Thirty-seven
Thirty-seven:
das kleine Geschenk zum Abschied
„Ist schon gut", murmelte Lyane, strich mir durchs Haar.
„Nein, es ist nichts gut", schüttelte ich meinen Kopf.
„Ihr habt es doch akzeptiert", zuckte Hel mit ihren Schultern als war alles gleichgültig und mit verweintem Gesicht, geröteten Augen und nassen und klebenden Wimpern sah ich zu ihr auf.
„Akzeptiert? Willst du mich verarschen?!", schrie ich sie an.
„Victoria, beruhige dich", strich mir Lyane ein paar Haarsträhnen aus dem Gesicht.
„Ich bin interessiert", ergriff Hel wieder das Wort. „Welchen Preis habt Ihr gezahlt?", fragte sie neugierig, legte ihren Kopf schief. „Denn nicht jeder von uns in diesem Raum sitzt in Euren Gedanken", blickte sie Lyane provozierend an.
Ich sah geradeaus, zu Boden. „Hel, jetzt lass langsam gut sein", murrte Lyane. „Sie sieht nicht gerade danach aus, als wäre ihr danach, ein Gespräch-"
„Mein Kind." Ich schüttelte mich. „Nein", schüttelte ich den Kopf. „Nein, ich kann nicht schwanger gewesen sein."
„Das tut mir leid", meinte Hel ernst. „Aber manchmal müssen wir hohe Preise zahlen, um die zu retten, die wir lieben."
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Ich strich mir zitternd mein kurzes Haar aus der Stirn.
„Ich muss hier weg, sofort", sagte ich.
„Hier." Ich zuckte zusammen als Hel mich mit einer Kette bewarf.
„Wozu?", fragte ich resigniert. „Was ist mit Euch nur falsch?"
Hel deutete auf den Gang zu unserer Rechten. „Jasey bringt Euch zum Verlass dieses Reichs", merkte sie an. „Viel Glück Euch, Euer Majestät."
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„Sie ist anstrengend", seufzte ich, strich mir das Haar zurück. „Wieso kann sie mir nicht einfach den Ausgang zeigen und tschüss sagen?!" Grummelnd drehte ich mich zum Tiger um. „Was meinst du? Stimmst du mir zu?" Sie schüttelte ihren Kopf. „Ach, leck mich doch", seufzte ich, rieb mir den Unterleib. Mein Bauch tat noch immer weh. Ich wollte mich am liebsten nur noch hinlegen und mich ordentlich ausheulen, die Möglichkeit erhalten nie wieder unter meiner Bettdecke hervorkriechen zu müssen.
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„Wie kommen wir nun hier weg?", hakte Lyane nach.
„Wie?" Ich hob beide Arme an. „Ich habe nich' die geringste Ahnung." Ich sah zum Tier. „Erzähl mal, Große", forderte ich sie auf als sie sich auf ihre vier Buchstaben setzte und mich als auch Lyane mit schiefgelegtem Kopf betrachtete. Dann schnaubte das Tier, setzte sich wieder in Bewegung und lief an uns vorbei, wobei es Lyane rammte. „Scheint, als wär sie sauer auf dich."
„Dieses Mistvieh mochte mich auch schon zu Lebzeiten nicht", haute sie raus, verdrehte ihre Augen.
„Nun ja, schlimmer geht immer", murmelte ich, sah auf die Kette hinab.
Lyanes Mundwinkel zuckten. „Wie du meinst."
Ich runzelte die Stirn als Lyane meine Hand umschloss und mich mit sich zog.
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Ich achtete wieder weniger auf die Umgebung, die eigentlich sowieso nur feucht, kalt und dunkel sowie halbzerstört war. Eher achtete ich auf das leere und dumpfe Gefühl in meiner Bauchgegend.
Er hatte mir ohne Skrupel und Gewissen mein Kind genommen. Es einfach getötet. Und er oder sie hatte keine Chance gehabt. Und das ich nicht unfruchtbar war, konnte ich noch kaum begreifen. Denn es bedeutete, dass ich Kinder bekommen konnte. Nur wieso hatte ich dann bisher nicht die Periode gehabt? Oder war es mir nicht aufgefallen? Nein, es wäre mir aufgefallen, wenn ich plötzlich geblutet hätte.
„Warum konnte ich schwanger sein?", fragte ich leise nach.
„Durch deine Auferstehung", antwortete mir plötzlich Lyane und ich wandte ihr mein Gesicht zu, ehe sie zu einer Erklärung ansetzte. „Einst stahl man dir das, was du dir auf der ganzen Welt am meisten gewünscht hast." Ich zog eine Braue hoch. „Die Möglichkeit, ein Kind zu bekommen."
„Danke, das weiß ich selber."
