Twenty
Twenty:
ein Tag für mich
Ich seufzte. „Ich weiß nicht", murmelte ich. „Irgendwie ist Berlin bisher nicht das, was ich erwartet hatte, Natasha", sagte ich.
„Macht es dir denn gar keinen Spaß dort?"
Ich seufzte nochmal, holte tief Luft und tupfte mir den Mund ab, ehe ich die Serviette auf den leeren Teller legte. „Ach, keine Ahnung", lehnte ich mich in meinem Stuhl zurück. „Ich weiß einfach nicht", zuckte ich leicht mit meinen Schultern. „Ich dachte, wir würden morgens zusammen aufstehen, romantisch mal frühstücken und dann irgendwie spazieren gehen oder so", gestand ich ihr. „Stattdessen wachte ich allein auf. Schon wieder." Das war eigentlich wirklich das einzige, was ich zu bemäkeln hatte an meinem Freund. Es war wunderschön, abends im selben Bett einzuschlafen – selbst wenn wir nicht Arm in Arm einschliefen. Aber bisher war ich nur wenige Male mit ihm auch wieder aufgewacht. Und ich hatte gedacht, wenn wir erst wieder richtig in einer Großstadt waren und nicht mal auf dem Land oder unterm Sternenhimmel, dann änderte sich dies endlich.
„Also bist du von Clint enttäuscht, nicht von Berlin."
Ich prustete die Luft aus meinen Lungen, sah auf mein Glas Orangensaft, ehe ich mich vorbeugte und es in die freie Hand nahm, die mir blieb, da ich die andere ja dazu nutzte, mir das Telefon gegens Ohr zu halten. „Ich bin nicht unbedingt enttäuscht", murmelte ich, trank schnell einen Schluck. „Ich denke, ich bin eher verwirrt", gab ich zu.
„Vika", lachte meine Schwester leise. „Komm schon, wir reden von Clint, dem unromantischsten Kerl der Erde", rief sie mir in Erinnerung. „Wenn du ihm nicht sagst, was dir auf dem Herzen brennt, dann wird er das auch nicht ändern." Nun seufzte sie mal. „Sag's ihm einfach."
Ich biss mir auf die Unterlippe, grübelte kurz. „In Ordnung", meinte ich nickend. „Ich sag es ihm, wenn ich wieder im Hotel bin", fügte ich mit ran.
„Okay", lachte sie wieder leise. „Kann ich mir dann jetzt endlich mein Frühstück machen?", fragte sie mich. „Du vergisst, dass wir es nun acht Uhr haben und mein Magen beschwert sich schon die ganze Zeit bei deinen Schmatzgeräuschen."
Ich zog meine Augenbrauen zusammen. „Ich schmatze nicht."
„Ja, klar", lachte sie. „Ich hab dich lieb."
„Ich dich auch." Sie legte auf und ich sperrte mein Telefon, ehe ich es in die Tasche steckte und aufsah. „Entschuldigen Sie?", fragte ich als die Kellnerin an meinem Tisch vorbeilief – und schon blieb sie stehen.
„Ja?" Sie lächelte breit. Anscheinend hatte sie heute einen guten Tag.
„Ich möchte gerne zahlen", lächelte ich.
Sie nickte. „Natürlich", lächelte sie und holte ihren Geldbeutel, sowie ihr... Gerät dazu? Dass die hier in Deutschland Geräte benutzten war mir neu – für ein Restaurant jedenfalls. „Das macht dann zwanzig Euro achtunddreißig, bitte", sagte sie mir und ich holte mein Portmonee hervor, ehe ich ihr das Geld zeigte und sie es sich nahm, da ich keine Ahnung vom Zählen hatte. Oder wie es hier in Deutschland ablief.
Als ich das Restaurant verließ, lief ich noch etwas durch das kleine aber staatliche Einkaufscenter, um mich abzulenken.
In einer Drogerie kaufte ich mir ein schön duftendes Parfum, was mir sehr gefiel und nach Blumen, genauer ausgedrückt, Lilien roch. Ich lief so durch die Gänge, ehe ich mir auch noch einen matten lilafarbenen Nagellack in den Korb steckte und eine neue blaue Zahnbürste. Allerdings blieb ich dann im Gang vor dem Erwachsenenzeug stehen, besah es mir. Denn... seit wann konnte man Sexspielzeug in einer Drogerie kaufen?
