Chào các bạn! Vì nhiều lý do từ nay Truyen2U chính thức đổi tên là Truyen247.Pro. Mong các bạn tiếp tục ủng hộ truy cập tên miền mới này nhé! Mãi yêu... ♥

3 Marseille

Ich hasse diese Stadt, denkt sich Elena Pignatelli. Sie geht leicht verkatert durch die Altstadt in Richtung Kathedrale am Hafen. Gerade eben ist sie in einen Hundekot getreten. Typisch Frankreich, flucht sie innerlich und hält Ausschau nach einem Brunnen, um sich die neuen Sneakers zu waschen. Was für ein verlorener Abend. Zu viele Drinks, zu viele Typen mit zu viel Aftershave, zu wenig Geld. Sie zieht ihren Schuh aus und hält ihn in den Brunnen, schwenkt ihn im flachen Wasserbecken. Gute Musik haben wir gemacht, ohne Zweifel, nur haben es diese Banausen nicht bezahlen wollen. Und jetzt diese Scheisse, im wahrsten Sinne. Sie wirft einem lächelnden Touristen einen tödlichen Blick zu und stapft ins nächstgelegene Café.
„J'prends un café, mais vite, compris?" schnauzt sie die Bedienung an.
Der junge Mann hinter dem dunkelbraunen Tresen reagiert nicht darauf, stellt ihr den schwarzen Kaffee aber lustlos hin. „Ça fait deux Euros."
Sie bezahlt, schluckt den kurzen Energieschub hinunter und verlässt das Restaurant. Der Mann am Tresen zuckt mit den Schultern, blickt der Frau mit der erotischen Stimme nach und greift danach zum Telefon.
Elena ist schon draussen. In Gedanken versunken nimmt sie die zweite Querstrasse nach rechts und folgt dem breiten Four du Chapitre bis zum weiten Place de la Major. Die grosse Kathedrale steht ruhig und majestätisch da, ein Anker in jedem Sturm. Mit ihren schwarzen und weissen Mauern wirkt sie mit ihren Kuppeln etwas exotisch. Um diese Tageszeit hat es erst sehr wenige Touristen auf dem erhöhten Platz mit dem herrlichen Ausblick auf den Hafen und das Meer. Elena steigt die Treppen zur Hafenpromenade hinab und schlendert auf die Sitzgelegenheiten in der Nähe des Riesenrades zu. Sie muss endlich einen Job finden. Die Jahre der Rumtreiberei sind endgültig vorbei. Elena setzt sich auf eine Parkbank am Hafen, ganz in der Nähe der Verladestellen für Autos. Sie stützt ihren Lockenkopf auf ihre Hände und beginnt über ihre nächsten Schritte nachzudenken. Jeden Abend als Aushilfe in einer erfolglosen Band die Leadstimme zu singen oder als zweite Stimme zu begleiten, das bringt nichts.
Ihre Grossmutter hatte sie davor gewarnt, all'estero, ins Ausland zu gehen. Doch sie war jung, wollte sich nichts sagen lassen. Die Welt lag ihr zu Füssen. Sie ist immer noch hübsch, sie hat lange, dunkle Locken und grosse braune Augen. Sie ist nicht sehr gross, sportlich gebaut und ihre Stimme ist einzigartig, denkt sie sich. Vielleicht kann sie damit wirklich noch Karriere machen. Elena möchte Sängerin werden, richtig berühmt sein und sogar einmal in Amerika auftreten. Davon träumt sie seit sie sechzehn ist und immer noch, auch wenn sie inzwischen elf Jahre älter ist. Die letzten Jahre hat sie einfach nur weit weg von ihrer Familie verbringen wollen. Alleine sein, sich ein Leben aufbauen, für sich selbst sorgen und dabei niemandem Rechenschaft ablegen. Leider hat das nicht so geklappt, wie sie es sich erhofft hatte. Sie gibt sich noch eine Chance. Wenn sie bis Ende Monat nicht bei einer richtigen Band als Sängerin angestellt wird, dann geht sie zurück nach Apulien. Sie hofft, ihrer Grossmutter diese Genugtuung nicht geben zu müssen und tippt die Nummer einer Agentin in ihr Handy.

