur einmal gewesen, weil mir ein Messer in der Schulter gesteckt hatte. Wegen einer Mission in Peru. Danach war ich mehr als angepisst gewesen.
„Welches Zimmer ist es? Hat Fury dir das mitgeteilt?", fragte ich als wir an den Türen vorbeiliefen.
„Zweisechzehn", antwortete er und ich lief ein wenig schneller, um ihn abzuwimmeln. Er hinter mir schmunzelte nur. „Wenn du noch schneller läufst, droht dein Arsch zu-"
„Halt die Schnauze", entfuhr es mir grob und ich biss mir erneut auf die Unterlippe.
„Wenn du schlechte Laune hast, lass sie nicht an mir aus."
Ich verdrehte meine Augen, drehte mich zu ihm um und blieb stehen. „Bin ich für dich nur so ein Zeitvertreib?", fragte ich. Er zog die Brauen leicht zusammen. Als würde er überlegen. „Bin ich nur jemand, den du flachlegen möchtest? Oder dem du solche Sprüche nur an den Kopf knallst? Hast du schon mal was vom Feminismus gehört, Barton?"
Er zog eine Augenbraue hoch. „Hast du schlecht geschlafen?", fragte er nach. „Ist gar nicht möglich, nachdem du einfach auf mir gepennt hast."
Ich verdrehte meine Augen, drehte mich um und lief weiter. Das hatte keinen Sinn.
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Als ich – beziehungsweise wir – an der Zimmertür ankamen, hörten wir bereits Director Furys und Marys Stimmen, die miteinander kommunizierten. Ich klopfte leise, bevor ich die Tür öffnete und hereinlugte.
Auf Anhieb sah ich meinen Boss und das kleine Mädel, das bei meinem Anblick leicht winkte.
„Director", erwiderten Clint und ich mit einem Nicken als er uns zunickte.
„Agent Romanoff", erhob er sich seufzend. „Bitte passen Sie auf Mary kurz auf, während ich mit Agent Barton etwas bespreche." Ich nickte. „Danach kommen Sie bitte zu mir ins Büro", sagte er und ich nickte erneut.
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Ich ging zu Mary hinüber, die mich wild zu sich winkte. „Hallo", sagte ich schmunzelnd, verkniff mir ein Lachen und war froh, über Ablenkung. Und sie war pure Ablenkung. Dachte ich gerade. Denn was sie ausstrahlte, verstand ich nicht ganz. Abgesehen davon hoffte ich, dass sie mich jetzt nicht schon wieder angriff.
„Kann ich Sie mit dem Vornamen ansprechen?", fragte sie mich direkt und blinzelte. „Das taten wir früher auch immer."
Perplex darüber sagte ich kurz nichts, dann lächelte ich leicht. „Natürlich", nickte ich. „Mein Name ist Victoria."
„Das weiß ich schon", sagte sie mir. „Mein Name ist Mary", deutete sie stolz auf sich, richtete sich auf dem Krankenbett etwas auf. Und ihr Ton war ja so gar nicht von sich selbstüberzeugt.
>Die könnte glatt Tonys Tochter sein.
„Ich weiß", schmunzelte ich erneut und strich mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht. „Wie geht es dir?"
„Gut", antwortete sie schnell, ehe sie sich richtig aufsetzte, kurz zur Seite sah und die Stirn runzelte. „Denke ich."
„Ach, ja?", hakte ich nach und setzte mich auf den Stuhl, der neben mir stand. „Ich kann nachvollziehen, dass es eigenartig ist, in einem völlig anderen Zeitalter aufzuwachen."
„Nein, das ist es nicht", schüttelte sie ihren Kopf. „Das waren nur zweitausend Jahre." Nur?! „Weißt du, da war dieser Typ in goldener Rüstung", blinzelte sie. „Der hat mir und meiner Familie wehgetan." Sie zog ihre Beine an ihren Körper. „Er hatte den Auftrag, es schnell zu beenden", sah sie hoch. „Das hatten sie alle. Bei jedem Totenkind."
Totenkind?
„Totenkind?", legte ich den Kopf schief, ergriff das Geländer ihres Betts.
Als sie ihre Hände auf meine legte, durchfuhr mich plötzlich eine üble Kälte und ich sah auf. Was war das? „Bitte sag mir, dass das ein Scherz war und du weißt, was wir sind."
„W-wir?", hakte ich nach.
„Victoria, willst du mich nur auf den Arm nehmen?", fragte sie nochmal nach. „Bitte, so blöd kann keins der Totenkinder von uns sein, dass es durch die Weltgeschichte rennt und einfach Leute wiederholt." Sie verdrehte ihre Augen. „Lass es", sagte sie plötzlich und ich zog an meinem Handgelenk, dass sie sofort losließ. „Tu das nie wieder", merkte sie an. „Du legst dich da mit Kräften an, die du nicht verstehst."
„Und das sagt mir ein Kind?", fragte ich verwirrt. „Wer bist du wirklich?", hakte ich nach.
„Ich sagte doch schon, ich bin ein Tote-", wollte sie mir gerade sagen, da betrat Clint wieder den Raum, obwohl ich mich nicht erinnern konnte, dass er herausgegangen war.
„Victoria, du sollst jetzt zu Fury", meinte er und ich nickte, als Zeichen, das ich verstanden hatte.
„Tut mir leid, Mary", sagte ich, erhob mich und schüttelte kurz den Kopf. „Aber wir sehen uns bald wieder, einverstanden?"
Sie schien vom äußerlichen so fröhlich und nicht so ernst, wie noch vor einigen Sekunden. Doch ein Blick in ihre Augen reichte mir, um zu sagen, dass es gespielt war. Sie nickte also gespielt fröhlich und winkte mir noch zu, bis ich den Raum verlassen hatte. Doch Clint folgte mir kurz und hielt mich, kurz bevor ich den Umkreis der Tür ganz verlassen hatte, am Arm auf.
„Wir sollten später Mal darüber sprechen, was mit dir los ist und was das gestern Nacht war." Ich runzelte nur die Stirn. Gestern Nacht? Ich hatte doch gekotzt, wie er gesagt hatte. Hatte ich noch mehr getan?
>Oh, bitte lass mich nicht mit ihm geschlafen haben, Schicksal.
<Ich denke nicht, sonst wäre er glücklich. Männer sind glücklich, wenn sie Sex hatten.
Ich verdrehte innerlich, sowie auch äußerlich, meine Augen und riss mich los. „Ich weiß nicht, wovon du gerade sprichst, Barton, aber es ist mir herzlichst egal", meinte ich und ging davon.
Danach ging ich von der Krankenstation aus zu Furys Büro. Naja, dort wollte ich hin. Nur sollte ich dort wohl niemals ankommen.
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Datum der Veröffentlichung: 25.09.2019 18:53 Uhr
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