Jagd
WENIG SPÄTER STREIFE ich zurück zum Schloss. Nachdem ich mich von meinen Eltern verabschiedet habe, verabredeten wir uns für den Abend der Hochzeit. Sie werden wieder zu den Felsen kommen und möchten Kaspian gebührend begrüßen. Der Kamm ist sicher in einer kleinen Tasche am Rock meines Kleides verstaut und ich mache einen Umweg durch den Garten, damit der Stoff in der Zwischenzeit noch etwas trocknen kann. Glücklicherweise ist diese Nacht angenehm warm und lediglich der Saum des Kleides ist noch ziemlich nass. Gerade gabelt sich der Weg und ich halte mich links. Damit betrete ich den letzten Abschnitt zum Schloss, ich kann die erleuchteten Fenster bereits seit einer Weile sehen und nun dringen auch leise Klänge der Musik an mein Ohr. Als ich mich der Terrasse nähere – von den steinernen Treppen trennt mich lediglich noch ein gerades Wegstück zwischen einer Allee von Rosensträuchern – erkenne ich drei Gestalten oben stehen. Durch die hohen Fenster des Salons fällt genügend Licht, um ihre Identitäten auszumachen. Es handelt sich um niemand anderen als Lord Oria, Lord Elmas und Kaspian. Ersterer stützt sich leicht taumelnd an der Brüstung ab und scheint etwas zu seinen Begleitern zu sagen, denn sie gesellen sich neben ihn. Lord Elmas entdeckt mich zuerst und hebt grüßend die Hand. Kaspian wird daraufhin ebenso auf mich aufmerksam und winkt mir zu. Er stößt sich vom Geländer ab und begibt sich zu den Treppen hinüber, um mir entgegenzukommen. Lächelnd beschleunige ich meine Schritte. Da vernehme ich ein feines Geräusch, das mir sehr bekannt vorkommt, aber sicherlich nicht in einen Garten gehört. Aufgrund der nun deutlich lauteren Musik kann ich es jedoch nicht näher zuordnen. Ich schüttle unmerklich den Kopf und wende meine Aufmerksamkeit wieder zu Kaspian. Wir haben einander fast erreicht, da höre ich erneut das Geräusch. Es ist ein feines Sirren. Plötzlich schießt ein von rechts kommender Pfeil kurz vor mir vorüber und verfängt sich raschelnd im nächsten Rosenbusch auf der anderen Seite des Weges. Augenblicklich bleibe ich stehen und starre in die Richtung, aus der das Geschoss kam. In der Dunkelheit ist nichts zu sehen – aber zu hören. Wieder das Sirren eines durch die Luft schnellenden Pfeils. Mein Verstand sagt mir auf der Stelle, was zu tun ist. Ducken, Deckung suchen, Kaspian! Doch bevor ich mich in Bewegung setzen kann, werde ich an der Taille gepackt und zu Boden gerissen – der zweite Pfeil fliegt über uns hinweg. Mein Kopf prallt auf die Steinplatte und einen Moment sehe ich nur verschwommen. Kleine Steinchen bohren sich in meinen Rücken und ich blinzle ein paar Mal, dann sehe Kaspian über mir, der mich mit festem Griff auf den Boden presst.
» Alles in Ordnung? «, fragt er flüsternd und mustert mich kurz. Ich nicke und stütze mich auf die Unterarme. Lord Elmas kniet neben den Treppen auf der Terrasse, um die Brüstung als Deckung zu nutzen, und sieht besorgt zu uns herüber. Lord Oria ist nirgends zu sehen.
» Majestäten, seid Ihr verletzt? «, ruft er und als wir nicht sofort antworten, macht er Anstalten, zu uns zu kommen.
» Bleibt, wo Ihr seid, Lord Elmas! «, befiehlt Kaspian mit einem Blick über die Schulter,
» Informiert die Wachen, niemand sonst soll das Schloss verlassen! «. Einen Moment scheint es, als wolle uns der Lord nicht alleinlassen, dann nickt er jedoch gehorsam und krabbelt auf allen vieren davon. Kaspian lässt mich los und zieht seinen Dolch. Während ich mich in eine kniende Position aufrichte, bewegt er sich geduckt zu dem Rosenbusch hinüber, in den der Pfeil flog, und fischt diesen heraus. Rasch hechtet er zu mir zurück und das keine Sekunde zu früh, ein dritter Pfeil prallt an der Stelle auf die Steinplatten der linken Wegseite, an der Kaspian gerade noch gestanden hat. Nebeneinander rutschen wir so nah an die Büsche auf der rechten Wegseite heran wie möglich, um das dichte Gestrüpp als Deckung zu verwenden.
