Das geheimnisvolle Waldvolk
Schweiß rollte in Perlen von meiner Stirn. Ich war mir schon gar nicht mehr sicher, ob ich wirklich noch am Leben war, oder bloß in einem toten Körper eingesperrt. Ich war müde, doch war mir kein Schlaf erlaubt. Um mich herum hörte ich Stimmen der Ungeheuer, die stumm ihrer Arbeit nachgingen. Das Einzige, was manchmal durch diese Räume klang, war ein schadenfrohes Lachen. Schreie waren lange nicht mehr zu hören gewesen. Es verbrauchte zu viel unnötige Energie. Es war am einfachsten es über sich ergehen zu lassen. Es war faszinierend wie gut diese grausamen und dummen Orks sich mit elbischen Körpern auskannten, sodass sie so krank werden konnten, wie sie wollten, doch trotzdem dem Ganzen kein Ende gesetzt wurde. Ich hatte immer gedacht, dass ab einem gewissen Punkt der Kopf sagte, dass es genug wäre, doch wenn er das tat, dann hatte er das über die letzten Jahre noch nicht erkannt, weshalb ich wenig Hoffnung hatte.
Die letzte Zeit hatte Úmea angefangen mich zu manipulieren, mir Dinge vorzuspielen. Da musste ich sagen, dass mir das derzeitige Leiden um einiges lieber war. Es war bloß körperlich, seelisch hatte ich mich bereits verabschiedet. Ich hatte keine Ahnung wie lange ich schon hier unten war, hatte kein Zeitgefühl mehr und mein Körper entwickelte sich schließlich auch nicht mehr weiter. Mir wollte natürlich niemand etwas sagen, doch ich tippte auf 50-100 Jahre. So viele Jahre, in denen ich kein Ziel mehr vor Augen hatte. Wenn einmal nach mir gesucht wurde, dann hatten sie das längst aufgegeben. Wie sollte man mich hier auch finden? Ich hatte damals einige Karten gesehen, in den Räumen, in denen mit mir gesprochen wurde und die verborgene Festung lag zwischen den Bergen von Rhûn und dem Düsterwald umringt von einigen hohen, schmalen Bergen. Natürlich hatte ich schon geplant, hier auszubrechen, doch alle Versuche hatten sich mit der Zeit erübrigt.
Das einzige, was ich mir dachte, als ich das leise Klicken der Tür hörte, war: Ist schon wieder Morgen?, doch es bedeutete mir nichts. Es gab keine Emotion bei diesem Gedanken. Es war mir egal, warum sollte ich mich dafür auch noch interessieren?
„Arien?", fragte eine leise Stimme. Ich bewegte mich nicht, ließ meine Augen geschlossen. Es war ein Traum oder ich wurde getäuscht. Beides war es die Mühe nicht wert. Ich spürte, wie die Fesseln von mir genommen wurden, doch auch, wenn ich die Kraft gehabt hätte, hätte ich nicht reagiert. Eigentlich war die Manipulationsphase schon seit einiger Zeit vorbei, doch vermutlich wollte sie einfach, dass ich das dachte. Ich spürte, wie mein Körper hochgehoben wurde. Es war plötzlich ein so anderes Gefühl, in den Armen einer Person zu liegen, anstatt auf dem steinernen Tisch, sodass ich spürte, wie ich langsam einschlief. Erst als Kälte mir ins Gesicht schlug, öffnete ich leicht meine Augen. Frische Luft. Mühselig atmete ich ein wenig davon ein, doch auch das schien mir so unvertraut zu sein.
Ich hörte eine Stimme, doch ich war zu müde, um die Worte zu entschlüsseln. Ich merkte, wie ich auf einen Sattel gesetzt wurde und die Person sich hinter mir positionierte. Das gleichmäßige Auf und Ab des Pferdes, holte mich ein wenig in die Realität zurück und ich konnte wieder denken. Vermutlich hatte die frische Luft auch einiges damit zu tun gehabt.
„Was ist mit Meril passiert?", murmelte ich leise und bewegte dabei nur leicht meine aufgeplatzten, trockenen Lippen. „Arien?", kam wieder von hinten und endlich konnte ich auch die Stimme zuordnen. Ich hatte zu wenig Kraft, um zu antworten. „Sie ist wieder gesund geworden und hat sich auf die Suche nach dir gemacht." Ich lächelte leicht. „Sie hat irgendetwas davon gesagt, dass du wegen Schuldgefühlen fortgegangen seist." Nun öffneten sich meine Augen komplett und ein Gefühl durchzuckte meinen Körper. Ich war über die Zeit ein wenig übersensibel geworden, weshalb ich das Hufgetrampel hinter uns wahrnahm, bevor Legolas es tat. Schwach legte ich meine Hände auf die seinen und zog an der rechten, sodass das Pferd sich in diese Richtung wandte.
„Was tust du?", fragte der Prinz verwirrt, doch ließ mich steuern. Seine Hände fühlten sich ungewohnt glatt und weich an. Wie etwas aus einem anderen Leben.
Nun konnte ich vor uns ein Waldstück erkennen. Ein leichtes Lächeln umspielte meine Lippen, als wir in hohem Tempo hineinrasten und das Pferd schnell scheute. Legolas sprang ab und fing mich auf, als ich einfach hinabrutschte. Kurz lehnte ich mich gegen ihn, bis ich wieder ein wenig Energie bekam.
„Wir müssen weiter", hauchte ich und wollte mich von ihm lösen. „Schon gut", lächelte er leise und hob mich wieder hoch. Ich wollte mich wehren, doch war viel zu schwach. Endlich drangen auch die vielen Fragen zu mir durch. Warum war er hier? Warum war er alleine hier? Warum war er so nett zu mir? Woher wusste er, dass ich hier war? Wie war er hineingekommen?
Ich spürte, wie er mich auf dem Waldboden niederließ. „Wir sind hier sicher", sagte ich leise und drehte mich auf die Seite. Nach all der Zeit auf dem Rücken schien es mir angenehmer auf der Seite zu liegen. „Woher weißt du das?" „Der Elb... mit dem du damals im Wald unterwegs warst, als ich den Ring gefunden habe... wie war sein Name?", fragte ich und setzte mich vorsichtig auf. Er hielt mir eine Flasche Wasser hin und ließ sich neben mir nieder. „Warum ist das so wichtig?", fragte er verwirrt, doch sah mich sanft an. Ich nahm sie mit zittrigen Händen entgegen und trank einige Schlucke.
„Sie hat mir über die Jahre viel vorgespielt", antwortete ich und fühlte mich schon viel besser. „Baron. Wir haben damals die Orks besiegt und du hast zwei davon mit deinem Bogen abgeschossen, was dir eigentlich nicht erlaubt war", lächelte er und nahm die Flasche entgegen. Ich sah ihn dankbar an. „Und außerdem ein Wunder bei deinen Bogenschießkünsten", grinste er, worauf auch ich kurz amüsiert die Augen verdrehte. „Warum seid Ihr alleine hier?", fragte ich schließlich und merkte, dass ich so wach wie lange nicht mehr war. Er musterte mich kurz.
„Du musst mich nicht mehr so ansprechen", antwortete er ernst und griff neben sich in seine Tasche. Ich runzelte meine Stirn und beobachtete ihn. „Es war nicht deine Schuld", flüsterte ich sanft. Ich war mir nicht sicher, ob ich jemals wieder Teil des Waldlandreiches sein konnte, weshalb es mir leichter fiel, so mit ihm zu reden, doch fühlte es sich immer noch falsch an.
„Ich hatte die Verantwortung", antwortete er bloß verbissen und hielt mir ein Brot, eingewickelt in ein paar Blätter, hin.
„Es war dunkel und nichts zu hören. Meril gibt sich schon die Schuld an meinem Verschwinden, ich brauche nicht noch jemanden", antwortete ich und nahm es zögerlich an. Er musterte mich einige Sekunden nachdenklich und blickte sich dann um.
„Sie werden nicht kommen", beruhigte ich ihn und biss hinein. Er hatte wohl absichtlich kein Lembasbrot mitgenommen, wobei er vielleicht trotzdem noch eines in seiner Tasche versteckt hatte.
„Woher weißt du das?" „Sie betreten diesen Wald nicht", antwortete ich. Das Essen schmeckte anders als erwartet. Mein Körper schien es bloß als notwendige Nahrung aufzunehmen. Es war komplett egal, was er mir gegeben hatte, ich hätte alles verschlungen. Erst jetzt merkte ich meinen unglaublichen Hunger. Legolas sah sich besorgt um.
„Es verirren sich selten Elben in diese Gegend", sprach plötzlich jemand, der aus den Bäumen hervortrat. Er hatte keinerlei Waffen an sich und war ganz in Hellgrün gekleidet. Seine Haare waren Braun und sein Gesicht zeugte von langjähriger Erfahrung. Der Prinz sprang sofort auf und richtete seinen Bogen auf ihn. „Legolas", sagte ich schnell und richtete mich so weit auf, dass ich nach seinem Arm greifen konnte. „Sie sind Freunde", keuchte ich und ließ mich kraftlos zurückfallen. Er sah mich verwirrt an, doch ließ seine Waffe sinken, als ich mir an dem Baum leicht meinen Kopf stieß.
„Ich werde nicht zulassen, dass dir wieder etwas passiert", flüsterte er ernst und warf dem Elben einen bösen Blick zu. Dieser war nähergekommen und musterte uns beide. „Sie braucht Ruhe, wie es scheint", sagte er bloß und deutete uns, dass wir ihm folgen sollten. Ich nickte leicht und ließ mir aufhelfen. Langsam, aber sicher, bekam ich etwas Gefühl für meinen Körper zurück. Ich wusste, dass ich diverse unterschiedliche Verletzungen hatte, manche Wunden hatten sich entzündet, daher das Fieber. Wie gesagt, es war immer wieder überraschend, dass ich dann doch überlebte. So würde es auch dieses Mal sein.
Das Zuhause des Elben war mehr ein Lager als eine Stadt, was sehr faszinierend war. Sie hatten Häuser in den Bäumen gebaut und sich komplett der Natur hingegeben. Dagegen waren die Waldelben im Düsterwald nichts. Alles sah so idyllisch und ruhig aus, dass es mir schwer fiel zu glauben, dass diese Leute eine der schlimmsten Gegner der Orks waren. Ich wurde in eine der Hütten geführt und durfte mich erst einmal schlafen legen. Natürlich schlief ich sofort ein, doch als ich irgendwann in der Nacht aufwachte, war das Bett plötzlich so weich, dass ich mich nicht mehr wohl fühlte. Es passte sich perfekt an meinen Körper an, was jeder andere vermutlich als angenehm empfunden hätte, doch die meiste Zeit meines Lebens hatte ich nun einmal auf hartem Stein verbracht, weshalb ich etwas umständlich hinunter auf den Boden kletterte und dort auf dem Teppich weiterschlief. Erlöst atmete ich durch.
Im Halbschlaf bekam ich mit, wie sich die Tür hinter mir öffnete und jemand eintrat. Ich dachte es Legolas wäre, doch diese Person nahm einfach nur die Decke von dem Bett und legte sie über meinen Körper. Dann setzte sie sich neben mich. Ich brummte fragend und bewegte mich nicht.
„Die Infektion sitzt tief in dir", flüsterte die Stimme und etwas Kühlendes legte sich auf meine Stirn. Ich drehte meinen Kopf mit einem unwilligen Ton weg, doch irgendwie fühlte es sich auch angenehm an. Es war definitiv nicht Legolas. „Du bist es gewohnt krank zu sein, lass es los." Ich wollte verwirrt meine Augen öffnen, doch merkte, wie ich plötzlich in anderem Bezug zu meinem Körper stand als jemals zuvor. Hände legten sich an meinen Kopf.
„Was ist das?", keuchte ich und war dabei selbst überrascht, dass die Worte meinen Mund verließen. Es war, als hätte ich in Gefangenschaft meinen Körper verlassen, ihn geopfert und wurde ihm wieder neu zugeführt. Mich überkam Angst. Ich ballte meine Hände zu Fäusten und wollte mich wehren, doch auch nun, da ich die Kontrolle wieder zurückhatte, wollte mein Körper sich nicht gegen die Elbin wehren. Was, wenn wir nicht mehr zusammenpassten? Wenn er mich nicht mehr annahm?
Es dauerte bloß ein paar Sekunden, bis ich mich plötzlich entspannte und auch die Heilerin ihre Hände von mir nahm. Ich blieb regungslos liegen und versuchte zu realisieren, was gerade geschehen war. Mein Atem fühlte sich wie Licht an, während er meinen Brustkorb durchflutete. Doch damit kamen auch die Schmerzen wieder und ich konnte alle meine Verletzungen klar wahrnehmen. Ich atmete gequält aus und rollte mich zur Seite.
„Hier", lächelte die ruhige Stimme, die ich schon fast vergessen hatte. Schwerfällig öffnete ich meine Augen und merkte, dass sie eine Kerze angezündet hatte und nun in ihrer Tasche kramte. „Nun, da du wieder in Verbindung mit deinem Körper stehst, musst du versuchen ihn beim Heilen zu unterstützen", flüsterte sie und sah mich zuversichtlich an. Meine Sicht war plötzlich viel klarer und eindeutiger.
„Meine Hände", murmelte ich leise und hob sie vor mein Gesicht. Ich wurde nicht mit normalen Fesseln festgehalten, sie hatten Dornen gehabt, sodass die Haut niemals eine Chance hatte zu heilen. Dementsprechend schlimm sahen meine Handgelenke nun aus. Ich war mir nicht einmal sicher, ob elbische Medizin das noch heilen konnte.
„Das wird schon", lächelte die Elbin leise und begann vorsichtig eine Salbe auf die Wunden zu tupfen. Ich zuckte kurz zurück, doch ließ sie fortfahren. „Arien", stellte ich mich leise vor und sah sie direkt an. Sie konzentrierte sich weiter auf die Heilung, doch hatte mir offensichtlich zugehört. „Asea", antwortete sie knapp und wandte sich dann wieder ihrer Tasche zu, um einen Verband herauszuholen.
„Danke." „Bedank dich nicht zu früh, es wird ein langer Heilungsprozess werden", lächelte sie und nickte zum Bett. Ich seufzte kurz und wollte aufstehen. Auch, wenn mir mein Körper bereits gezeigt hatte, dass er eigentlich stark genug wäre, um mein Gewicht zu tragen, so war er das mit all den plötzlichen Schmerzen nicht. Doch Asea half mir schnell hinauf und in die weichen Laken, wo ich, schneller als erwartet, wieder Ruhe fand.
„Ich will sofort zu ihr!", hörte ich gedämpft durch die Tür. Ich brummte leise und öffnete meine Augen. Es war Morgen und das Zimmer von Sonnenstrahlen durchzogen. „Sie hätte letzte Nacht um ein Haar nicht überlebt, sie sollte sich ausruhen!", wurde ihm von Asea widersprochen. Ich rieb mir die Augen, da mir ziemlich klar war, dass Legolas sich durchsetzen würde. Er war ein Prinz und gewohnt das zu bekommen, was er wollte. Die Stimmen wurden leiser, weshalb ich nicht mehr so gut verstehen konnte, was gesagt wurde, doch wenig später ging die Tür auf.
„Du bist schon wach", stellte Legolas überrascht fest. Hinter ihm konnte ich noch Asea erkennen, die einen Blick hineinwarf und dann genervt ging. In den Händen meines Retters ruhte eine Schüssel mit dampfender Suppe.
„Es geht mir schon besser, Asea übertreibt", lächelte ich schwach und versuchte mich etwas aufzusetzen. Dabei biss ich die Zähne zusammen, um nicht mein Gesicht zu verziehen, doch er merkte es offensichtlich, schloss die Tür und trat näher.
„Sie hat mir das gegeben. Ich hoffe es schmeckt nicht wie es riecht", sagte er amüsiert und reichte mir die Schüssel. Ich nahm sie dankend an und spürte bereits die angenehme Wärme in meine kalten Finger fahren. Der Gestank trat mir tatsächlich bereits in die Nase, doch trotzdem probierte ich einen Löffel. Es war wirklich nicht so schlimm wie erwartet, vielleicht nicht zum Genießen, doch sie enthielt sicher die verschiedensten Heilkräuter.
„Wann denkst du, wirst du wieder genug Kraft zum Reisen haben?", fragte er ernst und setzte sich neben mich. Ich zögerte. „Was denkt dein Vater, wo du gerade bist?", fragte ich zurück, worauf er dran war mit schweigen.
„Freunde besuchen", antwortete er schließlich. „Er wird nicht erfreut sein, wenn er erfährt, dass du das Waldlandreich verlassen hast, und dann auch noch alleine in eine feindliche Festung einbrichst, nur um irgendeine ehemalige Schülerin zu retten." „Ich habe versprochen dich zu beschützen." „Hier geht es nicht um einen mächtigen Ring oder die Sicherheit des Königreichs!" Er musterte mich nachdenklich, während ich seufzte und die Suppe weiter aß.
„Was wurde dir da drinnen erzählt?" Ich zuckte mit den Schultern. Ich wollte nicht unbedingt darüber reden, doch ich verstand, warum er es wissen wollte. „Nicht wirklich viel. Ich war weniger die Fragende", erklärte ich also knapp und merkte, dass das Essen mittlerweile sogar ganz gut schmeckte. „Du hast gesagt, dass sie versucht hat dich zu manipulieren?" Ich schwieg, bis ich die Schüssel geleert hatte und stellte sie dann zur Seite.
„Sie ist in meinen Geist eingedrungen", erklärte ich leise und wandte meinen Blick ab. Langsam fühlte ich meine inneren Verletzungen heilen. Ich wurde auf viele verschiedene Arten gefoltert, nur eine davon war das Strecken gewesen. Bei dem Gedanken daran musste ich kurz die Augen schließen.
Es klopfte an der Tür und ohne auf eine Antwort zu warten, streckte Asea ihren Kopf hinein. „Sie braucht Ruhe", sagte sie eindringlich und starrte Legolas an. Dieser seufzte und stand auf. „Ich schaue am Abend nochmal vorbei", murmelte er mir zu und verließ dann mit der Heilerin das Zimmer. Ich schaute ihm noch kurz hinterher und kuschelte mich dann wieder in die Decke.
Der Tag verging langsam, doch ich merkte, wie notwendig er gewesen war. Nur Asea schaute hin und wieder vorbei, um meine Verbände zu wechseln oder neue Medizin zu bringen. Ich wusste nicht viel über das Volk, das hier lebte, doch war entschlossen mehr darüber herauszufinden. Es war ganz anders als das vom Waldlandreich. Das machte ich zumindest von ihren Erzählungen abhängig, während ihrer Besuche.
Zu Sonnenuntergang kam sogar tatsächlich auch Legolas wieder vorbei, wobei er sich mehr hineinschlich, als wirklich offiziell anzuklopfen. Vermutlich war es ihm immer noch nicht erlaubt mit mir zu sprechen. Ich war ihm sehr dankbar, dass er diesmal nicht meine Gefangenschaft ansprach, sondern nur über normale Dinge redete. Doch natürlich konnte auch dieses Gespräch nicht lange andauern, da ich müde war und auch nicht wollte, dass er erwischt wurde. Diese Elben mochten zwar netter und verständnisvoller sein, doch man musste es auch nicht provozieren.
Lange lag ich nach dem Besuch wach und dachte nach. Neben vielen anderen Dingen, die wir besprochen hatten, war meinem neuen Freund herausgerutscht, wie lange ich denn nun wirklich gefangen gewesen war: 200 Jahre. Fast viermal so lang, wie mein Leben vor der Gefangenschaft und wenngleich es für eine Elbin nur ein Bruchteil des ewig langen Lebens ist, so kam es mir in dem Moment wie ein unendlich großer Zeitraum vor. Einen Großteil meines Aufenthalts in der Festung war ich vermutlich ohnmächtig oder mental abwesend gewesen, doch trotzdem, so viel musste sich in dieser Zeit verändert haben. Meine Freunde, mein Vater, sie hatten wahrscheinlich längst ein neues Leben angefangen. War es wirklich eine so gute Idee, dass ich zurückkehrte?
Am nächsten Morgen stahl ich mich doch kurz aus dem Bett und tat ein paar Schritte durch das Zimmer. Es ging besser als erwartet, fühlte sich etwas ungewohnt an, doch immerhin schaffte ich es bis zu den gegenüber liegenden Schränken. Ich warf einen Blick zur Tür und öffnete dann einen von ihnen. Ich hatte zwar gestern frische Kleidung bekommen, doch trotzdem interessierte es mich, was noch zur Auswahl stand. Heute wollte ich zumindest einmal aus diesem Zimmer hinaus. Es war ein Besucherzimmer, weshalb ich mich auch nicht allzu schlecht fühlte, mich umzuschauen. Alle Gewänder waren hellgrün oder schwarz, wobei die Schwarzen ein wenig dicker und von anderem Material waren. Ich nahm an, dass es vielleicht welche für Regentage oder Ähnliches sein würden.
Nach recht kurzer Zeit hörte ich auch schon Schritte vor der Tür und entfernte mich schnell von dem Schrank zur Mitte des Raumes.
„Guten Morgen", begrüßte ich Asea lächelnd und faltete meine Hände hinter meinem Rücken. Sie merkte auf den ersten Blick, dass ich etwas zu verbergen versuchte und musterte mich misstrauisch. „Dir geht's aber schon gut", murmelte sie schließlich und schloss die Tür hinter sich. „Ja, ich dachte mir ein wenig Bewegung könnte nicht schaden – und frische Luft." Sie legte seufzend ihren Kopf ein wenig schief und trat zum kleinen runden Tisch, der neben uns stand. Es war das erste Mal, dass ich mein Essen nicht im Bett zu mir nahm, was mich freute.
„Du solltest dich nicht allzu weit entfernen. Es wird heute noch regnen und wir wollen keine Erkältung oder Ähnliches riskieren", lächelte sie, was mich überrascht aufschauen ließ. Die zierliche schwarzhaarige Elbin hatte sich in ihrem Sessel zurückgelehnt und beobachtete mich zufrieden beim Essen.
„Legolas hat mir erzählt, dass er nicht mit eurem Anführer sprechen darf", wechselte ich das Thema und sah zu ihr auf. „Ich wüsste nicht, worüber er mit ihm reden sollte", antwortete sie bloß abweisend. „Vielleicht ob und wann wir gehen dürfen, ob wir Proviant mitnehmen dürfen, ob ihr Tipps für die Reise hättet?", fing ich an aufzuzählen. Es war schon üblich zumindest mit jemandem zu reden, der sich mit allem auskannte, wenn es nicht schon der König war.
„Ihr seid unsere Gäste und Gäste werden wir natürlich mit allem unterstützen, was sie brauchen; seien es Waffen oder Essen", erklärte sie ruhig und ließ mich nicht aus den Augen. „Sollten Gäste nicht begrüßt werden?", fragte ich und war mir dabei nicht ganz sicher, ob das nicht etwas undankbar und unangebracht war. Sie schwieg einige Sekunden. „Ich habe dir schon erzählt, dass bei uns alles nicht so strikt abläuft wie in deinem Königreich", antwortete sie schließlich, was mich nicht wirklich zufriedenstellte. Doch bevor ich weiterfragen konnte, stand sie bereits auf und öffnete einen der Schränke, um mir ein paar Sachen herauszusuchen.
„Ich warte draußen", sagte sie noch und verschwand dann auch schon. Ich sah ihr etwas perplex hinterher und beendete noch schnell mein Frühstück, was gleichzeitig immer noch ein Gebräu von verschiedener Medizin darstellte.
Umgezogen trat ich endlich wieder an die frische Luft. Die Sonne war bereits von dunklen Wolken verdeckt. Es musste Frühling sein. Es war recht kühl, doch der Mantel war auf jeden Fall ausreichend. In der Mitte des Platzes sah ich Asea stehen, die mit einer anderen Elbin sprach. Interessiert ließ ich meinen Blick noch ein wenig länger über das kleine Dorf schweifen. Es war wirklich faszinierend, so wie ich es von vor zwei Tagen in Erinnerung hatte. Doch diesmal konnte ich die Eindrücke viel besser aufnehmen und verarbeiten.
„Arien!", rief Asea mich zu ihr. Schnell schaute ich wieder zu ihnen und setzte mich in Bewegung. Ich merkte die Schmerzen in meinen Rippen und Beinen, doch war entschlossen zumindest ein paar Minuten hier draußen zu verbringen.
„Das ist Tavaril", stellte sie ihre Freundin vor und ich begrüßte sie kurz. Mir fiel einmal mehr auf, dass ihre Namen in Quenya waren, im Gegensatz zu den unsrigen, das machte mich nur noch neugieriger auf ihre Geschichte, doch Asea hatte mir klargemacht, dass sie nicht darüber reden wollte.
„Du kannst dich ruhig ein wenig umschauen, verlasse nur möglichst nicht die Siedlung." Ich nickte kurz und wandte mich schon ab. Alles war so stimmig an diesem Ort. Sie mussten schon sehr lange hier leben. Die dicken, alten Bäume waren fest verwachsen mit den Häusern, sodass man schon fast glauben konnte, dass sie vom ersten Zeitalter an schon hier standen.
„Hat Asea dich aus ihren Fängen gelassen?", fragte Legolas amüsiert und gesellte sich zu mir. Ich warf kurz einen Blick zur Heilerin und trat dann ein paar Schritte weiter weg aus ihrem Sichtfeld. Ich hatte nicht das Gefühl, dass sie ihn sonderlich mochte, wenngleich ich nicht sagen konnte, warum.
„Ja, aber wahrscheinlich, weil sie wusste, dass ich sowieso ausbrechen würde", antwortete ich und lächelte, während ich mich weiter umsah. „Ich würde gerne so schnell wie möglich zurück. Ich habe niemals etwas von diesem Volk gehört, was es mir etwas schwermacht, ihnen zu vertrauen. Ich meine, wenn sie so friedliebend sind, wie sie sagen und uns gegenüber auch auftreten, wie können sie dann die Orks so vehement von ihrem Reich fernhalten?" Ich sah ihn überrascht an. „Ich denke wir können morgen los, heute wäre sowieso kein gutes Wetter", antwortete ich mit einem Blick nach oben. Es zog schnell zu.
„Gut, dann solltest du dich noch ausruhen. Ich werde die Vorbereitungen treffen." Ich nickte und wollte schon weitergehen. „Und Arien", ich drehte mich nochmal um, „nicht nötig es jemandem zu sagen." Ich sah ihm verwirrt hinterher. Warum war er nur so paranoid? War da etwas, wovon er mir nicht erzählte? Hatte er schlechte Erfahrungen mit ihnen gemacht? Doch egal, was es war, ich sollte dem auf jeden Fall Folge leisten. Nicht nur, weil er mein Prinz war, sondern auch, weil er sich sicherlich etwas dabei dachte. Wie Asea bereits gesagt hatte, durfte ich nur so lange draußen bleiben, bis der Regen anfing, doch das reichte mir auch. Eigentlich war ich ganz froh mich wieder in das warme Bett legen zu können. Doch diesmal schlief ich nicht so schnell ein, weshalb ich mir eines der Bücher nahm. Es beinhaltete einige Sagen und Geschichten, die eigentlich recht spannend waren. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass die Medizin, die diese Elben hatten, dieselbe war, wie wir sie im Düsterwald hatten. Sie fühlte sich um einiges fortgeschrittener an, doch das sollte mir nur recht sein.
Zum Abend hin nahm ich mir eine brennende Kerze als Licht, wobei ich natürlich hin und wieder ein paar Stunden schlief, doch inzwischen konnte ich einfach nicht mehr die ganze Zeit daliegen und nichts tun. Selbst die Nacht machte mich nicht viel müder. Es war noch recht dunkel, als ich ein leises Klicken der Tür hörte. Ich blies sofort die Kerze aus und stellte sie leise weg. So früh würde Asea mich niemals besuchen kommen und erst recht nicht so leise. Sie kam schließlich immer, um mich aufzuwecken, also lauschte ich ins Dunkle und versuchte an dem leisen Tapsen auf dem Holzboden festzustellen, wer das sein könnte und welche Absichten die Person hatte.
„Arien?" Ich atmete erleichtert auf und legte auch das Buch weg. „Ich dachte nicht, dass wir so früh aufbrechen würden", antwortete ich genauso leise und zündete die Kerze wieder an. „Die Pläne haben sich geändert, komm." Mit diesen Worten warf er mir meinen Mantel zu. Ich nahm ihn immer noch etwas verwirrt und sah mich kurz um, wobei mir einfiel, dass ich ja gar nichts dabeihatte, als ich hier angekommen war. Die zerrissenen und alten Fetzen, die die Orks Kleidung genannt hatten, konnten getrost hierbleiben. Legolas legte seinen Finger auf den Mund und öffnete leise wieder die Tür. Es regnete immer noch leicht, weshalb ich mir meine Kapuze überwarf.
Wortlos leitete der Prinz uns in der kaum merkbaren Morgendämmerung zu seinem Pferd, wo wir schnell aufstiegen. Ich wollte mich zwar von Asea verabschieden, doch redete mir weiterhin ein, dass Legolas wusste, was er tat.
Zunächst ritten wir nur langsam, da man nicht viel sehen konnte. Nach ein paar Minuten trieb er sein Pferd wieder etwas mehr an, doch genau in dieser Sekunde verdichtete sich wie von selbst der Wald vor uns. Sofort bremste Legolas, worauf ich eine Hand auf seine Schulter legte, um mich abzufangen.
„Der Wald ist magisch", hörte ich ihn flüstern. „Absteigen", ertönte es neben uns. Nur langsam drehte ich meinen Kopf zu Tavaril und einigen anderen Elben, welche immer noch keine Waffen hatten. Ich ließ mich zuerst von dem Sattel gleiten, dann Legolas.
