One
One:
Tyr, Gott des germanischen Krieges
„Victoria, komm schon, bitte", murrte Thor und ich seufzte.
„Wie oft noch?", entgegnete ich. „Es sind vielleicht nette Asen", sagte ich. „Doch ich habe keine Lust, mich euch anzuschließen." Ich quengelte als er schon wieder an meinem Arm zog. Wir verhielten uns gerade wie Kleinkinder. Er wollte, ich nicht.
„Okay", seufzte er und ließ meinen Arm los. „Entweder, du stehst jetzt von alleine auf", ich zog eine Augenbraue hoch, „Oder ich schleif dich ins Dorf."
Ich sah von meinem Buch auf, den Balkon hinunter. Starb er, wenn ich ihn vierzig Meter tief schmeißen würde? Denn ich hasste Ultimaten.
„Entweder, du lässt mich nun alleine und in Ruhe", merkte ich an, „Oder ich schmeiß dich vom Balkon." Seufzend blätterte ich eine Seite um, sah wieder ins Buch. „Wie wäre das?"
Er schmunzelte lediglich, sah kurz nach unten, wie ich aus dem Augenwinkel mitbekam. Dann drehte er sich kurz um und ich seufzte innerlich erleichtert auf.
>Endlich zeigt er Vernunft.
<Du solltest langsam mal Vernunft zeigen, Victoria.
>Bitte? Er ist es doch, der mir seit einer Woche in den Ohren liegt, Feiern gehen zu wollen.
<Was ist daran so verkehrt? Ein bisschen Ablenkung hat noch nie jemandem geschadet.
>Alles.
Im nächsten Moment schrie ich auf, baumelte plötzlich über der Schulter eines Gottes, während ich vor Schreck mein Buch fallenließ, es aber so viel Schwung hatte, dass es über meine Brüstung stürzte und in die Tiefe fiel. „Mein Buch!", rief ich schockiert und streckte noch die Hand danach aus. Aber es war bereits zu spät. „Thor, lass mich sofort herunter", verlangte ich. „Oder du wirst dir noch heute Abend die Karotten von unten anschauen!", schrie ich als er entspannt aus meinem Gemach lief, zur Treppe.
Ich haute ihm mit meinen geballten Fäusten so kräftig ich konnte auf den Rücken – doch er ließ nicht locker.
„Ach, ja? Versuchs mal", forderte er mich heraus, ließ mich jedoch nicht herunter.
„Thor, das arme Kind-", ich spürte, wie sich meine Wangen erhitzten.
„Mutter, lass gut sein", stellte er klar. „Sie weiß, dass ich sie nicht wirklich entführe", winkte er's ab und ich schnaubte, ehe er an seiner Mutter – der Königin Asgards – vorbeilief. Bis heute war niemandem klar, wie sie plötzlich neben dem König Asgards im Gemach aufgewacht war. Denn man hatte sie beerdigt, nachdem sie getötet worden war.
Selbst mir war es ein Rätsel.
Ich stützte mich mit meinen flachen Händen an seinem Rücken ab, um meinen Kopf zu heben und ihr ins Gesicht zu schauen. „Er entführt mich einfach! Gegen meinen Willen!", beschwerte ich mich und sie schmunzelte.
„Gute Nacht, Victoria." Sie drehte sich um, setzte ihren Weg fort.
Meine Augen wurden riesig, als Frigga uns den Rücken zukehrte und Thor entspannt die Treppe hinunterlief.
„Benimm dich, Victoria. Verstanden?", hakte Thor ernst nach.
„Hm", grummelte ich und trommelte mit dem Zeigefinger auf seinem Rücken herum.
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In der Eingangshalle des Palastes hielt er endlich.
„Wen hast du zwischen den Büchern der Bibliothek denn jetzt wieder aufgegabelt?", rief jemand. Ich hörte das Grinsen sofort heraus – ganz stark. Da war jemand hocherfreut. Das würde er sein, bis er mich zumindest erblickte.
„Eher ist sie aus der Gruselabteilung", erwiderte Thor scherzend.
„Hä?", machte eine tiefere Stimme. Eine männliche.
„Dunkelseite", korrigierte ich den Kronprinzen augenverdrehend.
„Ah", machte diese tiefe Stimme. „Das war verständlicher ausgedrückt."
„Oh, und sie ist eine Freundin."
„Was? Ist Jane dir zu langweilig geworden?", spottete eine weibliche Stimme und ich schmunzelte.
„Wohl eher-", ich zuckte heftig zusammen. „Au!", rief ich als Thor mir ins Bein kniff. Einige Sekunden später wurde ich abgestellt und strich mein Kleid glatt. „Keine Manieren, der Prinz", schüttelte ich den Kopf und er leierte mit den Augen.