» Danke «, flüstere ich und Kaspian hebt den Blick. Er weiß, was ich meine.
» Ich werde dich nicht noch einmal wegen eines so lächerlich kleinen Dinges fast verlieren «, entgegnet er ernst sieht auf den Pfeil in seiner Hand. Er ist aus dunklem Holz gefertigt und schwarze Federn zieren das Ende. Auch die Spitze ist schwarz, vermutlich wurde sie in Pech getaucht, aber es klebt noch eine violette Flüssigkeit daran.
» Beerensanft? «, murmelt Kaspian irritiert, riecht daran und reicht mir schließlich den Pfeil. Ein herber Geruch geht von der mysteriösen Flüssigkeit aus, herb und doch süßlich.
» Was auch immer das ist, es ist mit Sicherheit giftig «, sage ich leise. Er zieht nachdenklich die Stirn kraus. Direkt über uns saust ein weiterer Pfeil hinweg, Kaspian dreht sich um und richtet sich auf den Knien etwas auf, um über das Strauchwerk blicken zu können. Ich lege den Pfeil zur Seite und tue es ihm gleich.
» Was denkst du, wie viele Schützen? «, fragt er. Ein fünfter Pfeil verfehlt uns und landet klackernd auf den Steinplatten. Mit zusammengekniffenen Augen versuche ich, irgendeine Bewegung auszumachen.
» Der Menge und Schussrichtung der Pfeile entsprechend, einer «, antworte ich und stelle mir gleichzeitig die Frage, was ein Angreifer hier zu suchen hat. Wenn jemand Kaspian und mich tot sehen will, wieso kommt er allein oder schickt nur einen einzelnen? Ein Krieger fühlt sich in der Gruppe stets sicherer, ganz anders als die Assassinen. Sie arbeiten bevorzugt allein – höchstens zu zweit, sehr selten zu dritt. Assassinen...oh, ich kann mir denken, wer hier die Finger im Spiel hat. Neue Wut durchströmt mich. Nicht nur, dass er am Abend unseres Junggesellenabschiedes ein Mordkommando schickt, nein, er bringt auch Kaspian in Gefahr. Meine Hände ballen sich stet zu Fäusten und öffnen sich wieder. Natürlich hätte ich mit so etwas rechnen müssen, Feryn hat geschworen, mich zu töten. Er hat gesagt, Kaspian und ich würden unseres Lebens nicht mehr froh werden, solange er lebt. Solange wird er uns jagen. Das muss aufhören, das wird es auch, und zwar bald! Ich fasse einen Entschluss; ich werde mich nicht jagen lassen wie ein Tier, ich werde nicht ständig über die Schulter sehen. Der Spieß wird umgedreht und der Jäger zum Gejagten.
» Zeigt Euch! «, ruft Kaspian mit lauter Stimme und unterbricht meine düsteren Gedanken,
» Zeigt Euch und kämpft Mann zu Mann! «. Keine Antwort, nichts. Wir warten eine ganze Weile. Als sich auch nach mehreren Minuten nichts rührt, deutet Kaspian Richtung Terrasse. Er nimmt seinen Dolch auf und geht voran. Meine Finger gleiten in eine versteckte Tasche in meinem Gürtel und ziehen zwei Wurfsterne hervor. So setzen uns Kaspian und ich langsam in Bewegung. Dabei achten wir darauf, uns geduckt und möglichst geräuschlos an den Rosenbüschen entlangzuarbeiten. Ein kurzes Stück von den Treppen entfernt, enden die Büsche jedoch. Kaspian hält an, wirft mir über die Schulter einen Blick zu und greift nach meiner Hand. Ich lausche einen Moment – in der Zwischenzeit ist kein neuer Pfeil mehr aufgetaucht – dann nicke ich ihm zu. Schnell und weiterhin in geduckter Haltung rennen wir über das Gras und gelangen unbehelligt zu den Treppen. Kaspian ist bereits durch das Geländer geschützt und ich will ihm gerade die Stufen hinauf folgen, da bemerke ich aus dem Augenwinkel eine schattenhafte Bewegung nicht weit entfernt. Anstatt mich zu ducken oder sogar zu Boden zu werfen, richte ich mich zu voller Größe auf. Langsam drehe ich mich um und lasse meine Augen suchend über die Stelle wandern, an der ich die Bewegung wahrgenommen habe. Es dauert nicht lange und ich erkenne die schemenhafte Silhouette des Schützen. In meiner Hand fühle ich das kühle Metall eines Wurfsterns – es sind fein gearbeitete, dünne Klingen, aber nichtsdestotrotz tödlich.
