Wiedersehen
ICH HASTE DEN letzten Gang hinunter, der mich noch von den Treppen trennt, die in den Ballsaal hinunterführen. Außer Atem bleibe ich am Geländer stehen und blicke nach unten. Während meine Augen suchend über die Menge gleiten, streiche ich mein Kleid glatt. Was ich suche, habe ich schnell ausgemacht. Kaspian – sichtlich überrascht von dem Fest und dem Begrüßungskomitee – steht inmitten einer Traube von Lords und Ladies, einigen Satyrn und Zentauren, einem Minotaurus und einem Bären. Ich entdecke Lord Riven direkt neben Kaspian, der dem König einen Kelch mit Wein reicht und lächelt. Mein Herz setzt einen Schlag aus. Zu meinem Entsetzen nickt Kaspian dankbar und führt den Kelch zum Mund. Ohne nachzudenken, setze ich mich in Bewegung, will schreien, rufen, irgendetwas. Da legt sich eine Hand auf Kaspians Arm und hält ihn vom Trinken ab. Es ist Drinian, er ist rechtzeitig gekommen. Erleichtert atme ich auf und halte Inne. Ich muss warten, sonst bringe ich unseren Plan durcheinander, verspiele sozusagen das Ass im Ärmel. Der Lord Kapitän wird in Kaspians Nähe bleiben und die Matrosen der Morgenröte haben sich in der Menge verteilt, um ein Auge auf alles und jeden zu haben. Ich kann auch Jared ausmachen. Er dreht seine Runden um die Menge und kontrolliert die Wachposten. Mein Blick huscht zu Kaspian zurück. Er sieht gut aus. Etwas zerzaust vom Ritt und müde, aber gut. Vor allem unverletzt. Sein Anblick lässt mein Herz augenblicklich höherschlagen. Wie sehr habe ich diesen Moment herbeigesehnt. Die letzten elf Tage vergingen quälend langsam und die Wochen des Unsichtbarseins zuvor...ich bin froh, dass dies nun ein Ende hat. Nicht mehr lange und ich kann ihn in die Arme schließen, meinen König. Ich kann meinen Blick gar nicht von ihm abwenden. Ungeduldig verharre ich im Schatten oben an der ersten Treppenstufe und warte auf das vereinbarte Zeichen seitens Drinian. Lord Riven behält sein Lächeln bei, obwohl Kaspian ihm nun nicht mehr zugewandt ist. Was für ein falsches Lächeln das doch ist. Leider hat der König immer noch diesen Kelch in der Hand. Es stellt sich die Frage, ob dieser nun wirklich vergiftet ist. Wahrscheinlich schon. Ich verstehe nicht, wieso sich der junge Lord so einfach hat überreden lassen, hierbei mitzumachen. Ich verstehe nicht, was er wirklich gegen Kaspian haben könnte – oder warum ihn Lord Balrens Worte dermaßen eingewickelt haben. Beim Gedanken an das belauschte Gespräch zwischen den beiden Lords ballen sich meine Hände zu Fäusten. Moment, wo ist Lord Balren eigentlich? Ich kann meine Augen nicht von Kaspian lösen, also verschiebe ich die Suche nach ihm auf später. Nun drängt sich Trumpkin zum König durch und begrüßt ihn herzlich. Die beiden lachen und der Zwerg klatscht in die Hände. Musik beginnt zu spielen und die Menge um den König zerstreut sich so weit, dass eine Tanzfläche entsteht. Kaspian hat ein diplomatisches Lächeln aufgesetzt und zieht Trumpkin etwas zur Seite. Ob er ihn nach mir fragt?
~Erzähler POV~
Der König Narnias beugt sich ein wenig zu seinem vorübergehenden Regenten hinunter.
» Du solltest jemanden zum Tanz auffordern «, meint Trumpkin grinsend und wiegt den Kopf im Takt der Musik hin und her,
» Dieser Ball wird zur Feier deiner Rückkehr abgehalten und all diese Adeligen sind extra dafür angereist «.
» Ja «, entgegnet Kaspian schlicht,
» Das war deine Idee, nicht wahr? «. Trumpkin nickt mit stolzgeschwellter Brust, nun tappt auch sein Fuß zu der Melodie mit und er wirft einen Blick zu den Tanzenden. Den König scheint das alles jedoch nicht zu interessieren.
