Gespräche
BUMM. BUMM. BUMM. Dieses regelmäßige Geräusch lässt mich langsam erwachen. Es ist mir mittlerweile sehr vertraut, deshalb wundere ich mich auch nicht darüber, dass mein Kopf auf Kaspians Brust ruht. Mein Arm liegt quer über ihm und er hat seinerseits einen Arm um mich geschlungen. Unsere freien Hände ruhen ineinander verschränkt zwischen uns. Das ist auch der Grund, warum ich zunächst meine, wir befänden uns auf der Morgenröte. Dort haben Kaspian und ich stets so in der Hängematte gelegen. Jetzt befinden wir uns allerdings in meinem Gemach. Ich blinzle ein paar Mal und sehe an mir herunter. Ich trage noch immer das Kleid vom Fest am vorherigen Abend, es ist ganz zerknittert. Rhea wird darüber wohl nicht sehr erfreut sein. Auf die Unterarme gestützt, richte ich mich ein wenig auf und zucke zusammen, als ein Stich durch meine Seite fährt. Ach ja, der Tritt, den ich gestern abbekommen habe, hat doch seine Spuren hinterlassen. Ich sollte im Laufe des Tages bei Fana vorbeischauen. Ich hoffe bloß, die endlich verheilte Wunde, die der Pfeil hinterlassen hat, hat dadurch keinen Schaden genommen.
» Guten Morgen «, sage ich leise und hauche Kaspian einen Kuss auf die Lippen. Er lächelt leicht, behält die Augen jedoch geschlossen.
» Morgen, Kätzchen «, erwidert er verschlafen. Ich setze mich nun ganz auf und stelle fest, dass wir quer auf dem Bett liegen, in einer Mulde der Bettdecke. Mein Blick wandert zum Fenster. Die Sonne ist bereits zur Gänze am Himmel zu sehen, demnach ist es später, als ich erwartet habe.
» Ich glaube, es ist Zeit, aufzustehen «, meine ich. Kaspian zieht missbilligend die Stirn kraus, murmelt etwas Unverständliches und dreht sich auf die Seite. Ich lächle still in mich hinein und erhebe mich. Soll der König weiterschlafen, er hat viele Nächte an meinem Lager verbracht und kaum geruht bis sie aufgebrochen sind, um diese Bande zu stellen. Er hat also einiges nachzuholen.
Nachdem ich mich aus meinem Kleid geschält habe, verlasse ich das Zimmer in Bluse, Hose, Stiefeln und natürlich mit meinem Schwert am Gürtel. Es fühlt sich gut an, dieses Gewicht wieder zu tragen. So mache ich mich auf den Weg zu den Zimmern der Heiler, um nach Kirea zu sehen. Es ist nicht so, dass ich ihr ihre Taten vergeben und sie auch schon vergessen hätte, nein, ich bin regelrecht erschüttert über ihr Verhalten. Ich dachte, ich kenne sie wirklich gut, aber wie es scheint, ist dem doch nicht so. Außerdem hat sie Kaspian in der Absicht angegriffen, ihn zu töten, und das allein ist für mich unverzeihlich. Allerdings gehört Kirea zu meinen Schützlingen und ich kann sie nicht gänzlich verstoßen. Letztendlich liegt die Entscheidung über ihr weiteres Schicksal ohnehin nicht bei mir, sondern bei Kaspian und dem hohen Rat, und darüber bin ich wirklich froh. Es dauert nicht lange und ich erreiche mein Ziel. Zwei Wachen stehen vor der Tür, die mir beide zunicken und strammstehen. Ich neige den Kopf in beide Richtungen und klopfe an. Eine weitere Wache öffnet und tritt zur Seite, damit ich das Zimmer betreten kann. Beim Anblick der insgesamt drei Soldaten hier lächle ich leicht. Jared weiß also ganz genau, dass eine Assassine wie Kirea dafür geschult ist, mehreren Angreifern widerstehen zu können.
» Luna? «, fragt die Verletzte schwach.
» Ja, ich bin hier «, antworte ich, ziehe einen Stuhl ans Bett heran und lasse mich darauf nieder.
» Du bist hier «, wiederholt sie und greift nach meiner Hand,
» Und du hasst mich nicht? «. Ihre Augen sehen mich an und scheinen mit jeder verstreichenden Sekunde, in der ich schweige, größer zu werden. Die Finger, die meine Hand umklammern, sind kühl. Ich entziehe mich ihrem Griff und seufze schließlich
» Nein, Kirea, ich hasse dich nicht «, sie atmet erleichtert auf,
» Aber ich verlange eine Erklärung «. Sie nickt und verzieht das Gesicht, die schnelle Bewegung muss Schmerzen verursacht haben. Bevor sie allerdings zu sprechen beginnt, schielt sie unsicher zu den Soldaten, die zwar vorbildlich ihre Posten halten, jedoch nicht uninteressiert an unserer Unterhaltung sind.
» Ihr könnt uns ein paar Minuten allein lassen, meine Herren «, sage ich deshalb. Die Wachen – an meine Befehlsgewalt und daran, dass ich keine Widerrede dulde, gewöhnt – setzen sich in Bewegung und verlassen den Raum.
» Also? «, dränge ich sobald die Tür geschlossen wird.
» Ja...ich...na ja «, stottert Kirea, sichtlich unschlüssig darüber, wo sie beginnen soll. Sie atmet tief durch, wirft mir einen scheuen Blick zu und fixiert dann die Zimmerdecke.
» Als du auf die Reise aufgebrochen bist und das Kommando Jared übertragen hast, ging eine Weile alles gut. Jared ist ein guter Anführer, aber er...nun ja, er konnte mit uns Assassinen nicht viel anfangen. Deshalb suchten Meister Trumpkin und er auch nach einem anderen Aufseher für uns. Sie fanden auch bald einen. Er war früher – noch vor König Kaspians Herrschaft und deiner und meiner Zeit – ein telmarischer Spion unter dem Befehl König Kaspians IX. «, ich ziehe eine Augenbraue hoch, nicht ganz sicher, was ich davon halten soll, höre aber weiter aufmerksam zu,
» Nachdem dieser starb, begann er, zur See zu fahren. Vielleicht ist es deshalb so rau «. Kirea überlegt kurz, schüttelt dann unmerklich den Kopf und fährt fort
» Jedenfalls ist er...nun, nicht der einfachste Mensch. Seine Ausbildungsmethoden sind ganz anders als deine und er...na ja «. Sie bricht ab und richtet ihren Blick wieder auf mich.
» Er was? «, bohre ich nach und frage mich, wieso ich nichts von diesem neuen Aufseher weiß. Wieso hat mir Trumpkin das nicht erzählt?
» Er...er...lässt uns gegeneinander antreten und zwingt uns, so hart aufeinander einzuschlagen, dass wir uns ständig verletzen. Wir...wir weigerten uns, zumindest die meisten, aber er schreckt auch vor...vor Bestrafungen nicht zurück «, Kirea schluckt,
» E-er hat mit Benjo einen Vorführkampf begonnen u-und ihn so schwer verletzt, dass er wochenlang nicht mehr aufstehen konnte. Er h-hat sogar einen Finger verloren «. Meine Hände ballen sich zu Fäusten. Benjo ist einer der jüngsten Assassinen. Was fällt diesem...
» Wie heißt der Mann? «, frage ich und meine Kiefer mahlen wütend aufeinander.
» Feryn «, murmelt Kirea leise.
» Und wieso haben Trumpkin oder Jared nichts dagegen unternommen? Oder sonst irgendjemand? «, will ich wissen.
» W-wir haben es ihnen gesagt, Jared wollte ihn sofort wegschicken, aber F-Feryn hat eine ganz eigene Art. Er hat Trumpkin von seinen besten Absichten überzeugt und geschworen, er würde seine Methoden sanfter ausfallen lassen...d-doch das hat er nicht «, eine Träne rinnt über ihre Wange,
» Er sagte, wenn wir uns nochmals einem seiner Befehle widersetzen oder versuchen sollten, ihn bei Trumpkin anzuschwärzen, w-würde er ganz andere Saiten aufziehen «. Ich kann es nicht ganz glauben.
» Warum habt ihr euch das gefallen lassen? Was bringt eine ganz Schar von bestens ausgebildeten Assassinen dazu, sich einem solchen Ekel zu beugen? «, frage ich und kneife die Augen zusammen.
» D-du kennst ihn nicht, Luna, er ist richtig furchteinflößend und geht immer auf die Schwächsten, um die anderen in Schach zu halten «, erklärt Kirea ängstlich. Es überrascht mich, dass sie das tatsächlich und so offen zeigt. Wie konnten sie, MEINE Assassinen, von denen ich persönlich die meisten ausgebildet habe, derart unterwürfig auf so jemanden reagieren?
» Na gut, aber was hat das mit gestern zu tun? «, frage ich misstrauisch.
» Lord Balren hat...irgendwie mitbekommen, dass etwas nicht stimmt. Er sagte, wenn ich ihm bei etwas helfe, würde er dafür sorgen, dass Feryn für immer verschwindet. Ich...ich konnte nicht anders, er gab mir die Aussicht auf Besserung, wie sollte ich also Nein sagen? Zu spät erfuhr ich, worum es ging und...und da hatte ich mein Wort schon ge-gegeben «, gesteht Kirea leise. Ich schweige eine Weile. Irgendwie kann ich sie verstehen. Sie wollte sich und die anderen beschützen und Lord Balren bot ihr einen Weg aus der aussichtslosen Situation. Ich kenne diesen Lord bereits gut genug, um zu wissen, dass seine Art und Weise die Leute durchaus dazu bringen kann, sich auf seine Seite zu schlagen...oder ihm ihr Wort zu geben, bevor sie wissen, wie ihnen geschieht. Ich verstehe auch, wieso Kirea ihr Wort halten wollte. Ich habe ihnen stets eingeschärft, dass man sich auf den anderen verlassen können muss und deshalb sein Wort IMMER halten muss.
» Es tu-tut mir leid, Luna, wirklich...ich... «, ich unterbreche meine ehemalige Schülerin,
» Schon gut, aber jetzt ist es vorbei «.
» Vorbei? «, wiederholt Kirea, lacht einen Moment auf und bricht im nächsten in Tränen aus,
» E-es ist nicht vorbei. Feryn ist hier und wird es immer sein «. Ich lege meine Hand auf ihren Arm und murmle beruhigende Worte. Sie so zu sehen, schürt meine Wut auf diesen Feryn und am liebsten würde ich sofort aufspringen und ihm die Kehle durchschneiden.
Allerdings macht mir da Fana einen Strich durch die Rechnung. Die Heilerin kommt gerade herein, als ich Kirea ein Taschentuch reiche und frage
» Wie geht es dir jetzt? «.
» Wie es mir geht? «, fragt sie zurück,
» Eigentlich sollte ich dich das fragen, immerhin hast du einen Tritt abbekommen «.
» Das meinte ich n...«, Fana unterbricht mich,
» Kindchen, warst du etwa in den Kampf gestern verwickelt? Das ist nicht gut, du sollst dich doch schonen. Lass mich einen Blick auf die Wunder werfen «. Obwohl ich mehrmals beteuere, dass es mir gut geht, untersucht mich die Heilerin gründlich. Trotz meinem Zorn kehre ich anschließend zunächst zu meinen Gemächern zurück, um nach Kaspian zu sehen und mit ihm über diese Sache zu sprechen. Ich habe gelernt, dass ich ihn über meine Gedanken und Handlungen nicht mehr unwissend lassen kann. Zu sehr hängen unsere Herzen aneinander, als dass ich etwas ohne sein Wissen riskieren würde – obwohl ich mir natürlich darüber bewusst bin, dass es manchmal nicht anders gehen wird.
Gerade spaziere ich den Korridor zu meinen Gemächern hinunter, da entdecke ich Rhea, die rückwärts durch die geöffnete Tür geht und die Hände vor den Mund geschlagen hat.
» Rhea? «, spreche ich sie an und sie wirft mir einen so erschrockenen Blick zu, als hätte sie einen Geist gesehen,
» Was ist los? «. Sie löst eine Hand von ihrem Mund und deutet in den Raum hinein
» D-da-da ist d-der K-König in d-deinem Z-Zimmer «. Einen Moment starre ich sie an und kann nicht ganz fassen, dass Kaspian sie dermaßen erschreckt haben soll. Über die Absurdität dieses Gedankens breche ich in Lachen aus.
» Ich weiß «, erwidere ich ungerührt, sobald ich mich wieder beruhigt habe. Rheas Augen sind kugelrund. Bei Aslans Mähne, was denkt die Zofe jetzt bloß?
» Ach ja «, sage ich deshalb schnell und wechsle damit das Thema,
» Es tut mir leid, dass das Kleid von gestern so zerknittert ist. Ich habe darin geschlafen «. Rhea entspannt sich merklich und bringt ein feines Lächeln zustande.
» Also, einige Lords und Ladies sammeln sich im Thronsaal und warten auf den König «, verkündet sie und fügt etwas leiser hinzu
» Und auf eine Erklärung wegen gestern Abend «. Ich nicke, bedeute Rhea, kurz hier zu warten, trete in mein Gemach und schließe die Tür hinter mir. Vorsichtig setze ich mich auf die Bettkante und lege Kaspian eine Hand auf die Schulter. Er döst noch immer vor sich hin. In Anbetracht von Rheas Nachricht, muss ich das Gespräch über Feryn wohl noch verschieben. Das ist aber eine Sache, die ich unbedingt klären will – so schnell wie nur irgend möglich.
» Du hast meine Zofe erschreckt «, sage ich gespielt tadelnd und streiche mit den Fingerspitzen über sein Gesicht.
» Welche Zofe? «, brummt er und schlägt die Augen auf.
» Ach, Trumpkin war der Meinung, ich bräuchte Hilfe, und hat mir Rhea zugeteilt «, erkläre ich.
» Gut «, meint Kaspian, setzt sich auf und zieht mich näher zu sich,
» Eine Königin braucht schließlich mehrere Zofen «. Ich sage nichts dazu, denn er legt seine Lippen auf meine.
» Kaspian, deine Anwesenheit ist im Thronsaal gefordert «, murmle ich zwischen zwei Küssen,
» Sie können noch ein bisschen warten «, raunt Kaspian, legt seine Stirn an meine und spielt mit meinem Zopf.
» Gäste sollte man doch nicht warten lassen, oder? «, werfe ich ein und entziehe mich seiner Umarmung,
» Außerdem sieht du noch nicht präsentabel aus «. Kaspian seufzt, fährt sich mit einer Hand durch das Haar und erhebt sich.
» Du hast ja Recht «, sagt er und schlingt wiederum die Arme um mich,
» Allerdings solltest du dich auch dem Hofe angemessen kleiden «. Fragend lege ich den Kopf leicht schief. Er lächelt milde und legt eine Hand an meine Wange.
» Wenn schon einmal alle Lords und Ladies hier sind, ist das eine gute Gelegenheit, um unsere Verlobung zu verkünden «, erklärt er und gibt mir noch einen Kuss. Mein Herz setzt einen Schlag aus. Heute? Ausgerechnet? Nun gut, ich füge mich seinem Wunsch. Nachdem er das Zimmer verlassen hat, kommt Rhea herein. Ich sehe sie nachdenklich an.
» Ich glaube, ich brauche ein Kleid «, sage ich schließlich und die Zofe lächelt wissend.
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