Kapitel 16
Meine anfängliche Mischung aus Ärger und Belustigung über James' und Sirius' Fähigkeiten, auf ein kleines Kätzchen aufzupassen, war gegen Ende des Tages purer Verzweiflung gewichen.
Wir hatten zu dritt das ganze Haus auf den Kopf gestellt und jeden Zentimeter des Gartens abgesucht (der immerhin einem ganzen Schlossgarten entsprach), doch fündig waren wir nicht geworden. Normalerweise hätte ich mich tierisch aufgeregt und die beiden Jungs das Fürchten gelehrt, allerdings hatten sie so reuevolle Gesichter aufgesetzt, dass ich es nicht übers Herz brachte.
Schweigsam saßen wir am Abendbrottisch, unsere Mahlzeit hatten wir längst beendet, und starrten in die Dunkelheit.
„Lily ... Es tut mir wirklich leid", sagte James. Seine Augen hinter der Brille waren erfüllt von Schuldgefühlen und er hatte die Brauen leicht zusammengeschoben.
Ich seufzte. „Es ist nicht deine Schuld. Ich habe so lange geschlafen."
„Ja, aber du wohnst bei zwei Idioten, es ist logisch, dass wir dich ermüden", gab Sirius zu Bedenken, „also sind indirekt wir schuld."
Trotz allem schmunzelte ich ein bisschen. „So gerne ich euch auch sonst die Schuld zuschiebe, diesmal wäre es nicht fair."
Von Sirius kam ein abfälliges Schnauben. „Aber es war fair, als du Mary „Arschgesicht" genannt hast, McGonagall gefragt hat, wer das war, und du es auf mich geschoben hast?! Wegen dir musste ich zwei Stunden Pokale putzen!"
„Oder war es etwa fair, als du Sirius eine Augenbraue in Zauberkunst pink gefärbt hast, und ihm erzählt hast, ich wäre es gewesen?", mischte sich nun James ein. „Ehe ich ihm die Lage erklären konnte, hatte ich einen Schnurrbart! Für drei verdammte Wochen, Evans!"
„Oder als du unlösbare Tinte im ganzen Schlafsaal verschüttet hast und ich darauf ausgerutscht bin? Das Zeug klebt bis heute an meiner Lieblingsjeans, und meintest ich wäre einfach nur zu dumm zum Gehen!"
„Oder-" „Okay, okay, es reicht", unterbrach ich sie lachend. „Ich bin ein Monster, ich hab's verstanden." Das brachte Sirius zum Grinsen.
„Wenn du und James zusammenkommt, könntet ihr ja die Schöne und das Biest sein!"
Ich zog die Augenbrauen hoch. „Mal abgesehen davon, dass das nie passieren wird und wenn dann ich die Schöne wäre – woher kennst du dieses Muggelmärchen?"
„Nun, um meinen Eltern zu missfallen würde ich alles tun, Krümel. Auch wenn das Lesen bedeutet." Er schüttelte sich. „Bäh, so viele Buchstaben auf einem Fleck."
„Ich verstehe dich nicht. Wie kommt es, dass du so gut in Prüfungen abschneidest, wenn du Schulbücher nicht auch nur anfasst?", fragte ich.
Ein teuflisches Grinsen erhellte seine Gesichtszüge. Ich war mir ziemlich sicher, dass mir die Antwort nicht gefallen würde.
„Weißt du, Lils, ich besuche die Bibliothek ziemlich oft. Womöglich sogar öfter als du. Zwischen den Bücherregalen knutschen ist sehr..."
Er konnte seinen Satz nicht zu Ende bringen, da ich die Reste meiner Lasagne mit einem Löffel direkt in sein Gesicht geschnipst hatte.
„Krümel!", jaulte Sirius. „Alles, nur nicht mein wunderschönes Gesicht!"
„So schön bist du nun auch wieder ni..." Diesmal war ich es, die ein Stück Spiegelei kassierte. Es traf mich genau zwischen meinen Augenbrauen.
„Essensschlacht!", schrie James begeistert und stürzte sich ins Geschehen.
Es brach ein wilder Kampf aus. Hackfleisch, Nudelstückchen und andere Lasagnebestandteile, sowie Spiegeleireste, Schokopudding und ein paar zermatschte Bananen fanden ihre Wege auf unsere Kleidung und Gesichter, oder blieben in unseren Haaren hängen.
Gerade als James mit ausgestreckten Händen blind durch die Gegend irrte und „Nehmt dieses Zeug von meinen Brillengläsern!" rief, bemerkte ich, dass wir beobachtet wurden. Erschrocken stellte ich fest, dass James' Eltern an der Küchentheke lehnten und das Geschehen belustigt beobachteten. Anscheinend hatten sie den Raum unbemerkt betreten. Wer wusste, wie lange sie uns schon zuschauten.
Meine Erstarrung fand jäh ihr Ende, als ein Löffel Schokopudding mich seitlich am Kopf traf und langsam an meinen Haaren runterlief.
„Black!", zischte ich, und vergaß vor lauter Verlegenheit, ihn beim Vornamen zu nennen. „Schau doch, wer da ist!"
Die Jungs folgten meinem Blick. „Scheiße", entfuhr es Sirius. „Ähm, ich meine, hallo Effie!" Mit einem gewinnenden Lächeln versuchte er sich elegant eine Haarsträhne hinters Ohr zu schieben, blieb dabei aber an etwas Hackfleisch hängen. Schnell nahm er die Hand wieder aus seinem Haar.
„Ich übergehe jetzt einfach mal, dass meine erwachsenen Jungs sich soeben ein Essensduell mit einer jungen Dame geliefert haben", sagte Effie streng, aber mit belustigt funkelnden Augen.
„Ja bitte." James wischte sich etwas Bananenmatsch von den Brillengläsern. „Themawechsel."
„Ich denke, da kann ich behilflich sein." Fleamonts Grinsen erinnerte mich stark an James. Er sah aus, als hätte er soeben den Quidditchpokal erhalten. Eins wusste ich sicher: Er würde uns das nie vergessen lassen. Ich würde als Pudding schießende Ninja- Kämpferin in die Geschichte der Potters eingehen. Super.
Auf die verwirrten Blicke der Jungs hin holte Fleamont etwas aus seiner Umhangtasche. Es war ein zappelndes schwarzes Bündel. Meine Augen weiteten sich.
„Ve!", rief ich entzückt. Für einen Moment vergaß ich jegliche Etikette und stürmte auf James' Vater zu, um ihm das Kätzchen abzunehmen.
„Oh, Ve!", seufzte ich glücklich. Sie miaute und schaute mich aus ihren großen, warmen Augen fragend an, als ich sie an meine Brust drückte. Liebevoll fuhr ich ihr mit den Fingern durch das dichte Fell.
„Dankeschön, Mister P... Fleamont", bedankte ich mich verlegen. Um ehrlich zu sein musste ich mich ziemlich am Riemen reißen, ihm nicht um den Hals zu fallen.
„Nun, gern geschehen. Wenn ich mit einer solchen Show belohnt werde..." Er blinzelte amüsiert, woraufhin ich rot wurde.
„Wo habt ihr sie gefunden? Und woher wusstet ihr, dass sie Lily gehört?", warf James schnell ein, um nicht wieder auf das alte Thema zurückzukommen.
Fleamont zuckte mit den Schultern. „So schwer war das nicht. Sie saß kläglich miauend vor der Haustür."
„Was?! Wir suchen dieses Monsterchen den ganzen Tag, und dann taucht die einfach vor der Tür auf? Also, dafür, dass sie nur drei Beine hat, ist sie verdammt flink!", beschwerte sich Sirius.
„Dafür ist sie wahnsinnig niedlich", wandte Effie ein, die auf mich zutrat, um Ve zwischen den Ohren zu kraulen. „Hast du sie schon lange?"
„Nein... James... und Sirius haben sie mir aus der Winkelgasse mitgebracht", erwiderte ich. Mir entging nicht, wie James' Eltern einen vielsagenden Blick austauschten.
Pfff. Ich mochte zwar im Pull ihres Sohnes schlafen, aber ich war ganz sicher unerreichbar für ihn! Okay... irgendwie hatte dieser Satz einen Widerspruch enthalten. Schnell wischte ich den Gedanken beiseite.
Ich musste nicht auch noch selbst anfangen zu denken, ich könnte auch nur im mindesten auf James stehen.
Denn das tat ich ja nicht. Nein, ganz sicher nicht.
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