Zofe
NACHDEM ICH SPÄTER an diesem Tag zusammen mit Jared und Drinian noch zweimal alles – wirklich jedes Detail – durchgegangen bin und jeden einzelnen Wachposten und Assassinen für heute Abend selbst eingeteilt und postiert habe, begebe ich mich in meine Gemächer. Ich will es zwar nicht zugeben, aber die Erschöpfung macht sich schneller bemerkbar als mir lieb ist. Kein Wunder, ich bin noch nicht ganz bei meiner gewohnten Kraft und Stärke angelangt. Außerdem sind meine Nerven zum Zerreißen gespannt. Nicht einmal in den Schlachten des Krieges fürchtete mein Herz so sehr, dass irgendetwas schiefgehen könnte. Zu dieser Zeit hätte ich mich auch in jeden Kampf gestürzt, wäre jedem Gegner gegenübergetreten – mit und ohne Schwert. Jetzt ist das anders. Seit ich Kaspian so verzweifelt und leidend an meinem Lager sitzen sah, ist mir bewusst, dass ich mehr auf mich selbst achten muss. Denn es ist nicht mehr nur mein Leben, das von meinen Taten und meinem Handel beeinflusst wird. So leuchtet mir auch ein, wie in Kaspians Gegenwart aus der unzähmbaren Kriegerin eine zahme, liebevolle Dame werden kann. Bei dem Gedanken an den König Narnias stielt sich ein Lächeln auf mein Gesicht. Ich stehe am Fenster und beobachte den vorderen Hof. Dort kommen nun immer wieder Kutschen an, welche die Gäste für den Ball bringen. Viele von ihnen reisen von weither an und bleiben deshalb einige Tage hier. Schließlich ist das Fest nur ein Grund für ihre Anwesenheit. Es ist auch, damit Kaspian über den neusten Stand der Dinge in jedem Winkel des Reiches in Kenntnis gesetzt werden kann. Ich höre wie sich die Tür öffnet und wende mich um. Auf der Schwelle steht eine junge Frau etwa in meinem Alter, die ein Tablett in Händen hält.
» Milady, Ihr ruht ja gar nicht «, stellt sie überrascht fest, tritt rasch in den Raum und gibt der Tür mit dem Fuß einen Schubs,
» Dabei solltet Ihr Euch unbedingt schonen. Der heutige Abend wird lang «.
» Ja ja, ich weiß, Rhea... «, erwidere ich, während sie das Tablett auf dem Tisch abstellt. Rhea ist meine Zofe seit ich in meine Gemächer zurückgekehrt bin. Trumpkin hat sie in meine Dienste gestellt.
» Ich habe Euch eine kleine Erfrischung gebracht, Milady «, verkündet Rhea und wischt sich die ohnehin nicht schmutzigen Hände an der Schürze ihres Kleides ab. Dann lächelt sie verlegen und streicht sich eine kupferfarbene Haarsträhne hinters Ohr.
» Rhea! «, tadle ich,
» Wie oft muss ich dir noch sagen, dass du mich nicht Milady nennen sollst. Das hast du doch sonst auch nicht «. Wir kennen uns schon lange. Als der gesamte Königshof in das neu erbaute Feeneden zog, arbeitete Rhea in der Küche. Soldaten und all die Köche, Küchenhilfen, Diener, Mägde und andere Bedienstete haben schon immer eine eigene Beziehung gepflegt, denn wir speisen zusammen und feiern abseits von den Adeligen und Höhergestellten eigene Feste.
» Ja, Milady, aber da wart Ihr noch nicht... «, Rhea spricht ihren Satz nicht zu Ende und blickt zu Boden.
» Da war ich noch nicht was? «, hake ich nach und bewege mich zum Tisch hinüber. Dort entdecke ich eine dampfende Teekanne, einen Teller mit Keksen und etwas Obst in einer Schale. Ich setze mich und pflücke eine Traube von der Rebe.
» D-da wart Ihr noch nicht die Verlobte vo-von König Kaspian «, murmelt Rhea und lugt vorsichtig in meine Richtung. Ich sehe sie eine Weile an, dann beginne ich zu lachen. Verwundert hebt die Zofe den Kopf.
» Aber deshalb bin ich doch kein anderer Mensch «, erkläre ich,
» Ich habe dir einmal das Du angeboten und dabei soll es auch bleiben. Sag das bitte auch den anderen, wenn das zur Sprache kommen sollte «. Beiläufig angle ich eine weitere Traube und schenke Tee in eine Tasse.
» Möchtest du auch etwas Tee? «, frage ich. Als ich keine Antwort erhalte, werfe ich Rhea einen fragenden Blick zu. Sie sieht mich lediglich erstaunt an.
» Oh, n-nein danke, ich kann doch nicht... «, stammelt sie und versteckt ihre Hände in ihrer Schürze.
» Doch du kannst «, sage ich und schenke – ungeachtet ihrer Worte – auch in eine weitere Tasse Tee ein,
» Setz dich doch und erzähl mir, was los ist «. Sie kommt meiner Bitte erst nach, als ich eine auffordernde Geste zu dem freien Stuhl hin mache. Ich nippe vorsichtig an meinem Tee. Er ist noch sehr heiß, schmeckt aber süßlich. Geduldig warte ich und vermeide es währenddessen, Rhea anzusehen. Nicht, dass sie noch unwohler fühlt als ohnehin schon.
» Nimm dir ruhig, was du möchtest «, sage ich nebenbei und schiebe den Keksteller näher zu ihr. Sie starrt mich an, doch als ich aufsehe, wendet sie den Blick schnell ihrer Tasse zu.
» Nachdem w-wir die Gerüchte hörten, dass I-ihr... «, sie beginnt zögerlich und korrigiert sich selbst,
» ...dass d-du die zukünftige Königin wirst, befürchteten wir, es könnte dir zu Kopf steigen wie einigen anderen Adeligen «. Rhea greift langsam nach einem Plätzchen – fast als traute sie sich gar nicht – und knabbert daran. Ich ziehe die Stirn kraus
» Nun, das ist es nicht und ich hoffe, dass es das auch nicht wird «, ich setze ein Lächeln auf,
» Ehrlich gesagt, möchte ich nicht werden wie...gewisse Höhergestellte «. Bei dem Wort "Höhergestellte" verdrehe ich dramatisch die Augen. Rhea lacht herzlich und richtet sich aus ihrer unterwürfigen Haltung auf. Ich stimme mit ein.
» Und wie ist es dir im letzten Jahr ergangen? «, frage ich sobald wir uns wieder beruhigt haben. Rhea greift gerade nach einem zweiten Keks.
» Oh, also...ich bin jetzt verlobt «, gesteht sie fröhlich und ihre Augen leuchten auf – ich seufze leise, erleichtert darüber, dass sie sich so wie gewohnt zu verhalten beginnt,
» Mit Lion «. Ich klatsche in die Hände
» Ich wusste es! «. Rhea macht große Augen, sichtlich überrascht.
» Hey, meine Assassinen berichten mir alles «, sage ich mit gedämpfter Stimme und warte einen Augenblick ehe ich fortfahre,
» Nein, du hast nur immer so glücklich ausgesehen, wenn er mit dir gesprochen hat «. Rhea lehnt sich entspannt zurück und lacht. So geht unser Gespräch noch lange weiter. Irgendwann sind die Kekse aufgegessen und der Tee ausgetrunken, da steht Rhea auf.
» Oh, es wird Zeit. Du musst dich herausputzen «, erklärt sie,
» Ich lasse dir gleich ein Bad ein und dann suchen wir ein Kleid aus, ja? «. Bei dem Gedanken daran, dass ich ein Kleid tragen muss, seufze ich geschlagen. Wie soll ich denn darin ordentlich kämpfen können, sollte es so weit kommen? Aber es muss sein, um nicht weiter aufzufallen.
Gesagt, getan. Nachdem ich in ein großes, weiches Handtuch gehüllt aus dem Waschraum in mein Schlafzimmer zurückkomme, hat Rhea schon eine Truhe geöffnet und einige Kleider herausgezogen. Ich stutze, denn ich wusste bisher weder von dieser Truhe noch von diesen Kleidern. Die einzige plausible Erklärung dafür: Trumpkin. Wunderbar, der Herr Regent glaubt mir zwar kein Wort, aber steckt mich dafür in ein Kleid.
» Wie wäre es mit diesem hier? «, fragt Rhea und hält ein dunkelgrünes Kleid mit hellgrünen Säumen und einem Gürtel derselben Farbe hoch. Es besitzt baumförmige Stickereien auf der Brust und Ärmel, die zur Hand hin etwas weiter werden. Ich nicke, dieses Kleid gefällt sogar mir. Also werde ich angekleidet. Als Rhea einmal nicht auf mich achtet, befestige ich meinen Dolch an meinem Unterarm, sodass er vom Ärmel gut verdeckt wird. Außerdem stecke ich meine Wurfsterne in einem kleinen Lederbeutel unter dem breiten Gürtel. Mehr Waffen kann ich beim besten Willen nicht mitnehmen und muss daher auf mich selbst und den Plan vertrauen. Zuletzt kümmert sich die Zofe um mein Haar. Sie kämmt es und flechtet einige Strähnen zurück. Noch während sie bei der Arbeit ist, höre ich Trompeten erschallen und Hufgetrappel vom Hof her. Ich wende meinen Kopf zum Fenster und ignoriere den leisen Protest seitens Rhea. Sind sie etwa schon zurück? Früher als erwartet. Wie ein Blitz durchzuckt mich die Erkenntnis und ich will aufspringen, aber Rhea hält mich zurück.
» Warte, noch einen Moment. Du willst für deinen König doch hübsch aussehen «, flötet sie gelassen. Oh, wenn sie nur wüsste.
» Rhea...! «, quengle ich und bin schon halb aufgestanden.
» In Ordnung, fertig «, verkündet sie. Ich stürme mit einer raschen Verabschiedung zur Tür, reiße sie auf und renne den Gang entlang zu den Treppen. Meine Gemächer befinden sich in einem anderen Flügel des Schlosses als der Ballsaal und das Haupttor. Mein Herz hämmert gegen meine Brust und ich flehe zu Aslan, dass Kaspian nichts trinken möge.
A/N
Hallo ihr Lieben,
ja, doch noch ein kleines Kapitelchen vor dem großen Finale (also, nicht das Finale der Geschichte, aber dieses Abschnitts ^^). Es kam mir so in den Sinn und wollte unbedingt aufgeschrieben werden. Wer kann da schon nein sagen? Über einen Kommentar oder einen Vote würde ich mich riesig freuen :)
Liebe Grüße
Lola
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