Glassalon
AM NÄCHSTEN MORGEN mache ich mich schon früh zu den Assassinen auf. Dort komme ich allerdings nicht so schnell an wie erwartet, denn Trumpkin läuft mir in der Nähe der Treppen über den Weg.
» Ah, Luna, dich habe ich gesucht «, sagt er.
» Guten Morgen, Trumpkin «, erwidere ich zunächst extra langezogen,
» Was gibt es denn? «. Der Zwerg grinst.
» Vorbereitungen «, meint er und ich will gerade fragen, wofür, als es mir dämmert. Ich nicke langsam und lächle leicht. Der Gedanke an die Hochzeit ist noch immer sehr ungewohnt für mich...und auch irgendwie unwirklich. Es scheint so weit weg, dabei ist es das gar nicht – zumindest nicht so weit wie noch vor der Reise auf der Morgenröte.
» Gut, also... «, Trumpkin räuspert sich und nimmt sich etwas Zeit, um sich seine Worte zurechtzulegen,
» Zunächst wirst du heute mit den adeligen Damen frühstücken. Im Glassalon, ich habe deine Zofe bereits in dein Zimmer geschickt, um die richtige Garderobe vorzubereiten «. Ich unterdrücke ein Aufseufzen. Besagte Damen haben bisher keinen sonderlich großen Eindruck bei mir hinterlassen. Wenigstens gehört auch Valess dazu – hoffentlich kommt sie auch.
» Du solltest dir außerdem überlegen, welche Zofen und Hofdamen du gerne möchtest «, fährt der Zwerg fort,
» Vor allem letztere werden für die Organisation der Hochzeitsvorbereitungen verantwortlich sein und dir bei der Auswahl des Kleides, der Blumen und so weiter zur Seite stehen «. Mir fällt auf, dass er Kaspian mit keinem Wort erwähnt.
» Was ist mit Kaspian? «, frage ich deshalb nach,
» Wird er in...das Ganze nicht miteinbezogen? «.
» Der König hat viel zu tun, aber wie ich ihn kenne, wird er dich sicher nicht mit alledem alleinlassen «, antwortet Trumpkin und zwinkert mir zu. Damit fällt mir ein Stein vom Herzen. Auch wenn ich diesen einen Tag herbeisehne wie es kleine Mädchen tun, fürchte ich mich davor – vor den Vorbereitungen, weil ich mir keine Fehler erlauben darf, und vor dem Hochzeitstag, da ich von da an wirklich eine Königin bin. Wie nur soll ich das gut machen? Wie? Es ist ein seltsames, zweigespaltenes Gefühl. Trumpkin bemerkt mein Zögern und den nachdenklichen Gesichtsausdruck natürlich. Das würde sogar jemand, der kein solch ein guter Beobachter ist wie er.
» Das ist ein ungewohnter Anblick «, meint er beiläufig,
» Was ist los? «. Als ich noch mit mir ringe, ob ich ihm tatsächlich mein Herz ausschütten soll, fragt er bereits weiter
» Weißt du, bevor mich Kaspian zu seinem Berater und später zum Regenten während seiner Abwesenheit machte, glaubte ich, dafür einfach nicht geschaffen zu sein. Ich dachte, ich wäre den Aufgaben nicht gewachsen «. Ich sehe ihn an und lächle leicht.
» Tja, das bist du aber immer gewesen «, werfe ich ein. Trumpkin nickt mit einem vielsagenden Blick
» Eben, siehst du? Wir trauen uns immer viel weniger zu, als wir eigentlich können. Bevor wir nicht in eine bestimmte Situation kommen, wissen wir nicht, wozu wir wirklich fähig sind «, der Zwerg erwidert nun mein Lächeln,
» Deshalb mache dir keine Gedanken. Du wirst dich schnell an dein neues Amt gewöhnen und hineinwachsen, als wäre es nur für dich bestimmt. Ich weiß das «.
» Wie willst du das wissen? «, frage ich zweifelnd und ziehe eine Augenbraue hoch,
» Was, wenn... «, er unterbricht mich
» Ich weiß es, weil ich dich kenne und gesehen habe, wozu du als Heerführerin und Befehlshaberin fähig bist. Du hast sowohl Stärke und Härte als auch Mitgefühl und Sanftheit bewiesen. Du kannst Befehle ausgezeichnet befolgen, du weißt, wo dein Platz ist. Aber du kannst sie auch geben und schätzt ab, ob es sich lohnt, eine Anordnung zu missachten «. Obwohl ich mich eher selten selbst lobe, gebe ich ihm schweigend Recht. All diese Dinge treffen zu, ansonsten hätten mich König Peter, König Edmund und Kaspian im Krieg zwischen Narnianen und Telmarern niemals zur obersten Heerführerin ernannt.
» Als Königin brauchst du genau diese Dinge. Du beherrschst das alles bereits, vertrau mir. Setze das Volk deinen Soldaten und Assassinen gleich und kümmere dich um all diese Geschöpfe wie du es bereits tust «, fährt Trumpkin fort und führt damit seinen Gedanken zu Ende. Ich bleibe eine ganze Weile still und lasse mir seine Worte durch den Kopf gehen. Dann nicke ich zustimmend.
» Na also «, sagt der Zwerg und lacht in seinen Bart,
» Jetzt aber los, du willst dich doch nicht verspäten «. Er macht eine auffordernde Handbewegung in Richtung der Treppen und wendet sich ab, um seiner Wege zu gehen. Bevor auch ich mich in Bewegung setze, verharre ich noch einen Augenblick.
» Trumpkin? «, rufe ich ihm hinterher und als er sich umdreht, sage ich
» Danke «. Der Rotzwerg neigt nur den Kopf und setzt schließlich seinen Weg fort.
Als ich mich dem Glassalon nähere, trage ich ein Kleid von der Farbe des Meeres an einer seichten Stelle. Es besitzt silberweiße Säume, aber keine Stickereien oder Muster. Schlicht, aber doch edel. Das waren Rheas Worte. Meine Zofe und Freundin begleitet mich nicht zu diesem Frühstück, aber immerhin ist Valess an meiner Seite.
» Und davon werde ich nicht abweichen «, meinte sie zuvor,
» Wenn doch, dann bin ich sofort zur Stelle, wenn du mich brauchst «. Obwohl unsere gemeinsame Zeit noch nicht besonders lange ist, verbindet uns doch eine tiefe Freundschaft.
» Valess? «, sage ich unvermittelt und bleibe stehen. Die Lady tut es mir gleich und sieht mich abwartend an.
» Würdest du meine Hofdame werden wollen? «, frage ich kurzerhand. Ich brauche mir das gar nicht gründlich zu überlegen, es ist eine naheliegende Frage. Trumpkin hat mir mehrmals eingeschärft, dass die Wahl der Hofdamen mit Vorsicht zu genießen ist. Die ausgewählten Ladies werden sich ständig in meiner Nähe aufhalten und ihre Ehemänner – wenn vorhanden – werden ebenfalls an den Hof kommen. Oft spielen diese Herren später auch in der Politik eine wichtige Rolle, da es naheliegend ist, dass der König sie in den Rat aufnimmt. Ich nehme mir vor, darüber auch mit Kaspian zu sprechen. Immerhin betrifft ihn mehr oder weniger jede Entscheidung, die ich treffe. Valess starrt mich lange an und zeigt dabei kaum eine Regung, doch ich warte geduldig. Plötzlich fängt sie an zu lächeln und fällt mir um den Hals. Dann besinnst sie sich auf ihre Manieren – obwohl ich gegen Spontanität nichts einzuwenden habe, aber sie ist eben eine richtige Lady – knickst leicht und antwortet
» Es wäre mir eine Ehre, Luna «. Ich erwidere ihr Lächeln und so setzen wir beide gut gelaunt unseren Weg zum Glassalon fort.
Besagter Salon trägt seinen Namen nicht umsonst. Es ist kein großer Raum, bietet aber dennoch genügend Platz für eine lange Tafel samt Stühlen in seiner Mitte. In einer Ecke befinden sich mehrere Divane, ein Teetischchen und ein Bücherregal. Überall stehen Pflanzen und ein Panoramagemälde ziert die diesseitige Wand. Alle anderen Wände und auch die Decke bestehen aus Glas. So gesehen handelt es sich bei diesem Salon um eine Art Wintergarten und man hat einen guten Ausblick auf den weitläufigen Schlossgarten. Bei Valess' und meinem Eintreten wenden sich und die Damen zu, die bereits anwesend sind und versinken in einem tiefen Hofknicks.
» Guten Morgen «, grüße ich und sie heben die Köpfe. Sie warten darauf, dass ich jede einzelne von ihnen anspreche.
» Lady Selena «, beginne ich und die Gemahlin von Lord Aeglos erhebt sich. Sie lächelt freundlich und streicht sich eine braue Haarsträhne zurück, die sich aus ihrer Hochsteckfrisur gelöst hat.
» Lady Dorothea «, als der Name von Lord Menras' Gattin fällt, steht diese ebenfalls auf. Allerdings sieht sie nicht besonders freundlich aus. Etwas Herausforderndes, Neugieriges liegt in ihren Augen. Ich lasse mich davon möglichst nicht beirren und spreche die dritte Anwesende an
» Lady Thalia, seid willkommen «. Auch die Gemahlin von Fürst Kandrach vom Laternendickicht erhebt sich. Im Gegensatz zu ihrem Mann wirkt sie nicht skeptisch, sondern vielmehr offen und herzlich. Die Tür hinter uns wird in diesem Moment erneut geöffnet und herein treten weitere erwartete Damen. Als sie mich entdecken, knicksen auch sie höflich.
» Ich wünsche Euch einen guten Morgen «, sage ich zu ihnen und begrüße der Reihe nach Lady Clarisse – eine ältere Frau, die mit Lord Clarence verheiratet ist – Lady Eulalia – Lord Hawendts Gemahlin, die trotz ihres Alters äußerst grazil und schön wirkt – und Prinzessin Adeline von Archenland. Die älteren Damen begegnen mir sehr herzlich, fast schon mütterlich, während die Prinzessin zwar lächelt, sich aber distanziert. Zu acht setzen wir uns also an die gedeckte Tafel. Auf der gläsernen und mit Gold eingefassten Tischplatte stehen Körbe mit Brötchen und Gebäck, Marmeladen, Honig, Butter, heiße Milch, Wasser, Orangensaft und verschiedene Früchte bereit. Obwohl noch nicht alle Stühle besetzt sind, beginnen wir das Frühstück. Glücklicherweise entstehen schnell Gespräche über dies und das, die bestens verlaufen. Ich verbiete mir, mich nur mit Valess zu unterhalten, die neben mir Platz genommen hat. So spreche ich mit Lady Clarisse und Lady Eulalia, mit Lady Thalia und Lady Selena. Mit Lady Dorothea ergibt sich ebenfalls ein recht frostiges Gespräch, allerdings nur über Belanglosigkeiten. Prinzessin Adeline spricht allgemein nur wenig, obwohl wir uns alle bemühen, die junge Adelige miteinzubeziehen. Nach einiger Zeit stoßen noch sieben weitere Damen zu unserer Runde. Fünf davon sind die Gattinnen von Ratsmitgliedern, die aus der Stadt anreisen mussten. Lady Belna, Lady Celeste, Lady Rebekka, Lady Olive und Lady Kristin. Sie entschuldigen sich kurz für ihre Unpünktlichkeit und nehmen Platz. Bei den beiden übrigen handelt es sich um Töchter von Lady Belna und Lady Kristin, Eloricia und Isona. Ich erkenne die beiden wieder. Ich habe sie bei der Bekanntgabe der Verlobung gesehen. Das restliche Frühstück verläuft trotz allem ohne weitere Zwischenfälle. Anschließend begeben wir uns zu den gemütlichen Divanen und Sesseln hinüber, um die Gespräche fortzusetzen.
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