» Luna, komm! «, ruft Kaspian leise. Er ist oberhalb der Treppe in die Hocke gegangen, neben ihm entdecke ich Lord Oria. Er liegt auf dem Boden, die Augen geschlossen. Vermutlich hat er die starken Getränke nicht besonders vertragen. Das Licht aus dem Saal fällt auf die Terrasse, Musik und Gelächter dringen durch die offenstehende Tür nach draußen. Dann taucht Lord Elmas wieder auf, hinter ihm sehe ich Jared und einige Wachen. Ein paar haben Schilde bei sich, andere geladene Armbrüste und der Rest hat die Schwerter gezogen. Sie eilen zu ihrem König und eskortieren ihn zur Wand, während die anderen Lord Oria hochheben. Ich stehe noch immer am Treppenabsatz, ein seltsames Zwielicht umgibt mich – das Licht von drinnen im Rücken, die Dunkelheit vor mir.
» Zeig dich «, fordere ich und wende meine Aufmerksamkeit nicht mehr vom schattenhaften Umriss des Angreifers ab. Tatsächlich schiebt sich die verhüllte Geschalt näher heran, ein Pfeil liegt schussbereit an der gespannten Sehne des Bogens.
» Richte Feryn meine Grüße aus «, sage ich ruhig und sehe dem Schützen in die Augen. Ich höre Kaspian und Jared nach mir rufen, doch weder bewege ich mich von der Stelle, noch tut dies der Schütze. Mir ist klar, dass er diesen letzten Pfeil nicht wieder mit sich nehmen wird, er wird fliegen.
» Luna! «, ruft Kaspian erneut.
» Milady! «, höre ich Lord Elmas' Stimme. Ich hebe die Hand – eine einfache Geste, die in diesem Augenblick wohl so autoritär und bestimmt wirkt, dass alle verstummen. Der Schütze wird unruhig, er windet sich schier unter meinem Blick, hebt den Bogen an und lässt ihn wieder sinken. Dann hat er sich entschieden, er hebt den Bogen. Ich spanne mich an, ich weiß ganz genau, dass ich mich umdrehen und rennen sollte. Feryn schickt nur jemanden, der etwas von seinem Handwerk versteht. Gänsehaut zieht sich über meinen Körper, ich fühle die Angst in mir ansteigen – sie erstickt die Wut und greift mit eisigen Klauen nach meinem Herzen. Wenn ich jetzt aushole und den Wurfstern durch die Luft sausen lasse, bin ich dem Pfeil ausgeliefert. Was kann ich schon ausrichten? Doch ich will ihn nicht gewinnen lassen, Feryn wird mich nicht wieder davonlaufen sehen. Ich schlucke schwer, schlucke die Angst hinunter und versuche, das Zornesfeuer neu zu entfachen. Die gesamte Zeit über beobachte ich den Schützen. Er hat sich in Stellung gebracht. Nun lässt er die Bogensehne los und seine Hand schnellt auf seine Schulter. Leises Sirren kündigt den Pfeil an. Jeder Muskel ist gespannt und ich zwinge mich, absolut stillzustehen. Dann sehe ich den Pfeil, folge ihm mit den Augen, bis er mich erreicht – fast. Mit einer schnellen Handbewegung schließen sich meine Finger um seine Mitte und halten ihn fest, ehe er sich in mein Herz bohren kann. Ich atme hörbar aus – ich habe gar nicht bemerkt, dass ich den Atem angehalten habe – und wende den Blick wieder dem Schützen zu. Dieser starrt bewegungslos zurück. Ich habe nicht vor, ihn anzugreifen. Ich werde ihn entkommen lassen, er soll entkommen, immerhin hat er Grüße auszurichten. Er scheint das zu begreifen, neigt beinahe respektvoll den Kopf und verschwindet in der Nacht.
Ich sehe ihm nach, dann drehe ich mich langsam um und erklimme die Treppen. Die Männer auf der Terrasse sehen mir entgegen. Ich weiß nicht, ob sie die Szene gerade eben mitverfolgt haben – wie viel davon jedenfalls. Es ist auch nicht weiter wichtig. Den Pfeil, den ich noch immer in der Hand halte, reiche ich einem der Wächter mit der Bitte, diesen zu Fana zu bringen. Sie möge ihn untersuchen und herausfinden, worum es sich bei der violetten Flüssigkeit nun wirklich handelt. Kaspian entlässt die Wachen mit einer Handbewegung – diese entfernen sich ein paar Schritte, haben aber anscheinend nicht vor, irgendwo anders hinzugehen.
» Geht es dir wirklich gut? «, fragt Kaspian und legt die Arme um mich.
» Natürlich «, erwidere ich. Er sieht nicht gänzlich überzeugt aus, aber ist sichtlich erleichtert.
» Du zitterst «, bemerkt er und nun fällt es auch mir auf,
» Ist dir kalt? «. Wir wissen beide, dass die Kälte sicher nicht der Grund ist. Da dies aber auch nichts Ungewöhnliches ist, gehe ich nicht weiter darauf ein. Stattdessen schlinge ich die Arme um seinen Hals und schmiege mich an ihn. Lächelnd stelle ich fest, dass er nach Rosen riecht.
» Was geschehen ist, wird keine Seltenheit bleiben, nicht wahr? «, frage ich flüsternd. Eine Weile streicht er mir schweigend übers Haar.
» Das weißt du doch «, antwortet er schließlich sanft,
» Dies ist das Los der Krone. Eines davon «. Er hat Recht. Natürlich weiß ich das bereits, immerhin war ich es, die ihm über die letzten Jahre hinweg in solchen Situationen wie eben zur Seite gestanden hat. Es ist klar, dass ein König immer Gegner haben wird. Es wird zu jeder Zeit – günstig oder ungünstig – jemanden geben, der ein Komplott, eine Intrige, einen Mordversuch plant oder andere Steine in den Weg des Herrschers legt.
» Soll ich dich zu deinen Gemächern begleiten? «, schlägt Kaspian vor,
» Es ist selbstverständlich in Ordnung, wenn du für heute genug hast «. Ich löse mich aus der Umarmung und lächle kopfschüttelnd zu ihm hinauf
» Danke, aber ich denke, ich werde erwartet «.
» Sicher? «, fragt er und legt eine Hand an meine Wange. Bei seiner liebevollen Sorge um mich schlängt mein Herz höher.
» Das ist das Los «, zitiere ich dann leise, streiche mein Kleid glatt und bemühe mich um Haltung. Kaspian lächelt und drückt mir einen Kuss auf die Stirn
» Na dann, mein Stern, hätte ich gerne einen Tanz «. Ich erwidere sein zögerliches Lächeln und verbanne die kürzlichen Geschehnisse aus meinen Gedanken. Wir haben Gäste, die nicht wissen, was vorgefallen ist – noch nicht jedenfalls. Für heute soll das auch so bleiben, denn heute habe ich gewonnen. Für heute ist alles gut.
» Nur einen? «, entgegne ich also und zwinkere meinem Verlobten zu, bevor ich mich umwende und den Damensalon betrete, in dem mittlerweile Ladies sowie Lords ausgelassen feiern, sich unterhalten, essen, trinken und natürlich zu den fröhlichen Klängen der Musik tanzen.
Hallo ihr Lieben,
hier das neue Kapitel. Was sagt ihr denn dazu?
An dieser Stelle möchte ich mich bei allen Leserinnen und Lesern dieser Geschichte da draußen bedanken.
Ganz speziell jedoch bei @pichu2003, weil du so fleißig Kommentare schreibst und immer zu den ersten gehörst, die neue Kapitel lesen und ihnen ihre Stimme schenken :)
Weil wir gerade so schön beim taggen sind: @dramionemalfoy4 Danke auch für deinen Kommentar beim Kapitel 'Junggesellen'. Jetzt geht es weiter ;)
Auch ein Dankeschön an @ElektraHobbs @Mai_Kiryu @NIN_UnDomiel Auch ihr gehört immer zu den ersten, die neue Kapitel mit einem Sternchen versehen. Vielen Dank!
Zuletzt noch ein Danke an @rachelbabaraberry für ihre lieben Kommis *-*
So, alle, die jetzt getagt wurden, dürfen gerne folgende Fragen beantworten. Sonst natürlich auch jeder, der will (es können sich alle Leserinnen und Leser getaggt fühlen). Ihr könnt das gleich hier in den Kommentaren machen oder irgendwo anders auf Wattpad. Taggt mich dann einfach, dann finde ich eure Antworten. Wäre ja schade, wenn nicht :)
1. Freust du dich auf den neuen Avengers-Film: Infinity War?
2. Thor oder Loki?
3. Jane oder Walkyrie? (Thor 3)
4. Marvel oder DC?
5. Eric/Magneto oder Charles/Professor X?
6. Scott/Cyclops oder Alex/Havoc?
7. Benedict Cumberbatch oder Robert Downey Jr. als Sherlock Holmes?
8. Das goldene Zeitalter oder lieber Kaspians Zeiten? (Narnia)
9. Kaspian, Edmund oder Peter?
10. Buch oder Film? (bei Narnia und allgemein)
11. Kaspian und Susan oder Kaspian und Luna? (jaa, das musste jetzt schon sein <3)
Ich freu mich auf eure Antworten.
Liebe Grüße
Lola
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@alle
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