Wenn Bestien auf ein Monster treffen...
Mensch, das hat ja gar nicht fast wieder 3 Monate gedauert XD
Ich hatte in letzter Zeit ein bisschen viel zu tun. Prüfungen und so. Aber jetzt habe ich wieder Zeit.
Ich war aber trotzdem nicht untätig. Eigentlich habe ich für diese Geschichte 13.000 Wörter geschrieben, aber ich glaube, letzten Endes wären es 16.000-17.000 geworden, hätte ich das jetzt konsequent durchgezogen.
Also gibt es mal ausnahmsweise ein zweigeteiltes Kapitel und ihr kriegt jetzt stattdessen 10.000 Wörter auf die Augen gedonnert.
Viel Spaß beim Lesen! Ich setz mich mal währenddessen an das neue Kapitel für den Wächter. Schauen wir mal, wie schnell ich fertig werde.
Schnell... Pffff...
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«Bist du wirklich bereit dafür, kleine Jägerin?»
So sprach die Stimme, die in zwei Tonlagen gleichzeitig kommunizerte, zu der rot gekleideten Frau.
Eben diese Frau hatte ihre Arme und über denen ihr Kinn auf die Reling des Bugs gelegt. Und dieser Bug gehörte einem Schiff. Einem recht kleinen Schiff, um genau zu sein, aber das lag daran, dass es von einer einzelnen Person gut bedienbar sein musste. Dafür, dass es im Grunde ein Ein-Mann-Segler war, hatte man dennoch erstaunlich viel Platz. Ihre Lehrmeisterin auf der Vulkaninsel hatte es ihr als Abschiedsgeschenk überlassen.
Bis der Begleiter in ihrem Dolch sich zu Wort gemeldet hatte, waren ihre Augen zwecks einer kleinen Ruhe an Deck geschlossen. Ihre Haare waren rotbraun, das Gesicht für trotz der recht femininen Form ausgesprochen kantig. Eine Narbe zog sich über ihr linkes Auge, doch das Organ selbst war unversehrt. Nach einer Weile öffnete die Angesprochene ihre satten, grünen Augen, behielt aber ihre Haltung bei und sah in die Ferne.
«Noch bereiter werde ich wahrscheinlich nicht, Kha'Zix», merkte sie müde an und sah kurz an ihrer rechten Seite herab, wo der Dolch mit dem violetten Kristall in seiner zugehörigen Scheide steckte, bevor sie wieder nach vorn blickte und sich die Meeresluft über das Gesicht fahren ließ. Dann grinste sie. «Du machst dir doch nicht etwa Sorgen?»
Die Stimme seufzte missbilligend. «Nimm's mir nicht übel, Kleine. Deine Fähigkeiten sind beeindruckend, aber Donner hat schon bessere als dich ausgebildet.»
«Lass mich raten: Sie haben ihre Durchlaufkapazitäten bezüglich der Leerenenergie überschätzt und sind einen furchtbaren Tod gestorben?», riet sie amüsiert und winkte dann ab. «Keine Sorge. Ich kenne meine Grenzen. Wir haben sie oft genug ausgetestet.»
«Das haben wir bei all deinen Vorgängern», stellte der Leerengeborene warnend klar. «Deshalb ist ein derart großer Auftrag auch so gefährlich. Ehe du dich versiehst, verlierst du die Selbstbeherrschung. Ich habe es schon oft genug gesehen.»
«Und doch haben du und Donner mir nur allzu oft eingebläut, dass ich nicht vor der Verwendung von Leerenenergie zurückschrecken soll.»
«Es geht darum, eine Balance zu finden. Für dein volles Potenzial musst du deine Grenzen einschätzen können, sie jedoch immer wieder neu austesten. Und dich gegebenenfalls anpassen. Ob du es kannst, wissen wir noch nicht, deshalb ist diese Operation auch so riskant.»
«Rein aus Interesse: Wie viele von Donners Schülern haben diese Balance gefunden?»
Kurz grübelte der Leerengeborene. «Drei. Der erste schaffte es vor etwas mehr als einem halben Jahrhundert. Etwa siebzig, vielleicht achtzig Jahre. Doch er verfolgte eigene Ziele, die nicht mit unseren vereinbar waren. Also... kümmerte sich Donner um ihn. Dann folgte eine ganze Weile niemand, bis zu deinen beiden direkten Vorgängern. Doch einer war zu weichherzig, während die andere... nun, ich schätze, sie hat einfach entschieden, dass sie mit all dem nichts zu tun haben möchte.»
«Super. Ein Wahnsinniger, ein Weichei und ein Feigling waren die besten», schnaubte sie amüsiert. «Und da dachtet ihr, es wäre eine gute Idee, jemanden ohne Erinnerungen auszubilden.»
«Jeder hat seine Schwächen. Die meisten sind charakterlich bedingt. Das Gute an dir ist, dass du dich nicht an sie erinnern kannst und deshalb handelst, als hättest du sie nie gehabt. Du bist wie eine selbstständig denkende Waffe.»
«Ich weiß nicht, ob mir dieser Vergleich gefällt», entgegnete sie grinsend, bevor sie etwas am Horizont erblickte und sich ihre Augen ernst zusammenzogen. «Also gut», meinte sie schließlich und stand auf. «Zeit, ein paar Flachhirne aufzumischen.»
«Überprüfe deine Waffen. Wir dürfen uns trotz meiner Macht keine Fehler erlauben.»
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Die Insel, die die Kopfgeldjägerin in Rot ansteuerte, wurde vor vielen Jahren aus gutem Grund als Hauptstützpunkt einer Organisation – denn als eine bloße Bande konnte man das längst nicht mehr bezeichnen – von Räubern, Banditen und Sklavenhändlern, die man auch die Blutigen Seedrachen nannte, ausgesucht. Sie war von ausreichender Größe und eher abgelegen, statt inmitten des Archipels der Wikingerstämme, doch der Hauptgrund lag in ihrer Beschaffenheit.
Diese Insel war eine natürliche Festung.
Es gab eine Bucht, die direkt in das Herz der Insel führte, doch selbst wenn es jemand gewagt hätte, dort mit Schiffen hindurchzusegeln, so hätte dies ein böses Ende genommen.
Die Insel bestand im Prinzip aus drei Ringen. Der Äußerste war bestand einfach nur aus Sand- und Kiesstränden. Stellenweise hatte es dort sogar einmal Wald gegeben, aber der Übersichtlichkeit halber und um der Verteidigungsfähigkeit willen wurde jeder Baum und jeder Strauch entfernt. Wer von dort aus einen Angriff wagte, war auf offenem Feld.
Das wäre alles nicht so schlimm, wenn es nicht den zweiten Ring der Insel geben würde, welcher aus einer soliden, natürlichen Felswand bestand. Diese war dutzende Meter dick und die Gesetzlosen hatten über Jahrzehnte daran gearbeitet, ihre Tunnelstruktur und Zugangsmöglichkeiten auf erhöhte Positionen zu perfektionieren. Es gab einzelne Tore, doch diese waren leicht zu verteidigen. Würde es jemand wagen, vom Strand aus auf die Wand und die Tore zuzustürmen, so wäre er ein leichtes Ziel und nur allzu schnell tot.
Diese Felswand hörte nur an einer Stelle auf: Dort, wo die Bucht in das ohnehin schwer befestigte und einfach zu verteidigende Herz der Insel führte. Das war der dritte Ring mit allen Gebäuden, Lagerhäusern und Verladestationen sowie einem kleinen Hafen für bis zu drei große Schiffe. Jemand, der mit einem feindlich gesinnten Schiff hindurchsegeln würde, könnte nicht viel mehr machen, als in die Zange genommen zu werden und sich abschlachten zu lassen.
Doch es gab noch einen vierten Abschnitt der Insel. Die Kasernen und Quartiere lagen unter dem Herzen. Und dort befanden sich auch die Kerker.
In der Gewalt eines Wikingerstammes wäre diese Insel ein perfekter Handelsposten und eine exzellente Lagerstätte für allerlei Reichtümer. Leicht gegen eventuelle Neider zu verteidigen und sehr profitabel.
Nur befand sie sich unglücklicherweise in der Gewalt von Gesetzlosen. Von Banditen, Räubern und Sklavenhändlern. Und es war nur für sie sehr profitabel.
Die Insel hatte nahezu keine Schwächen. Gut, man könnte vielleicht mit einem ausreichend großen Aufgebot von Männern und Schiffen eine Blockade bei der Bucht errichten. Dann könnte niemand so schnell rauskommen und die Vorräte würden irgendwann zur Neige gehen. Das Problem daran wäre jedoch, dass man selbst für eine derartige Belagerung äußerst viele Vorräte brauchte. Extrem viele, denn selbst für solch ein Szenario hatten sich die Gesetzlosen jede Menge Futter gebunkert.
Dazu müsste aber erst einmal jemand die Insel finden. Und bei all den Streitigkeiten der Wikinger unter sich würde das so bald nicht passieren.
Doch es gab noch eine Schwäche. Und diese Schwäche war entscheidend.
Nachlässigkeit.
Niemand hatte nach etlichen Jahrzehnten auch nur versucht, die Insel der Blutigen Seedrachen zu erobern. Wie auch? Es wusste ja niemand, wo sie waren. Und selbst dann würde niemand zufällig mit einer ganzen Armada aufkreuzen. Wenn sie jemand entdecken würde, dann mit einem kleinen Erkundungsschiff. Und da sie jede Menge Geschäftspartner auf allen möglichen Inseln hatten – wie zum Beispiel den jungen, doch ausgesprochen reichen Händler Jarun Gendarson – würden sie davon schnell erfahren und ihre Verteidigung in kürzester Zeit auf Hochtouren bringen können, bevor man einen Großangriff auf sie starten konnte, auf den sie nicht vorbereitet waren.
Die größte Schwäche dieser Insel waren die Menschen, die sie verteidigten.
Denn ihre größte Stärke basierte darauf, den Gegner rechtzeitig wahrzunehmen und entsprechende Kontermaßnahmen ergreifen zu können, sei es ein Zangenangriff in der Bucht oder ein paar Bogenschützen an der natürlichen Felswand.
So kam es also, dass gerade einmal zwei Mitglieder der großen Verbrecherorganisation bemerkten, wie ein einzelnes kleines Segelschiff geradewegs auf ihre Insel zuhielt. Das hatte nichts mit Zufall zu tun. Die beiden waren an diesem Tag extra zugeteilt, um Ankömmlinge zu erkennen und ihre Ankunft entsprechend bei Höhergestellten zu melden. Man wusste ja nie, ob mal ein Geschäftspartner mit einem guten Handel vorbeischauen würde und ob man eventuell bereits vorher ein ebenso gutes Tauschobjekt vorweisen könnte, um sich als guter Gastgeber zu erweisen.
Aber dieses Schiff war... anders.
Es war zu klein für... naja, im Prinzip für alles. Für künftige Sklaven sowieso. Zudem war die Insel so weit nördlich von den meisten anderen Inseln gelegen, dass es sich überhaupt nicht lohnte, derart kleine Schiffe einfach nur für Vorräte herzuschippern. Und seltene Waren kauften die Blutigen Seedrachen ohnehin viel zu selten. Da war man bei den Wikingerstämmen für gewöhnlich besser, profitabler und vor allem legaler dran.
«Hast du das Schiff schonmal gesehen?», fragte Nummer Eins und schaute misstrauisch zu seinem Kumpanen.
«Nö, noch nie», kam die verwunderte Antwort von Nummer Zwei. «Weder genau dieses noch irgendeins von einer ähnlichen Machart.»
«Ein neuer Kunde vielleicht?»
«Wahrscheinlich... sollten wir das nicht lieber melden?»
«Nee, warte mal einen Augenblick», entgegnete Nummer Eins wieder und knuffte Nummer Zwei mit dem Ellenbogen leicht in die Seit. «Hör zu. Ich hab keine Ahnung, wer das ist, aber er hält direkt auf uns zu. Und das bedeutet, dass er nicht weiß-»
«Wo die Bucht ist!», erkannte dieser und sandte seinem Komplizen einen anerkennenden Blick. «Was wiederum bedeutet, dass er nicht weiß, wie die Dinge hier laufen.»
«Also erklären wir es ihm und... lassen uns für unsere Auskunft eine kleine... Belohnung auszahlen. Wir lassen ja nicht jeden einfach rein, stimmt's?»
Ein breites Grinsen huschte über beide Gesichter.
«Der Plan gefällt mir.»
«Wusste ich. Also los, an den Strand!»
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Mit jedem Augenblick, den die beiden am Strand standen, wurden sie nur skeptischer.
Das kleine Segelschiff war zwar nun fast angekommen, aber sie hatten noch immer nicht erkennen können, wer es überhaupt steuerte. Es sah fast so aus, als wäre es unbemannt. Und doch nahmen die Segel den vollen Wind auf, sodass das Schiff geradewegs auf den Kiesstrand manövrierte.
Schließlich machte es beim Kontakt mit dem Festland doch halt. Einen Moment warteten sie noch, aber es kam noch immer niemand zum Vorschein, der zumindest mal das weiter Wind aufnehmende Segel aus der Brise nahm.
«Meinst du, da ist überhaupt jemand drauf?», fragte Nummer Eins.
Nummer Zwei zuckte nur mit den Schultern. «Absolut keine Ahnung. Kann schon gut sein, dass da mal jemand drauf war, der aber auf hoher See über Bord gegangen ist. Doch sollte da jemand drauf sein, warum hat er sich dann noch nicht gezeigt...?» Beide schwiegen sich eine Weile an, ohne das flatternde Segel aus den Augen zu lassen. «Ach, leck mich! Ich geh da jetzt rauf, selbst wenn da einer ist. Wenn, dann geige ich ihm die Meinung. Wenn nicht, ist unser Glückstag.»
«Vorausgesetzt, es ist was drauf«, warf der Erste wieder ein und stieg mit seinem Komplizen gleichzeitig über die Reling. «In dem Fall will ich meinen Anteil.»
«Den kriegst du, keine Sorge.» Er sah sich um. Das Deck des kleinen Schiffs war wie leergefegt. Weder ein Fass, noch irgendetwas wie eine Kiste mit Waren, gar nichts. Nur eine Luke unter Deck in Bugnähe und eine kleine Kajüte am Heck. «Wenn hier jemand ist, dann rate ich dir, jetzt schnell rauszukommen!», rief Zwei laut und machte ebenso wie sein Kumpane eine Weile keinen Mucks. Als sie dann noch immer nichts vernahmen, brummte er nur und zuckte mit den Schultern. «Also schön. Du schaust in der Kajüte nach, ob du was findest, ich sehe unten nach.»
Eins nickte nur und bewegte sich auf die Kajüte zu, in der er sogleich verschwand.
Zwei hingegen grübelte kurz und zog die Augenbrauen zusammen. Seine erste Überlegung war, dass wer auch immer dieses Schiff bemannt hatte, vielleicht in einem Sturm über Bord gegangen war. Aber dieses Schiff an sich war ihm einfach nur unheimlich. Er hatte noch nie zuvor eines von dieser Bauart gesehen, und wenn man sich länger in der Bucht dieser Insel aufhielt, bekam man schon jede Menge zu Gesicht. Und dann ist es noch ganz zufällig ein Geisterschiff. Außerdem kannte er niemanden, der nicht irgendetwas auf dem Schiffsdeck stehen hatte. Irgendetwas. Keine Ahnung, einen festgenagelten Waffenständer, oder eine befestigte Zielübungspuppe, meinetwegen eine Leiter oder zwei vollkommen leere Kisten, weil man mal irgendwo nicht rankam. Aber ein vollkommen leeres Schiffdeck war doch geradezu krankhaft.
Er winkte ab und setzte sich in Bewegung. Er wollte einfach nur schauen, ob das Schiff etwas geladen hatte. Wenn ja, dann unter die Arme damit und weg. Wenn nein, Pech gehabt. Aber er wollte hier einfach nur runter. Es war ihm unheimlich.
Also öffnete Zwei einfach die Luke nach unten und stieg die steile Treppe hinab. Und als er sich umdrehte-
da zog er sein Schwert.
«Das ist doch lächerlich!», schimpfte er, als er den vollkommen leeren Frachtraum erblickte.
Er hatte ein Schiff gesehen, dessen Bauart er nicht kannte, das anscheinend unbemannt war, ohne jegliche Ausstattung an Deck und nun auch noch ohne ein einziges Stück Fracht?
Welcher Psychopath setzte denn ein unbemanntes und unbeladenes Schiff auf's Meer?
Hier war irgendetwas wirklich absolut stinkend faul.
Wobei... ganz ohne Fracht war diese Nussschale anscheinend doch nicht, wie er bemerkte. Denn ganz in der hintersten Ecke des Frachtraums lag eine einsame kleine Kiste. Misstrauisch ging er auf sie zu, seine Hand stets um den Schwertknauf geschlossen und die Klinge nach vorn gestreckt.
Letztlich kam er dann vor der kleinen Kiste an und öffnete sie kurzerhand. Der Inhalt ließ ihn noch genervter aufstöhnen, als er ohnehin schon war.
Zehn Goldstücke. Zehn mickrige kleine Geldmünzen. Sicher, das war einiges wert, aber dennoch als einzige Fracht ein ziemlicher Witz.
«Naja, besser als nichts...»
Dann hörte er über sich ein dumpfes Knallen, das ihm aufgrund der Stille so unglaublich laut vorkam, dass er beinahe einen Herzinfarkt erlitt und zusammenzuckte.
«Was bei allen Göttern...?», fluchte er und runzelte dann die Stirn. «Klingt, als hätte er was Großes gefunden...»
Er machte einen kleinen Beutel auf, gab die Münzen hinein und hing sich das Ding an den Gürtel, bevor er das Schwert wegsteckte und sich wieder auf den Weg nach oben machte.
An Deck angekommen machte er sich gar nicht erst die Mühe, die Luke hinter sich zuzumachen. «Hey, Mann! Hast du was gefunden? Ich hab nur ein paar Münzen unten entdeckt. Sag mir bitte, deine Ausbeute war größer.»
Ein paar Sekunden rührte sich gar nichts. Er wollte gerade erneut rufen, als die Tür zur Kajüte langsam aufging und dahinter die dunkle Silhouette seines Kollegen erschien.
Er machte einen Schritt auf die Kajüte zu, bis ihm auffiel, dass sein Kumpane ihm gar nicht entgegenkam. «Hey, alles klar bei dir?», fragte er stirnrunzelnd.
Einige Sekunden passierte wieder nichts, bis der im Dunkeln Stehende einen Schritt auf ihn zumachte.
Wobei bemerkt werden sollte: Es war mehr ein Taumeln.
Er stand nun halb im Licht, den Kopf nach unten und den Körper seltsam seitlich nach vorn gebeugt.
Da machte Zwei eine schreckliche Entdeckung.
Unter dem Kopf seines Kameraden tropfte es. Blut, wie sich mit einem kurzen Blick auf das Schiffsholz herausstellte. Tropfendes Blut, wegen dem sein eigenes gefror.
Auf einmal kippte der arme Kerl komplett aus der Kajüte, schlug dumpf auf dem Boden auf und starrte Zwei mit leblosen Augen und einer aufgeschnittenen Kehle an.
Völlig in Schockstarre übersah er fast die einen Kopf kleinere Gestalt in Rot, die dem stürzenden Leib seines Kumpanen mit langsamen, ruhigen, federleichten Schritten folgte.
Von der Statur her unverkennbar eine Frau, aber ausgestattet mit einer leichten, roten Lederrüstung, auf der das Blut kaum erkennbar war, mit einer Kapuze, an der mit einer Brosche der Umhang befestigt war, und einem gleichfarbigen Schleier über der unteren Gesichtshälfte. Auf ihrer rechten Seite hing die Scheide eines schlanken Schwerts, auf der linken eine verzierte Dolchscheide. Auf ihrem Rücken war der Bogen, der zugehörige Köcher ragte unter dem Umhang über ihrer linken Schulter hervor.
Und der mit einem violetten Juwelen besetzte Dolch, den sie in der linken Hand trug, war in ein blutiges Rot getaucht.