„Du hängst zu viel mit Midgadern ab", merkte eine schneidende Stimme an und ich richtete meine Frisur. Lyrellia hatte mich heute Morgen endlich das erste Mal dazu überreden können, etwas Aufwendiges mit meinen Haaren zu veranstalten. Und ich musste sagen, dass diese Frisur verdammt guten Halt hatte.
„Möchtest du nicht mal hallo sagen?", fragte Thor nach als er sich zu mir herunterbeugte und ich schnaubte.
„Ich werde sowieso gleich wieder gehen, Thor", teilte ich ihm mit einem Seitenblick zu. „Ich habe dir schon gesagt, dass ich nicht mit dir feiern gehen möchte."
„Du kommst so oder so mit", bestimmte Thor und ich zog eine Augenbraue hoch als ich zu ihm aufsah.
„Wollen wir wetten?", grinste ich kurz ironisch und drehte mich dann murrend um. „Hi, Victoria, mein Name", sah ich auf mein Kleid hinab. „Kleine Schwester von Natasha Romanoff, Mitglied der Avengers." Ich seufzte. „Und letztes Totenkind", merkte ich an. Jemand fing zu husten an, als hätte er sich an seiner eigenen Spucke verschluckt. „Ja, ich weiß", verdrehte ich meine Augen. „Irgendwas ist schiefgelaufen", sagte ich. „Oh, und seit vier Monaten bin ich hier Teilzeitase", begrüßte ich alle letztendlich und winkte mit Blick nach unten auf meine Füße.
„Vika", seufzte Thor. „Niemand verurteilt dich aufgrund deiner Augen." Tja, ich schon. Denn ich wollte nicht mehr dieses Leuchten in ihnen ertragen müssen. Sie hörten seit circa einem Monat nicht mehr auf zu leuchten – was mich mächtig ankotzte.
Ich seufzte, hob dann aber meinen Blick und... öffnete meinen Mund leicht, ohne dass ein Ton herauskam.
Nochmal einen halben Meter größer als Thor, stand rechts von mir ein Typ mit roten lockigen Haaren und gleichfarbigen Bart, breiten Schultern, in Rüstung gekleidet – und auch noch bewaffnet. Ein Kerl in Übergröße halt.
Daneben stand eine Blondine – ein ganzes Stück kleiner als der Kerl neben ihm –, die breit grinste. Er hatte ein Ziegenbärtchen, blasse Haut, grüne Augen und war ebenfalls in Rüstung gekleidet, während auch er noch mit einem Schwert bewaffnet war. Und er musterte mich am Auffälligsten.
Daneben wiederrum stand eine Frau, etwa ein Stück größer als ich. Sie hatte ihre schwarzen Haare zu einem Zopf gebunden, trug eine Rüstung und dunkelrotes Cape, während ein Schild auf ihren Rücken gebunden war und ein Schwert in ihrer Schneide steckte.
Und als letztes, ganz links von mir, stand ein, naja, Asiate? Jedenfalls sah er wie einer aus. Mit schwarzen Haaren. Auch in Rüstung gekleidet. Allerdings unbewaffnet.
„Ihr kommt gerade aus der Schlacht, hab ich Recht?", fragte ich, als ich den Staub im Bart des Rothaarigen und den Schmutz im Gesicht des Asiaten entdeckte.
„Richtig , Mylady", sagte die Blondine, trat vor, nahm meine Hand und verpasste mir einen Handkuss. „Ein so hübsches Totenkind habe ich schon lange nicht mehr gesehen", kommentierte er, als er meine Hand losließ und sich zurückstellte.
„Weil auch alle anderen tot sind", kommentierte es der Asiate. Ihm ordnete ich die schneidende Stimme zu. Dem Blonden die seidige Stimme. Und demnach musste die tiefe Stimme dem Roten gehören – was ich aber auch schon vermutet hatte. „Und zudem warst du noch ein kleines Kind als alle abgeschlachtet wurden."
Ja, das hörte ich gern. Ich hörte gern, wie sie alle noch vor Gedenkung meiner Geburt abgeschlachtet wurden.
„Ich geh mich umkleiden. Wir sehen uns im Dorf", kommentierte es die Frau mit ungerührter Miene und lief nach links, in einen Gang hinein, der zu den Ruheräumen der Wachen führte.
„Tja, sie hat heute nicht den Großen erwischt", sagte die tiefe Stimme.
„Tragisch", lachte Thor, ehe er eine große und einladende Geste in Richtung der Asen vor mir machte. „Ach so, Victoria." Ich zog eine Augenbraue hoch. „Das sind Volstagg, Fandral und Hogun", stellte er mir seine Kumpels vor. „Das eben war Sif, Anführerin der tapferen Drei." Er deutete auf sie. „Die allerdings hier vor dir stehen."