***

Die Barbarossa, das grosse Fährschiff von Franco Montini, liegt im Hafen von Marseille. Um diese Zeit am Morgen kann die Fähre noch am südlichsten Anlegeplatz festgemacht werden. Tagsüber liegen dort die Schiffe nach Bastia. Dieser Platz ist aber ideal für den Verlad von vielen Autos. Der Capitano, wie er von allen nur genannt wird, ist dabei, zweihundert Gebrauchtwagen für Nordafrika zu laden. Einer nach dem anderen verschwinden die Wagen im Bauch der Fähre. Ein buntes Treiben, auf den ersten Blick chaotisch und dennoch professionell und organisiert. Die Autos werden von Mitarbeitern des Hafens und von der Crew gefahren. Über viele Monate haben Agenten sie in ganz Südeuropa gesucht, gekauft und hier in Marseille zwischengelagert. Die meisten sind kleine bis mittelgrosse Dieselfahrzeuge oder Lieferwagen. Im Durchschnitt kann man diese Fahrzeuge in Afrika für den doppelten Preis verkaufen. Gutes Geld. Europas ausgemusterte Fahrzeuge werden in Afrika fast als Neuwagen dastehen und noch viele Jahre die Luft verpesten, damit Europa neuere und strengere Abgasvorschriften erlassen kann.
Was soll's, Franco kümmert die Politik nicht. Er ist bloss der Skipper und tut, wie ihm beauftragt. Meistens steuert er Tanger an, ab und zu auch Tunis, so auch mit dieser Fahrt. Dann und wann legt er unterwegs an einem kleineren Hafen an und nimmt heisse Ware auf, Gebrauchtwagen, die nie wirklich verkauft wurden. Franco fragt nicht nach, woher seine Ware kommt. Es ist besser, nichts zu wissen, dann können sie dich auch nichts fragen. So lautet sein Leitspruch und bisher ist er damit gut gefahren. Auf dieser Fahrt wird die Barbarossa in Livorno, in Neapel und in Palermo Zwischenhalt machen.
Der Capitano steht an der Reling und schaut auf die Hafenanlage. Seine Kapitänsmütze hat er abgelegt. Nun kann man sein schon ziemlich graues, etwas dünner werdendes Haar sehen. Auch sein Bart spriesst grau, was ihn älter aussehen lässt, als er eigentlich ist. Er beobachtet eine Weile lang das Ladeprozedere und schweift seinen Blick dann über die Hafenpromenade von Marseille. Rechts, auf der Promenade, steht das weisse Riesenrad. Im Hintergrund kann man das moderne Museum der Zivilisationen Europas und das alte Fort Saint Jean sehen. Auf einer Bank der Promenade sieht der Capitano eine vermutlich sehr hübsche junge Frau sitzen. Sie trägt wohl neue Sneakers, sieht aber irgendwie zerknittert aus.
Franco denkt an seinen Sohn, der etwa im gleichen Alter sein wird. Er hat es zur italienischen Polizei, den Carabinieri, geschafft. Manchmal erschleicht Franco ein schlechtes Gewissen, wenn er daran denkt, dass er als Vater gestohlene Autos für die Mafia transportiert und sein Sohn bei den Bullen ist. Er hat seinem Sohn schon vor vielen Jahren gebeichtet, was er tut. Aber der Junge hat bloss mit den Augen gezwinkert und gemeint, das sei doch nicht so schlimm. Er könne ja immer noch behaupten, davon nichts gewusst zu haben. Damals hat der Capitano begriffen, dass sein Sohn die Polizeiarbeit nach eigenen Gesetzen interpretiert. Nun weiss Franco nicht was schlimmer ist: Skipper für die Mafia zu sein oder einen korrupten Polizisten als Sohn zu haben. Er hat noch immer nicht ganz akzeptiert, dass sein Sohn die Hand aufhält um wegzusehen.
In solchen Momenten denkt Franco dann doch an die Politik und ärgert sich über die strahlenden, ewig grinsenden Herren in ihren teuren Anzügen, welche Italien in den Sand gefahren haben nur um ihre eigenen Taschen zu füllen. Er denkt an die feinen Herren, denen nie etwas passieren kann, die immer mit ihren Geschäften durch kommen. Franco schaut noch einmal zu der jungen Frau auf der Parkbank und hofft, sein Sohn möge einmal eine so hübsche Frau finden und mit ihr eine glückliche Familie gründen. Dann drückt er seine Zigarette aus und geht hinauf zur Brücke.