» Wie geht es ihr? «, fragt er ernst und fixiert den Zwerg vor ihm. Ehe dieser auch nur zu einer Antwort ansetzen kann, wird er von zwei Mädchen – den Töchtern eines Lords – weggezogen, die fröhlich über das Parkett hüpfen. Kaspian sieht dem Trio mit gerunzelter Stirn nach und will sich gerade abwenden, um das Fest durch einen Seitengang zu verlassen, da tritt erneut Lord Riven zu ihm.
» Ein herrliches Beisammensein, nicht wahr? «, fragt er.
» In der Tat «, bestätigt Kaspian,
» Ich habe noch nicht erlebt, dass alle Gäste so fröhlich und ausgelassen sind «.
» Nun, wir freuen uns sehr, dass Ihr von Eurer langen Reise wohlbehalten zurückkehrt seid, Eure Majestät «, erwidert der junge Lord schmeichelnd und lässt seinen Blick zu dem Kelch in der Hand des Königs schweifen,
» Oh, aber Ihr müsst sicher erschöpft sein. Trinkt ruhig und stärkt Euch «. Während Kaspian leise seufzend nickt und den Wein hin und her schwenkt, greift Lord Riven elegant nach einem Kelch auf dem Tablett eines Dieners. Er hält ihn seinem Gegenüber entgegen und wartet auf das Anstoßen, was nicht lange auf sich warten lässt.
~Luna POV~
Als Lord Riven Kaspian nochmals beinahe zum Trinken bewegt, richte ich mich zu voller Größe auf, straffe die Schultern und setze den Fuß auf die oberste Treppenstufe. Lieber werfe ich den Plan drei Mal über den Haufen und improvisiere anschließend, als mir dieses Todesspiel länger anzusehen. Ich trete auf die zweite Stufe hinunter und befinde mich damit im Licht. Dort, wo mich der gesamte Ballsaal sehen kann. Diesen Umstand ignorierend und die Augen fest auf Kaspian geheftet, erkenne ich wie Lord Riven innehält und zu mir heraufschaut. Ich lächle leicht, doch der Lord bemerkt seinen Fehler zu spät. Kaspian wendet sich um und folgt dem Beispiel seines Gegenübers. Als sich unsere Blicke treffen, erstarrt er. Der Kelch entgleitet seinen Fingern und fällt zu Boden, ein Diener eilt sogleich herbei, um den verspritzten Wein aufzuwischen. Kaspian achtet jedoch gar nicht darauf. Wie in Trance bewegt er sich auf den Fuß der Treppe zu, schiebt sich durch die Menge und lässt mich dabei keinen Moment aus den Augen. Ich habe die Hand auf das Geländer gelegt und schreite – immer einen Fuß vor den anderen, denn meine Knie fühlen sich seltsam weich an – voran, bringe Stufe für Stufe hinter mich. Die Gäste haben mich und das eigenartige Verhalten des Königs schon längst bemerkt und nach und nach kehrt Ruhe ein. Doch es kümmert mich nicht. Es scheint, als gäbe es nur ihn und mich. Mein Herz klopft schnell und es fühlt sich an, als würde es Purzelbäume schlagen. Meine Hände zittern unkontrolliert und ich klammere mich schier an das Geländer. Kaspian folgt meinen Bewegungen aufmerksam – fast so, als fürchte er, ich würde verschwinden, sobald er den Blick abwendet. Schließlich trennen uns noch zwei Stufen. Langsam streckt er die Hände nach mir aus und flüstert meinen Namen. Ich lächle, doch meine Finger zittern jetzt noch stärker.
» Luna «, sagt Kaspian erneut und macht einen Schritt auf mich zu. Dann schlingt er seine Arme um meine Hüfte, hebt mich kurzerhand hoch und wirbelt mit mir einmal im Kreis herum. Ich halte mich an seinen Schultern fest, obwohl ich das gar nicht müsste. Bei ihm bin ich so sicher wie sonst nirgendwo auf dieser Welt, das sagt mir sowohl mein Herz als auch mein Verstand. Wir sehen einander verträumt lächelnd in die Augen und er lässt mich behutsam zu Boden gleiten. Er zieht mich eng an sich, legt eine Hand an meine Wange und küsst mich – zunächst vorsichtig als bestünde ich aus Glas, dann leidenschaftlicher. Die Gäste, die ich bis jetzt vollkommen vergessen hatte, brechen in Jubel aus. Tosender Applaus füllt den Saal und freundliche Zurufe ertönen hier und da. Und doch beschleicht mich das Gefühl, dass die Gefahr noch nicht gebannt ist. Das dämpft meine Euphorie einen Moment lang gewaltig, doch was soll passieren? Was WIRD passieren?