Wie paralysiert und schwer atmend kam er kaum dazu, wieder sein Schwert zu zücken, als ihm bereits der Dolch entgegen geflogen kam und sich geradewegs in seine Brust bohrte.
Schlimmer noch, in seine Lunge. Er keuchte vor Schmerz und sah auf den Dolchknauf herab. Von der Klinge war kein Stück mehr zu sehen, so kräftig war der Wurf. Er wollte nach dem Knauf greifen, aber er konnte es nicht. Es war, als würde der Dolch die Lebenskraft aus ihm heraussaugen.
Dementsprechend gaben auch seine Beine wenige Sekunden darauf nach und er fiel nach hinten. Inzwischen füllte sich seine Lunge mit Blut, welches er verzweifelt auszuhusten versuchte.
Ihm blieb nur noch, hilflos vor sich hinzublubbern und tatenlos zusehen zu müssen, wie die Frau gemütlich den Bogen mit ihrer rechten Hand von ihrem Rücken abstreifte und mit der linken einen Pfeil anlegte.
Das letzte, was er sah, waren grüne Augen und eine Pfeilspitze.
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«Und wir sind auch nicht zu spät zur Wachablösung?»
«Meinst du wirklich, wir hätten uns so sehr verspätet, dass die beiden die Nase voll hatten und einfach schon gegangen sind? Ach was! Sie haben einfach vorzeitig ihren Posten verlassen. Und ehrlich gesagt kann ich es ihnen nicht verübeln.»
Wie es der Zufall wollte, kamen soeben zwei Wachen bei der Aufsichtsplattform an der Klippe an. Sie waren durchaus verwundert, als sie ihre Kollegen nicht antrafen, doch was sie von ihrem Posten aus sogleich erblickten, alarmierte sie schließlich.
«Was ist das denn?», fragte der eine mit zusammengezogenen Augenbrauen auf das seltsame Ein-Mann-Schiff fixiert.
Der andere zog an seinem Ärmel und deutete auf etwas, das schon eher in der Nähe war. «Du meinst wohl: WER ist das denn?»
Ihre beiden Blicke fielen auf eine rot gekleidete Gestalt, die sich mit langsamen Schritten auf eines der in den Fels eingesetzten Tore zubewegte.
«STEHEN BLEIBEN!», brüllte der eine und gab dem anderen eine kurze Anweisung: «Blas ins Horn! Eindringling!» Dann wandte er sich wieder an die Frau am Strand. «NENNT EUER ANLIE-»
Sein Kollege hielt bereits das Horn in der Hand, als er ein Röcheln hörte und mit einem kurzen Seitenblick erschrocken feststellen musste, dass sein Kamerad einen Pfeil durch den Hals bekommen hatte und verzweifelt seine Finger gegen den eigenen Hals presste in der vergeblichen Hoffnung, die Blutung zu stoppen.
Er schaffte es gerade noch, ins Horn zu blasen und einen lauten Ton über die halbe Insel erschallen zu lassen, bevor auch seine Brust mit einem Pfeil geschmückt wurde.
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«Das ist... eine schwierige Situation...», brummte der Leerengeborene nicht unbedingt erheitert.
«Es gibt nicht, was wir jetzt noch ändern könnten, oder?»
«Nein. Sieht aus, als müssten wir doch auf einen Frontalangriff zurückgreifen. Sei also gewarnt. Achte auf deine Kapazitäten.» Die Rote Walküre nickte nur. «Also gut, wie willst du es angehen, kleine Jägerin?»
Die Frau überlegte kurz und blieb vor dem soliden Holztor stehen, das direkt in einen Gang durch die dicke Felswand führen würde. «Ich werde sie ausdünnen müssen, bevor sie an mich herankommen.» Sie packte den Bogen fester, zog drei Pfeile und nahm diese in die rechte Hand, die auch den Bogen hielt. Die Projektile verliefen parallel zum Holz der Waffe und waren lediglich dazu gedacht, dass man nicht immer in den Köcher greifen musste, sondern direkt wieder einen frischen Pfeil griffbereit hatte.
«Also Fernkampf.»
«Größtenteils. Vielleicht kannst du meine Reflexe ein wenig beschleunigen. Ich werde versuchen, meine Kraft aufzusparen und nicht zu viel für jeden Gegner zu verschwenden. Sollten sie also herankommen, werde ich mich effizient verhalten müssen. Also Eleganz und schnelle Tode. Kein unnötiges Rumgemache.»
«Klingt nicht nach etwas, das ein genießender Jäger mit seiner Beute machen würde», kommentierte Kha'Zix mit einem leisen Lachen.
Auch ihr entfuhr ein amüsiertes Grunzen. «Tut mir auch leid, aber wir müssen wohl sicherstellen, dass wir hier die Jäger bleiben und sie die Beute.»
«Darf es noch etwas sein, bevor es lustig wird?»
Sie grinste bösartig. «Vielleicht ein wenig Energie für die Beinmuskulatur und verstärkte Knochenstabilität?»
Die Zufriedenheit ihres nicht-menschlichen Lehrmeisters war praktisch zu spüren, als ein befriedigtes Summen ihre Gedanken durchdrang. «Sehr gut. Es wird wohl langsam schon Routine?»
«Aber hallo.» Sie spürte, wie die Leerenenergie ihre Nervenbahnen durchfloss, als Kha'Zix ihren Körper für den bevorstehenden Kampf verbesserte. Die Impulsübertragung ihrer Nervenzellen und Synapsen wurde vervielfacht, sodass ihre Reflexe auf die kleinste Umgebungsänderung eingestimmt waren. Sie nahm einen tiefen Atemzug. Dann fühlte sie die Energie, die in ihre Beinknochen eindrang und sie künstliche verhärtete, während ihre Muskulatur einen kurzen Energieschub erhielt.
Einen Energieschub, dessen ganze Gewalt in Form eines verstärkten Tritts auf das robuste Holztor traf. Eine Hälfte hob es praktisch aus den Angeln, während die andere noch in ihrer Halterung verweilen konnte, wenn auch schrecklich verunstaltet und praktisch zerfetzt.
«Und denk an die Schnellschusstechnik.»
«Werde ich. Danke, Meister.»
Mit dem Bogen in der Hand schritt sie in einem gemächlichen Tempo durch den in puren Fels gehauenen Gang. Sie war vielleicht bei der Hälfte angekommen, als das Ende des Tunnels geöffnet wurde und mehrere Seeräuber ihr entgegensprinteten.
Entschlossen knurrend griff sie mit der linken Hand einen der drei Pfeile, den sie bereits am Holz des Bogens anliegen hatte. Sie drehte den Pfeil, sodass die Federn auf sie und die Spitze zu ihren Gegnern zeigte.
Statt nun den Pfeil anzulegen, die Sehne zurückzuziehen und mit der Hand umzugreifen, was nur kostbare Zeit kosten würde, entschied sie sich für eine kürzere Technik.
Sie legte den Pfeil an, ja, aber sie zog die Sehne mit Zeige- und Mittelfinger derart zurück, dass die Rücken ihrer beiden Finger ihre Wange berührten und sich nichts auf der linken Seite ihres Bogens befand.
Das sparte den Prozess des Umgreifens, kostete aber Präzision.
Davon hatte sie jedoch mehr als genug.
Schneller als man reagieren konnte ließ sie den Pfeil auch schon von der Sehne und forderte ihr erstes Opfer ein. Blieben noch vier. Zwei weitere Pfeile warteten.
Binnen kaum einer Sekunde hatte sie den nächsten Pfeil von seiner Position am Bogenholz an die Sehne und bereits in volle Spannung gebracht, bevor auch dieser auf seine tödliche Reise geschickt wurde.
Und auch der dritte Pfeil fand nur einen Augenblick später sein Ziel.
Der erste der zwei Verbliebenen versuchte prompt, ihr einfach sein Schwert durch den Bauch zu jagen, doch ihre Reflexe erlaubten es ihr, geduldig zu warten und den richtigen Moment abzupassen.
Wie ein Zweig im Wind bog sie sich zur Seite, gab dem an ihr vorbeistürzenden Mann einen Rückhandschlag mit einer Seite des Bogens mit und zog innerhalb dieses Ausweichmanövers einen vierten Pfeil aus dem Köcher, den sie im vollen Lauf anlegte und ohne das kleinste Zögern in die Augenhöhle des Nachzüglers jagte.
Doch sie hielt nicht an. Stattdessen hechtete sie sich mit einer Sprungrolle nach vorn in Sicherheit, als der Räuber, dem sie mit ihrem Bogen eine geklatscht hatte, wild herumfuhr und sein Schwert nach ihr schwang.
Als sie sich aus ihrer Rolle wieder erhob, war da der Mann mit dem Pfeil im Auge, der gerade noch mitten im Sturz war. Prompt riss sie ihm mit der linken Hand das Projektil aus dem Schädel, legte es mit einer fließenden Bewegung an, während sie sich blitzschnell umdrehte, und ließ den Pfeil nun auch aus nächster Nähe in ihr letztes Opfer fliegen, als es gerade wieder nahe genug für einen tödlichen Streich herangekommen war.
Er taumelte kurz nach hinten und hustete Blut, doch die Rote Walküre verschwendete keine Zeit, zog ihm den Pfeil aus der Brust und gab ihm einen Tritt mit, der ihn prompt auf seinen Rücken beförderte.
Kurz sah sie sich um und vergewisserte sich, dass auch jeder der fünf tatsächlich tot war oder zumindest im Sterben lag, nickte dann und rannte weiter auf den Ausgang des Tunnels zu. Für die Wiederbeschaffung der übrigen Pfeile war einfach keine Zeit. Sie hatte bereits ihr Überraschungsmoment verloren und musste daher schnell agieren, wenn sie nicht gegen jeden der Blutigen Seedrachen auf dieser ganzen Insel antreten wollte.
«Wunderbar effizient», lobte Kha'Zix wohlwollend.
«Danke, hatte zwei gute Lehrer», entgegnete die Kopfgeldjägerin knapp, stieß das Tor am Ende des Ganges auf und rannte sogleich zur nächsten Ansammlung von Kisten, bevor sie sich gründlich umsah.
Selbstverständlich wurde sie bemerkt und hastige Rufe ertönten über das halbe Gelände, aber sie musste erst über den nächsten Schritt nachdenken, bevor sie ohne jede Strategie leichtsinnigerweise direkt ins Getümmel stürzte.
Das gesamte Gelände war praktisch eine einzige Verladestation mit Lagerhäusern. Kisten mit Gütern lagen überall herum. Dieser Ort brummte nur so vor Reichtum an Waren. Ihr Blick fiel sogleich auf zwei Orte: Eine Art gähnendes Loch, das seinen Platz direkt in der Mitte hatte, aber auch der Hafen, der mit drei großen Schiffen ausgefüllt war.
«Laut unseren Informationen sind die Gefangenen unten», murmelte sie nachdenklich und beobachtete aus dem Augenwinkel, wie ein paar einzelne Seeräuber sich schnurstracks rennend auf den Weg zu ihr machten, weshalb sie sich hinkniete, einige Pfeile neben sich in den Boden steckte, damit sie diese deutlich schneller greifen konnte, und schoss mehrere der Männer ab. Einige waren etwas zäher und brauchten zwei Pfeile, aber das war kein Problem. Zumindest noch nicht.
«Korrekt, aber wir haben zwei Ziele», gab der Leerengeborene im Hintergrund ihres Verstandes zu bedenken.
Sie nickte. «Der Anführer dieser Organisation und Heidrun, die Schwester des Berserkerhäuptlings, ich weiß. Der Kopf dieser Schlange wird sich ganz bestimmt unterirdisch aufhalten, aber was die Gefangenen angeht...» Ihr Blick fiel wieder auf die Schiffe, bevor sie sich erneut auf die nun etwas zögerlich heranstürmenden Banditen konzentrierte.
«Wir könnten Pech haben und sie könnte bereits auf einem der Schiffe sein. Brauchen wir zu lange, könnte es sein, dass sie davonsegeln. Dann wären wir wieder am Anfang.»
«Exakt mein Gedanke», brummte die Jägerin unzufrieden, als ihr die in den Boden gesteckten Pfeile ausgingen und sie kurz in den Köcher fasste, um zu bemerken, dass noch ein halbes Dutzend Geschosse übrig war. Dafür war der Vorstoß ihrer Gegner zum Stillstand bekommen, als sie bemerkten, dass ihre Kameraden wie die Fliegen einfach nacheinander niedergeschossen wurden. Stattdessen gruppierten sie sich nun.
Sie musste handeln, und zwar schnell, denn sie war sicherlich gut, verdammt gut sogar, aber es würde eine immense Menge an Kraft und gegebenenfalls Leerenenergie kosten, sollte sie noch länger warten. Die entstehenden Wunden wären jedoch ein größeres Problem.
«Wir spielen das Spiel auf die sichere Art und Weise», beschloss sie kurzerhand, sprang hinter den Kisten hervor und sprintete zu den Docks.
Mit lautem Gebrüll und schwingenden Waffen folgte ihr eine Gruppe aus einem ganzen Dutzend Blutiger Seedrachen. Mit dem Zwecke, sie zu verlangsamen und sie zögern zu lassen, drehte sich die maskierte Kopfgeldjägerin prompt um, bediente sich eines der sechs verbliebenen Projektile und schoss einem der vorderen Verfolger in sein Knie, weshalb er schreiend und stolpernd zu Boden stürzte und seine Nachfolger aufhielt.
Gerade wollte sie sich umdrehen, als auf einmal ein Schock von Leerenenergie durch ihre Nervenbahnen fuhr.
Instinktiv streckte sie unnatürlich schnell den Arm aus und fing einen für ihre Schulter bestimmten Pfeil auf, den sie für weniger als einen Augenblick wahrgenommen hatte. Ihr Blick fand sogleich den Schützen, der sie wie ein Goldfisch anglotzte, der sich nun zum fünfzehnten Mal erinnerte, dass er in der Nähe eines tödlichen Hais war. Grimmig und verärgert schnaubend dauerte es nicht lange, bis er seinen eigenen Pfeil mit einer derartigen Wucht zurückbekam, dass es ihn nach hinten von den Füßen hob und er wenig später die Welt der Lebenden zurückließ.
«Danke, Kha'Zix», brachte sie zwischen zwei Atemstößen heraus, während sie die Planke zum ersten der Schiffe hochrannte.
«Kein Problem, Kleine.»
Vom Schiff aus kamen laute Rufe und schon sah sie sich zwei weiteren Gegnern gegenüber, als sie fast das Ende der Planke erreichte.
Der Hieb des ersten kam mit einer horizontal geschwungenen Axt. Ohne anzuhalten drehte sie sich unter dem Schlag weg, versetzte ihm einen kräftigen Faustschlag in die Magengrube und ließ ihn mit einem Fußfeger die Balance verlieren, sodass er hinter ihr Aufschlug, um ihren Verfolgern kurz den Weg abzuschneiden.
Der zweite Angreifer – völlig verblüfft – hatte eigentlich damit gerechnet, dass er mehr Zeit hätte und wurde völlig überrumpelt, als die Kopfgeldjägerin ihm erst den Bogen quer durch sein Gesicht zog und dann in seiner kurzen Phase der Benommenheit ihren Dolch zückte, um seinem Leben mit einem Halsschnitt das Leben zu beenden.
Die in der Anzahl durchaus nicht gering ausfallende Schiffsmannschaft hatte ebenso nicht damit gerechnet. Kaum einer hatte seine Waffe gezückt, als die Kopfgeldjägerin einfach zwischen drei weiteren hindurchtanzte, welche nur eine knappe Sekunde später stöhnend und schwer blutend zu Boden gingen, bevor sie eine Luke mitten auf dem Deck aufriss und sich in das Innere des Schiffs fallen ließ.
«Ich folge ihr!», rief gleich einer der Verfolger, der bereits da war, bevor die Luke wieder zufallen konnte, und sofort hinterhersprang.
Das waren jedoch seine letzten Worte, denn kaum war er nach unten gesprungen, hörte man schon gleich, wie ein Schwert durch Knochen schnitt, und einen erschütternden Schrei.
Bleich sahen sich die restlichen Verfolger und die Schiffsbesatzung gegenseitig an. Niemand wollte vorgehen, bevor sich einer aus der Gruppe zu Wort meldete: «In Ordnung, Jungs! Wir bilden drei Trupps. Der erste steigt beim Bug ein, der zweite durch die Kajüte beim Heck und der dritte bleibt hier. Durchkämmt das Schiff und sucht dieses Miststück!», brüllte er und stapfte sogleich in Heckrichtung. «Und sichert die Gefangenen, sonst zieht uns der Boss das Fell ab!»
Der Rest nickte eifrig und teilte sich entsprechend auf, bevor sie alle das Innere des Schiffs betraten. Die dritte Gruppe fiel etwas kleiner mit nur fünf Mann aus, aber es herrschte eine stille Übereinkunft, dass man unter Deck so viele wie möglich brauchte, auch wenn es keiner so recht zugeben wollte.
Einer von den an Deck Gebliebenen machte die Luke einen Spalt auf, sah mit bleichem Gesicht, dass dem armen Narren unter ihm derart in die Hüfte gehackt worden war, dass er sich fast in zwei Hälften befand. Langsam schloss er die Luke wieder.
Im Schiffsrumpf hingegen gingen zwei Dinge im Halbdunkeln vor. Eine Suche und eine Jagd.
Das Schiff war groß und es hatte zwei Untergeschosse, sowie drei parallele Gänge auf dem oberen, wo sich die Mannschaftsunterkünfte befanden, und zwei auf dem unteren, welches als Lager für sachliche und... menschliche Waren diente.
Dementsprechend hatten sich sich aufgeteilt. Die erste Gruppe durchkämmte den unteren Bereich, während die zweite in drei Teams die Mannschaftsquartiere durchsuchte. Ein Team für jeden Gang.
Im mittleren Gang befanden sich genau drei Männer. Einer öffnete die Quartiere auf der linken Seite, der andere auf der rechten Seite. Dort sahen sie bei jedem einen suchenden Blick hinein. Mehr als einen Blick brauchte man aber auch nicht, denn sie waren wirklich alles andere als groß.
Währenddessen blieb der mittlere drei Schritte hinter ihnen. Sollte also die Kopfgeldjägerin einen der Männer abstechen, so würde er es garantiert mitbekommen.
Ungewöhnlich wurde es erst beim etwa fünften Quartier direkt auf der Mitte des Schiffsdecks, als der rechte der drei länger als üblich in den Raum schaute.
Sein linker Partner war in der Zwischenzeit schon längst fertig und hatte sich bereits umgedreht. Nun runzelte er die Stirn. «Hey Mann, alles in Ordnung?», fragte er, ging an ihn heran und rüttelte ihn an der Schulter.
Womit er nicht gerechnet hatte, war, dass er nach vorn umkippte. Sein Kopf lag seitlich auf dem Holz und man konnte gut sehen, dass sein Schädel von unten durchstochen worden war.
«SIE IST HIER!», brüllte er mit weit aufgerissenen Augen. «ALLE HIERHE-»
Weiter kam er gar nicht, denn auf einmal flog ihm etwas Rotes entgegen, das ihm einen Dolch in die Brust jagte und ihn nach hinten warf.
Der letzte der drei hatte längst sein Schwert in der Hand und schwang nach ihr, doch sie wartete auf den richtigen Moment und blockte nicht, sondern lenkte den Schlag lediglich mit ihrem Dolch ab, sodass der Schwung ihn an ihr taumelnd vorbeitrieb.
Noch während er stolperte, spürte er einen Schnitt in der linken Kniekehle. Als Folge gab sein Bein nach und er fiel schreiend zu Boden.
Sein Herz raste und er konnte sowohl hören als auch in den Vibrationen des Bodens spüren, wie die Kopfgeldjägerin langsam näher kam, als würde sie ein besonders leckeres Stück Beute verfolgen.
Verzweifelt robbte er mit Hilfe seiner Arme vor ihr davon, doch er konnte hören, wie sie immer näher kam, also versuchte er, sich allein mit der Unterstützung seines rechten Beins aufzurichten.