Mit skeptischer Miene sah ich zu ihm hoch. „Du solltest wirklich weniger Zeit auf der Erde verbringen", schüttelte ich meinen Kopf. „Tut dir nicht gut", sagte ich und er sah mich mit vorgezogener Lippe an, weswegen ich aber sachte mit den Schultern zuckte.
„Sie gefällt mir", grinste die Blondine. „Sie hat pfiff."
Ich seufzte, massierte mir kurz eine Schläfe. „Also, den Büchern nach bist du Volstagg?", überging ich ihn und zeigte auf den Rothaarigen und er nickte. „Du Hogun?" Der Asiate nickte. „Und du Fandral, der Frauenheld, vor dem mich Thor schon vor zwei Tagen gewarnt hatte, weil ich mich anscheinend gerne mit anderen anlege, die flirten wollen."
„Naja." Thor zuckte mit seinen Schultern. „Sie hat vor zwei Tagen beinahe Konstantin umgebracht, weil er meinte, ihr stehe die Abendrobe."
„Er hat mir schöne Augen gemacht", beschwerte ich mich mit rotangelaufenem Gesicht.
Ich lehnte jegliche Art von Liebe ab. Eigentlich. „Keine Sorge, seine Sprüche gehen nur unter die Gürtellinie", winkte Hogun es ab. „Wenn du aber mit ihm klarkommst, dann kommst du mit allen Männern klar."
<Ach, damit kann ich leben.
Ich nickte, ehe Sif wiederkam. Wie schnell war sie denn bitte?
„Ihr verweilt noch immer hier?", hakte sie nach. „Können wir?" Ich sah zu ihr, betrachtete ihr blaues und leichtes Gewand. „Ich hab nicht die ganze Nacht Zeit und hab noch eine Rechnung mit Fandral offen", kommentierte sie es. Ihr blaues Gewand schmiegte sich an ihre Hüften.
„Ja, klar", lachte Volstagg. „Solange es nicht so endet wie beim letzten Mal und er sich im Dreck der Kaserne wälzt." Thor neben mir hob seinen Arm an, den ich seufzend ergriff.
Einige Gesten verstand ich hier nicht wirklich. Einige Maniertätigkeiten verstand ich hier nicht wirklich. Aber was sollte es. Ich war nun mal kein richtiger Mensch, wie Odin es mir immer weismachte. Ich entstand einer gottgleichen Gattung und hatte mich anzupassen an ein Leben als Göttin. Nur ich wusste noch immer nicht, ob ich ein Leben als Göttin führen wollte.
Dreimal in der Woche hatte ich bei ihm tatsächlich Geschichtsunterricht – wie in der Schule. Jeden Vormittag trainierte ich mit Thor drei Stunden am Stück in Angelegenheiten Kampftechniken und Waffenausstattung – und er begleitete mich auch zum Geschichtsunterricht. Viermal die Woche trainierte ich mit Frigga und einigen Gelehrten in den Angelegenheiten Zauberkunst und Heilkunst, was am anstrengendsten war - dies fand meistens abends statt. Ich wusste nicht mal, dass ich der Magie kundig war, bis man es mir zeigte. Ich dachte, meine Mum hatte mir damals nur dieses „du bist ein Totenkind" mitteilen wollen. Anscheinend war dies mehr als nur eine Botschaft gewesen. Und bei meinem letzten „Unterrichtsfach" musste Thor mich begleiten. Odin hatte angemerkt, Thors Verhalten gleiche beinahe schon dem eines Menschen und als Prinz hatte er sich so nicht zu verhalten. Deswegen mussten wir jeden Nachmittag zu einer Stunde Benimmunterricht bei einer alten Gelehrten namens Hydrun.
„Geht schon mal vor, wir kommen nach", meinte Hogun und er und Volstagg verschwanden prompt. Dieses bedingungslose Vertrauen in Asgard hatte ich schon häufiger unter den Wachen erlebt und es war mir einfach auch nur ein Rätsel. Ich konnte nicht so vertrauen. Momentan vertraute ich nur Thor. Und nur, weil ich ihm mein Leben anvertrauen würde, hieß es noch lange nicht, dass ich ihm sämtliche meiner Geheimnisse erzählte.
„Na, los, ich hab nicht die ganze-"
„Nacht Zeit? Sif, wir wissen es", seufzte Fandral und ich sah nach unten, auf die Regenbogenbrücke, ehe wir die steinigen Treppen abseits hinunterliefen, Richtung Dorf. Eigentlich war sie als Stadt von Asgard bekannt. Allerdings fand ich sie klein, wie ein Dorf. Naja, großes Dorf. Denn so groß wie New York war es nicht. Ich hatte immer gedacht, es lebten mehr Asen in Asgard.
Aber ich verbrachte nicht viel Zeit im Dorf, deswegen wusste ich auch nicht, ob noch mehr dort unten lebten. Weil viele vor mir Angst hatten und sich von mir fernhielten. Seit ich einmal im Dorf gewesen war. Ich hatte mich wie eine Aussätzige gefühlt.
Ich hatte zwar keine Ausgangssperre, aber dennoch hatten einige Erwachsene Angst vor mir. Zumindest die älteren Herrschaften hier, die schon über fünftausend Jahre alt waren. Wenige der jüngeren Menschen hatten Angst vor mir, was mich jedoch keineswegs beruhigte. Wer mochte es schon, wenn jemand anderes Angst vor einem hatte? Niemand, dachte ich zumindest. Es gab ja auch Ausnahmen – die ich nicht erwähnen mochte.
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In meine Gedanken versunken kamen wir im Pub an, wo Thor mit seinen Freunden anscheinend hinwollte.
„Also, benimm dich, Victoria", befahl Thor nochmal, wegen dem Vorkommnis von vor zwei Tagen, und ich nickte aufmerksam, ehe ich mich neben ihn setzte.
„Thor, was kann ich dir bringen?!", schrie der „Barkeeper".
„Schnaps!", grollte Thor und ich zuckte neben ihm zusammen, ehe er mich anblickte. „Oh, und eine Milch", fügte er hinzu und einige lachten los. Unter anderem Fandral.
„Was? Trinkst du nicht mehr?", hakte Hogun schelmisch grinsend nach.
Ja, sie hatten auch wieder auf dem Weg ins Dorf aufgeholt. Traurig, wie langsam die Kerle liefen. Auf dem Schlachtfeld ganz schnelle, aber in der Freizeit lahm wie Enten.
„Nein, ich trinke nicht", verteidigte ich Thor. Und binnen weniger Sekunden war es im ganzen Pub still. Ich seufzte und sah auf den dunklen Holztisch vor mir. „Kommt schon", murmelte ich, hob den Kopf. „Ich bring niemanden um", rief ich. „Bin ich so gruselig?", fragte ich laut und seufzte nochmal frustriert.
„Schon okay. Sie ist harmlos", beschwichtigte Thor die meisten und sie nahmen zögerlich wieder ihre Gespräche auf. Wenige sahen mich noch immer an. Und ein Paar verließ doch tatsächlich den Pub.
„War es bisher immer so?", fragte Fandral mit gerunzelter Stirn nach und man stellte mir die Ziegenmilch vor die Nase.
„Wenn ich es erwähnen darf", sagte der Barkeeper. „Jeder ist in meiner Taverne zu jeder Zeit willkommen." Ich lächelte matt, nickte.
„Vielen Dank", sagte ich. „Und ja", antwortete ich Fandral und griff nach dem Kelch, ehe ich an meiner Ziegenmilch aus Gewohnheit roch – wobei Thor schnaubte. Ich wandte mich an den Prinzen. „Du weißt, dass ich es nicht abstellen kann", sagte ich ihm. „Einmal Agentin, immer Agentin."
„Was ist eine Agentin?", fragte Volstagg und kam mit Sif, drei Kindern und einer braunhaarigen Frau an seiner Seite durch die Tür. Hä? Waren die nicht hinter uns gewesen?
„Schon mal was von Spionage gehört?", fragte ich und er nickte als er sich setzte.
„Ich war so etwas. Auf meinem Heimatplaneten", erzählte ich ihm und trank einen Schluck, ehe man mir, obwohl ich es nicht trinken würde, Schnaps hinstellte. Irritiert sah ich wieder auf, in das Gesicht des Wirts.
„Vom Herrn dort drüben." Jetzt wurde ich auch schon hier angemacht? War das zu fassen?
„Ruhig", meinte Thor und streichelte mir über die Schulter als ich mich anspannte.
„Schwere Vergangenheit mit einem Kerl erwischt?", hakte Sif nach und schnappte sich den Schnaps, ehe sie sich auf der Bank neben mir niederließ.
„Wem sagst du es", seufzte ich und verdrehte meine Augen. „Kerle sind kacke."
Sie hob den Kelch. „Dann auf hinterhältige Idioten, die nicht wussten, was sie an einer Frau toll finden sollten." Verblüfft sah ich Sif an, die mit den Schultern zuckte, ehe ich meinen Kelch anhob und ihr zuprostete.
Mit einem Zug leerte sie ihn, ich jedoch nur meinen bis zur Hälfte. War ja auch kein Alkohol drin. Obwohl ich es mal wieder gebrauchen konnte. Ich vermisste tatsächlich den Geschmack von Alkohol, wenn er auf meiner Zunge zerging.
„Woher kannst du Mittelsprache?", fragte ich neugierig.
„Hatten einen Abstecher auf der Erde", sagte sie. „Man merkt dir an, dass du von dort stammst." Ich runzelte meine Stirn. „An deiner Art, wie du redest", erklärte sie und ich nickte.