Als wir uns atemlos voneinander lösen, flüstere ich
» Ich liebe dich «. Kaspian lehnt sich ein wenig zurück, um mich gut ansehen zu können. Täusche ich mich oder hat er Tränen in den Augen?
» Das ist kein Traum, oder? «, fragt er lächelnd und streicht mir eine Haarsträhne aus der Stirn. Ich schüttle den Kopf, schlinge ich meine Arme um seinen Hals und umarme ihn.
» Vertraust du mir? «, frage ich an seinem Ohr.
» Es gibt niemanden, dem ich mehr vertraue «, raunt er zurück und drückt mir einen Kuss in die Halsbeuge. Ein Schauer läuft meinen Rücken hinab, doch ich mahne mich, konzentriert zu bleiben. Ich schmiege mich an ihn und spähe über seine Schulter hinweg in die Menge. Lord Riven ist von seinem Platz am Rande verschwunden. Ich entdecke ihn zwischen zwei Matrosen der Morgenröte, die ihn festhalten und in die Mitte des Saales befördern.
» Kaspian «, sage ich,
» Es gibt da etwas, das zu wissen solltest «. Rasch fasse ich die Ereignisse möglichst kurz zusammen und lasse einige Details – zum Beispiel, woher ich von der Verschwörung weiß – außen vor. Kaspian hört mir zu und hält mich die ganze Zeit über im Arm. Seine Finger zeichnen unablässig Kreise auf meinem Rücken.
» Bevor du dich jetzt umdrehst und... «, ich schlucke und fürchte, dass die nächsten Worte ziemlich kitschig klingen,
» ...und dieser Moment beendet ist... «. Ich schenke ihm ein feines Lächeln und hauche ihm einen Kuss auf die Lippen. Auch er lächelt schief, zieht jedoch die Stirn kraus und legt die Hände auf meine Oberarme.
» Du hältst dich aus dieser Sache raus «, befiehlt er besorgt und bietet mir seinen Arm an. Ich schüttle den Kopf, nehme das Angebot aber an.
» Du weißt, dass ich das nicht kann «, murmle ich. Kaspian seufzt und so wenden wir uns der Menge und dem mittlerweile auf die Knie gezwungenen Lord Riven zu. Wir bewegen uns auf den jungen Mann zu, doch meine Aufmerksamkeit liegt nicht auf ihm, sondern auf der Umgebung. Jetzt entdecke ich Lord Balren. Er drängt sich an den anderen Gästen vorbei nach vorne.
» Das ist ja die Höhe! «, schimpft er und hebt anklagend den Finger,
» Wieso kniet Lord Riven am Boden? Ist das eine Art wie man seine Gäste behandelt, Eure Majestät? «. Kaspians Blick ist streng
» Ist es eine Art, dem Wein im Becher eines anderen Gift beizufügen? «. Der rundliche Lord erstarrt beinahe ertappt, fängt sich jedoch schnell wieder.
» Hat das etwa jemand getan? «, fragt er unschuldig und sieht in die Runde,
» Ich ganz bestimmt nicht. Wieso sollte ich das auch tun? «. Als niemand antwortet, klatscht er in die Hände und tritt hinter Lord Riven.
» Also Freunde «, sagt er zu den beiden Matrosen – es sind Halion und Rynelf –
» Würdet Ihr das nun beenden und dieses geschätzte Ratsmitglied loslassen? «. Die beiden treuen Seelen bewegen sich keinen Fingerbreit, ja, sie zucken noch nicht einmal mit der Wimper. Wut tritt in den Ausdruck Lord Balrens und enthüllt den Hass in seinen Augen.
» Ihr habt es also nicht anders gewollt... «, brummt er.
» Lord Balren, Lord Riven... «, setzt Kaspian gerade an, bricht jedoch ab. Ich habe eine flinke Bewegung zu unserer Rechten ausgemacht. Meine Hand ist sofort an meinem Dolch und hat ihn gelockert. Von Kaspians Arm habe ich mich gelöst und verfolge, wie Drinian, Jared und die Wachen ihre Schwerter halb aus den Scheiden ziehen. Es herrscht Stille, keiner wagt es, auch nur einen Muskel zu rühren. Ich frage mich, wo Trumpkin steckt. Irgendwie hätte ich doch gerne die Überraschung auf seinem bärtigen Gesicht gesehen, als sich die Sache mit dem Gift als wahr erwiesen hat – oder zumindest fast.
» Worauf wartet ihr noch? «, brüllt Lord Balren plötzlich. Er tritt Halion gegen das Schienbein, was diesen allerdings nicht groß zu stören scheint. Ein Schatten schießt aus der Menge und fegt einige Damen beiseite. Mit einem Satz springt die Gestalt auf Kaspian zu, eine lange Klinge in der behandschuhten Hand. Dieser reißt sein Schwert hoch und pariert den Schlag. Erschreckte Schreie ertönen in der Menge und die Leute laufen durcheinander. Die einen Wachen tun ihr Bestes, um die Gäste und Bediensteten aus dem Ballsaal zu schleusen, die anderen versuchen, zu uns durchzukommen.
Während Kaspian noch mit der Abwehr der maskierten Person zu tun hat, taucht eine weitere auf. Ohne sichtbare Waffe. Beide Angreifer sind maskiert, doch ich kenne diese Gewänder nur zu gut. Ehe ich länger darüber nachdenken kann, will die zweite Gestalt Kaspian von hinten angreifen, doch ich springe dazwischen. Ich packe die überraschend schmalen Schultern meines Gegners und presse ihn zu Boden. Einen Moment bleibt der Angreifer ruhig liegen und starrt mich beinahe panisch an. Kenne ich diese Augen? Ich kenne sie! Da rollt sich der Gegner herum, wirft mich ab und springt auf die Füße. Ich tue es ihm gleich und wir umkreisen uns wie zwei Tiger, doch ich achte darauf, stets zwischen Kaspian und der Gestalt zu stehen. Mein Gegenüber holt zu einem Faustschlag aus, den ich einfach blocken kann und meinerseits zu einem Schlag auf die Nase ansetze. Der andere weicht aus, springt hoch und verpasst mir einen Tritt in den Bauch und zwar genau auf die Stelle, an der mich der Pfeil traf. Schmerz durchzuckt mich. Ich strauchle und atme tief ein und aus. Der Angreifer hat sich von mir abgewandt und will Kaspian in den Rücken fallen, der den anderen gerade zu Boden gezwungen hat. Ich rapple mich auf und muss um mein Gleichgewicht kämpfen. Jared schafft es mit einem Soldaten zu uns. Er stürzt sich auf jenen, der mich getroffen hat, während mich der Soldat stützt. Die Gäste haben den Ballsaal mittlerweile großteils verlassen, noch immer hallen vereinzelte Schreie durch die Gänge. Alles geschieht so schnell. Zwei Wachen schleppen Lord Balren aus einer Ecke hervor, der vor Zorn brüllt. Jared ist dem Angreifer nicht gewachsen. Natürlich nicht. Welcher Soldat kommt schon gegen einen Assassinen an? Kaspian lässt die erste Gestalt liegen und eilt dem Befehlshaber zu Hilfe. Das – war – ein – Fehler. Der erste und größere Assassine kommt taumelnd auf die Beine und greift unter seine Jacke. Ich kann mir denken, was sich dort verbirgt. Ohne darüber nachzudenken, finden meine Finger einen der Wurfsterne in meinem Gürtel und ich schleudere ihn direkt in den Kopf des ersten Assassinen. Dieser sackt tödlich getroffen zusammen. Der zweite fällt unter Kaspians und Jareds Bedrängnis ebenfalls auf das Parkett und die Maske löst sich von seinem Gesicht...
A/N
Hey ihr Lieben,
heute auch einmal zwei Kapitel auf einmal. Kommentare sind immer gerne gesehene Gäste...im Gegensatz zu Lord Balren oder Lord Riven, denke ich ^^
Alles Liebe
Lola
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