Ich schmulte, schaute von den ganzen Vibratoren für Frauen auf die Auswahl der Kondome. Nun ja... vielleicht sollte ich... Clint von dieser Wartezeit erlösen?
Es hatte immerhin nun doch schon eine ganze Weile ohne Sex geklappt. Und wir harmonierten guten im Bett, wusste Gott oder wer auch immer. Aber welche, ehm, Größe brauchte Clint denn?
Ich war maximal verwirrt. Deswegen übertrieb ich und packte mir sämtliche Größen und Sorten in den Korb. Ich kam mir vor wie eine Sexsüchtige als ich an der Kasse stand und hoffte einfach bis ins Unendliche, dass mich niemand anstarrte – oder erkannte.
Endlich fertig mit der Drogerie ging ich in ein H&M über, um mir dort kleinere Accessoires zu kaufen. Einen Blumenkranz für Charlie, eine Kette und ein paar Ringe für mich – halt Kleinigkeiten.
Danach kam ein Laden, den ich bisher nicht kannte, mir aber gefiel. Pimkie. Dort kaufte ich mir einige Oberteile, die mir sehr gefielen. Eine schwarze aber durchsichtige Bluse zum Beispiel. Oder ein dunkelblaues Kleid. Was aber auch das einzige Kleid war, welches ich mir kaufte.
Danach kam ich an einem Friseurladen vorbei. Und was passierte mit mir natürlich? Ich baute, ehm, naja, etwas Mist mit meinen Haaren. Ich ging hinein und ließ mir meine Haare schneiden, wieder auf Brustlänge. Es war mal wieder Zeit für eine Kürzung gewesen. Und als der Friseur, der mich behandelte, meinte, mir würden blonde Haare stehen, überlegte ich zwar, weil ich mir nicht sicher war, doch das Argument in mir, dass Clint auf Blondinen stand, ließ mich antworten, dass ich sehr gerne die Haare gebleicht bekommen mochte.
Gleich um achtzig Euro leichter verließ ich zwei Stunden später den Salon.
Und ich war mit dem Ergebnis tatsächlich zufriedener als ich dachte. Ja, es war ungewohnt. Ja, es war schädlich. Und ja, ich hatte noch nie außer meinem Rot eine andere Haarfarbe gehabt – ausgenommen meine magischen Explosionsveränderungen, die ich unter einem Tarnzauber bisher immer versteckt hatte. Doch nun, bei dem gefärbten Blond, musste ich gar nichts mehr verstecken.
Einen Blick auf die Uhrzeit werfend dachte ich dann, noch einen Mittagssnack einzuwerfen und fuhr danach langsam aber sicher mal lieber wieder zurück.
---------
Als ich gerade aus dem Bus stieg – und ich an der Ampel stand – kam mir Carolina entgegen.
„Na, Feierabend?", zwinkerte ich ihr lächelnd zu und ihr Gesicht hellte sich auf.
„Ja!", stöhnte sie erleichtert und ich stellte kurz meine Tüten ab.
„Deine Lederjacke gefällt mir", schmeichelte ich ihr und sie wurde etwas rot um die Wangen.
„Danke, aber deine sieht auch nicht schlecht aus", lachte sie. „Ich bin süchtig nach Lederjacken", gestand sie mir. Wir beide hatten dunkelrote Lederjacken an. „Und deine neue Haarfarbe gefällt mir sehr", grinste sie mich an. „Das blond steht dir."
„Ja, ist mal was Neues, dachte ich mir", sagte ich und fuhr mir etwas durchs Haar. Sie lächelte, wippte kurz auf ihren Fußballen hin und her. Und spontan fragte ich das erste Mal nach der Nummer einer anderen Person. „Sag mal, hättest du Lust, die Nummern auszutauschen?", hakte ich nach, biss mir kurz auf die Unterlippe, ehe ich weitersprach. „So kann ich wissen, wann du im Hotel bist und dir zum Frühstück mit deiner Freundin Gesellschaft leisten." Ihre Augen wurden groß. „Aber natürlich nur, wenn du möchtest", fügte ich dann noch schnell mit ran und sie nickte ganz wild los.
„Ja, natürlich möchte ich das!", rief sie außer sich vor Freude und ich lachte, ehe ich mein Handy hervorholte und sie ihres.
Gegenseitig speicherten wir unsere Nummern ab und gaben uns danach unsere Telefone zurück.
„Also, bis morgen, Carolina", lächelte ich ihr nochmal zu, ehe ich meine Tüten wieder anhob und über die dann nun grüne Ampel lief, ihr an der Tür zur Lobby nochmal zuwinkte, als sie über die nächste Ampel lief und kurz zurückblickte. Sie musste mit dem Bus fahren, mit dem ich vorhin in Richtung des Einkaufszentrums gefahren war. Sie winkte mir zurück als sie sah, dass ich winkte.
-------
In der Lobby angekommen sah ich am Brett, das der Zimmerschlüssel nicht dort hing. Clint musste also oben sein.
So lief ich direkt zum Fahrstuhl und bekam den ersten Schrecken, als sich die Fahrstuhltüren öffneten. Lisa, die sich durchs Haar fuhr, sich ihr Oberteile dann schnell richtete. „Guten Tag, Miss Romanoff", zwinkerte sie mir zu und lief an mir vorbei als ich meine Tüten mal wieder aufhob und in den fahrenden Metallbehälter lief. „Schönen Tag wünsch ich Ihnen noch!", winkte sie mir zu und der Fahrstuhl fuhr los, in den vierten Stock.
Ich zog die Brauen zusammen. „Hast du Drogen genommen, oder was?", grummelte ich leicht, rollte mit meinen Augen.
----------
„Bin wieder da!", rief ich als ich die Tür mit einem Fußkick schloss und ins Schlafzimmer lief. Das Bett war noch genauso unordentlich wie heute früh. Dabei hätten die Putzkräfte es doch richten müssen. Oder etwa nicht? „Clint?!", rief ich.
„Ich bin im Bad", antwortete er mir und als ich an der Tür ankam blickte ich kurz hinein.
Er rasierte sich gerade an der Kinnpartie. „Oh, okay, dann warte ich im Wohnzimmer, bis du fertig bist, um dir meine Sachen zu zeigen", grinste ich und er sah vom Spiegel aus zu mir, mit Rasierschaum im Gesicht. Er zog beide Augenbrauen die Stirn hinauf, ließ sofort den Rasierer in seiner Hand sinken.
„Du bist blond." Er blinzelte so perplex, als haute es ihn gerade um.
Ich nickte. „Ich bin blond."
„Okay", nickte er, schüttelte kurz seinen Kopf. „Ich, ehm", er zog die Nase kraus, die Brauen leicht überlegend zusammen, „Beeile mich." Ich kicherte, ehe ich die Tür wieder anlehnte. „Bin auch gleich fertig", meinte er noch laut als ich loslief zurück ins Schlafzimmer.
Ich kicherte nochmal, holte die Tüte aus dem Schlafzimmer und lief damit ins Wohnzimmer.
Im Wohnzimmer angekommen wollte ich den Fernseher anmachen nachdem ich die Tüte auf der Couch abgelegt hatte. Mal etwas Kabelfernsehen würde mir wohl auch nicht schaden, dachte ich.
Allerdings erhielt etwas anderes meine Aufmerksamkeit. Der Schreibtisch. Dort war eine Schublade etwas offen.
Hatte ich gestern irgendwas geöffnet? Oder Clint vorhin?
„Clint?", rief ich nochmal laut.
„Hm?", war erst seine Antwort und der Wasserhahn war zu hören, weswegen ich kurz noch mit meiner Frage an ihn wartete.
„Warst du am Schreibtisch?"
„Wie bitte?"
„Warst du am Schreibtisch?", wiederholte ich mich.
„Nicht das ich wüsste", erhielt ich meine Antwort.
Neugierig wie ich war ging ich auf die halboffene Schublade zu und zog sie unwissend gänzlich auf.
Meine Augen wurden groß als ich den weißen Zettel darin bemerkte.
Thank you for this amazing day
L
Naja, das war ja, dachte ich, ein schlechter Witz. Wenn man dachte, auf so einen einfachen Trick würde ich reinfallen, kannte man mich falsch. Nun ja, okay. Anfangs hielt ich es für einen Trick. Als ich jedoch ihren schwarzen Slip aus der Schublade zog, wurde mir speiübel. Das war nämlich zu einhundert Prozent nicht meiner.
-------
„Also", ich blinzelte schnell, „Was hast du dir heute zugelegt und angestellt?", schmunzelte Clint und kam frisch rasiert aus dem Badezimmer, während ich zu ihm sah und dann wie paralysiert auf das Ding in meiner Hand.
„Was ist das?", fragte ich leise nach und meine Sicht verschwamm.
„Äh... sieht aus wie einer deiner Slips?", hakte Clint irritiert nach und pflanzte sich auf die Couch, ehe es knisterte, weil er sich fast auf die Tüte gepackt hätte. „Ist der neu?", zogen sich seine Mundwinkel anfänglich zu einem Grinsen nach oben.
„Das ist nicht mein Slip", widersprach ich ihm leise und seine Mundwinkel zogen sich wieder nach unten.
„Was hast du denn?", lachte er leicht und irritiert.
„Hm... mal überlegen!", antwortete ich laut und schmiss den Zettel plus Slip in seinen Schoß. Der Slip landete darin, der Zettel nicht. „Heute früh haust du ab ins Restaurant, frühstückst dort mit dem hübschen Blondchen von gestern, ziehst mit ihr dann auch noch einfach ab!" Ich hob beide Hände. „Und das alleine!", sagte ich ihm mit Nachdruck. „In einer dir und mir völlig fremden Stadt!" Ich wurde immer lauter. „Und zur Krönung denke ich, dass die Putzkräfte unser Zimmer nicht aufgeräumt haben, aber natürlich muss ich diesen Zettel mit Slip finden, um mich beschissener denn je zu fühlen!", schrie ich ihn an und er sah auf den Zettel herunter, hob ihn auf, wobei seine Augen drüber rollten und er ihn schnell las, ehe er belustigt schnaubte.
„Du denkst diesen Mist doch jetzt nicht ehrlich?", hakte er nach und erhob sich von der Couch.
„Ich weiß bei dir nicht mehr, was man denken kann, wenn immer solche scheiß Situationen eintreten!", sagte ich laut und vergrub mein Gesicht in meinen Händen, weil ich zu sehr weinen musste.
„Vika", murmelte Clint und nahm mich dann einfach gegen meinen Willen in die Arme, wobei ich die ganze Zeit versuchte, mich loszureißen, ehe er mich mit einem Mal an den Armen ruckartig zu sich zog und ich resigniert stillhielt. „Ich habe nicht mit ihr gevögelt!", verteidigte er sich scharf und ich wimmerte. „Sie hat mir lediglich angeboten, die Gegend wegen guter Restaurants zu zeigen, wenn ich mal mit dir ausgehen wollen würde."
„Toll, wollen würde!", rief ich schluchzend und wütend.
Er schüttelte mich leicht. „Beruhig dich mal", meinte er und zog seine Augenbrauen zusammen. „Ich habe sie nicht angerührt."
„Verarschen kannst du dich selbst, Clint", heulte ich, riss mich los und lief aus dem Wohnzimmer, ehe ich in den Flur lief und er mir nach.
„Victoria, wieso sollte ich sie vögeln, wenn ich dich-", im Schlafzimmer angekommen schmiss ich ihm direkt die Tür vor der Nase zu, nur um mir seine Bettsachen zu schnappen und dann wieder zur Tür zu laufen, sie zu öffnen und sie ihm in die Arme zu drücken. „Victoria-", schüttelte er den Kopf.
„Viel Spaß bei Lisa", unterbrach ich ihn mit schniefendem Tonfall und knallte ihm die Tür wieder vor der Nase zu, ehe ich danach langsam zum Bett lief, mich drauflegte und in die Kissen kuschelte. Noch immer weinend.
-----------
Datum der Veröffentlichung: 25.01.2020 16:57 Uhr
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro