Five
Five:
Babysitting mal anders
„Sie sind also Vikas... Schwester?", fragte Charlie nachdem sie einen Schluck ihres Orangensaftes getrunken hatte.
Eine peinliche Stille hatte zwischen uns geherrscht. Es war minutenlang ruhig gewesen.
„Jap", antwortete sie kurz und knapp, ehe sie einen Schluck aus ihrer Tasse trank und kurz darauf die Lippen zusammenpresste.
„Wie kam es, dass du nie von ihr erzählt hast, Vika?", fragte Nate, als ob er die Information einfach nicht in seinen Schädel bekommen könnte. Sein Blick fuhr zu mir herüber, während Charlie neben ihm saß und still und leise ihren Saft hatte trinken wollen.
„Ich hab bis vor ein paar Stunden nicht einmal gewusst, dass ich eine große Schwester habe", murmelte ich und trank etwas von meinem heißen Kaffee. Ich verbrannte mir zwar die Zunge an diesem, aber das war mir egal, denn augenblicklich war ich wieder etwas lebendiger. Ob Kaffee mein Lebenselixier war? Oh, ja.
„Wir sollten danach zurück zu Shield", haute Natasha raus und deutete auf unsere Gläser und Tassen.
„Was? Warum?", zog ich meine Augenbrauen zusammen.
„Weil ich noch mehr Ärger mit Fury vermeiden möchte", drehte sie mir ihren Kopf zu. „Und ich hätte da eine Idee, wie ich dich aus dem Gefängnis boxen könnte."
„Nicht, indem ich meine Freunde reinbefördere", verneinte ich direkt.
„Nein, davon rede ich nicht", schüttelte sie ihren Kopf. „Allerdings sind sie Zeugen."
„Was?", zog Nathan eine Augenbraue hoch.
„Sie sind Zeugen, das Victoria missbraucht und misshandelt wurde beim KGB von Lucindra Vorti."
Ich runzelte die Stirn, ließ meine Tasse sinken als ich die Blicke der beiden mitbekam. „Was hat Vorti getan?", fragte ich alarmiert nach.
Charlie seufzte. „Vorti hat dich für tot erklärt und gemeint, wir sollten weitermachen wie bisher."
Nate schüttelte den Kopf. „Wir wissen, dass Shield nicht einfach so jemanden umbringt wie der KGB", sagte er.
„Deswegen sind wir abgehauen und haben dich gesucht."
„Und dafür brauchtet ihr nicht mal vierundzwanzig Stunden?", hob ich beide Augenbrauen an.
„Super", lachte Natasha, klatschte – ironisch gemeint – in ihre Hände. „Sie wissen schon, dass Sie sich damit den KGB zum Feind gemacht haben?", verdrehte sie ihre Augen.
„Was wissen Sie schon über den KGB?", gab Charlie bissig wieder.
„Ganz ruhig, Brauner", schmunzelte sie. „Ich mein ja nur", zuckte sie mit den Schultern. „Und außerdem hab ich für den KGB auch mal gearbeitet, bis ich jedenfalls zu Shield gewechselt bin", stellte sie klar. „Wie haben Sie sie so schnell gefunden?"
„Naja, erst waren wir in Budapest und haben dort-"
„Ich unterbreche dich gleich an dieser Stelle, sonst wird die Geschichte hier ewig dauern", schnitt ich Nathan das Wort ab. „Wem habt ihr eine Hand abgetrennt?"
„Niemandem", erklärte Charlie. „Wir haben uns unter die Bratwa gemischt und Alécsandra ausfindig gemacht und sie um Hilfe gebeten." Sie zuckte mit ihren Schultern.
„Sie müssen umgehend in ein Zeugenschutzprogramm", schlug Natasha vor. „Alécsandra Petrova?" Sie seufzte. „Wen wollten Sie umbringen?"
„Wir haben Alex dafür an den Harken geliefert", zuckte nun auch noch Nate mit seinen Schultern.
Und da riss mein Faden. „Oh, gut", nickte ich, sah Natasha an. „Nein, der geht wirklich in Ordnung", sagte ich ihr. „Und nein, kein Zeugenschutzprogramm."
„Dann, was?", haute sie raus.
„Wir gehen zu Shield und erklären es so, wie es ist", schlug Nathan vor. „Obwohl mir diese Option nicht ganz behagt."
„Wo sonst könnten wir hin?", meinte ich nachdenklich.
„Eh, vielleicht zurück?!", gab Charlie von sich. „Wenn wir dich bei uns haben, wird die sich schon denken können, dass wir dich nur gerettet haben", widersprach sie.
„Und was ist, wenn ihr Sohn plötzlich ans Messer der Bratwa geliefert wird? Wie erklärt ihr ihr dann, dass das einfach passiert ist? Ist er gestolpert oder was?"
Ich seufzte. Zeugenschutzprogramm konnte man bei mir knicken. Ich war einfach eine Kämpfernatur – das wusste ich.
Aber ich kannte Vorti besser als sie. Sie hatte mich ausgebildet, bevor sie befördert worden war.
„Ich gehe nicht zurück", entschied ich mich nun doch.
„Was?!", fragte Char scharf an mich gerichtet und ihr Lockenkopf fuhr zu mir herum.
„Ich werde nicht mit zurück nach Budapest kommen", wiederholte ich ruhig.
„Hmpf", machte sie nur beleidigt.
„Charlie, du kennst Vorti nicht so gut wie ich", fing ich an. „Sie würde euch für den Verrat töten lassen. Ihr habt nicht gehorcht", stellte ich klar. „Das ist Verrat am russischen Staatsregiment", sagte ich ihnen. „Und ich würde es nicht hinnehmen, wenn ihr getötet werdet, würde euch verteidigen wollen. Somit würden wir alle draufgehen." Ich sah zu Natasha. „Wenn sie nicht weggesperrt werden, bin ich dabei", sagte ich ihr. „Denn sie wurden entführt als Kinder. Das hätten sie nicht verdient."
Charlie sah mich an, als hätte ich ihr größtes Geheimnis gerade ausgeplaudert.
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„Agent Romanoff, Miss Romanoff", sah Fury auf, seufzte. „Äh, und mit wem habe ich noch die Ehre?", wies er mit seinen Händen leicht in den Raum hinein, ehe er sie auf dem Tisch ablegte. „Wie kann ich Ihnen behilflich sein?", fragte er etwas verwirrt.
„Director, das sind Charlie und Nathan", haute meine Schwester raus. „Zeugen in dem Fall, das Victoria vom KGB missbraucht und gekauft wurde." Er hob beide Augenbrauen. „Und sie selbst sind Entführungsopfer des KGBs", fügte sie seufzend hinzu.
„Agent Romanoff, ich weiß, dass Sie und Ihre Schwester nicht-"
„Director, ich möchte nicht unhöflich erscheinen", unterbrach Natasha ihn gleich wieder. „Aber sie sind unschuldig. Alle drei", merkte sie an. „Ich möchte ein Budapestverfahren wie damals bei mir einleiten lassen."
Er hob nochmal beide Brauen, sah zu mir auf. „Sind Sie sich sicher, Agent?"
Natasha nickte einmal bekräftigend, während ich sie zweifelnd ansah. Was war ein Budapestverfahren?
Ich zog meine Augenbrauen zusammen, als mein Magen plötzlich knurrte.
>Irgendwie kotz ich gleich.
<Du hättest bei ihr etwas essen sollen.
>Kommst du jetzt wieder damit, dass ich zu wenig esse?
<Ich mein ja nur.
>Ja, ich mein ja auch nur.
„Sind Sie sich auch zu hundert Prozent sicher?", hakte er nochmal nach, sah sich Charlie und Nathan gut an, ehe er seitens Natasha wieder ein Nicken bekam. „Na, schön", seufzte er. „Stark oder Barton?"
Nun war es Natasha, die ihre Augenbrauen anhob. „Verzeihung?"
„Stark oder Barton, Agent Romanoff?", wiederholte er. „Einer der beiden kann sich um Ihre Schwester kümmern."
„Aber ich dachte-", begann sie.
„Sie übernehmen Miss-", er wies nur in Charlies Richtung.
„Lebedow", gab sie ruhig von sich.
„Miss Lebedow", sprach er aus. „Ich kontaktiere Hill für Mr.-"
„Orlow", schnitt Nate ihm gleich das Wort ab.
„Eben", meinte er trocken.
„Ich möchte nicht unhöflich erscheinen", mischte ich mich nun mal ein. „Aber ist Stark für sowas qualifiziert?", hakte ich nach.
„Was? Fürs Babysitting?", gab Fury von sich – was fast schon spottend klang. „Miss Romanoff, Sie stehen unter Verdacht, Missbrauch erlitten zu haben und von der russischen Regierung verfolgt zu werden. Möchten Sie überhaupt keinen Schutz?"
Ich zog eine Augenbraue hoch, während Natasha schnaubte, dann leicht lächelte als ich sie ansah. Hatte ich hier eben was verpasst?
„Barton soll auf sie aufpassen", sagte Natasha ruhig.
„Ich kann Barton aber nicht ausstehen", gab ich zu bedenken. „Geht nicht noch jemand komplett anderes?", wandte ich mich an Fury.
„Ich habe wesentlich andere Probleme", haute dieser raus, sah kurz auf sein Tablet.
Ich seufzte, sah Natasha an und dann kurz meine Freunde. „Fein", gab ich mattlächelnd von mir, ehe ich die Augen doch verdrehte. „Dann pass ich auf, dass mir eine Gabel oder so nicht ausrutscht und ihm ein Auge aussticht."
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„Das war jetzt nicht sein Ernst", murmelte Barton, seufzte als wir unten in der Eingangshalle ankamen.
„Ich bin auch nicht gerade erfreut darüber", sagte ich leicht gereizt.
Er verdrehte seine Augen. „Das glauben auch nur Sie, Romanoff."
>Will der drüber streiten?
„Und was nun?", wandte ich ihm meinen Kopf zu. „Bleiben wir hier die nächsten zwei Stunden stehen?"
„Ehrlich gesagt dauert's drei", entgegnete er und innerlich begann ich zu beten, dass ich ihn nicht doch noch umbrachte. Denn dann kam ich erst recht ins Gefängnis. Zumindest diesmal. „Gut." Er fuhr sich übers Gesicht, massierte sich dann das Kinn. „Wo möchten Sie hin?", fragte er mich. „Haben Sie einen Wunsch, was Sie an Manhattan schon immer mal sehen wollten?"
Ich hob beide Augenbrauen. „Sie überlassen-"
„Ja", schnitt er mir das Wort ab, holte kurz sein Handy raus und stellte was ein, ehe er's wegsteckte. „Ich wohne hier, ich habe schon alles gesehen, was ich sehen wollte."
„Ehm, okay", nickte ich, ehe ich meine Hände in meinen hinteren Hosentaschen vergrub und er auf meine Hände sah. „Times Square?", fragte ich ratlos. „Ist der nicht bunt?"
„Voller Werbung", gab er wieder. „Schön." Er presste kurz seine Lippen aufeinander. „Dann mal los", sagte er letztendlich und stapfte an mir vorbei, wobei ich ihm kurz nachsah und dann den Kopf schüttelte, sobald mein Blick kurzzeitig auf seinen Hintern fiel.
Das musste ja nicht sein.
„Fahren wir nicht?", fragte ich verwirrt und blinzelte kurz auch so, während ich ihm schnell folgte, meine Hände hinter mir verschränkte.
„Das wird nicht nötig sein", meinte er mit kurz zuckenden Mundwinkeln.
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Als wir hinaustraten bemerkte ich das erste Mal, dass sich dieses Shield-Quartier mitten am Times Square befand. Und das erklärte mir so einiges.
Ein wenig weiter weg sah ich schon die altbekannte Cola-Werbetafel.
„Wow", hauchte ich als ich mich leicht drehte, meine verschränkten Hände öffnete.
Überall war nur blinkende Werbung zu erkennen und Lichter blendeten einen ein wenig. Menschen, überfüllt auf Straßen und Gehwegen waren zu sehen, während die Autos kaum vorankamen – und hauptsächlich aus Taxis bestanden. Touristen, überall mit aufblitzenden Kameras waren zu erkennen.
„Da vorne ist ein Café", merkte Barton an. „Möchte Sie etwas essen?", seufzte er.
„Wenn Sie mir Ihr Wort geben, es nicht zu vergiften", stichelte ich.
„Also?", meinte er einfach, zog eine Braue hoch. Ich nickte überrumpelt, hatte eigentlich erwartet, dass er sich provozieren ließ.
Allerdings lief er so nur los und ich folgte ihm schnell durch die Menschenmassen hindurch und hinüber zum Café.
>Was ich dem wohl getan habe?
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„Hallo, kann ich Ihre Bestellung aufnehmen?", fragte eine brünette Kellnerin als wir uns im dezent überfüllten Café gesetzt hatten.
„Ehm." Ich lugte in die Karte, zog meine Augenbrauen zusammen. Cola? Also... Coca Cola? Es gab hier richtige Cola? Kein Billigzeug, das nach Pisse schmeckte? „Eine Cola?", hob ich den Kopf und sah Barton an, während die Kellnerin nickte.
Er hob beide Augenbrauen, legte kurz den Kopf schief. „Ebenfalls", schloss er seine Karte. „Und einen Flammkuchen noch für die Dame, danke."
Nun war ich es, die beide Augenbrauen anhob. „Für Sie nichts?", fragte sie nach.
„Für mich nichts, danke", stimmte er mit der Hand abwinkend zu, doch sein Blick verließ den meinen nicht einmal dabei. Vielleicht sollte er einen Job als Agentenbabysitter beginnen. Aussicht auf Beförderung war gleich in Sicht.
„Was wäre, wenn ich allergisch gegen etwas im Flammkuchen wäre oder sowas nicht essen würde?"
„Haben Sie schon mal einen Flammkuchen gegessen?" Ich schüttelte den Kopf. „Dann werden Sie's jetzt einfach probieren", zuckte er mit den Schultern. „Probieren geht über Studieren." Während wir auf meine Bestellung dann also warteten, starrte Barton dann jedoch auf seine Hände und ich schaute ihm dabei zu, überlegte, was ich ihm für Fragen stellen konnte. Und diese stellte ich nicht. „Was ist?", hob er wieder beide Augenbrauen als er nach minutenlangem Schweigen aufsah.
„Ich-", ich räusperte mich als ich einen Frosch im Hals bekam. „Ich hätte ein paar Fragen an Sie, falls es, ehm, okay wäre?"
„Stottern Sie öfters oder bilden Sätze mit einem ‚ehm'?", haute er raus und deutete von seinem Mund auf meinen. Ich schüttelte schnell meinen Kopf. „Dann fragen Sie", zuckten seine Mundwinkel, ehe er seine Arme auf dem Tisch verschränkte und kurz draufsah.
„In welcher, eh, Art von Beziehung stehen Sie zu Natasha?", fragte ich ihn. Ich wollte wenigstens wissen, wie nah er meiner Schwester stand, falls ich ihn zur Strecke bringen sollte und deswegen dann lebenslang hinter Gittern landete.
„Wir sind beste Freunde", gab er von sich. Er legte den Kopf schief. „Deine Freunde haben dich ganz schön schnell gefunden", merkte er an und ich hob beide Augenbrauen.
Er hatte mich gerade geduzt. Durfte er das?
>Shit.
„Wie viel Jahre alt bist du?", entfuhr es mir. Wenn er mich duzte, dann machte ich das auch.
„Zweiunddreißig", antwortete er prompt. Oh, er war wirklich über zehn Jahre älter als ich.
„Wo wurdest du geboren?", legte ich den Kopf schief. „Und hast du ein Zopfgummi?"
„Idaho." Er sah auf. „Wozu brauchst du ein Zopfgummi?"
„Mein Haar stört", gestand ich, deutete auf mein offenes Haar, das sich kräuselte und um meine Ellenbogen schwang.
Er betrachtete es, legte wieder einmal den Kopf schief und schüttelte ihn dann auch noch. „Ich mag deine Haare", haute er raus. „Sie haben die perfekte Länge."
„Perfekte Länge?", zog ich meine Augenbrauen leicht zusammen. „Wofür?"
Seine Mundwinkel zuckten, ehe er wieder auf seine verschränkten Arme sah. „Wird das jetzt ein Verhör?", wich er aus – glaubte ich zumindest. Er verdrehte die Augen. „Wo wurdest du geboren, hm?"
„Russland", runzelte ich die Stirn. „Ich weiß leider nicht, wo genau", merkte ich an. „Aber ich bin einundzwanzig", sagte ich. „Und irgendwie auf der Flucht", runzelte ich gleich wieder die Stirn.
<Schlagfertig wie eh und je.
„Flucht?", fragte er nach.
„Vor dem KGB", rollte ich mit meinen Augen. „Oder dachtest du, ich wäre vor den Bösewichten der Power Rangers auf der Flucht?", sagte ich sarkastisch.
Tatsächlich zuckten die Mundwinkel vom Agenten kurz wieder nach oben. „Du hast doch Humor", erwiderte er und stützte nun seine Arme auf dem Tisch ab.
„Hab ich, ja? Wann hast du Natasha kennengelernt?"
„Vor sieben Jahren", erzählte er. „Ich entschied mich dagegen, sie zu töten." Meinte er gerade wirklich meine Schwester?
„Du hast sowas wie Gefühle?", fragte ich sarkastisch nach und verdrehte die Augen.
„Hab ich, ja?", zitierte er mich und fing zu grinsen an, ehe er den Kopf auf seinen Händen abstützte und mich mit schiefgelegtem Kopf ansah.
>Eigentlich ist er ja ganz süß, wenn er so guckt.
<Ha! Ich hab's dir doch gesagt!
„Fühlst du dich in der Öffentlichkeit auch so unwohl, wie anfangs Natasha?", hakte er plötzlich ernst nach und ich hob beide Augenbrauen, schüttelte meinen Kopf.
„Nein, gar nicht", entgegnete ich ehrlich.
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Ich starrte auf die Cola hinab, als würde sie mich gleich töten.
„Und Ihnen kann ich wirklich nichts bringen?", fragte die Kellnerin als sie schon wieder an unseren Tisch trat und plötzlich mein Glas wegschob, mir einen Teller vor die Nase setzte. Sie stützte ihre Hand am Glastisch ab, beugte sich zu ihm vor – als ob sie versuchte, Barton doch tatsächlich Einblick in ihr Dekolleté zu geben.
Barton jedoch starrte mich an, während er verneinte. „Nein." Das sah ich auch nur, weil ich hochsah – erst zu ihr, dann zu ihm.
„Was ist das?", fragte ich, deutete auf meinen Teller. Das sah nach Pizza aus. Nur dünner.
„Der Flammkuchen, Miss", lächelte sie leicht. „Und wenn Sie's sich doch anders überlegen, einfach rufen", meinte sie und ging davon.