***

Zwei Kerle in Hoodies und Arbeitshosen nähern sich der Hafenpromenade von Marseille. Sie haben einen Anruf aus dem Café an der Ecke erhalten. Eine überaus hübsche junge Frau gehe alleine und frustriert in Richtung Hafen. Die Jungs haben keine Schwierigkeiten herauszufinden, wer damit gemeint ist. Die Frau sitzt nachdenklich auf einer Parkbank und tippt etwas in ihr Handy.
„Hallo, schöne Frau, was machst du denn hier so alleine?"
„Mich vor Typen wie euch verstecken, zum Beispiel. Haut bloss ab, diese Anmache ist billig. Von mir kriegt ihr eh keinen Stoff." Sie wirft ihnen einen vernichtenden Blick zu und richtet sich auf um wegzugehen.
Die beiden Jungs lachen dämlich und packen Elena am Arm. „Nicht so schnell! Wir wollen keinen Stoff. Wir sind deinetwegen hier."
„Hei, was soll das... Hilfe!" Elena schreit und zappelt.
Zu mehr kommt sie nicht. Sie nimmt noch kurz etwas, das wie Reinigungsmittel riecht, in ihrer Nase wahr, dann wird es dunkel. Die beiden Jungs fangen die fallende Frau auf und tun so, als ob sie ihre betrunkene Kollegin stützen und schleppen sie zu einem Wagen mit dunklen Scheiben. Der eine von ihnen öffnet die hintere Wagentüre und gemeinsam schieben sie die bewusstlose Elena ins Innere des Fahrzeuges. Im Wagen sitzt bereits ein Fahrer, ein grosser und breiter Kerl, der die Jungs kaum anblickt. Er startet den Motor des nicht mehr ganz neuen BMWs und fährt in Richtung einer grossen Fähre davon. Die beiden Jungs sehen, wie der Wagen im Bauch des Schiffes verschwindet. Dann schlendern sie zum Büro des Hafenmeisters.
Dort überreicht man ihnen einen Umschlag. „Nun haut bloss ab, ihr zwei. Das reicht für heute", brummt der grimmige Mann am Schalter und macht eine wischende Bewegung mit der linken Hand.
„Merci m'sieur, à la prochaine", murmeln die beiden Gestalten, dann gehen sie zu einer Bushaltestelle und verschwinden.
Im Wagen regt sich gar nichts. Die verdunkelten Scheiben verhindern den Blick ins Innere. Niemand von der Crew ahnt, dass sich auf dem Rücksitz eine Frau befinden könnte. Sie weisen dem Fahrer den vorgesehenen Stellplatz zu und vertäuen das Fahrzeug vorschriftsgemäss.
„Handbremse angezogen?" fragt ein junger Schwarzafrikaner, als der Fahrer den BMW verlässt.
„Mais oui, j'fais pas la première fois, moi."
„Schon gut, ich frag ja bloss. Weil ich fragen muss. Geh schon, hol einen anderen." Dann trottet der dunkle Mann mit Namen Umbigwe von dannen und kontrolliert weitere Wagen. Der grosse und kräftige Fahrer bleibt neben dem Auto stehen.
Sobald Umbigwe verschwunden ist, erscheint ein weiterer Seemann. Die beiden Männer öffnen die Fondstüre des BMWs und zerren die immer noch bewusstlose Elena aus dem Wagen.
„Scheisse, ist die hübsch!" sagt Darko, der eben dazu gekommen ist.
„Ja", bestätigt der Fahrer, „ein Jammer. So eine hätte ich gerne für mich."
„Vergiss es, Ivan. Die wird einem reichen Macker viel Freude machen."
„Ich weiss, Boss, aber träumen darf man ja noch, oder?" Sie lachen und tragen die junge Frau zu einer Koje ein Stockwerk tiefer, legen sie auf das schmale Bett und verschliessen die Türe von aussen.
„Ivan, pass gut auf die acht Frauen auf. Wir haben nun wertvolle Ware an Bord. Du bist mir dafür verantwortlich, verstanden?"