„Ich dachte wir wären Gäste?", fragte ich und wollte zu ihnen treten, als der Prinz mich bestimmt zurückhielt. „Wohl keine guten", kam bloß die Antwort. Legolas zog sein Schwert, was ich mit großen überraschten Augen verfolgte. Was hatte er nur gegen sie?
„Das beeindruckt mich nicht", sagte Aseas Freundin und blickte kurz zu Boden, von wo plötzlich eine Wurzel emporstieß und Legolas' Hand umwickelte. Ich hörte einen unterdrückten Aufschrei neben mir.
„Halt, was wollt ihr?", fragte ich aufgeregt und trat einen Schritt vor. Legolas wäre ohne mich doch niemals in diesen Wald gekommen. Es war nicht fair, dass er dafür jetzt verletzt wurde. Tavaril sah mich nur kurz an und konzentrierte sich dann wieder auf Legolas, dessen Hand ich knacken hören konnte und nun auch noch verdreht wurde, sodass er ein wenig nachgab.
„Bitte", flehte ich und legte eine Hand auf seine Schulter, doch weiterhin kam keine Reaktion. Plötzlich spürte ich etwas wie kleine Druckwellen, die mich von der Seite erreichten. Verwirrt schaute ich wieder zu der Wurzel, die Legolas' Hand umschlungen hatte. Diese zerfiel plötzlich zu schwarzem Staub. Entgeistert starrte ich einige Sekunden darauf, bis ich meinen Blick wieder zu Tavaril hob, welche nun näherkam. Ich griff zu Legolas' Schwert, welches noch am Boden lag und hob es auf.
„Schon gut, das ist alles, was wir wissen wollten", lächelte sie und hob beruhigend ihre Hände. Ich sah fragend zu dem Prinzen, welcher kurz durchatmete. „Du wusstest es, oder?", fragte ich leise. Er antwortete nicht. Wütend blitzte ich ihn an und drehte mich um.
„Arien! Wohin willst du?", sprach er, bevor ich mich zu weit entfernen konnte. „Ich weiß es doch auch nicht! Mir will doch niemand sagen, was hier vor sich geht!", rief ich wütend zurück und drehte mich um. Ich war selbst überrascht ihm so respektlos entgegenzutreten.
„Ich werde es dir erklären." Darauf kam nur ein kurzes Lachen von Tavaril und als ich zu ihr schaute, schüttelte sie bloß den Kopf. „Du verstehst es doch selbst nicht", schnaubte sie und verschränkte ihre Arme. Legolas drehte sich wütend zu ihr um. „Was weißt du schon? Mein Volk war es, das diese Ringe geschmiedet hat", sagte sie verächtlich. Ich schaute zwischen den beiden hin und her. „Was habe ich damit zu tun?", fragte ich und trat näher. „Du bist die erste Elbin seit langem, die Kontakt mit einem dieser Ringe hatte", erklärte sie ernst und sah wieder zu mir.
„Ich will die Geschichte hören. Du kannst zum Düsterwald zurückkehren", sprach ich und trat wieder auf Höhe von Legolas. „Ich werde dich hier nicht alleine lassen", knurrte er bloß. „Ich bin keine Schülerin mehr und du hast seit langem nicht mehr die Aufgabe mich zu beschützen! Ich bin dir aufrichtig dankbar, dass du mich da rausgeholt hast, doch von hier kann ich mich um mich selbst kümmern", fuhr ich ihn an und wurde zum Ende etwas sanfter. Er lächelte bloß leicht und stützte sich auf dem Sattel hinter ihm ab.
„Du hast keine Ahnung, was sie mit dir vorhaben. Weißt du, warum sie uns nicht mit ihrem Anführer haben sprechen lassen? Weil sie keinen haben. Ihre Legenden besagen, dass der König einen der Ringe tragen oder über die Kräfte verfügen muss", erzählte er, worauf ich verwirrt zu Tavaril schaute. Sie starrte ihn nur böse an. „Und dieser König oder Königin teilt dann die Kräfte mit seinem ganzen Volk. Das würdest du niemals überleben." „Und sie bringen jeden ihrer Könige einfach um?", fragte ich ungläubig und konnte immer noch nichts von ihrem Gesicht ablesen.
„Wenn du von ihrem Blut wärst, würdest du es überleben. Es ist darauf ausgelegt." Ich schluckte schwer. „Ich habe dieselben Kräfte wie sie und ich weiß, wie ich sie benutze", knurrte Tavaril und sah dabei Legolas an. „Wozu braucht ihr dann mich?", fragte ich verwirrt und schaute kurz zu den anderen Elben, die noch hinter ihr standen. Sie schienen sich nicht wirklich einmischen zu wollen.
„Jedes Volk braucht einen Anführer." „Und ihre Kinder bekommen die Fähigkeiten nicht vererbt", fügte Legolas immer noch recht entspannt hinzu. Nun war Tavaril wirklich genervt von ihm. „Was passiert mit ihm, wenn ich mich füge?", fragte ich und verschränkte meine Arme. Legolas löste sich etwas überrascht von seinem Pferd und starrte mich verständnislos an.
„Wir werden unserer Königin gehorchen", antwortete Tavaril bloß und hob erwartungsvoll ihre Augenbrauen. „Ja, nur dass ihre Königin recht schnell tot sein wird. Was tust du?", zischte er mich an und trat näher. „Versuchen dein Leben zu retten! Ich bin unwichtig, du dagegen ein Prinz! Ich habe gesagt, ich bin keine Schülerin mehr, das bedeutet, dass ich meine Pflichten kenne", antwortete ich gedämpft und wandte mich ihm zu. „Deine Pflicht ist es mir zu gehorchen!", knurrte er wütend zurück. Ich musste zugeben, dass sich die unerfahrene, kleine Schülerin in mir verängstigt zurückzog, doch darüber war ich hinausgewachsen. Ich hatte schon mit höheren Autoritäten als ihm zu tun gehabt und sie getäuscht.
„Du willst mir befehlen dich sterben zu lassen?", fragte ich nach einer langen Pause und war mir nicht mehr so sicher, ob ich ihn wirklich so ansprechen durfte, doch inzwischen hatte ich mich ziemlich daran gewöhnt.
„Wir werden nicht sterben!" „Sie hat uns schon bewiesen, dass sie Macht über diesen Wald hat!" Unser Gespräch war immer noch so leise, dass man aus Tavarils Sicht vermutlich nicht alles verstand, doch es war klar, worum es ging. Legolas starrte mich einige Sekunden aus seinen kalten blauen Augen an, bis er seine Haltung ein wenig aufgab. Ich dachte schon, ich hätte gewonnen, bis er anfing leicht zu lächeln und in den Wald schaute.
„Jetzt habe ich es verstanden", hauchte er überwältigt. Ich sah ihn fragend an. „Steig auf", befahl er leise und wandte sich Tavaril zu. Ich öffnete den Mund, um zu widersprechen, doch entschied mich dann entgegen.
„Ihr seid keine Valar oder Maia, ihr habt keine Kräfte, die euch alles erlauben. Das, was ihr als besondere Fähigkeiten bezeichnet, ist die einfache Verbindung zum Wald. Ein Wald, der lebt und euch gehorcht, doch ich glaube nicht, dass ihr ihn so weit treiben könnt, dass er uns umbringt", sprach er überheblich und sah sie herausfordernd an.
„Immerhin hat er schon deine Hand gebrochen", antwortete sie bloß schulterzuckend. „Aber was haben die Ringe mit eurer Verbindung zum Wald zu tun?", murmelte er nachdenklich und erwartete nicht wirklich eine Antwort. Tavaril wandte ihren Blick ab. Legolas sah in Richtung des versperrten Ausgangs, der sich nun lichtete. Ich sah sie noch kurz an, bis er zu mir kam und vor mir aufstieg. Ich fühlte mich fast schlecht, dieses Volk so enttäuschen zu müssen, wenngleich ich nicht daran zweifelte, dass sie mich umgebracht hätten. Es war nur so ein Gefühl. Soweit ich das verstanden hatte, hatte bis jetzt also der Wald sie vor den Orks beschützt, was Sinn machte, doch gleichzeitig bedeutete, dass sie nicht wirklich kämpfen konnten und keine Bedrohung darstellten. Das erklärte auch, warum immer alle so nett zu uns gewesen waren. Der Wald hatte uns hineingelassen, also hatte er unsere Absichten gekannt. Doch trotzdem mochte ich es nicht, dieses Rätsel nicht komplett gelöst zu haben, auch wenn Legolas keine Sekunde länger bleiben würde, was ich gut verstehen konnte.
Der Wald hatte einen Großteil des Nieselregens abgehalten, der uns nun voll erwischte. Mir wurde recht schnell kalt, in der hellgrünen, nicht für den Regen gedachten Kleidung, weshalb ich vorsichtig meine Hände auf seinen Rücken legte und versuchte, die Vorderseite meines Körpers zumindest von der Kälte fernzuhalten. Irgendwie hatte das letzte Gespräch es noch komplizierter gemacht. Es würde mich sehr interessieren, ob er mich immer noch als die kleine, unwissende Schülerin ansah, die er beschützen wollte oder mehr als Freundin, die nebenbei bemerkt sein Leben gerettet hatte. Auch, wenn er es nur in Gefahr gebracht hatte, um mich zu retten. Wie würde es zurück im Düsterwald sein? Nicht nur mit ihm, sondern auch mein Rang, meine Ausbildung. Musste ich die Prüfung ablegen, obwohl ich inzwischen viel älter geworden war? Außerdem war ich mir sicher, ziemlich viel verlernt zu haben. Was würde mein Vater sagen? Er hatte meinen Tod sicher noch nicht akzeptiert und wenn doch, war es wirklich so gut, dass ich nun zurückkam? Und was war mit Meril? Ich musste sie suchen, doch hatte keinen Anhaltspunkt, wo sie hingegangen sein könnte! Es gab noch so viel tun und so viel, das ich nicht wusste. Ich würde sicher nicht lange den Status der ehemaligen Gefangenen haben, die seit ihrer Schülerzeit gefoltert worden war und deswegen nichts wusste.
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