Wie es jedoch zu erwarten war, machte die Rote Walküre einen letzten Schritt auf ihn zu und verwehrte ihm mit ihrem Dolch auch die Nutzung seines rechten Beins. Dann packte sie ihn mit der rechten Hand bei den Haaren und zog ihn derart nach oben, dass er seine Arme nicht mehr als Stütze nutzen konnte, um seine Kopfhaut zu entlasten.
Er schrie vor Schmerz, doch das hörte auf, als der Dolch einen Weg in seinen Rücken zwischen zwei Segmente der Wirbelsäule fand und sein Rückenmark durchtrennte.
Aus dem Schrei wurde ein ersticktes Stöhnen. Sein Verstand war in purer Panik, als sich eine finstere Präsenz in seinem Körper breitmachte und ihm gewaltsam seine eigene Lebenskraft entriss.
Er zuckte noch eine Weile, ohne in der Lage zum Strampeln zu sein, bevor der Körper wortwörtlich seinen Geist aufgab und die eiskalte Jägerin ihn einfach losließ. Seine Stirn knallte leblos auf die Planken.
In diesem Moment traten die verbliebenen zwei Gruppen des oberen Unterdecks auf den Plan.
«Ergib dich! Wir haben dich in der Zange!»
Sie sah langsam hinter sich und tatsächlich stellte sich heraus, dass sich vier Männer vor ihr und ebenso viele hinter ihr am Ende des Ganges befanden.
«Wenn es nötig wird, werde ich eingreifen», ertönte die vergleichsweise beruhigende Stimme des Leerengeborenen in ihrem Kopf. «Aber sei vorsichtig und denk an dein Training!»
«Dann ist das eine Prüfung meiner Fähigkeiten», knurrte sie an niemanden direkt gerichtet. Die Kopfgeldjägerin steckte den Dolch weg und zog ihr Schwert.
«Du hast es so gewollt», brummte einer der Männer und die beiden Gruppen bewegten sich langsam, aber entschieden auf sie zu.
Sie konnte nicht warten, bis beide Teams sie tatsächlich einkesseln konnten, also stürmte sie geradewegs auf das vor ihr zu.
Die vorderen zwei Männer hoben ihre Schilde, also entschied sie sich für einen hoch angesetzten Schlag als Finte. Als einer seinen Schild in Bereitschaft also tatsächlich noch höher hob, um sich vor einer Enthauptung zu schützen, bremste sie ihren Ansturm ab, führte ihre Klinge in einer Drehung wieder nach unten und stach ihm durch den ungeschützten Bauch.
Sein Schildbruder hatte damit zwar ganz und gar nicht gerechnet, aber er holte bereits zum Schlag aus, also ließ die Kopfgeldjägerin das Schwert zumindest mit ihrer rechten Hand los, um den Dolch zu zücken und damit auf sein Auge zu zielen.
In einem kleinen Panikmoment stoppte er also seinen Angriff, um sein Gesicht mit dem Schild zu schützen. Da er jedoch keine Lust auf einen Dolch im Magen hatte, wich er sogleich zurück. Jedoch vergaß er in diesem Moment völlig, dass hinter ihm noch zwei weitere Mitstreiter waren, und so rammte er mit seiner plötzlichen Bewegung fast einen von ihnen um.
Inzwischen hatte die Rote Walküre ihr Schwert wieder befreit, zog es jedoch vor, ihren mit einem Schild ausgerüsteten Widersacher vollends aus dem Gleichgewicht zu bringen und trat wuchtig gegen seinen Schutz, der sogleich zu seinem Sturz und dem seines Kumpanen führte.
Nun war lediglich ein mit Doppelaxt ausgerüsteter Mann vor ihr. Wenn sie ihn ausschalten könnte, so wäre es möglich, an ihm vorbeizuspringen, sich umzudrehen und schließlich alle Gegner vor sich zu haben, ohne eingekesselt zu sein.
Das war zumindest der Plan.
Aber jeder hatte mal seinen Pechtag.
Ein kurzer Blick nach hinten verriet ihr, dass die vier der anderen Gruppe schon viel zu nahe waren. Einer war nur noch drei Schritte entfernt und hatte bereits mit seinem gewaltigen Zweihänder ausgeholt.
Sie war also zwischen zwei Waffen mit überlegener Reichweite eingesperrt. Genial. Einfach toll.
Da half nur eine Prise Täuschung.
Sie tat so, als wollte sie einen Aufwärtshieb gegen den Kerl mit der Doppelaxt vor ihr machen. Also hob er den dicken Stiel der Waffe zur Verteidigung an.
Im letzten Moment jedoch machte sie einen Ausfallschritt nach hinten und drehte sie sich um, damit sie den Zweihänder blocken konnte, der ihr anderenfalls den Kopf in zwei Teile zerlegt hätte.
Nun hatte sie also nicht nur verhindert, von zwei Waffen gleichzeitig angegriffen zu werden, sondern sie war auch dank ihres Ausfallschrittes selbst in Angriffsreichweite.
Den Block ihres Schwertes mit dem riesigen Zweihänder hielt sie für einen kurzen Moment aufrecht, bevor ihr Dolch durch sein Handgelenk schnitt und ihm die Waffe entglitt. Nun war er eine leichte Beute und die Kopfgeldjägerin konnte sich an ihn herandrehen und ihm mit dem Schwert einen fatalen, waagerechten Bauchschnitt zufügen.
Indem sie den Sterbenden mit einem Schulterstoß nach hinten beförderte, versperrte sie zwei anderen des zweiten Teams den Weg und jagte dem nächsten ihren Dolch durch den Hals.
Inzwischen hatten sich die beiden des ersten Teams schon fast wieder aufgerappelt und der Mann mit der Doppelaxt holte zu einem Schlag aus. Doch seine rot gekleidete Widersacherin machte beim Anblick des wilden Überkopfschlags einen Schritt zur Seite und hackte ihm sogleich den Arm ab.
Nun stand sie wieder dem Kerl mit dem Schild gegenüber. Vier tot, vier übrig-
Dann fühlte sie jedoch einen Ruck, der durch ihren Körper ging, begleitet vom Geräusch zerschnittenen Leders und dem Gefühl von durchstoßenem Fleisch. Und sie fühlte, wie sich in der unteren Hälfte ihres Oberkörpers auf beiden Seiten eine Flüssigkeit ausbreitete.
Es war ein beklemmendes und einschränkendes Gefühl, und als sie an sich herabsah, konnte sie auch auf visueller Ebene wahrnehmen, was da gerade geschah.
Jemand hatte ihr ein Schwert durch den Rücken gejagt.
Sie fühlte keinen Schmerz. Dieses Gefühl wurde ihr monatelang und mithilfe immenser Qualen abtrainiert.
Ihr wurde schwummrig und schwindlig. Eine Folge des rapiden Blutverlustes. Es war anstrengend, die Augen offen zu halten und dennoch etwas zu sehen, denn ihre Sicht wurde stellenweise beinahe schwarz. Sauerstoffmangel. Jetzt schon. Es musste eine wirklich furchtbare Wunde sein.
Dennoch konnte sie sehen, wie ihr Gegenüber mit dem Schild sie hasserfüllt und mit einem Ausdruck von Zufriedenheit anstarrte, während der Mann hinter ihr das Schwert wieder herauszog.
«Ich übernehme.»
Ihre Sicht pulsierte. Ihr Herz raste.
Ihre Muskeln brannten und ihre Finger juckten mit einer Intensität, in deren Genuss sie nur selten kam.
Ihr Blick war klar und farbenreich.
Es war, als bräuchte sie kein Blut zum Leben. Als wäre sie unverwundbar.
Als könnte sie alles auf einmal wahrnehmen, alles jagen.
Alles töten.
«Narren!», knurrte sie mit zweifacher Stimme.
Ihr Schwert schnellte mit blitzartiger Geschwindigkeit nach vorn.
Es schnitt durch Fleisch und Knochen, als wäre alles dünnes Papier.
Der Körper des Schildträgers wurde einfach frontal aufgeschlitzt.
Die restlichen drei waren aus ihrer Schockstarre noch gar nicht erwacht, da fuhr sie herum und enthauptete den Mann, der sie von hinten abgestochen hatte. Das Blut spritzte nur so durch die Gegend.
So sehr, dass es seinem Nebenmann in die Augen geriet und ihn temporär blendete.
Mehr als genug Zeit, um ihm ein Schwert durch die Kehle zu schieben.
Dann steckte sie das Schwert weg und schritt langsam auf den letzten der ursprünglich acht Männer zu, mit nichts als einem Dolch in der Hand, dessen eingesetzter Edelstein hellviolett glühte.
«Du hättest mich fürchten sollen!», sprach sie gemeinsam mit der dissonanten Nebenstimme. «Du hättest die Leere fürchten sollen!»
Und nur wenige Augenblicke später verließ sein Geist diese Welt.
Erst mit einem lauten, verängstigten Schrei, dann mit einem erstickten, kläglichen Stöhnen.
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«Meinst du, wir sollten oben vielleicht nachsehen?»
«Wieso sollten wir?»
«Naja, bei der Menge an Schreien... klingt nicht so, als würden unsere Jungs sonderlich gut gegen sie abschneiden.»
«Jetzt mach dir nicht gleich ein, Kleiner. Hast du den letzten Schrei nicht gehört?»
«Naja, ich gebe zu, der klang nicht unbedingt männlich, aber-»
«Siehst du? Alles unter Kontrolle. Die haben das Miststück erledigt. Wir können also wieder an Deck gehen.»
«Nein, warte! Wir sollten erst auf den offiziellen Aufruf warten.»
Ein Seufzer. «Kleiner, ich weiß, du bist neu und ein ziemlicher Grünschnabel, aber vertrau ruhig mal einem alten Ochsen wie mir, wenn er dir sagt, dass alles in Ordnung ist und dir hier keiner das Fell über die Ohren ziehen wird, wenn wir nicht auf jeden verbalen Furz hören.» Er wandte sich an alle anderen, die mit ihm das unterste Deck durchsucht hatten und bereits vollkommen aus ihrer Alarmstimmung waren. Um sie herum waren überall Gruppenzellen mit einer ganzen Menge an menschlicher Ware. «Also gut, Jungs, der Stress ist vorbei. Packt euer Zeug, dann sind wir weg.»
Zufriedenes Gebrumme ertönte. Die Schwerter und die sonstigen Waffen waren längst alle weggesteckt. Es folgte nur noch ein kurzer, prüfender Blick auf die Gefangenen. Pure Routine.
Doch erneut sollte die größte Schwäche dieser Insel menschliche Nachlässigkeit sein.
Als drei der Männer bereits die Leiter nach oben bestiegen – sie wollten nicht mehr Zeit als nötig hier unten verbringen – und scherzhafte Konversationen wieder starteten, da passierte es.
Das Sirren von Pfeilen erfüllte die Luft. Zu ihrem Pech hatte das Schiff eine eigene Waffenkammer.
Also selbst wenn die Angreiferin vorhin nur noch wenige Pfeile übrig hatte... Oh Junge, nun hatte sie mehr als genug davon.
Der erste traf den älteren Veteranen, der die Leiter zuerst bestiegen hatte und nun schreiend auf seinem Fall nach unten seine beiden Kameraden mitnahm.
Kaum einen Augenblick später traf es einen armen Teufel mitten unter ihnen, der einen Schild am Arm trug.
Es ging alles so schnell, dass sie nicht einmal richtig registrierten, von wo die Pfeile kamen. Da unten im Schiff war es nahezu finster.
Auch die nächsten zwei Geschosse galten Schildträgern. Die Männer schubsten sich gegenseitig, um hastig aus der Schusszone herauszukommen, doch ihre fehlende Disziplin kostete sie Zeit und bedeutete ihren Untergang.
«DORT!», rief einer und deutete hinter die Gruppe, wo eine rote Gestalt in einer der dunkelsten Ecken des Schiffes stand, ein knappes Dutzend Schritt entfernt.
Der letzte unter ihnen, der einen Schild besaß, drängelte sich sogleich nach vorn und hob seinen Schild, doch dies wurde längst antizipiert und so steckte wenig später ein Pfeil in seinem Knie und – als er einknickte und seine einzige Deckung senkte – daraufhin auch noch in seinem Hals.
Ab da war es einfach nur noch Wettrennen.
Oder... das hätte es sein können.
Sie hatten keine Schilde mehr und keiner wollte als erster auf eine schießwütige Irre ohne Schutz zurennen und riskieren, mit Pfeilen gespickt zu werden. Also war es kein Wettrennen auf die Kopfgeldjägerin zu, sondern auf die Schilde.
Dennoch ließ sie sich keine Pause und schoss einen nach dem anderen gnadenlos über den Haufen. Manche waren etwas zäher als andere und brauchten gerne mal zwei Pfeile, aber sie alle fanden ihren Tod.
Bis nur noch drei übrig waren, die bemerkt hatten, dass die Suche nach einem Schild keinen Zweck hatte, wenn man ihn sich gerade an den Arm schnallte und dann einen Pfeil durch den Hals bekam, also stürmten sie nun doch mit dem Mut der Verzweiflung auf sie zu.
Was ihnen auch nichts brachte, denn inzwischen waren sie viel zu wenige für einen solchen Angriff.
Die ersten zwei fielen durch je einen Pfeil durch die Brust, der dritte war fast bei ihr, als auch er seinen fairen Anteil bekam.
Dann senkte sie den Bogen, nachdem sie sich versichert hatte, dass keiner mehr zuckte, und knickte schwer atmend ein. Es war nicht der Schmerz, der ihr zu schaffen machte. Die schwere Wunde von vorhin entzog ihr einfach die Kraft.
«Ich kann das nicht allzu lange so weitermachen. Wir müssen hier schnell fertig werden», warnte Kha'Zix eilig.
«Und das Elixier?», keuchte sie, presste ihre Hand auf den Bauch und sah sich dann ihre Handfläche an. Es quoll noch Blut aus der Wunde, aber ein notdürftiger Verband und ein Hauch Leerenenergie hatten dazu beigetragen, dass sie sich schneller schloss.
«Geht nicht. Es würde zu viel Energie kosten und wir wären beim nächsten Zwischenfall definitiv erledigt. Wir müssen darauf hoffen, dass ich das noch schaffe, bis wir hier fertig sind und am Ende genug für die Heilung übrig bleibt. Du wirst dich zwischendurch an der Lebensenergie unserer Gegner bedienen müssen.»
Sie nickte mit geschlossenen Augen und atmete tief durch.
«Hey, sag mal, hilfst du uns noch oder bist du hier nur zum Spaß runtergekommen?»
Stirnrunzelnd hob sie den Blick, bis ihr wieder einfiel, dass diese Schiffe voll mit Sklaven und Gefangenen waren. Sie brauchte nur einen Moment, bis sich in ihrem Kopf ratternd ein Plan zusammenbraute.
«Denkst du gerade, was ich denke?»
Sie nickte und grinste hinter der Verschleierung ihrer unteren Gesichtshälfte, bevor sie aufstand. «Hilfe, sagt Ihr? Lässt sich einrichten. Aber erst muss ich euch eine Frage stellen...»
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«Also ist Heidrun wohl noch im Untergrund der Insel», wiederholte die Rote Walküre noch einmal, während sie sich schwimmend unter dem Hafensteg bewegte.
Über ihr war Kampfgeschrei. Weiter hinten fiel gelegentlich mal ein Leib ins Wasser.
Nachdem sie den Gefangenen nämlich die Frage nach ihrem Zielobjekt gestellt hatte, konnte sie die nun nicht mehr so armen Teufel schließlich befreien. Von ihr erfuhren sie den Ort der schiffseigenen Waffenkammer.
Und sagen wir mal so: Sie brannten auf einen Kampf gegen ihre Peiniger.
Sicher, die Tage, Wochen, in einigen wenigen Fällen sogar Monate der Gefangenschaft und Unterernährung hatten sie geschwächt, aber das hielt sie nicht davon ab, wie die Teufel zu kämpfen. Und das gegen einen Haufen Gesetzlose, die nur für sich selbst kämpften und daher nicht bereit waren, ihr eigenes Leben auf's Spiel zu setzen. Ganz im Gegensatz zu den rachsüchtigen Aufständischen.
Die Kopfgeldjägerin nutzte das Chaos, um hinter die feindlichen Reihen zu gelangen. Wie? Naja, indem sie eben unter den Docks hindurchschwamm.
Als sie schließlich Land erreichte, fühlte sie nochmal probeweise nach der Wunde.
«Hat sich stabilisiert», stellte sie zufrieden murmelnd fest. Die Leerenenergie hatte das Schließen der Wunde beschleunigt. Sie konnte zwar jeden Moment wieder aufreißen, aber es war besser als nichts.
Also schlich sie – noch immer unterhalb der Docks – den Strand entlang, bis sie einen Weg nach oben fand, der in einiger Entfernung zu den Kämpfen stattfand.
Das war notwendig. Denn Rot war nicht unbedingt eine Tarnfarbe. Und sollte irgendjemand auf sie aufmerksam werden, dann könnten ihr selbst die Aufsässigen nicht zur Hilfe eilen, die gerade darum kämpften, zu den anderen Schiffen gelangen zu können und quasi ihre Verstärkung zu befreien.
Daher musste sie ganz besonders vorsichtig agieren. Sie hockte sich hinter ein paar Kisten, wie vorhin, als sie den inneren Ring der Insel zum ersten Mal betrat, und passte den richtigen Moment ab, um ihr Versteck zu verlassen und sich in den Schatten der hafeneigenen Lagerhäuser zu begeben.
Leider gehörte auch nicht nur zur Wahrheit, dass die Blutigen Seedrachen wie die meisten Gesetzlosen nur für sich selbst kämpften, sondern dass sie noch dazu keinerlei Fantasie hatten und sich daher nie hätten vorstellen können, dass auf ihrer eigenen Insel mal ein Kampf ausbrechen könnte. Entsprechend unvorbereitet kam es also dazu, dass einige erst verspätet dazustießen.
So auch ein Mann, der praktisch in die Rote Walküre reinrannte und sie erst überrascht anstarrte, bevor er tatsächlich realisierte, dass sie ein Feind sein musste. Bevor er jedoch reagieren konnte, hatte die Kopfgeldjägerin ihm bereits den Dolch in seinen Bauch gerammt und ihn um eine Ecke gezogen, wo er nicht gesehen werden konnte.
Sie hielt ihm die Hand vor den Mund und versenkte den Dolch abermals. Dieses Mal jedoch im Rücken, wo sich Kha'Zix ungestört an seiner restlichen Lebenskraft bedienen konnte.
Glücklicherweise war das der einzige Zwischenfall, wenn auch ein willkommener.
Nach einer Weile Herumgeschleiche kam sie schließlich bei ihrem Ziel an.
Einem riesigen Loch, das in der Mitte der Insel aufklaffte, mit einem Durchmesser von sicher anderthalb Flügelspannweiten eines Riesenhaften Alptraums. Und es war sicherlich dreimal so tief. Sie konnte aber sehen, wie es in einen Gang mündete, aus dem ein Fackelschein erkennbar war.
«Eindringling! Tötet sie!», rief jemand hinter ihr und die Rote Walküre fluchte innerlich, als sie sich umdrehte und sechs Gegner in einer guten Entfernung hinter sich sah.
Scheinbar hatte jemand den zugegebenermaßen nicht schlechten Einfall, dass sich jemand bei dem Getümmel an den Docks gut in ihr Allerheiligstes schleichen könnte, was ja auch tatsächlich der Fall war.
Knapp drei Sekunden später sirrten schon die ersten Pfeile an ihr vorbei, aber weit und breit war keine Deckung erreichbar. Ausgedehnte Kämpfe waren keine gute Idee. Sie brauchte ihre Energie und die des Leerengeborenen, wenn sie ihren Auftrag in Gänze ausführen und später noch genug für eine umfassende Heilung verfügbar haben wollte.
Dennoch kam sie in den Genuss eines Geistesblitzes, als sie einen Blick auf das Loch warf.
«Stabilisiere meine Knochen und Gelenke und fixiere mal bitte meine Organe», murmelte sie hastig, während sie einen Pfeil zog und ihre Gegner in Deckung zwang, indem sie einem das Geschoss durch die Brust jagte, dass es ihn auf den Rücken warf.
«Gemacht», sprach Kha'Zix, wenn auch verwundert, «aber was hast du damit vor?»
«Den Stier an den Eiern packen. Frontal.» Sie legte sich den Bogen um. Dann sprang sie.
Und fiel. Eine ganze Weile. Dann war der Boden nahe.
Sie rollte sich ab, aber viel nahm das von der Wucht des Aufpralls nicht. Die elegante Rolle wurde schnell... weniger elegant und verwandelte sich zum Ende in eine Schürfpartie. Auch, wenn ihre Knochen verstärkt waren, so hielt sie das nicht davon ab, ihr Gesicht zu schützen.
Letzten Endes richtete sie sich langsam wieder auf. Ihre Hände waren blutig geschürft und sahen nicht gerade hübsch aus. Und es fühlte sich an, als ob...
«Na klasse, innere Blutungen...», murrte sie. Sie spürte den Schmerz zwar nicht, aber sie wusste sehr gut, dass das nicht gerade gesund war. «Daran hätte ich aber auch wirklich selbst denken können.»
«Ich hätte es ja gemacht, aber ich hatte auch nicht unbedingt sehr viel Zeit.»
«Schon gut, lass uns das einfach zu Ende bringen.»
Mit diesen Worten lief sie in den durch Fackeln erhellten Gang hinein, während über ihr laut und frustriert, aber vor allem ungläubig gerufen wurde. Soweit sie das beurteilen konnte, war ihnen der Weg nach unten nicht möglich.
Ein Blick neben sich verriet ihr auch den Grund dafür. Die ersten dutzend Meter lief sie neben einer Leiter her, die anscheinend von unten aufgestellt wurde, wenn jemand das Herz der Insel betreten oder verlassen wollte. Anscheinend wurde sie entfernt, nachdem Alarm geschlagen worden war. Gut für sie.
Die Gänge waren nicht eng, sondern boten gerade genug Platz für fünf nebeneinander stehende Menschen. Viele Jahre mussten sie in den Fels gehauen worden sein. Wahrscheinlich reine Sklavenarbeit.
Nicht verwunderlich war, dass sie keiner Menschenseele begegnete. Immerhin mussten sich die, die sich hier verschanzt hatten, ziemlich sicher fühlen.
Allerdings stellte sich nach einer Weile heraus, dass sie überhaupt keinen Plan vom Grundriss des Untergrunds hatte. Dieser Gedanke kam ihr, als sie schließlich an einer Kreuzung stand.
«Was meinst du? Ob heute noch irgendetwas nach Plan laufen wird?», brummte sie missmutig und der Leerengeborene schmunzelte. Das heißt... er hätte geschmunzelt, würde er eine physische Form haben.
«Na, wie willst du das hier angehen?»
«Systematisch», antwortete sie und bog links ab. «Einfach immer links abbiegen und dann sehen, wo wir hinkommen.»
Lange dauerte es nicht, bis ihr Weg sie zu einer Tür führte. Licht schimmerte durch und Gelächter war zu hören.
«Meinst du, das sind die Zellen?», fragte Kha'Zix scherzhaft und brummte, sichtlich über seinen eigenen Witz amüsiert.
Die Rote Walküre schnaubte und schüttelte belustigt und mit geschlossenen Augen den Kopf. «Hast wohl heute einen Yordle gefrühstückt.»
«Erstens könnte ich nicht mal, wenn ich wollte und zweitens weißt du doch gar nicht, was ein Yordle ist», entgegnete der Leerengeborene.
«Du sagst es mir ja auch nie», brummte sie und seufzte. «Also gut, ab durch die Mitte. Hilf meinen Reflexen ein wenig nach, ja?»
Dann trat sie ohne weitere Vorwarnung die Tür auf und starrte einem ganzen Haufen verblüffter Mitglieder der Blutigen Seedrachen über ihren Mittagessen in die Augen.
«Party ist vorbei, Jungs. Wo sind die Zellen? Sagt es und ihr verlasst diese Welt schnell», ließ sie es durch den Raum schallen und nahm ihren Bogen wieder von ihrem Rücken.
Wobei... irgendwie hing der Bogen ein wenig... hinterher...
Ein paar der Männer sahen sie an und versuchten mit breitem Grinsen ein Lachen zu unterdrücken, während der Rest in schallendes Gelächter ausbrach.
Die Kopfgeldjägerin sah nach, warum.
Und da bemerkte sie, wo der Hund begraben war. «Was bei Thors zerlumpter...»
Der Bogen war zerbrochen. Wahrscheinlich bei ihrem Fall. Stattdessen hielt sie nun eine Sehne mit zwei Holzstücken in der Hand.
«Ob heute mal noch irgendwas nach Plan laufen wird, habe ich gefragt?!», fluchte sie lauthals und schleuderte die Bogenreste in die Menge, bevor sie ihr Katana mit der einen und den Dolch mit der anderen Hand zog.
«Weißt du... ich glaube, ich gebe dir einen kleinen Nachteilsausgleich. Aber die Energie will ich zurück!», scherzte Kha'Zix, der sich selbst vor Amüsement nur knapp unter Kontrolle hatte.
Augenblicklich ging von den Augen der Kopfgeldjägerin ein dunkles, violettes Glühen aus, entsprungen aus den Mengen von Leerenenergie, die durch sie strömte und das auch den ganzen Männern in diesem Raum auffiel. Und ganz und gar nicht im positiven Sinne. Die meisten machten ein, zwei Schritte zurück und sahen sie an, als hätte sie gerade ein Küken zerstampft.
Sie knurrte animalisch und die zweifache Stimme erfüllte den Raum.
«Wie ironisch, dass ihr bereits unter der Erde seid...»
Dann knallte sie die Tür zu.
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Sie hörten Schreie. Viele Schreie.
Verängstigte Schreie, von denen sich einige ihren Peinigern zuordnen ließen.
«Was ist da draußen los, Heidrun?», fragte ein braunhaariges Mädchen mit rehbraunen Augen die junge, schwarzhaarige Frau, an die sie sich klammerte.
«Ich weiß es nicht, Kleine», kam die leise Antwort und Heidrun zog das Mädchen nur enger an sich.
Inzwischen war es nur noch eine einzelne Stimme, die panisch schrie. Hallende, durch das Echo der Tunnel akustisch verstärkte Schritte bewegten sich hastig auf die Tür zu, hinter denen sie waren, beim Zellentrakt.
Wobei... eigentlich war es nur eine große Zelle mit knapp drei Dutzend Menschen drin. Also eher der... Zelletrakt?
Plötzlich wurde die Tür aufgerissen, ein völlig panisches, von Kopf bis Fuß mit Blut besprenkeltes Mitglied der Blutigen Seedrachen stürzte förmlich hindurch und suchte mit von Wahnsinn erfüllten Augen die Zelle ab, während er mit vor Herzrasen bebenden Fingern die Schlüssel von seinem Gurt löste und schließlich die Zelle öffnete.
«Du da!», rief er dem Mädchen entgegen. «Komm her!» Als sie in ihrer Schockstarre nicht reagierte und absolut niemand sich regte, wurde er lauter: «HERKOMMEN, SAGE ICH!»
Er stürmte heran und packte sie daher am Arm. Endlich aus ihrer Starre erwacht schrie sie prompt und strampelte, als hinge ihr Leben davon ab. Aus ihrer Sicht tat es das wahrscheinlich sogar. «HEIDRUN!», kreischte sie hilfesuchend.
«Lass sie in Ruhe, du dreckiger-» Weiter kam sie nicht, denn er zog sein Schwert und hielt es ihr vor die Nase, nachdem er einen Schritt nach vorn gemacht hatte. Und seinem Blick nach zu urteilen hätte er gerade absolut kein Problem damit, eben mal ein beliebiges Leben zu beenden. «Aethel, keine Sorge!», rief sie dem Mädchen zu, auch wenn sie von ihren vermeintlich beruhigenden Worten selbst nicht überzeugt war.
Von der Seite boxte ihm ein Junge in die Hüfte, etwa im selben Alter, aber mit blonden Haaren und braunen Augen. «Lass meine Schwester los!», rief er und erhielt gleich den Knauf des Schwertes ins Gesicht, was ihn benommen zu Boden gehen ließ.
«Eadmund!», entfuhr es Heidrun, die gleich an seine Seite stürzte und ihm mit den Händen über das Gesicht fuhr.
Währenddessen zog der Mann das kleine Mädchen am Arm rasch aus der Zelle und schloss mit panischer Geschwindigkeit wieder ab, doch bevor er den Raum mit dem Zellentrakt verlassen konnte, erstarrte er und ihm entfuhr ein Laut, der einem verzweifelten Schluchzen glich.
Er machte langsame, aber angstbedingt tollpatschige Taumelschritte wieder tiefer in den Raum hinein, während sich von draußen ruhige Schritte näherten.
Jene, die das, was sie sahen, nicht für eine durch Unterernährung bedingte Illusion hielten, vergaßen für einen Moment zu atmen, als eine Frau ganz in Rot gekleidet den Raum betrat.
Heidrun wusste noch nicht einmal, ob die Kleidung mit etwas anderem als Blut gefärbt war. Die ganze Ausstattung warf mit jedem Schritt einen roten Sprenkel auf den Boden. Selbst das unmaskierte Areal um die Augen hatte Spritzer abbekommen.
Was auch immer diese Frau getan hat, dass der Blutige Seedrache fast wahnsinnig vor Angst war, es musste etwas Furchtbares gewesen sein.
Sie hatte einen Dolch, der in seiner zugehörigen Scheide steckte, ein Schwert, das aussah, als hätte man es in einen Eimer mit feuchter, roter Farbe getunkt, und Pfeil und Bogen auf dem Rücken. Außer der Frau selbst wusste nur der Räuber, dass sie diesen Bogen mitten im Kampf erbeutet hatte, indem sie einem anderen den Arm abgerissen hatte.
Wortwörtlich.
«B-bleibt zurück!», stammelte der Mann und packte das Mädchen namens Aethel hastig im Nacken, dass sie aufschrie, bevor er sein Schwert an ihren Hals hielt. «Sonst mach ich sie kalt!»
Es dauerte einen Moment, bevor die rote Frau eine Reaktion zeigte, die völlig dem widersprach, was Heidrun getan hätte.
Sie lachte. Verächtlich.
«Und was dann?», fragte sie amüsiert und machte einen Schritt auf ihn zu.
«Lass das Schwert fallen!», befahl er mit zitternder Stimme und machte einen Schritt zurück, wobei er das Mädchen noch fester packte.
«Du hast nicht bitte gesagt.» Sie seufzte, streckte den Arm theatralisch aus und ließ das Schwert klirrend auf den Boden fallen. «Und jetzt beantwortest du meine Frage.»
«Zurück! Du wirst jetzt aus dem Raum gehen und mich gehen lassen!»
Sie runzelte die Stirn. «Also für Hypnose braucht man für gewöhnlich ein Pendel oder so etwas...»
«HAU AB!», brüllte er und seine Stimme brach. «Oder ich schlitze ihr den Hals auf!» Das Mädchen schloss schluchzend die Augen. Die Frau gab sich nicht einmal Mühe, ihr zu helfen.
«Und dann werde ich immer noch hier stehen», ergänzte sie grinsend und machte einen weiteren Schritt auf ihn zu. «Ich werde hier stehen und du wirst keine Geisel mehr haben, hinter der du dich verstecken kannst.»
«Dann kann ich sie ja gleich töten, nicht wahr?», provozierte er mit einem Todesmut, der eher Todesleichtsinn glich.
«Könntest du», gab sie gelangweilt zu und fügte noch etwas an, was ihm das Blut gefrieren ließ: «Wenn du erfahren willst, wie grausam und schmerzhaft der Tod in seiner furchtbarsten Form sein kann.»
Er zitterte wieder, als ihn der Mut verließ und ihm das gesamte Ausmaß seiner Situation klar wurde.
«Du denkst, du weißt, was Schmerzen sind?»
Er schüttelte den Kopf, um seine Gedanken freizubekommen und nachzudenken, aber es gelang ihm nicht.
«Du denkst, was ich den anderen angetan habe, wäre das schlimmste, das einem Menschen widerfahren kann?»
Seine Lage war ausweglos. Sein Feind nicht zu töten. Er konnte nur noch...
«Dann tu es! Tu es und lass mich dir zeigen, was wahre Qualen sind!»
«BLEIB MIR VOM LEIB!», brüllte er und wollte dem Mädchen gerade die Kehle durchschneiden, als ein Ruck durch seinen Körper ging.
Aethel schlug langsam die Augen auf und sah nur die Frau, die einen kleinen Ausfallschritt gemacht hatte und ihren Arm nach vorn gestreckt hielt, als hätte sie etwas geworfen.
Dann hörte sie ein Gurgeln.
Sie erkannte ihre Chance und befreite sich aus dem Griff, um sogleich außer Reichweite zu springen.
Dann sah sie, wie der Dolch der Frau in seiner Kehle steckte. Ungläubig starrte sie die Frau an und sah zu ihrer Verwunderung, wie diese kurz absackte, als hätte sie die Quelle ihrer Kraft verloren.
Mit ein paar entschiedenen Schritten, die möglichst wenig ihrer Schwäche zeigten, ging die Kopfgeldjägerin auf den Mann zu und half ihm, sich behutsam auf den Boden zu legen, als er langsam umkippte und nach seiner Kehle griff.
«Du hättest mich mehr fürchten sollen als den Tod», hauchte sie und wartete, bis sein Leben beendet war, bevor sie den Dolch wieder an sich nahm.
Unterdessen hatte sich Aethel herangeschlichen und die Schlüssel geschnappt, mit denen sie nun die Zelle öffnete. Die Gefangenen strömten allesamt heraus und hatten nur die Flucht im Sinn.
Heidrun verlor keine Zeit, trat an sie heran und wollte sie fast an der Schulter packen, wagte es dann aber doch nicht. «Was ist eigentlich falsch mit dir?!», fuhr sie die Kopfgeldjägerin an. «Sie hätte sterben können!»
«Ist sie aber nicht», kam die trockene Antwort. «Ich musste ihn aus der Fassung bringen, damit er mich für einen Moment vergisst.»
«Wie jetzt, das war dein Plan?», fragte Heidrun und wusste nicht ganz, ob diese Frau genau wie der Mann wahnsinnig war, nur eben auf eine andere Art und Weise.
«Ich hab immer einen Plan.»
Die Stimme des Leerengeborenen schnaubte. «Klar.»
«Wer bist du eigentlich?», fragte der Junge, der auch dazugekommen war. Er war wohl der Bruder des Mädchens.
«Unwichtig. Wer seid ihr?»
Sein schwarzhaariges Gegenüber seufzte. «Ich bin Heidrun und die beiden heißen-»
«Du bist Heidrun?», stellte die Maskierte klar und erhielt ein vorsichtiges, misstrauisches Nicken. Sehr gut, dann komm mit.» Sie stand auf und ging sogleich zur Tür.
«Moment, Moment!», fuhr es aus Heidrun heraus, die abwehrend die Hände hob. «Was genau wird das hier?»
«Du bist der Grund dafür, dass ich hier bin.»
«Das letzte Mal, als mir das jemand gesagt hat, wurde ich auf ein Schiff gebracht, mein Dorf niedergebrannt und wurde auf diese Insel geschippert, also was geht hier ab? Ohne Erklärung läuft hier gar nichts!»
«Jetzt sei doch nicht so-» Ihr entfuhr ein lautes, müdes Stöhnen. «Okay, meinetwegen. Also... vor ein paar Monaten hat dein Bruder-»
«Sekunde, ich habe einen Bruder?»
Stille...
«Okay, auf so viel Erklärung habe ich jetzt wirklich keine Lust», sprach die Kopfgeldjägerin resigniert und fuhr sich mit der Hand über die Augen, nur um dann lautstark zu fluchen, weil sie sich etwas Blut in den Augenwinkel gewischt hatte. «Scheiße, verfluchte! Was soll's, ich hab hierfür keine Zeit. Du kannst mitkommen oder hierbleiben. Deine Informationen kriegst du später. Nur so viel: Du hast einen Bruder und er hat mich geschickt, um dich zu finden.» Sie verschränkte die Arme.
Heidrun überlegte einen Moment, seufzte anschließend und nickte. Dann wandte sie sich an den Jungen und das Mädchen. «Also gut... Kinder, kommt mit», sagte sie und stand auf.
Die Rote Walküre hob abwehrend die Hände. «Momentchen, das wird mal so gar nichts.» Auf drei verwirrte Blicke hingegen stöhnte sie genervt. «Da, wo wir hingehen, haben sie keinen Platz!»
«Was soll das heißen?» fragte die Schwarzhaarige herausfordernd und nun umso misstrauischer. «Ich dachte, wir verschwinden von hier!»
«Tun wir auch, aber vorher werde ich der Schlange noch den Kopf abschlagen», erklärte ihr Gegenüber. «Kinder haben nichts an einem Ort verloren, an dem ich die Führung dieser Organisation ausmerze. Und davon abgesehen trage ich für dich die Verantwortung, nicht jedoch für sie.»
Heidrun blinzelte fassungslos und den Kindern ging es nicht besser. «Geht's dir noch gut? Du willst sie sich selbst überlassen? Die beiden haben keine Familie! Was soll aus ihnen werden?»
«Ich bin sicher, es gibt so einige Dörfer und andere Familien, die sie aufnehmen würden.»
«Nein, die gibt es nicht!»
«Bitte? Was soll das denn heißen?»
Nun verschränkte Heidrun ihre Arme. «Du erzählst mir nicht alles, also erzähle ich dir auch nicht alles. Die beiden bleiben bei mir, egal wohin ich gehe!»
Die beiden starrten sich in gegenseitiger Genervtheit an, bevor die Kopfgeldjägerin endlich wieder etwas von sich gab. «Sowas von kindisch», brummte sie und seufzte anschließend. «Also gut, folgender Plan», sagte sie, ging zu der Leiche und rang ihm das Schwert aus den erkaltenden Händen. «Oben ist eine Rebellion im Gange. Mit etwas Glück haben sie den Hafen schon voll unter ihrer Kontrolle, aber völlig egal, wie es dort aussieht: Nimm den Westtunnel zum Rand der Insel. Dort liegt mein Schiff am Strand. Versteckt euch unter Deck und macht keinen Mucks, bis ich wieder da bin.» Dann richtete sie den Schwertgriff auf Heidrun. «Kannst du damit umgehen?»
«I-in groben Zügen... ich denke ja...»
«Gut. Nutze es, wenn es sein muss, aber verhaltet euch möglichst unauffällig.»
«Was wirst du tun?»
«Wie gesagt, ich muss der Schlange noch den Kopf abschlagen.»
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Joa, also eigentlich habe ich am Anfang schon alles gesagt, ne? :D
Die nächsten paar Abschnitte wären noch ziemlich interessant geworden (Wow, wie nett von mir, den Cliffhanger noch schlimmer zu machen...), aber bei 10.000 isses auch echt mal gut.
Und ich wundere mich, warum ich immer so lange brauche...
Naja, zwei neue Figuren sind gemeinsam mit Heidrun aufgetaucht: Aethel und Eadmund.
Ganz ehrlich, ich hab einfach nur altenglische Namen gesucht und mir zwei hübsche rausgesucht. Die sind nicht irgendwie aus einem anderen Fandom oder so, zumindest nicht dass ich wüsste.
Aber sie werden noch eine Rolle spielen.
Sag mal... wie viel will ich dieser Geschichte eigentlich noch an potenzieller Handlung hinzufügen, bis es echt mal gut ist? Ich werde jetzt schon um die drei Jahrzehnte brauchen...
Ach ja, die Rote Walküre ist immer noch Maeri. Ist klar ne?
Weiß nicht, warum ich ihren Namen nicht reinschreibe. Würde sich irgendwie komisch anfühlen, etwas zu ihr zu schreiben, worüber sie sich nicht bewusst ist...
Naja, was soll's, frohes Warten :p
LG Haldinaste ;)
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