„Ja, Boss, schon klar." Ivan Mazowski, von allen Mitarbeitern auf dem Schiff nur „Russki" genannt, arbeitet schon einige Jahre für seinen Boss Darko Knezevic, einen Menschenhändler aus dem Balkan. Die beiden haben sich vor vielen Jahren in einem Club in Moskau kennengelernt. Ivan war damals als Barkeeper dort angestellt und hat das Jobangebot von Darko sofort angenommen. Die Aussicht auf viel Geld war stärker als die Gewissensbisse den jungen Frauen gegenüber. Schliesslich kennt er ja keine von ihnen. Die beiden Männer organisieren die Frauen im Auftrag für einen sehr mächtigen Mann im Hintergrund. Ivan hat nie nachgefragt. Darko und er haben eine Stelle als Matrosen auf dem Fährschiff Barbarossa angenommen, damit sie den Transport der Frauen nach Afrika oder nach Osteuropa via Italien organisieren können.
Im Fahrzeugdeck werden die letzten Wagen geladen und gesichert. Umbigwe hat nichts davon mitbekommen, dass eine Frau weggeschafft wurde. Er kontrolliert alle Wagen und deren Sicherungen auf den Decks D und C. Es sind zweihundert Gebrauchtwagen, die alle aussehen, als wären sie neu. Besonders unauffällige oder besonders attraktive Kennzeichen trennt Umbigwe von den Fahrzeugen ab, legt sie in einen Rollkoffer. Dies ist sein Nebenverdienst, denn die Kennzeichen bringen auf dem Schwarzmarkt viel Geld ein. Umbigwe weiss genau, welche Autos er nicht anfassen darf.
„Die gehören Signore Duce. Die rührst du nicht an", hat man ihm gesagt. Er hat damals bloss mit der Schulter gezuckt und sich überlegt, dass es ja auch ohne jene Fahrzeuge genug zu verdienen gäbe. Und sowieso hat jeder auf dem Schiff irgendeinen Nebenverdienst. Eigentlich hätte Umbigwe es gar nicht mehr nötig, Autokennzeichen zu entwenden. vor einigen Monaten hat ihn der Kapitän zu seinem Küchenchef gemacht. Er hat in den Jahren auf dem Schiff ganz gut kochen gelernt und verwöhnt nun die Crew mit den besten Menus. Bisher hat ihn aber niemand daran gehindert, mit den Kennzeichen der Autos zu handeln. Die Fahrzeuge werden sowieso neue Landeskennzeichen bekommen, da kann man die alten auch schon einmal wegnehmen. Je weniger man hinschaut, desto weniger Probleme hat man. Die Fahrzeuge von Signore Duce sind halt offenbar der Nebenverdienst des Capitano, wen stört das schon.
Umbigwe beobachtet das Prozedere des Auslaufens fasziniert, obwohl er es bereits auswendig kennt. Langsam schliesst sich die hintere Ladeluke. Die Rampe wird dabei hydraulisch eingefahren und die beiden Seitenteile klappen zu. Das alte Schiff lässt sich nur auf einer Seite beladen. Moderne Schiffe können auch eine vordere Luke öffnen, damit man die Autos nicht mehr wenden muss. Auf der Barbarossa aber geht das noch nicht. Die Fahrzeuge können auf Rampen zwischen den beiden Stockwerken hin und her gefahren werden. Im oberen Bereich gibt es eine Wendefläche. Die grossen Dieselmotoren des Schiffes wummern und lassen den schweren Kahn erzittern.
Oben auf der Brücke erteilt Franco Montini den Befehl auszulaufen. Sein Steuermann bestätigt und manövriert die Fähre geschickt aus dem Hafenbecken von Marseille. Schwarze Wolken verlassen dabei die zwei grossen Kamine, welche in Wirklichkeit riesige Auspuffrohre der Dieselmotoren darstellen. Minuten später sieht man die Barbarossa nur noch als Punkt im Meer in Richtung Süden davonfahren.

Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro