Training ohne Erlaubnis
Schnell atmend stolperte ich zurück und stieß gegen eine der Wachen. Mit großen Augen sah ich zu der Person mir gegenüber. Was war gerade geschehen? Es war, als ob ich alle meine Erinnerungen wieder von Neuem durchlebt hätte, doch diesmal unter einem wachsamen Auge.
„Ich spüre, dass wir uns nähern, doch ich denke, dass eine Pause angebracht wäre", erklärte sie und drehte sich weg. „Was war das?", fragte ich keuchend und griff mir an meinen Kopf, welcher zu dröhnen begann. Ich wusste, dass sie eine gewisse Verbindung aufbauen konnte, doch mich dazu zu zwingen, mit ihr Erinnerungen zu teilen, das ging zu weit.
„Ich will es genau wissen und ich will mir sicher sein, dass du mir keine Lügen erzählst", kam die misstrauische Antwort. Ich wollte widersprechen, doch hatte Angst, dass sie bloß wütend werden würde. Also senkte ich demütig meinen Blick. Morgen würde es zweifellos weitergehen.
~
Angenehme Gerüche, das Klirren von Schalen und leise Gespräche weckten mich sanft aus meinem tiefen Schlaf. Zunächst öffnete ich nicht die Augen, sondern genoss das Gefühl des leisen Kribbelns an meiner Wunde. Etwas Kühlendes und gleichzeitig Heilendes war daraufgelegt worden. Schließlich hoben sich doch meine Augenlider und ich betrachtete den Raum, in dem ich mich befand. Er war recht groß. An dem anderen Ende lag noch eine Elbin, welche jedoch schon um einiges älter war als ich. Um sie herum standen drei Personen, welche leise redeten. Noch einige Betten mehr standen an den Wänden, mit Vorhängen voneinander getrennt, doch alle waren nun offen, da kaum jemand in dem Krankenzimmer lag. Eine Heilerin wurde schnell auf mich aufmerksam und kam mit einer Schale in der Hand auf mich zu.
„Na, bitte. Wie geht's dir?", fragte sie freundlich und hielt sie mir hin. Ich nahm sie etwas schwerfällig an und lächelte ebenfalls. „Viel besser, danke." Ich nahm einen Löffel von der Suppe, welcher sich angenehm in meinem trockenen Mund verteilte.
„Ich schätze, ich muss dir das nicht sagen, aber unsere Vorräte sind nicht für Schüler da, welche sich, ohne nachzudenken, einfach in einen Kampf werfen", sagte sie streng, doch schien sie es mir nicht sonderlich übelzunehmen.
„Tut mir leid", antwortete ich schuldbewusst und sah sie ernst an. Sie nickte nur kurz. „Der Prinz war vorhin da", lächelte sie und genoss sichtlich die Überraschung und Röte in meinem Gesicht. „Ich habe gehört, er hat dich höchstpersönlich zum Palast getragen", grinste sie weiter und kam ein wenig näher. Mein Lächeln verblasste ein wenig als ich an den vergangenen Tag dachte. „Ich... ja, das hat er wohl", erwiderte ich. Kurz wollte ich davon erzählen, wie ich die Leben von fünf Elben aus diesem Reich zu verantworten hatte, doch es musste nicht unbedingt noch mehr Schuld auf mir liegen, als sie eh schon tat.
„Ich habe ihm gesagt, dass es dir bald wieder gut gehen wird." Ihr sanfter Blick musterte mich abschätzig. „Wann kann ich wieder zum Training?", fragte ich sofort. Ich wollte nicht wegen so einem dummen Fehler etwas vom Unterricht verpassen. „In ein paar Tagen erst. Gerade beim Training darfst du nicht riskieren, dass deine Wunde wieder aufreißt. Aber wenn du willst, darfst du heute schon auf dein Zimmer", lächelte sie, doch sah mich ernst dabei an. Ich nickte etwas betroffen. Hinter ihr ging die Tür auf. Auch die Heilerin drehte sich um. Es war mein Vater, welcher aufgeregt auf mich zustürmte.
„Wie geht es ihr? Wie geht es dir?", fragte er hastig und griff nach meiner Hand. Die Heilerin lachte kurz. „Es geht ihr wieder ganz gut. Sie kann heute wieder auf ihr Zimmer", erklärte sie lächelnd, nickte mir noch einmal zu und ging dann. „Danke", rief er ihr noch leise hinterher, doch sie winkte bloß ab.
„Lass mich erklären", bat ich schnell und richtete mich ächzend in meinem Bett ein wenig auf. Er wollte offensichtlich gerade etwas sagen, doch ließ es dann doch bleiben und sah mich aufmerksam an. „Ich wollte ein bisschen außerhalb des Trainings trainieren, damit ich besser mitkomme und das wollte ich nicht auf einem Platz machen, wo jemand ist, deswegen bin ich ein wenig weiter weggegangen und dort wurde ich dann von Orks überfallen, es tut mir leid", erklärte ich hastig. Ich brachte es nicht übers Herz ihm von den Elben und dem Prinzen zu erzählen, doch seinem Gesichtsausdruck zur Folge, wusste er bereits alles.
„Ach, Arien", hauchte er leise. In seinem Blick lag die Bestätigung, dass er die ganze Geschichte kannte. „Es tut mir leid", sagte ich noch einmal und bevor mir Tränen in die Augen treten konnten, umarmte er mich bereits. Ich war wieder einmal so dankbar, dass mein Vater und ich uns so gut verstanden. „Du weißt, dass du mit mir über alles reden kannst. Wir können doch mal wieder zusammen trainieren gehen?", lächelte er leise und ich nickte bloß, weil ich wusste, dass sich meine Stimme überschlagen würde, wenn ich anfing zu reden.
„Willst du noch ein bisschen hier liegenbleiben oder willst du lieber jetzt schon in dein Zimmer?" „Ins Zimmer", antwortete ich leise und setzte mich langsam auf, wobei er mir schnell half. Die Heilerin kam wieder auf uns zu und hielt mir ein kleines Fläschchen hin. „Wenn du Schmerzen hast, nicht mehr als zwei pro Tag und komm morgen zum Verband wechseln her", befahl sie und ich nahm es entgegen. Die Schmerzen waren kein Vergleich mehr gegen die von gestern, als ich mit Unterstützung meines Vaters aufstand und die ersten Schritte machte.
Auch der Weg zu meinem Zimmer verlief schneller und besser, als ich es erwartet hatte.
Dort angekommen legte ich mich sofort in mein Bett. Ich wusste nicht, ob mein Vater noch länger neben mir saß, während ich schlief, doch als ich spät am Abend wieder aufwachte, war er weg und Meril wieder da. Sie hatte sich mit einem Buch auf ihrem Bett eingekuschelt. Ich musste lächeln, als ich sie kurz dabei beobachtete, doch sie schien meinen Blick zu spüren und wandte mir ihren Kopf zu.
"Hey!", rief sie erfreut und legte ihr Buch sofort weg. „Hey", lachte ich mit kratziger Stimme und ließ die stürmische Umarmung über mich ergehen. „Wie geht es dir?", fragte sie schnell und setzte sich neben mich. „Viel besser. Es war gar nicht so schlimm. Ich habe nur den Schlaf gebraucht", lächelte ich, wobei ich ein wenig flunkerte. Ich hatte für mich selbst beschlossen morgen beim Training mitzumachen. Solange wir nicht besonders anstrengende Übungen machten, konnte ich immer noch Bogenschießen oder Spuren lesen und ich wollte nichts verpassen.
„Oh, gut. Ich habe mir schon Sorgen gemacht, dass du gar nicht mehr aufwachst", lachte sie erleichtert und legte eine Hand auf meine Schulter. „Ich soll mich noch ein bisschen schonen, aber ich kann schon dabei sein beim Training morgen", sagte ich überzeugt, worauf ich gegenteilige Blicke erntete, doch wenigstens widersprach sie mir nicht.
Der Weg zum Übungsplatz am nächsten Tag war schwieriger als erwartet, doch es war nur ein schwaches Ziehen, das sich, während des Gehens ein wenig ausbreitete. Mein Herz pochte aufgeregt. Ich hoffte, dass wir eine Übung machen würden, bei der ich dabei sein konnte. Im Zimmer hatte ich noch eine der Schmerztabletten genommen und sobald ich vom Training zurückkommen würde, würde ich den Verband wechseln lassen. „Alles in Ordnung?", flüsterte Meril neben mir. „Was? Ja, natürlich", antwortete ich schnell und war froh, als wir bereits den Platz erreichten. Es fiel mir schwer meine beste Freundin anzulügen.
Diesmal waren wir zwei Gruppen, da es ein größerer Platz war. Ich hatte schon mal von diesem Ort gehört, doch nun war ich noch beeindruckter. Es war unglaublich viel zum Trainieren aufgebaut: Kletterwände, Ziele zum Bogenschießen, Puppen zum Kämpfen, ein Weg mit viel Laub, auf dem wir das leise Gehen üben konnten und noch vieles mehr. Doch gleichzeitig wurde mir klar, dass ich bei vielem nicht wirklich mitmachen konnte oder sollte.
Bruinen erwartete uns bereits.
„Also, wie ihr seht haben wir hier viele Stationen, um die verschiedensten Techniken zu üben. Zum Anfang lasse ich euch einmal frei was ihr machen wollt, doch ihr sollet alles ausprobieren. Später werde ich euch genauer zuteilen", erklärte er und breitete dann seine Hand ausladend aus, sodass wir loslegen durften. Ich warf Meril einen Blick zu, welche sich sofort begeistert daran machte ein Ziel nach dem anderen anzuvisieren. Ich wollte mich gerade ebenfalls dorthin begeben, doch drehte mich noch einmal zu dem Trainer zurück. Mein Gefühl hatte mich nicht betrogen, jedoch machte es das Ergebnis nicht viel besser. Erstarrt blieb ich stehen, als mal wieder der Prinz fast schon wütend auf mich zukam. Ich wusste nicht, ob er mit Bruinen gesprochen hatte, doch dieser sah ihm ebenfalls etwas fassungslos hinterher.
„Sofort mitkommen", befahl er streng und sah mich kalt an. Ich zog sofort ein wenig meinen Kopf ein und ging zu ihm. Er wartete nicht, bis ich bei ihm angekommen war, sondern drehte sich schon wieder um. „Sie ist für heute und morgen vom Training befreit", hörte ich ihn noch zu dem Trainer sagen, welcher sich schnell verbeugte. Ich vermied Blickkontakt, als ich an ihm vorbeiging. Er führte uns bis zwischen die Bäume und außer Sichtweite der anderen.
„Was denkst du dir dabei jetzt hierher zu kommen?", fing er streng und verständnislos an und verschränkte seine Arme. In mir breitete sich Angst aus, obwohl ich wusste, dass er mir wohl kaum etwas tun würde. „Ich... wollte nur beim Training mitmachen", erwiderte ich leise und sah zu Boden. Es schien mir als respektlos ihn einfach anzusehen. „Du bist verletzt und die Heilerin hat auch gesagt, dass du dich die nächsten Tage schonen sollst", antwortete er immer noch wütend. „Vergebt mir", flüsterte ich leise und er drehte sich zufrieden um. „Aber ich kann mich auch beim Training schonen", führte ich meinen Satz weiter, was ich sofort bereute. Er stockte und drehte sich wieder zurück. „Und wie stellst du dir das vor?" Ich konnte nicht sagen, ob ihn das noch wütender gemacht hatte. „Ich mache nur beim Bogenschießen oder Spurenlesen mit und ich kämpfe schließlich gegen meine Freundin", erwiderte ich mit etwas neuer Motivation, da er mich diesmal nicht ganz so scharf angefahren hatte.
„Du glaubst also, dass du in deiner Verfassung kämpfen kannst?", fragte er etwas herausfordernd. Ich war dankbar, dass er mir das Widersprechen von vorhin anscheinend nicht übelnahm. „Gegen meine Freundin schon, ja", antwortete ich selbstbewusst. Der Ansatz eines Lächelns bildete sich auf seinen Lippen. „Dann zieh dein Schwert." Mein Mund öffnete sich ein wenig, als ich ihn ungläubig anstarrte. Das konnte er nicht ernst meinen. Als ob er auch nur ansatzweise auf dem Level von Meril war.
Doch ich gehorchte und holte es hervor. Schon bei dieser Bewegung spürte ich ein leichtes Ziehen, doch ich ignorierte es. Die Waffe lag schwer in meinen Händen und schon spürte ich einen leisen Stich in meiner Seite. „Und jetzt schlag zu", befahl er, inzwischen hatte sich wirklich ein leichtes Lächeln auf seinem Gesicht ausgebreitet. Auch, wenn es aus Belustigung über mich entstand, war es eine gute Abwechslung. Also hob ich ein wenig zögerlich mein Schwert auf die richtige Höhe und spannte automatisch meinen Körper an, um zuzuschlagen. Im selben Moment spürte ich einen heißen Stich in meiner Seite. Legolas schien das kommen gesehen zu haben, griff bereits nach meinem Schwert und packte mich am Oberarm, sodass ich nicht wieder umfiel.
Ich keuchte schwer und legte meine freie Hand auf seinen Arm, um mich hochzuziehen. Ich war froh, dass die andern mich nicht sehen konnten, es widersprach allen Regeln, die ich jemals gelernt hatte, mich einfach bei einem Prinzen abzustützen. Mein Kopf war für eine Sekunde knapp unter dem seinen und nah vor seinem Oberkörper, doch er hatte schnell das Schwert aus meiner Hand gedreht und mich wieder aufgerichtet, sodass ich mir dessen fast gar nicht bewusst wurde.
„Und damit willst du ein Training machen?", fragte er belustigt und hielt mir in einer flüssigen Bewegung das Heft meines Schwertes entgegen. Ich nahm es schnell an. In meiner Hand kribbelte es immer noch ein wenig. Ich hatte nicht erwartet, dass sein Arm so einfach meinem Gewicht trotzen konnte. „Beim Spurenlesen muss man auch keine Schwerter schwingen", hauchte ich leise und hoffte, dass er es nicht ganz verstanden hatte, was offensichtlich nicht der Fall war.
„Ich denke es würde zu lange dauern dich bei jeder Sportart zu widerlegen und du musst wieder in dein Bett zurück", erwiderte er, doch er klang nicht sonderlich verärgert, was mich freute und zugleich überraschte. „Warum seid Ihr überhaupt zu dem Übungsplatz gekommen?", fragte ich, während ich die ersten Schritte nach vorne tat. „Weil ich wusste, dass du wieder trainieren würdest", antwortete er wie selbstverständlich, worauf ich ihn noch überraschter ansah. „Alleine schon, dass du vor zwei Tagen im Wald nichts von deiner Verletzung erwähnt und sie ziemlich gut überspielt hast, zeigt, dass du das nicht wirklich ernst nimmst", erklärte er, ohne mich anzusehen und ging neben mir weiter. „Ich dachte nicht, dass es wirklich von Vorteil wäre, so etwas zu sagen. Ihr wärt nur mit mir dortgeblieben und ich wusste, dass Ihr zum Palast zurückmüsst", murmelte ich etwas peinlich berührt.
Er schwieg kurz, worauf ich beschloss das Thema zu wechseln: „Wie soll ich denn jetzt bitte das Training aufholen, wenn ich so lange im Bett bleiben muss?" Doch sobald ich den Satz zu Ende gesprochen hatte, wurde mir schon klar, dass es in keinster Weise sein Problem war. Er war ein Prinz und hatte definitiv andere Sachen zu erledigen, als sich um eine leichtsinnige Schülerin zu kümmern. „Dein Bogenschießen ist nicht einmal so schlecht, du musst dich nur ein bisschen mehr in den Bogen hineinversetzen", erwiderte er, worauf ich ihn etwas verwirrt anschaute. „Man sieht an deiner Haltung, dass du ihm nicht vertraust. Du darfst keine Angst vor ihm haben, halt ihn näher bei dir und konzentrier dich mehr darauf, wie du ihn spannst und hältst, weniger, wie hoch du zielen musst. Hier", versuchte er es zu erklären und hielt an. Ich blieb noch verwirrter stehen und beobachtete ihn dabei, wie er seinen Bogen hervorholte und einen Pfeil einspannte. Während er seine Bewegungen offensichtlich langsamer und genauer als sonst machte, bemerkte ich, dass es mir tatsächlich weiterhalf.
„Siehst du was ich meine?", fragte er und ließ den Pfeil los. Er zischte an mir vorbei und traf weiter hinten einen Baum, welchen ich im Leben nicht getroffen hätte. „Ich dachte, man sollte sich lieber auf das Ziel konzentrieren?", fragte ich eher zu mir selbst. „Sollst du letztendlich auch, aber zum Lernen ist das um einiges einfacher. Du lernst deinen Bogen besser kennen und sobald er ein Teil von dir geworden ist, kannst du dich auf das Ziel konzentrieren. Dann kannst du auch in der Luft oder im Drehen schießen", erklärte er weiter, während er seinen Bogen wieder wegpackte und wir auf den Pfeil zugingen. Die Schmerzen in meiner Seite waren schon viel besser geworden, doch mir war klar, dass es wieder blutete.
In Gedanken ging ich nochmal den Ablauf vom Schießen durch, was er anscheinend an der plötzlichen Stille bemerkte. „Hol ihn schon raus", seufzte er etwas belustigt und blieb wieder stehen. Ich fragte mich, womit ich die Ehre eines privaten Unterrichtes mit einem Prinzen verdient hatte, doch ließ mich nicht zwei Mal bitten.
„Schon ganz gut", bemerkte er, während ich versuchte, seine Ratschläge in die Tat umzusetzen, und schob meine Hand noch ein wenig höher. Ich konzentrierte mich und ließ dann los. Auch, wenn wir um einiges näher waren als vorhin, traf der Pfeil sogar knapp unter dem des Prinzen. „Na, bitte, vielleicht übernehme ich doch mal für ein paar Tage eine Klasse", lachte er etwas stolz und ich lachte mit. Ich war einfach nur froh, dass er mich anscheinend insoweit mochte, mir seine nette Seite zu zeigen. Ich hatte doch gewusst, dass da noch etwas war.
„Also kann ich dir jetzt vertrauen, dass du in dein Zimmer zurückgehst und da auch bleibst?", fragte er immer noch mit einem Lächeln auf den Lippen und ich seufzte kurz und nickte dann. Er zog seinen Pfeil aus der Rinde und steckte ihn zurück in den Köcher. „Na, gut, dann nicht vergessen deinen Verband wechseln zu lassen", verabschiedete er sich und ging schon davon. Ich wollte mich noch bedanken, doch er war bereits außer Hörweite.
Auf dem Rückweg spannte ich noch paar Mal den Pfeil ein, damit ich es nicht wieder verlernte, doch es schien, als hätte ich es endlich verstanden, was mich fast noch mehr freute.
Den restlichen Tag verbrachte ich brav auf meinem Zimmer oder mit meinem Vater und als Meril mit dem Training fertig war, ließ ich mir von ihr alles nacherzählen. Sie war begeistert von unserem Trainer und konnte gar nicht mehr aufhören von ihm zu schwärmen.
„Ist deine Wunde eigentlich wieder besser geworden?", fragte sie plötzlich zwischendurch, als ich eine Weile nichts mehr gesagt hatte. Ich schaute sie etwas überrascht an, doch verstand dann. „Ich bin nicht gegangen, weil ich mich verletzt habe, ich wurde zurückgeschickt", erklärte ich schnell, worauf sie an der Reihe war, verwirrt zu schauen. „Von Bruinen?" Ich zögerte. Sollte ich ihr wirklich die Wahrheit sagen? „Ehrlich gesagt war es Legolas, aber behalt es für dich, okay?", murmelte ich schließlich und setzte mich auf. Meine Freundin riss begeistert ihren Mund auf und schaute mich mit großen Augen an. „Nicht dein Ernst! Legolas? Warum er?", fragte sie fast quietschend und setzte sich ebenfalls auf ihren Bettrand, worauf ich ein wenig lachen musste.
„Ich weiß es auch nicht wirklich, er hat gesagt, er hätte gewusst, dass ich zum Training gehen würde, obwohl ich nicht darf", erklärte ich lächelnd und ihr Blick wurde wieder etwas ernster. „Du hast gesagt du darfst zum Training?" Ich seufzte ein wenig. Daran hatte ich nicht gedacht. „Ich weiß, aber ich will einfach nichts verpassen. Morgen muss ich sowieso wieder hierbleiben, das hat er sichergestellt, also bleibt mir keine andere Wahl", murmelte ich etwas beleidigt. „Und du hast keinen Ärger von ihm bekommen?", fragte sie nun wieder etwas aufgeregt und lehnte sich weiter vor. „Nicht wirklich", lachte ich und entschied ihr nicht von dem Training zu erzählen. Vielleicht später, wenn mir selbst klar war, warum er plötzlich so nett war.
Sie gab sich mit dieser Antwort zufrieden und quetschte zum Glück auch keine weiteren Informationen aus mir heraus. Es war schon spät und auch Meril war erschöpft vom Tag, weswegen wir uns entschieden, einfach schlafenzugehen.
Es war den Schülern erlaubt draußen spazieren zugehen, doch nur in einem gewissen Radius um den Palast herum und natürlich nuram Tag. Diese Regelungen gab es schon seit lange vor meiner Zeit, zu demZeitpunkt, als die dunklen Geschöpfe Einzug in den Düsterwald gefunden hatten,das war inzwischen schon fast tausend Jahre her und nur im erlaubten Radiuskonnte sichergestellt werden, dass niemand in Gefahr war. Deswegen entschiedich mich statt den ganzen Tag nur im Palast zu sitzen einen Spaziergang imsicheren Gebiet zu machen. Mit mir führte ich mal wieder meinen Bogen und einpaar Pfeile, um ein wenig zu Üben. Dagegen konnte nicht mal Legolas etwas habenund mein Vater wusste diesmal auch Bescheid.
Ich traf nur wenige Elben auf meinem Weg und ein kurzer Gruß war der einzigeAustausch, den wir hatten. Ich kannte mich gut aus und wusste, dass bald dieGrenze kommen würde, welche ich zwar nicht vorhatte zu übertreten, doch es warimmer spannend einen Blick hinüberzuwerfen. Ich merkte immer mehr wie dasGezwitscher der Vögel weniger und das Licht dämmriger und irgendwie kalt wurde,je näher ich kam. Es prickelte leicht unter meiner Haut und um ehrlich zu sein,war ich froh nicht weiter gehen zu dürfen.
Ich war in den Bäumen unterwegs, um gleichzeitig auch mein Gleichgewicht zuüben, was mir recht schnell in die Karten spielte, denn diesmal war ichaufmerksam und achtete mit all meinen Sinnen auf die Umwelt. Ich wusste nicht,ob es dieselben Orks wie vor ein paar Tagen waren, doch mit Leichtigkeit konnteich einen der grausamen und widerwärtigen Wesen in einem Baum sitzen sehen. Erhatte einen Bogen in der Hand und blickte aufmerksam durch die Gegend. Ichhatte mich hinter einem Stamm versteckt und war mir nicht so sicher, ob er michgesehen hatte. Alarm hatte er zumindest keinen geschlagen. Doch er würde michsehen, wenn ich mich wieder entfernte.
Ich schob meinen Kopf nach vorne und blickte an dem Stamm vorbei. Der Ork hattemich anscheinend zwar nicht entdeckt, doch aus Vorsicht einen Pfeil leichteingespannt. Auch ich holte meine Waffen hervor und versuchte, mich zuberuhigen. Ich hatte nicht wirklich ein Problem damit, eine solche Kreaturumzubringen, egal wie unerfahren ich war. Hinter ihm konnte ich ein kleinesLagerfeuer entdecken, um welches fünf weitere Kameraden von ihm saßen undredeten. Mir kribbelte es zwar in den Fingern, gegen sie zu kämpfen, doch ichwusste, dass ich keine Chance haben würde und es einfach ein unnötiges Risikowar.
Deswegen spannte ich einfach nur einen Pfeil ein und zielte auf den Späher indem Baum. Noch einmal blies ich meinen Atem langsam aus und ließ dann den Pfeilnach vorne schnellen. Die zwei Sekunden, die er mit einem leisen Pfeifen durchdie Luft flog, vergingen nur langsam aus meiner Sicht. Wie gebannt starrte ichnach vorne, um zu sehen, ob ich getroffen hatte. Und tatsächlich erreichte derPfeil in dem Kopf des Ungeheuers sein Ziel. Er stieß keinen Schmerzensschreiaus, als er zu Boden ging und sogar noch nicht einmal von dem Ast fiel, wasmich ein wenig überraschte. Dadurch bekamen auch seine Kameraden nichts davonmit und redeten und aßen fröhlich weiter.
Ich zögerte nicht lange und sah mich nachdenklich um. Bis ich beim Palastankam, waren sie sicher schon weitergezogen und hatten mehr Schadenangerichtet, doch alleine konnte ich sie nicht stoppen. Wie gerufen erkannteich durch das Geäst zwei Personen, welche entspannt durch den Wald spazierten.Nicht sehr viele Elben hatten um diese Zeit nichts Besseres als das zu tun,weshalb ich hoffte, dass es welche in hohem Stand waren. Als ich näherkam,konnte ich Baron erkennen, ein hoch angesehener Krieger und bekannter FreundLegolas'. Mir war schnell klar, wer die zweite Person war.
„Verzeiht!", rief ich gerade so leise, sodass sie es noch hörten, zu ihnen hinunterund schwang mich vorsichtig, wegen meiner Wunde, die Äste auf den Waldboden.Die beiden drehten sich etwas überrascht um. In dem Gesicht des Prinzen konnteich kurz Unglauben erkennen, doch es war schließlich ein Notfall. „Was tust duhier draußen?", fragte er wieder mit seiner gewohnt strengen Prinzenstimme, wasmich kurz verunsicherte. War es wirklich so ein glücklicher Zufall gewesen,dass wir uns getroffen hatten?
„Ich habe etwas entdeckt, das Ihr sehen solltet", keuchte ich schnell, woraufer seine Augen zusammenkniff. Doch nach einem flehenden Blick nickte er seinemFreund kurz zu und tat einige Schritte in meine Richtung, was ich als Zeichen,dass er mir folgen würde, nahm und wieder in den Baum zurückkletterte. Ichwollte einerseits meinen Körper schonen, doch andererseits mich wieder vor denbeiden beweisen, was keine gute Kombination war. Letztendlich endete es darin,dass ich wieder ein leichtes Pochen spürte. Legolas hatte schließlich auch keinProblem damit, sich mit seiner verletzten Schulter an den Ästen hochzuziehen.
Ich wurde ein wenig langsamer als wir uns näherten und warf einen Blick nachhinten. Die erfahrenen Kämpfer hatten keinerlei Probleme auf dem dünnen Ast zulaufen, der erstaunlicherweise uns alle drei aushielt. Doch sie kanntenvermutlich jeden einzelnen Baum hier und wussten was uns aushielt und wasnicht.
„Dort", hauchte ich leise und deutete an dem Stamm von vorhin vorbei. Als derPrinz den toten Ork erkannte, warf er mir einen vorwurfsvollen Blick zu, dochschaute dann wieder aufmerksam in den Wald. „Du bleibst in Deckung", befahl erleise, sah mich eindringlich an und schlich dann in einer flüssigen Bewegung andem Stamm vorbei. Baron folgte ihm, ohne mich eines weiteren Blickes zuwürdigen. Ich seufzte leise und beobachtete die beiden dabei, wie sie sich ohnesichtbare Absprache aufteilten und zunächst Pfeile einspannten. Ich übernahm währenddessendie Aufgabe nach weiteren Aussichtsposen Ausschau zu halten. Es war immerhinziemlich unrealistisch, dass nur einer aufgestellt worden war. Meine Augenflogen angestrengt durch das Dickicht, bis ich tatsächlich am anderen Ende desLagers einen weiteren Ork erkennen konnte, welcher auf den Angriff aufmerksamgeworden war.
Ich spannte schnell einen weiteren Pfeil ein und ließ mir genug Zeit zumZielen. Ich musste treffen. Nicht nur meiner Ehre wegen, sondern wegen demPfeil, welcher mein Gegner bereits eingespannt hatte. Ich wusste nicht welcherder Valar mich da unterstützte, doch auch, als der Pfeil durch Blätter gebremstwurde, so verfehlte er nicht sein Ziel und durchdrang mit Leichtigkeit dieRüstung. Kurz konnte ich es selbst nicht glauben, doch ließ mich dann schnellauf den nächsten Ast weiter unten fallen. Die Orks wurden von Legolas und Baronbereits besiegt. Als ich ankam streifte der Prinz gerade seinen Dolch an einemGrasbüschel ab. „Dass sich Orks so weit in unser Reich trauen", murmelte Baronetwas ungläubig und schüttelte ein wenig seinen Kopf. „Ja, und dass sieunentdeckt geblieben sind", vervollständigte sein Freund den Satz und sah sichkurz um. Weiter hinten fiel plötzlich der Ork von dem Baum, welchen ich vorhinerschossen hatte.
„Was hatte ich gesagt?", fragte Legolas etwas genervt und sah mich an. Ichschaute sofort zu Boden. „Vergebt mir, doch er war gerade dabei auf Euch zuzielen", antwortete ich schnell unterwürfig. Bei dem Blick nach unten fiel miretwas an einem der Orks auf. Mit einem leisen Seufzen des Prinzens, welches ichals Zeichen der Vergebung deutete, ging ich darauf zu und schlug den Mantelhinunter. Die Kämpfer hinter mir fingen währenddessen an weitere Maßnahmen zubesprechen.
Es war eine Schriftrolle aus altem, gelblichem Pergament. Als ich sie aufrollte,war mit roter Farbe etwas in der schwarzen Schrift aufgeschrieben. Wir hatten sienur in ihren Grundzügen im Unterricht gehabt und mit der schnörkeligen Schriftder Orks konnte ich noch weniger erkennen.
„Schwarze Schrift", sagte ich bloß und hielt sie Legolas entgegen, welcher sieetwas überrascht annahm. Er hatte wohl nicht erwartet, dass ich so etwas findenwürde. Er sah bloß ein paar Sekunden darauf, bevor er es seinem Freundweitergab und sich daran machte die anderen Leichen zu durchsuchen. „Was stehtda?", fragte ich leise und sah Baron an. Dieser hob nur zögerlich seinen Blickzu mir. „Dass du riesiges Glück hattest, Kleine", antwortete er knurrend undging an mir vorbei zu Legolas. In mir wurde sofort ein schlechtes Gefühl breit.Wenn jemand wie er so etwas sagte, dann konnte das nichts Gutes bedeuten. „Wirmüssen sofort zum Palast zurück", befahl Legolas an Baron gerichtet, welchernickte und schon vorausging. „Und du, ich will nicht hören, dass du noch einmalim Heilertrakt warst", knurrte er mir noch leise zu, musterte mich kurz undging dann ebenfalls davon. Mir lief ein Schauer über den Rücken und für einpaar Sekunden brachte ich es nicht zusammen mich zu bewegen. Fühlte er sichverantwortlich für mich?
Ich beschloss das auf später zu verschieben und ging auf den zweitgrößten derTruppe zu. Wir hatten gelernt, dass nicht immer der größte Ork der Anführersein musste und da dieser hier das beste Schwert hatte, setzte ich meinen Tippauf ihn. Wenn sie wirklich so besondere Orks waren, dann musste doch noch etwasbei ihnen sein, womit ich ein wenig helfen konnte. Einmal hatte ich wirklichdie Chance jemanden wie Legolas zu beeindrucken und ich würde sie nicht einfachso verpassen.
Der Gestank trat in meine Nase, als ich nun auch seinen Mantel öffnete. Ichhatte selten Orks in echt gesehen und das war etwas, was uns nicht wirklichgesagt wurde.
Doch zumindest hatte es seinen Sinn, als ich eine kleine Dose fand und siegenauer betrachtete. Auf ihr war etwas wie ein Augenpaar abgebildet, doch eswar nicht das eine Auge von Sauron, es hatte seine Ähnlichkeiten, doch warunverkennbar jemand anderes. Ich hatte derartiges noch nie gesehen und bei soetwas meinte ich ganz gut zu sein im Unterricht. Also musste das bedeuten, dasses entweder so alt war, dass es nicht unterrichtet wurde, oder geheim gehaltenwurde. Ich tippte auf letzteres und öffnete langsam die kleine Schachtel. Ichstarrte einige Sekunden überrascht auf den Inhalt. Sie war gepolstert mitweichem, schwarzem Stoff, in welchem ein glänzender schwarzer Ring steckte. Ichkonnte nicht anders, als ihn herauszunehmen. Natürlich wusste ich es besser,als ihn einfach auf meinen Finger zu schieben, doch ich wollte ihn einfachnäher betrachten. Innen war eine 3 eingraviert, doch ansonsten konnte ichnichts Ungewöhnliches feststellen. Er fühlte sich in meinen Händen fast weichan, doch strömte gleichzeitig eine tief gehende Kälte aus, welche sich schnellin meinen Knochen festsetzte. Doch so wirklich kalt wie Schnee oder Ähnlicheswar er nicht. Er war aus festem Material, das ich nicht zuordnen konnte. Alsich ihn länger hielt, wurde es mir doch fast zu unangenehm und ich legte ihn indas Behältnis zurück. Schnell ließ ich ihn in die Innenseite meines Mantelsgleiten und machte mich auf den Rückweg. Wer immer die Leichen wegräumte, warmir ein Rätsel, doch nicht mein Problem.
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