Kapitel 80
James brauchte nicht lange, um mich zu finden.
Ich saß allein in einer Nische Richtung Bibliothek und starrte durch ein bodentiefes Fenster nach draußen.
„Lily", sagte James und kniete sich vor mich. Er streckte eine Hand nach mir aus, doch als ich zusammenzuckte, zog er sie schnell wieder zurück.
Ich hob den Kopf nicht, denn ich ertrug es nicht, seinen verletzten Blick zu sehen.
„Lily, bitte. Rede mit mir."
In seiner Stimme lag etwas Flehendes. Es brach mir fast das Herz, doch ich brachte es nicht über mich, zu antworten.
„Was war das eben? Habe ich dich bedrängt?"
Ich schüttelte langsam den Kopf, ohne ihn anzusehen.
„Was dann? Hast du etwas gegen Berührungen seit ... die Slytherins dich angemacht haben?"
„Nein", murmelte ich leise.
Das war es ja nicht. Ich mochte die Berührungen von ihm, aber ...
„Merlin Lily, wovor hast du dann Angst? Bitte, rede mit mir! Ich mache mir schreckliche Vorwürfe!"
Gegen Ende hin wurde seine Stimme lauter, was mich nur noch mehr verschreckte.
James atmete ein paar Mal tief durch. Etwas ruhiger sagte er: „Wenn du nicht mit mir redest, können wir das Problem nie beheben."
Ich wagte einen Blick zu ihm.
Gott, er sah so fertig aus.
Am liebsten hätte ich ihn in den Arm genommen, doch mein Herz schlug immer noch viel zu schnell in meiner Brust bei der Erinnerung an seine feste Umarmung im Meer.
„Ich ... kann nicht."
„Es muss dir nicht peinlich sein. Aber bitte, ich muss es wissen. Bist du einfach nicht bereit für das alles? Oder ... empfindest du doch anders?"
Schmerz erfüllte seine großen braunen Augen.
„Nein, James, das ist es nicht, wirklich nicht."
Er seufzte auf. Die Sorge war noch nicht aus seinem Blick verschwunden, doch er sah schon deutlich erleichterter aus.
„Darf ich deine Hände nehmen?", fragte er vorsichtig.
Zögerlich nickte ich, woraufhin er ebenso zögernd meine kleinen Hände in seine nahm.
Dann blickte er mich fest an.
"Was immer dich beschäftigt, Lily, du kannst es mir sagen, okay? Aber bitte erklär mir endlich, warum du vor meiner Nähe zurückschreckst."
Womit hatte ich es verdient, dass er so lieb und verständnisvoll zu mir war?
Ich schaute ihn an.
Er sah ehrlich besorgt aus. Und er war mir den ganzen Weg hinterhergelaufen, hatte sich Vorwürfe gemacht.
Es wurde wohl Zeit, dass ich Snapes Worte, die mich so lange beschäftigt hatten, endlich loswurde.
Also holte ich zittrig Luft.
„Es ist nur dass ... dass ich nicht ganz verstehe, warum jemand wie du an mir interessiert sein sollte."
James klappte der Mund schon auf, und ich wusste, dass er etwas erwidern wollte, doch ich hob die Hand und brachte ihn zum Schweigen.
„Bitte, James, das ist nicht einfach für mich, also lass mich bitte ausreden, ja?"
Zuerst schien er protestieren zu wollen, doch als ich ihn bittend ansah, nickte er langsam.
Ich atmete erleichtert aus.
„Danke, James. Verstehst du, ich bin muggelstämmig, ich habe kein Haus, keine Familie, kein Geld. Ich bin keine große Schönheit und ich kann höchstens mit meinen guten Noten angeben, und selbst für die verachten mich einige. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, was du von mir wollen solltest außer ..."
Ich holte tief Luft.
„Außer gewissen körperlichen Aktivitäten. Und ich habe so ... Angst, dass ... dass du gehst, sobald du das bekommen hast. Und ich dann nur eine von vielen bin. Ich habe Angst, dass ich für dich nur interessant war, weil ich eben nichts von dir wollte und jetzt, wo sich das geändert hat..."
Ich zuckte hilflos mit den Schultern. Plötzlich kam ich mir albern vor. Doch das änderte nichts daran, dass ich eben so fühlte.
„Ich habe so lange damit verbracht, eine Schutzmauer um mich zu bauen, damit du mir ja nicht das Herz brichst. Aber du hast es geschafft, sie niederzureißen und ich hab so Angst, dass ich nicht das bin, was du willst."
Jetzt, wo ich einmal angefangen hatte, konnte ich gar nicht mehr aufhören zu reden.
„Und überhaupt, was ist, wenn du dir all die Jahre über ein komplettes Bild darüber ausgemalt hast, wie perfekt Lily Evans doch sein muss, und jetzt lernst du mich wirklich kennen und stellst fest, dass ich ganz anders bin!
Oh Mann, ich verstehe einfach nicht, was ich dir zu bieten habe und das fühlt sich so scheiße an! Und eigentlich genieße ich deine Berührungen doch, aber immer habe ich diesen blöden Gedanken im Kopf, tu das, und er ist weg."
Beschämt ließ ich den Kopf hängen und löste meine Hände aus seiner Umklammerung, um sie fest um meine Knie zu schlingen.
„Es tut mir so leid, James."
Eine Weile herrschte Schweigen.
Irgendwann wurde es unangenehm, sodass ich widerwillig den Kopf hob, um James' Reaktion zu sehen.
Sein Kiefer war angespannt und seine Augen blitzten.
„Du denkst also, dass du für mich nur eine Art Trophäe bist? Dass ich nur mit dir zusammen sein will, um allen anderen sagen zu können, seht her, ich habe Lily Evans doch rumbekommen? Ist es das, Lily?"
Obwohl er verdammt angespannt klang, nickte ich kleinlaut.
James stieß gepresst die Luft aus.
Er ballte seine Hände zu Fäusten und kurz glaubte ich, er würde gegen die Wand schlagen.
Doch er konnte sich beherrschen.
Es dauerte eine Weile, bis er mich wieder ansah.
„Merlin, Evans, manchmal bist du echt bescheuert", grummelte er, wobei er sich frustriert durch die Haare wuschelte.
Ich starrte ihn an, unfähig etwas zu sagen. Meine Wangen brannten noch von meinem Geständnis.
Endlich fing James an zu reden.
„Also erstmal ... Ich bin dir doch nicht nur hinterhergelaufen, weil du nichts von mir wolltest! Das wäre doch absolut bescheuert. Wenn du mir so wenig bedeutet hättest, hätte ich dir niemals ewig nachgestellt. Klar hat es dich irgendwie noch interessanter gemacht, als du nein sagtest, aber wenn ich dich nicht wirklich gemocht hätte, hätte ich dich schon nach der ersten Abfuhr aufgegeben, okay?"
Kopfschüttelnd verfiel er wieder kurz in Schweigen.
„Verdammt, Lily, ich verstehe einfach nicht, wie du auf solche Gedanken überhaupt kommst. Ich versuche seit Jahren, an ein Treffen mit dir zu kommen, und du denkst wirklich, ich wäre nur daran interessiert, dich ins Bett zu kriegen?! Wenn es so wäre, hätte ich mir doch genug andere Mädchen holen können!"
Bei den letzten Worten verlor er doch die Fassung. Seine Faust krachte in die Wand links von ihm. Ich zuckte zusammen, wartete aber ruhig, bis er sich wieder im Griff hatte.
Mit großen Augen hörte ich ihm zu.
„Und bitte hör endlich auf zu sagen, du hättest mir nichts zu bieten. Es ist mir doch egal, ob du muggelstämmig bist oder nicht. Du hast kein Geld, wen kümmert denn das? Du hast keine Familie, okay, dann werde ich deine sein. Und bitte Lily: Du bist das schönste Mädchen, das mir je begegnet ist. Ganz zu schweigen von all den anderen Dingen, die du bist: Gerecht, lustig, sarkastisch, unglaublich klug, nett zu allen Leuten, durchsetzungsfähig ... Ich könnte ewig so weitermachen. Du bist wundervoll!"
„Das denkst du, James, weil du es dir seit Jahren vorstellst! Aber in Wahrheit bin ich nicht die Göttin, für die du mich hältst!"
„So ein Quatsch. Okay, vielleicht hast du recht, dass ich dich manchmal in meiner Vorstellung ein wenig zu einem Fantasiegeschöpf gemacht habe. Als du die letzten zwei Wochen der Ferien bei mir warst, habe ich dich erst so richtig kennengelernt. Du warst nicht so absolut perfekt, wie ich dachte: Man hat dich nicht aus dem Bett bekommen, du hast mit Essen um dich geworfen und hattest riesige Angst vorm Fliegen. Aber das macht dich nicht weniger vollkommen, im Gegenteil, diese Eigenschaften machen dich nur noch liebenswerter."
Auch James schien sich in Rage geredet zu haben.
Und die Dinge die er sagte ... wärmten mein Herz.
Ich hatte das Gefühl, als würde mein niedergeschmettertes Selbstbewusstsein gerade wachsen und gedeihen wie eine Blume im Licht.
James griff wieder nach meinen Händen und hielt sie vorsichtig fest. Dabei schaute er mir tief in die Augen.
„Hör zu Lily. Du musst nie wieder Angst davor haben, ich könnte dich sitzenlassen, sobald du mich zu nahe an dich rangelassen hast. Wenn dir Dinge wie ... küssen oder Ähnliches Angst machen, dann können wir damit von mir aus auch noch in alle Ewigkeit warten. Ich bin nicht einfach nur an deinem Körper interessiert oder sowas, ich bin an dir interessiert. An dir, der wunderschönen, perfekt unperfekten Lily Evans. Und du würdest mich wirklich zum glücklichsten Jungen auf der ganzen Welt machen, wenn du auf ewig mit mir zusammenbleiben würdest. Hast du das verstanden?"
Irgendwie schaffte ich ein zittriges Lächeln.
Eine Träne lief mir über die Wange, aber es war keine traurige Träne.
„Ich hab's verstanden", versicherte ich James.
Dann fiel ich ihm um den Hals.
Uuund das war das letzte Kapitel der Lesenacht, wuhu!
Hoffentlich hat's euch allen gefallen, hehe.
Und ja, ich weiß, sie haben sich immer noch nicht geküsst ... Aber Leute, das musste vorher noch geklärt werden.
Außerdem: gebt den beiden etwas mehr Zeit, sie haben eben erst kapiert, dass sie ineinander verknallt sind!😉😂
Ansonsten lesen wir uns am Donnerstag wieder.
Bis dann!
Karla 🌎
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro