Sechs
Für Klara war der Tag mehr als gelaufen. Nach der Schule schlug sie den Heimweg an. Die Musik auf ihren Ohren schaltete sie extra laut, damit sie ihre Gedanken nicht mehr hören konnte. Sie konnte immer noch nicht fassen, was Anna ihr gesagt hatte. Sie und verliebt? Das konnte einfach nicht sein. Verliebte sprachen doch ständig von ihrem Geliebten, sprachen von einem Kribbeln im Bauch und von Unsicherheit, wenn derjenige in den Raum trat. Das Alles traf bei Markus nicht auf sie zu. Dessen war sie sich sicher. Eigentlich.
An der kleinen Gasse zu den Reihenhäusern blieb Klara dann jedoch trotzdem kurz stehen. Eine Gänsehaut breitete sich auf ihrem ganzen Körper aus, wenn sie daran dachte, dass Markus nur ein paar Meter von dem Punkt, wo sie nun stand, geschlagen wurde. Und dass das kein Einzelfall gewesen war, brauchte Klara niemand erklären. Der blaue Fleck von Heute Morgen auf seinem Arm, war ein Beweis genug.
Um nicht wieder von ihren umherschwirrenden Gedanken gefasst zu werden, ging Klara schlussendlich weiter. Sie war erst ein paar Meter gegangen, als ihr jemand eine Hand auf die Schulter legte. Mit einem lauten Aufschrei, drehte sie sich in Sekundenschnelle um und blickte auf eine recht muskolöse Brust. Blitzschnell zog Klara sich die Kopfhörer aus ihren Ohren und hob den Blick. Vor ihr stand Markus und musterte sie mit zusammengezogenen Augenbrauen. Abwehrend hob er beide Arme in die Luft:"Hey. Brauchst dich doch nicht so zu erschrecken.",fing er an. Klara stand nur reglos da und versuchte mit langsamen Atemzügen ihren Herzschlag zu senken.
"Wollen wir dann weitergehen oder hast du vor hier Wurzeln zu schlagen?", fragte Markus und konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Klara schüttelte den Kopf, drehte sich um 180 Grad und setzte ihren Weg fort.
Kaum zwei Meter später ging Markus auch schon an ihrer Seite. Lässig hatte er beide Hände in die Hosentaschen seiner verwaschenen Jeans gesteckt. Klara versuchte nicht allzusehr auf seine Anwesenheit zu achten, doch irgendwie freute sie sich auch innerlich, dass er hier einfach an ihrer Seite ging. Sie musste das erste mal in ihrem Leben nicht alleine den Heimweg bestreiten.
"Gehst du jeden Mittag zu Fuß?", fragte Markus und schaute sie von der Seite her an.
"Sieht wohl so aus.", antwortete Klara. Schon wieder schwirrten in ihr die Gedanken, ob sie vielleicht in Markus verliebt sei, doch diese verdrängte sie schnell. Sie ärgerte sich über sich selber, dass sie schon wieder an das Gespräch mit Anna gedacht hatte.
Markus musste wohl gemerkt haben, dass Klara in ihre Gedanken vertieft war.
"Woran denkst du?", fragte Markus. Klara schüttelte nur den Kopf.
"Fragt man das nicht seine Freundin?", schnell senkte Klara den Kopf und biss sich auf die Zunge. Sie hatte überhaupt nicht nachgedacht, was sie redete. Jetzt dachte er bestimmt, sie wäre vollkommen verrückt. Doch Markus lächelte nur.
"Na wenn du meinst. Trotzdem hast du mir meine Frage nicht beantwortet. Woran denkst du?", wiederholte er seine Frage. Klara wurde ein wenig rot. Lügen konnte sie nicht, aber ihm die Wahrheit sagen, konnte sie schon dreimal nicht.
"Ich ... ich habe nur daran gedacht, was ich heute Abend machen werde.",log sie und hoffte, dass Markus ihr diese dreiste Lüge abkaufen würde.
"Und bist du zu einem Ergebnis gekommen?", hakte Markus nach. Klara schüttelte den Kopf und seufzte. Markus nickte nur und beide setzten ihren Heimweg fort. Obwohl Markus nicht wusste wo Klara wohnte, lief er einfach neben ihr her. Ohne einmal zu fragen, wohin es ging. Er vertraute Klara und diese Tatsache machte Klara unheimlich glücklich.
Eine viertel Stunde später bogen die beiden in Klara's Straße ein. Den ganzen Weg über hatten sie geschwiegen. Allerdings war es auf keinen Fall unangenehm gewesen. Jeder war in seine Gedanken vertieft gewesen, doch trotzdem waren sie zusammen. Es war eine vertraute Stille gewesen.
"Da hinten wohne ich. Also danke..., dass wir zusammen gegangen sind. Es war mal etwas Anderes.",wollte sich Klara verabschieden. Sie hoffte, dass ihre laschen Worte trotzdem ihre Wirkung nicht verfehlten und er merkte, wie viel ihr dieser gemeinsame Nachhauseweg gefallen hatte.
Markus drehte sich zu ihr um und schaute Klara direkt in die Augen:"Kein Problem. Immer wieder gerne. Ich schätze, ab und zu brauche ich mal ein wenig Ruhe. Frische Luft klärt die Gedanken.", er zwinkerte.