„Im Übrigen, Jane lässt grüßen, Thor", grinste Fandral und zwinkerte ihm zu, während er seinen Kelch sinken ließ. Seinen dritten Kelch.
Er war ein Kerl, den ich auf der Erde gerne als Saufkumpanen gehabt hätte. Ziemlich gern. Doch leider war der Alkohol hier zu stark – für mich zumindest. Das wurde mir eingeredet.
„Danke", entgegnete er kühl. „Wie geht's ihr?", fragte er ruhig nach. Jane hatte ihn abserviert. Vor zwei Monaten. Harte Wahrheit? Sie hatte keinen Bock auf eine Fernbeziehung. Das konnte ich nachvollziehen. Hätte ich auch nicht gehabt. Jedenfalls nicht mehr. „Und Darcy und Eric?"
„Ganz gut", nickte Volstagg. „Ich sollte dir das geben", meinte Volstagg, ehe er einen Beutel von seiner Rüstung band. Er öffnete den Beutel, zog zwei Sachen heraus. Und prompt schnappte ich mir eines davon.
„Meins", sah ich Thor warnend an, der belustigt den Kopf schüttelte.
„Oh, und", Volstagg runzelte seine Stirn, streckte seine Hand aus, „Eh, das hier." Er drückte zögerlich ein Mobiltelefon vor Thor auf den Tisch.
„Ne, das kann er haben", schüttelte ich schnell meinen Kopf. „Der Whiskey hier gehört mir." Ich hatte mich daran gewöhnt, hier keine Elektronik zu nutzen oder Storm wie auf der Erde zu haben. Und ich hatte mich von allem entfremdet und verabschiedet, was meinem alten Leben angehörte. Ich brauchte es nicht mehr. Nur manchmal – in seltenen Momenten – vermisste ich es.
Hier gab es allerdings zum Heizen Feuer. Hier gab es zur Beleuchtung Feuer. Hier gab es auch zum Kochen und zum Backen Feuer. Und zur Abkühlung eiskaltes Wasser. Es gab keinen Strom, kein Warmwasser – es sei denn, man erhitzte es. Und es gab natürlich auch keine Steckdosen. Demnach war mein Handy auch schon seit mehr als vier Monaten tot. Und ich meinte wirklich, dass es tot war. Nachdem ich von ihrer Majestät gezeigt bekommen hatte, wie ich Hitze in meinen Händen hervorrief – was ich noch immer nicht lange halten konnte – hatte ich es geschmolzen und von meinem Balkon geschmissen. Um einen kompletten Neustart hier in Asgard hinzulegen.
Meinen letzten Anruf hatte ich Leyla gewidmet. Und ihrem kleinen Baby. War ich nicht ein toller Mensch? Obwohl... laut Odin war ich ja keiner. Argh! Ich hatte Probleme, mich als eine Art Gott anzusehen. In einigen Hinsichten war ich nämlich noch immer ich. Ein Mensch. Und ich glaubte, das war mir schwerer auszutreiben als mein menschlicher Akzent.
„Ja, sie meinte irgendwie, ein wenig weniger Alkohol täte dir mal gut", schmunzelte Hogun und setzte sich mit einem neuen Tablett voller Kelche, in denen sich – was wusste ich – Dunkles befand.
„Also, jetzt kannst du ja mitsaufen", grinste Thor mich an und ich nickte eilig, ehe ich mit einem kräftigen Schnipsen meiner Finger die große Flasche öffnete. Sie war zu, also noch unbenutzt. Und die XXL-Edition. Ja!
Ich las mir schnell durch, wie viel Prozent sie hatte und fing dann an, zu grinsen. „Den trink ich pur", teilte ich Thor mit einem fetten Grinsen im Gesicht mit – als wäre ich ein Kleinkind, was die Barbie bekommen hatte, die sie sich gewünscht hatte.
„Übernimm dich bloß nicht", merkte Thor an und ich schob leicht die Unterlippe vor, ehe Sif mir meine Flasche aus der Hand nahm und ihren Schnaps leerte. Danach goss sie großzügig etwas in den Kelch und schob ihn zu mir, wobei ein paar Tropfen überliefen und ich gebannt auf diese sah. Dies war meine einzige Chance, Alkohol zu trinken. Und sie verschüttete die Hälfte!
„Lass sie mal", rollte Sif mit ihren Augen. „Ist ja nicht jede Nacht." Ich nickte eifrig. „Und außerdem ist sie bestimmt volljährig."
„Dreiundzwanzig", sagte ich stolz.
„Seit zwei Tagen", merkte Thor hinterher an.
„Und jetzt wissen wir, warum sie ausgeflippt ist", kommentierte es Fandral und meine Mundwinkel zuckten.
„Das ist es nicht", sagte ich und drehte den Kelch etwas in meinen Händen. Ich sollte ihn genießen, diesen Tropfen der Lustbarkeit. „Es war eher mein Heimweh, da ich seit vier Monaten und zwei Tagen hier bin", erklärte ich ihnen und Hogun nickte verständlich. „Doch heute Abend trink ich sie mir aus dem Gedächtnis", grinste ich und Volstagg fing an, zu grollen.
„So macht man das!", rief Fandral und Thor schüttelte belustigt seinen Kopf.
„Tja, nicht jeder ist so wie auf der Erde, Thor", lächelte ich und hob den Kelch an meine Lippen, ehe ich gleich fünf kräftige Schlucke nahm und das heftige Brennen in meinem Hals willkommen hieß. „Wuh!" Ich schüttelte mich kurz. Wow, war das lange her.
„Wow. Eine echte Trinkerin", kommentierte Sif es trocken.
„Mit ihr hättest du eine gute Saufkumpanin, wenn sie unsere Getränke vertragen könnte", erzählte Thor ihr und zeigte auf mich.
„Ach, wir sorgen schon dafür, dass sie sich abhärtet", winkte eine Brünette es ab und setzte sich neben Fandral.
„Hallo, Tyr", begrüßte Sif ihn ungerührt und trank meine Milch leer, ehe sie sie wegstellte – ans Ende des Tisches.
„Tyr, wie war Jotunheim?", fragte Thor für einen Moment ernst und beugte sich vor.
„Ruhig", nickte sein Gegenüber. „Sie sind brav und alle Tore sind verschlossen."
„Welche Tore?", fragte ich nach. Ich runzelte meine Stirn. Doch die Brünette von mir schräg gegenüber winkte es mit einem Schnalzen der Zunge ab. „Okay", zuckte ich mit den Schultern und er runzelte die Stirn. Ich hatte darauf vertraut, nicht nochmal nachzufragen, wenn es jemand in Asgard mit der Hand abwinkte oder mit der Zunge schnalzte, um der Unterhaltung ein neues Thema zuzuordnen. „Das ist ein Wort auf Midgard, welches in Ordnung bedeutet", erklärte ich ihm gedämpft und er nickte. Ach, deswegen hatte er mich so angeglotzt.
„Midgarderin?", fragte er und ich nickte. „Dann sauf mal den Trank leer", forderte er mich auf. „Wir brauchen stärkeres", lächelte er.
Ich verdrehte meine Augen, hob den Kelch wieder an und trank in aller Ruhe aus. Ich blinzelte als ich den Kelch auf dem Tisch abstellte und er sich mit zuckenden Mundwinkeln durchs braune Haar fuhr, weiße Zähne durch sein verschmitztes Lächeln zum Vorschein brachte. Er tippte sich kurz gegen sein markantes Kinn. Als ob er mich abcheckte. Aber dafür verweilten seine Augen lediglich auf meinem Gesicht. Die Aufmerksamkeit der Männer in Asgard war anders als auf der Erde. Sie waren am Charakter einer Frau direkt interessiert und behandelten – eigentlich – alle Frauen gleich. Nur mit Prostituierten gingen sie anders um hatte ich gehört. Und im Viertel dieser war ich noch nie gewesen.
„Tyr", schüttelte Thor den Kopf und zog mir den Kelch weg, weswegen ich schmollte.
„Thor, sie ist alt genug, um selbst zu entscheiden."
„Dreiundzwanzig", beteuerte ich wieder.
„Manche Kinder werden hier nicht mal acht", lachte Fandral zustimmend und ich kicherte hinter vorgehaltener Hand.
„Also", begann Tyr. „Wir fangen auch nur mit wenig im Kelch an und trinken uns dann nach oben." Er presste kurz seine vollen Lippen aufeinander. „Ihr mögt sie vielleicht Sitten und Gebräuche sowie Zauberkunst lehren", wandte er sich kurz an Thor, ehe er an Lautstärke in seiner Stimme zunahm. „Aber wir lehren sie nun mal in der Kunst des Saufens im Reich von Asgard."
„Hört, hört!", schrie der ganze Pub und alle stießen mit ihren Krügen, Kelchen und Bechern an, während ich zusammenzuckte.
Thor sah sich nur kurz um, sah dann zu mir und schüttelte nur den Kopf. „Ihr seid unmöglich", sagte er belustigt und trank meinen Whiskey plötzlich alle.
„Unmöglich gutaussehend, ja", stimmte Fandral zu und schob mir einen Krug zu, den ich mit meinen Händen abfing. Ich legte vorsichtig meine Finger um diesen.
„Also, fang mit-", Tyr biss sich auf die Unterlippe. „Ach, trink einfach", haute er raus, winkte es kurz ab und ich zog die Augenbraue für ein paar Sekunden hoch. Doch dann zuckte ich mit den Schultern und trank einfach drauf los.
>Scheiße! Das brennt wie Sau!
<Sei kein Weichei!
>Trinkst du gerade irgendwas alkoholisches, was du noch nie getrunken hast und dessen Namen du nicht weißt, Pook?
<Pook ist noch schlimmer als Pookie.
Ich hustete, stellte es ab. „Zu viel auf einmal?", fragte Fandral.
„I-ch-", ich schüttelte hustend meinen Kopf.
„Und das kommt dabei raus, wenn man auf sie außerhalb einer Schlacht hört, Victoria", seufzte Thor. „Aber ich lass es dich auf die harte Tour besser lernen, sonst wirst du nie hören."
„Ich hab's in der Nase", lachte ich, ehe der Rest am Tisch folgte.
„Vom Nasensaufen hab ich noch nie etwas gehört, Kleines", lachte Tyr. „Wo hast du das gelernt?"
Ich wurde rot. „Jedenfalls nicht auf Midgard", erklärte ich, lachte. Und sobald ich mich wieder beruhig hatte, hob ich meinen Krug wieder an die Lippen. Denn es schmeckte. Es schmeckte komischerweise nach irischem Kaffee. Nur mit mehr Whiskey als Kaffee. Vielleicht siebzig zu dreißig gemischt.
„Du lernst nicht", sang Thor leise neben mir.
Als ich es abstellte, war mehr als die Hälfte weg und ich hatte kurzen Schluckauf, welcher irgendwie... niedlich klang, sodass Volstagg, Hogun und Fandral ein „awww" von sich gaben.
„Und? Kannst du noch stehen?", fragte Sif mit einem Mundzucken und ich erhob mich von der Bank, während Thor die Arme hob – jederzeit bereit, mich aufzufangen.
Doch ich wankte nicht. Ich spürte auch nicht wirklich was. Eigenartig.
„Gut, sie kann noch stehen", hob Tyr die Faust. „Dann kannst du ja die nächste Runde holen", lächelte er anerkennend und hob kurz den Krug vor sich an, ehe Sif sich mit erhob.
„So, wie ich euch kenne, ist das schneller leer als sie tragen kann", meinte sie und schlug Tyr gegen den Hinterkopf. „Zudem ist sie nicht dein Weib, was alles tätigt, sobald du es verlangst."
Ich sah hinter mich, schnipste dann mit meinen beiden Händen, ehe gleich vier Tabletts auf uns zuflogen – einige der Besucher aber diesen auch hinterhersahen.
„Es hat auch seine Vorteile, im Palast zu leben", lächelte ich als die Tabletts auf dem Tisch mit einem lauten Knall landeten und so manche Tropfen des Alkohols verschüttet wurden.
„Respekt, Kleine", grinste Tyr, nahm sich den nächsten Krug und hob ihn an, was ihm viele nachtaten.
„Siehst du?", grinste Thor. „War doch keine falsche Entscheidung, herzukommen, Victoria."
Ich lächelte sanft. „Okay, manchmal hast du einfach Recht." Danach schnellte ich vor und gab ihm einen Wangenkuss, ehe ich mich wieder setzte. „Aber eben nur manchmal."
„Nicht alle Asen haben Angst vor Totenkindern", meinte Tyr und zwinkerte mir zu.
„Und nicht alle Totenkinder sind grausam, mein Lieber", entgegnete ich. „Sofern ich den Geschichtsbüchern Glauben schenken darf."
„Sie waren äußerst freundlich und zuvorkommend", grinste er.
„Das bin ich auch", erwiderte ich. „Sofern man mich nicht reizt und provoziert."
„Was würde passieren?"
„Flirtest du gerade?", schmunzelte Thor, raunte es mir ins Ohr – wobei ich ihm einen Rippenstoß verpasste.
Danach nahm ich mir den nächsten Kelch. „Dann also auf eine erfolgreiche Nacht", meinte Sif erneut.
„Hört, hört", riefen wir und stießen alle an, sodass ein lautes klirren in der Taverne ertönte.
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Natashas Perspektive:
„Nat, komm endlich!"
Ich seufzte, hob meine Strickjacke an. „Warte, Lebedow, mein Handy summt hier irgendwo." Ich seufzte, legte den Kopf schief. „Wo ist es nur?"
Charlie erschien in Unterwäsche in meiner Zimmertür. „Ich weiß immer noch nicht, was ich zu einem Date mit Nate anziehen soll", gab sie völlig überfordert von sich. „Wie kommt er auf diese dämliche Idee, Essen zu gehen? Im Four Seasons?!"
Ich seufzte erneut, hob meinen kleinen Nachttisch an. Und ich guckte resigniert als ich das Handy dort vorfand. Es hatte zu klingeln aufgehört.
Ich zog die Brauen zusammen als ich Charlie wortlos aus meinem Schlafzimmer folgte, auf die Nummer sah.
„Ich kenn die gar nicht", sagte ich, hielt im Flur. „Warte mal bitte kurz, Charlie."
„Ach, komm schon!", beschwerte sie sich lautstark, ehe ich auf Rückruf drückte und mir das Smartphone ans Ohr hielt.
„Es piept schon", erklärte ich ihr. „Vielleicht ist das wichtig, Char", sagte ich, ehe ich bei den lauten Geräuschen am anderen Ende zusammenzuckte. Aber halleluja. Veranstaltete dort jemand ein Rave? „Hallo?" Ich verzog die Miene, schaltete auf Lautsprecher und dessen Lautstärke runter, weil es mir für meine Ohren zu laut war.
„Hallo?!" Ich sah ruckartig auf. „Tash?!"
„Vika", sprach Charlie ruhig aus, sah aufs Telefon.
„Victoria, ist alles in... Ordnung?" Ich räusperte mich.
„Ey, du glaubst nicht, wie toll das hier ist!", schrie sie uns durchs Telefon entgegen, ehe ein lauter Knall ertönte und aufgebrüllt wurde, sie mitjubelte. „Ich glaube, der Allvater wird uns morgen alle rügen, weil wir gerade eine Statue in den See gestoßen haben." Ihr Kichern ging in den lauten Geräuschen aus dem Hintergrund fast unter.
„Und wie... geht es dir?"
„Super!", schrie sie laut als die Tür im Hintergrund aufging und ich kurz hinter mich sah, Clint entdeckte, der sich müde das Gesicht rieb und aus seinem Zimmer kam. Es war siebzehn Uhr und er schlief noch. Ich konnt's nicht fassen.
„Victoria, bist du dir wirklich sicher?", hakte ich nach, wandte mich wieder ans Telefon. „Möchtest du nicht nach, naja, Hause kommen?"
„Warum?", lachte sie. „Ich fühl mich hier super. Du solltest Thor mal saufen sehen!"
„Hey, Totenkind, was machst du da?"
„Telefonieren nennen wir das!", schrie sie lachend zurück. „Ich glaube, ich habe einen neuen Freund", sprach sie direkt laut flüsternd ins Telefon und Clint hielt inne, an uns vorbeizulaufen.
„Wer ist das?", drehte er mir seinen Kopf zu.
Ich blinzelte ihn kurz an, sah aber wieder aufs Handy. „Ich schwöre, wenn ich heute Nacht sterbe, dann habe ich wenigstens noch einmal erlebt, wie toll es ist, zu saufen."
„Das sie betrunken ist, darauf wäre ich auch schon gekommen", haute Charlie ruhig raus.
„Ihr müsstet hier sein, um das erleben zu können. Für jeden Russen ein Traumparadies."
„Ist das...?" Clint deutete aufs Handy, drehte sich uns komplett zu.
„Victoria, wie viel hast du getrunken?", fragte ich besorgt nach.
„Hey, wo ist das Handy?!" Ich zuckte zusammen als Thors Stimme im Hintergrund ertönte. „Romanoff, hast du mir das Handy geklaut?!"
Vika lachte laut. „Du sagtest, du dürftest unter keinen Umständen heut noch Jane anrufen, Thor", sagte sie.
„Ja, und du sprachst davon, den Idioten unter keinen Umständen anzurufen", kam Thors Stimme näher.
„Aber ich habe meine Schwester angerufen", haute sie resigniert raus, ehe sie aufschrie und dann loslachte. „Thor, lass mich runter."
„Sie ruft zurück", ertönte Thors Stimme lachend, ehe aufgelegt wurde.
„Ich glaube, bei denen ist es Nacht", gab Charlie nach ein paar stillen Sekunden von sich, wischte sich übers Gesicht.
Zögerlich sah ich in Clints Gesicht auf, der noch immer aufs Handy starrte.
„Ich glaube wir wissen beide, wer der Idiot ist, den Thor meint", stellte er klar.
„Möchtest du die Nummer haben?", bot ich ruhig an.
Und ich sah ihm an, dass er mit sich rang. Aber er schüttelte den Kopf, ehe er einfach weiterlief. „Du solltest bessere Unterwäsche tragen, wenn du zu einem Date eingeladen wirst, Lebedow."
Charlie lief rot an. „Es ist Waschtag", gestand sie ihm.
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Victorias Perspektive:
„Was ist los?", schmunzelte Thor.
Ich sah grummelnd auf. „Ich hatte noch nie in meinem Leben einen solchen Kater", gestand ich ihm. Er lachte, ich stöhnte schmerzerfüllt.
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Datum der Veröffentlichung: 31.10.2019 17:00 Uhr
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