„Durch deine Auferstehung haben sich alle Organe und Funktionen in deinem Körper regeneriert, was bedeutet, du warst wieder in der Lage, Kinder zu bekommen."
„Ich war?", schluckte ich schwermütig und Lyanes Lächeln wurde noch etwas breiter als wir über eine funktionstüchtige Brücke liefen. Eine Steinbrücke.
„Ich gehe mal von aus, dass du noch Kinder bekommen kannst, keine Sorge", versuchte sie mich zu beruhigen.
Ein Wiehern, als ich gerade etwas erwidern wollte, riss mich aus dieser eigenartigen Unterhaltung über meine Möglichkeit, Kinder zu bekommen.
„Giselle." Ich war verwirrt. „Was möchte sie hier?"
Lyane zuckte etwas mit ihren Schultern. „Ich weiß es nicht", schüttelte sie ihren Kopf. „Ich kann nicht mit Tieren sprechen."
Ich seufzte. „Lass uns weiter."
Ich war nur irritiert als Giselle uns einfach folgte wie ein gehorsamer Hund. Aber ich ließ sie machen. Denn das Pferd davon abzuhalten, schien nicht von Bedeutung.
„Niflheim ist ein widerlicher Ort", spuckte Lyane es aus. „Ich würde diesen Ort so gern für immer verlassen", seufzte sie.
„Ich weiß", nickte ich leise. „Oh", machte ich als wir an einem Abhang ankamen, der zu einem beinahe abgebrannten Wald führte. „Sieht aus wie der Wald in Asgard."
„Ja, klar", schnaubte Lyane.
Giselle blieb auf einem Schlag mit einem Wiehern stehen. „Was hast du?", fragte ich sanft als sie mit der Hufe den Dreck auf dem Boden etwas von sich scharrte.
„Sie hat Angst, nach Avalon zu gelangen", sagte Lyane und strich Giselle am Hals entlang.
„Avalon?", meinte ich irritiert.
„Nach Niflheim kommt Avalon. Und danach kommt Jotunheim und von dort aus kann uns Heimdall wegbeamen."
„Oh", machte ich, lief einige Schritte und sah die Fee dann irritiert an.
„Wir sollte weiter", meinte Lyane nach einigen Sekunden der Stille zwischen uns als Jasey weiterlief und sie lief zu Giselle, ehe sie sie sanft mit sich in den Wald zog und ich ihr folgte.
„Wird das jetzt so ein ‚wir laufen in den Wald und vielleicht sterben wir'?", fragte ich.
„Ja, womöglich", nickte Lyane.
„Aber ich will nicht draufgehen."
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Den gesamten Weg über flüsterte Lyane Giselle beruhigende Worte zu.
Naja, okay. Ich klammerte mich ängstlich an mich selbst, denn dieser Wald war wirklich einer der gruseligsten Sachen, die ich je erlebt hatte.
Wenn man Snow White von Disney gesehen hatte und die Stelle kannte, wo der Wald Snow angeblich „angegriffen" hatte, so wusste man, was wir hier durchlebten. Denn so sah es hier auch aus. Nur nicht animiert und die Bäume wollten uns wirklich angreifen – und verfingen sich auch für meinen Geschmack zu oft in meinen Haaren oder pikten mir zu oft in den Arsch.
„Das letzte Mal war es hier schon so beschissen", murrte Lyane.
„Das war Shiva egal", seufzte ich.
„Tja, du siehst ja, wie missgestaltet sie nun aussehen." Sie murrte. „Sie hat für ihre Verhältnisse echt lange gebraucht, um herauszufinden, dass hier der Ausgang war", sah sich Lyane um.
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Auf einer Lichtung, die hellerleuchtet war, stoppten wir.
Ein Tor, wie in Avalon.
Hell und... kreisende Bewegungen gingen von ihm aus – wie ein hypnotisierendes Bild.
„Ist es das?", fragte ich den Tiger und sie nickte. „Die süße Freiheit", schnurrte ich dann und lief darauf zu, merkte aber nach drei Metern schon, dass mir keiner folgte. „Was denn?", fragte ich und Lyane seufzte.
„Vika, wenn ich da durchgehe, hat Shiva erneut die Befugnis über mich und kann mich kontrollieren." Sie fuhr sich durchs Haar. „Bist du dir sicher, dass ich mit dir kommen soll?"
Ich seufzte. „Ich glaube, du bist stark genug, um nein zu sagen", stellte ich klar. „Und zudem weiß sie nicht, dass du draußen bist, wenn du da durchgehst." Ich wies aufs Tor. „Der Überraschungsmoment ist auf unserer Seite."
Lyane seufzte auch. „Schön, dass du so viel Vertrauen in mich setzt, trotz dessen ich es nicht in mich setze."
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Datum der Veröffentlichung: 02.01.2020 20:49 Uhr
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