"Ja Ruhe. Ruhe hatte ich in meinem Leben schon fast zu viel.", Klara lächelte traurig. Es war die Wahrheit. Sie wusste, dass sie in ihrem Leben bis jetzt viel zu wenig erlebt hatte, viel zu wenig Mist gebaut, viel zu wenig Jung gewesen war.
Markus schaute auf sie herab. Von nahem fiel Klara auf, dass Markus doch schon ziemlich groß war. Er überragte Klara um Längen.
"Dann sollten wir diese Ruhe vielleicht mal unterbrechen. Komm doch Heute Nachmittag mit ins Schwimmbad.", hoffnungsvoll lächelte er Klara an. Sie wusste, dass er angespannt auf eine Antwort wartete. Es freute sie, dass er sie einlud, etwas zu unternehmen, doch irgendwie hatte sie auch Angst. Alleine mit ihm schwimmen gehen?
Klara biss sich auf die Innenseite ihrer Wange. Warum denn nicht? Sie nickte schnell mit dem Kopf, bevor sie es sich anders überlegen konnte:"Klar. Ich würde mich freuen.", sie strahlte bis über beide Ohren, senkte aber den Blick, damit Markus nicht sah, wie sehr sie sich freute, dass sie Zeit zusammen verbringen würden.
Plötzlich umschlossen sie zwei starke Arme und sie atmetet Markus' unglaublichen Geruch ein, während sie gegen seine Brust gedrückt wurde. Zögerlich erwiderte sie die Umarmung und legte ihre Arme um seinen Körper, während sie seinen wohligen Geruch nach Natur und Aftershave einatmete. Viel zu schnell löste er die Umarmung auf.
"Na dann Klara. Bis später.", Markus drehte sich um und entfernte sich von ihr. Erst jetzt wurde Klara bewusst, dass diese Umarmung eine ganz normale Verabschiedung war.
**
Da stand Klara nun. Mit einem Strohhut auf dem Kopf, mit einer Shorts und einem lockeren Top bekleidet. Ihre Schwimmsachen hatte sie in eine Orangene Strandtasche gepackt. Per SMS hatten sie und Markus sich am Schwimmbad verabredet. Klara war schon etwas früher da. Ihr Fahrrad hatte sie an den Fahrradparkplätzen neben dem Freibad geparkt.
Und dann kam er. Markus steuerte sein schwarzes Auto auf den Parkplatz des Freibades zu und parkte direkt vor dem Eingang. Die schwarze A-Klasse von Mercedes glänzte und strahlte, als wäre das Auto erst Gestern produziert worden. Markus stieg aus und kam mit einem breiten Grinsen auf Klara zu. Seine Badehose hatte er schon an und ein lockeres T-shirt bedeckte seinen Oberkörper. Klara hielt die Luft an. Er sah gut aus mit seinen verwuschelten Haaren und selbst die Flip Flops an seinen Füßen standen ihm gut.
"Ist das dein Auto?", fragte Klara als erstes. Markus lachte auf.
"Ich dachte, du wärst nicht so das Mädchen, welches auf Typen mit teuren Autos steht.", fragte er etwas ironisch. Klara lächelte und zuckte mit den Schultern.
"Naja, meins ist es nicht unbedingt, aber mein Vater leiht es mir ab und zu.", Markus seufzte, doch das Lächeln auf seinen Lippen blieb bestehen:"Wollen wir reingehen?"
Nachdem die beiden an der Kasse bezahlt hatten, traten sie in das Freibad. Als erstes entschuldigte Klara sich kurz. Sie musste ihren Bikini zwar nicht mehr anziehen, doch sich vor Markus auszuziehen, gefiel ihr gar nicht. Viel lieber zog sie sich schnell in der Umkleidekabine aus und konnte dann selbstbewusst hinauslaufen, ohne sich vor Markus umständlich das Oberteil ausziehen zu müssen. Ein wenig musste Klara über sich selbst schmunzeln. Das Ganze war mehr als unnötig, ja, aber wenn sie sich damit wohler fühlte, war es wohl das Beste.
Markus versprach am Springbecken auf sie zu warten.
Mit ihrem roten Bikini schlängelte Klara sich vorbei an den grölenden Jugendlichen, an den älteren Damen, die sich sonnten und den Familien mit Kleinkindern, die es sich auf der großen Liegewiese gemütlich gemacht hatten.
Schnell erreichte sie das kühle Becken und den Sprungturm, der sogar ein Zehnmeterbrett besaß. Nach Markus brauchte sie nicht lange suchen. Er hatte es sich auf einer der Bänke bequem gemacht und wie er da saß, nur in Badehose bekleidet, stahl sich ein Lächeln auf Klara's Lippen. Sie alleine würde heute Zeit mit diesem Jungen verbringen.
"Da bist du ja endlich.", schützend legte Markus sich seine Hand an die Stirn um seine Augen vor der Sonne zu schützen. Klara zuckte mit den Schultern. Markus schüttelte nur belustigt den Kopf:"Wie dem auch sei. Lust zu springen?", fragte Markus gerade heraus.
Klara riss erschrocken die Augen auf:"Wie? Jetzt?"
"Warum nicht?", wollte Markus wissen.
"Naja... ich bin höchstens zwei mal vom Dreimeterbrett gesprungen. Vieleicht auch nur zweimal. Das ist einfach nicht so mein Ding...", gab Klara verlegen zu.
Auf Markus' Gesicht bildete sich ein schiefes Grinsen:"Na dann, Angsthase, wird es Zeit das zu ändern. Und zwar genau jetzt!"
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