Ich sah ihr nach, drehte mich dazu sogar um. Am Ende sah ich Barton an. „Dir ist bewusst, dass die gerade versuchen wollte, mit dir zu flirten?", hakte ich trocken nach.
„Ja, aber ich steh nicht so darauf, wenn Frauen mehr Busen als Arsch haben ", winkte er ab und ich zog eine Augenbraue hoch.
„Ach, ja?", gab ich von mir. „Das ist ganz schön oberflächlich, findest du nicht?", ergriff ich mein Glas, sah das braune Zeug an.
„Menschen urteilen immer zuerst aufgrund des Aussehens." Er lächelte matt. „Und ich mag nun mal mehr Arsch als Titten."
Wow, was für ein Mundwerk.
„Bist du immer so offen in deinen Aussagen?", führte ich das Glas zum Mund, sah darauf als ich trank. Und es schmeckte wie das süßeste, was ich je getrunken hatte. Komisch.
Schnell setzte ich das Glas wieder ab.
„Man lebt nur einmal", meinte er, runzelte die Stirn. „Ich habe also nur einmal die Chance, mein Leben so zu genießen, wie ich es möchte."
„Nein, mal ehrlich", sagte ich. „Wieso bist du nicht drauf eingegangen?", fragte ich ernst nach.
„Ich bin doch hier nicht zum Vergnügen, nicht wahr?", legte er den Kopf abermals schief. „Ich bin hier, um auf dich aufzupassen. Und das tue ich."
<Indem er versucht, mit dir zu flirten. Interessant.
>Das war gerade nur eine etwas sarkastische Konversation.
<Wenn du es sagst.
„Ich kann aber nichts essen, wenn du mich die ganze Zeit dabei beobachtest", sagte ich mit etwas roten Wangen. Das war schon immer mein einziges Problem gewesen. Wenn mich jemand beim Essen beobachtet hatte, wurde ich rot – ohne was dagegen unternehmen zu können. Vorti hatte mir früher dafür immer ins Gesicht geschlagen, doch nachdem sie bemerkt hatte, dass ich es einfach nicht ändern konnte, hatte sie es – Gott sei Dank – gelassen. Meine Nase gebrochen hatte sie mir damit schon zweimal. Der Agent vor mir dachte aber gar nicht daran, auf mich zu hören, sondern fing von einem bis zum anderen Ohr zu grinsen an. Und das lenkte mich noch mehr ab. Denn es sah so... ehrlich aus. Das kannte ich nur von Charlie und Nathan. „Ich hab keinen Hunger mehr", sagte ich kurz danach allerdings eingeschnappt, schob den Teller von mir, ehe ich mir das Glas Cola wieder nahm.
„Du solltest aber was essen, sonst kippst du später noch um", warf er ein und sein Grinsen verschwand allmählich. „Wann hast du das letzte Mal etwas gegessen?"
„In Budapest", antwortete ich sofort.
Einige Sekunden betrachtete er mich stumm, musterte meine Gesichtszüge. Und ich wartete geduldig – wie immer. „Was machst du eigentlich in deiner Freizeit?", lenkte er urplötzlich die Unterhaltung um und wollte mir den Flammkuchen nun wegnehmen.
Doch hatte ich wirklich zu sehr Hunger und nahm ihn doch an mich – was seine Mundwinkel wieder zucken ließ.
„Ich bin Ballerina. Beruflich", antwortete ich wahrheitsgemäß.
Er nickte. „Also arbeitest du in deiner Freizeit als ‚Tänzerin' und im geheimen als Agentin." Ich nickte.
„Und du? Was machst du in deiner Freizeit?" Ich nahm mir die Cola um draus zu trinken, während ich auf eine Antwort wartete. Es gab eindeutig Besseres zu trinken.
„Ich habe kaum Freizeit", erzählte er. „Aber wenn dann verbringe ich die entweder mit Freunden, Bogenschießtraining oder feiern", erzählte er.
Beim dem Wort „Bogenschießtraining" verschluckte ich mich an der Cola und musste mehrmals husten, um mich zu beruhigen. „Ich hätte alles erwartet, nur... nicht... das", stieß ich hervor und er lachte kurz in sich hinein, was mich für einen Moment faszinierte. Er hatte ein schönes Lachen, wenn es denn mal ehrlich war.
„Das sagen sie alle", hob er kurz beide Augenbrauen an. „Iss mal lieber... Victoria."
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„Wie hast du das bisher immer gehändelt?" Ich zog meine Brauen zusammen, während ich mich konzentrierte, weiter zu balancieren.
„Wie meinst du das?", hakte ich nach, hüpfte einmal leicht und streckte das eine Bein etwas hoch.
„Naja, wie du das gehändelt hast?", wiederholte er. „Mit dem und dem was du beim KGB erledigt hast."
Ich überlegte einen Moment, zuckte dann mit den Schultern. „Nun ja", sprang ich den Holzbalken hinunter, lief neben ihm am Wasser weiter entlang. „Ich lasse meine Gefühle außen vor", erklärte ich ihm. „Ich zeige im Allgemeinen beim KGB nur in meinen vier Wänden Emotionen. Sonst nirgends."
„Wirklich?", fragte er nach.
Ich nickte als er stehenblieb. „Weder bei der Arbeit, noch beim Ballett sollte ich die Miene verziehen", beteuerte ich. „Es ist verboten, sich eine Meinung zu bilden, solange man als Auftragsmörder arbeitet." Ich spuckte meine Haare im nächsten Moment aus, als der Wind sie mir in den Mund wehte. Schnell steckte ich sie mir hinterm Ohr fest. „Kennst du das nicht auch?"
Er seufzte, ehe wir beide einen Moment still waren, ich zu ihm aufsah. Und dann zuckte ich zusammen als sein Handy laut bimmelte. Er seufzte nochmal, holte es kurz hervor und sah darauf, stellte das Geräusch ab und steckte das Handy wieder ein, ehe er mir wieder ins Gesicht sah, zu mir hinunterblickte.
Und ich seufzte auch, als der Wind mir die Haare wieder ins Gesicht blies, hielt dann aber erschrocken inne als Barton meine Haarsträhnen ergriff und sie mir hinter dem Ohr feststeckte.
„Die Zeit ist um", sagte er ruhig. „Wir sollten zurücklaufen und nach deinen Freunden schauen, Victoria."
Ich blinzelte, sah in seine blaugrauen Augen. „Danke für die Zeit?" Ich wusste nicht, was ich sagen sollte.
Er lächelte leicht. „Bedanke dich nicht für etwas, was ich als Arbeit ansehe", haute er raus, ehe er sich abwandte und loslief, ich aus allen Wolken fiel. Oder eher von der Wolke, die mich für einen Moment gedroht hatte, einzuspinnen.
„Wie bitte?", fragte ich.
„Dich zu verhören ist leichter als ich dachte", drehte er sich kurz zu mir um. „Na, komm, wir sollten zurück", winkte er mit der Hand ab.
„Wie bitte?", wiederholte ich – nur diesmal empörter.
Wann hatte er mich bitte verhört?
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„Bist du bereit, den größten Idioten der Welt kennenzulernen?", fragte er mich als wir den Flur entlangliefen, ich seufzte und die Arme vor der Brust verschränkte.
„Ich kam schon mit anderen Idioten aus, zum Beispiel dich." Er zog eine Braue hoch. „Ja, ich komme auch mit Tony Stark aus" antwortete ich.
Danach musterte er mich kurz. Wobei ich aber eindeutig der Meinung war, seine Augen hätten meine Brüste eine Sekunde zu lang gestreift. Dann atmete er nochmal tief ein, ehe er die Tür öffnete.
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Datum der Veröffentlichung: 02.09.2019 15:51 Uhr
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