ZWEI - Realität oder Schwindel
Ich klopfe an die hölzerne Tür und warte. Eine Frau mit strahlend blonden Haaren öffnet mir die Tür und als sie mich erblickt tritt ein Lächeln auf ihr Gesicht. „Mutter!" ich schlinge die Arme um sie. „Wie schön dich zu sehen mein Kind." Sie fährt mir durch die Haare. „Komm doch rein. Ich habe eben Tee aufgesetzt." Ich nicke und bedeute Mr. Sinclear vor der Tür zu warten. Ich folge meiner Mutter durch das spärlich eingerichtete Haus in die Küche. An den Wänden hängen Bilder von meinem jüngeren Ich. Vor acht Jahren hat meine Mutter Vater verlassen. Sie zog aus unserer Villa aus und nistete sich hier im Dorf ein. Jedes Mal, wenn ich sie fragte warum sie dies tat, blockte sie ab. Die einzige Antwort die ich bis jetzt bekommen hatte, lag schon Jahre zurück. „Ich teile die Ansichten deines Vaters nicht, mein Herz.", hatte sie gesagt. „Er hat sich verändert."
Mehr konnte ich aus ihr nicht herausbekommen. Doch das ändert nichts an dem Umstand, dass ich sie jede Woche besuchen komme.
„Setz dich doch schon mal hin." Sagt meine Mutter und deutet auf einen Stuhl. Sie gießt den Tee in zwei Tassen und setzt sich zu mir an den kleinen Tisch. „Und jetzt erzähl mal; was ist in der letzten Woche passiert." Ich nippe an meinem Fencheltee und beginne zu erzählen. Als ich zu der Stelle komme, die sich nur wenige Minuten vorher ereignete, wurden ihre Augen groß. „Du hast den Rebell in der Stadt getroffen? Was hat er dir erzählt?" Ich stelle die Tasse ab und blicke nachdenklich aus dem Fenster. „Er will mich morgen sehen. Oder besser gesagt mir etwas zeigen. Dafür darf ich ihm ein paar Fragen stellen. Achja und er hat mir seinen Namen genannt." Neugierig betrachtet meine Mutter mich. „Und der wäre?"
„Nova." Geräuschvoll stellt sie ihre Tasse auf den Tisch. Ich zucke kaum merklich zusammen. „Ich glaube es ist keine gute Idee dich mit ihm zu treffen." Warum reagierte meine Mutter so ... launisch? Wusste sie wer dieser Nova ist? Kennt sie ihn womöglich? Nein das ist unmöglich. Mutter würde nie etwas mit den Rebellen zu schaffen haben. „Warum?" frage ich. Sie runzelt die Stirn und atmet langsam ein ehe sie antwortet. „ich kann es einfach nicht gutheißen. Immerhin ist er ein Rebell, Senia! Bitte versprich mir, dass du Morgen im Haus bleiben wirst." Um sie zu beruhigen nicke ich, dennoch kann ich ihr das Versprechen, ihn nicht zu treffen, nicht geben. Denn wenn eins sicher ist, dann dass ich Morgen eine Verabredung mit einem Rebell habe.
Hastig laufe ich den Kiesweg vor unserer Villa entlang. Ich versuche so leise wie möglich zu sein. In einer halben Stunde würde ich auf den Rebell treffen und ich musste dafür sorgen, unbemerkt aus dem Gelände zu kommen. Ich durfte nicht riskieren von Wachen entdeckt zu werden. Einen Moment halte ich inne und lausche angestrengt. Ich hörte Stimmen! Suchend blicke ich mich nach einem Strauch oder Gebüsch um. Ganz in meiner Nähe entdecke ich einen Rosenbusch. Der musste genügen. Eilig verstecke ich mich hinter den Rosen. Gerade noch rechtzeitig! Zwei Männer laufen an mir vorbei, es scheint als würden sie sich streiten. Mit Schrecken erkenne ich meinen Vater in einem der Männer wieder. „Das kann ich nicht verantworten Mr. Wimbelton!" die Stimme meines Vaters klang aufgebracht. Was kann er nicht verantworten? Neugierig luge ich zwischen den Blüten hervor. „Aber, Aber Paul. Es ist doch nur zu ihrem Besten." Die beiden Männer bleiben direkt vor meinem Versteck stehen. Xaviers Vater hat mir den Rücken zugekehrt. „Sie ist immer noch meine Frau Charles! Das kann ich nicht zu lassen." Was war mit Mutter? Angst erfüllt mich und etliche Szenarien bauen sich vor meinem inneren Auge auf. „Aber bedenken sie doch Paul. Sie stellt ein hohes Risiko dar. Für uns alle!" Nun war auch Mr. Wimbelton lauter geworden. „Nein! Als ihr Präsident müssen sie diese Entscheidung respektieren." Sie setzen sich wieder in Bewegung, ihre Stimmen werden leiser. Ich musste rausbekommen, was mit Mutter ist. Für wen stellt sie ein Risiko dar und noch wichtiger: warum?!
Ich bin ganze zehn Minuten zu spät. Nova blickt mir genervt entgegen. „Das wurde aber auch langsam Zeit!" beschwert er sich grimmig. „Tut mir leid ich wurde aufgehalten." Er schaubt und stößt sich von der Hauswand ab an der er gelehnt hatte. „Waren deine Nägel nicht ordentlich gefeilt? Du hättest dich doch nicht für mich so rausputzen müssen. Glaub mir meine Anforderungen hier auf der Straße stehen nicht allzu hoch."
„In der Tat musste ich meine Nägel nicht feilen, sondern meine Zofe." Gebe ich zurück und sehe ihn streng an. „Und was willst du mir nun zeigen?" frage ich ihn um das Thema zu wechseln. Er zieht eine Braue hoch. „Du hast eine Zofe? Das ist nicht dein Ernst!" lachend hält er sich den Bauch. Ich funkle ihn an. „Also?" frage ich drängend.
„Nagut, nagut! Komm mit." Unschlüssig folge ich ihm.
Nach einiger Zeit bleibt Nova vor einer Gasse stehen und bedeutet mir hineinzugehen. Zögerlich trete ich um die Ecke und schlucke. Geschockt weiche ich ein paar Schritte zurück bis ich gegen Novas Brust stoße. „Was ist das hier?" Stammle ich.
„Das hier ist die Realität, Prinzeschen. Das ist das Werk deines Vaters!" Völlig aus dem Konzept gebracht schüttele ich den Kopf. Das kann einfach nicht sein....
Vor mir in der dunklen Gasse zwischen Müll und Dreck sitzen Kinder. Nichts weiter als Lumpen haben sie am Leib und wühlen in den Müllbergen nach etwas Essbaren. In ihren Augen sehe ich nichts weiter als pure Angst und Verzweiflung. Doch am meisten schockt mich das kleine Mädchen, das zusammengekauert an einer Wand lehnt. Blut durchtränkt ihre Kleidung. Eine einsame verschlissene Puppe liegt neben ihr. Sie ist tot.
Ich stoße einen erstickten Schrei aus und klammere mich an Nova. „Was ist hier passiert?" frage ich schluchzend. „Das passiert jeden Tag. Die Kinder haben vermutlich nach etwas zu Essen gesucht. Wahrscheinlich haben sie auf dem Markt gestohlen. Weißt du; nicht jeder hat das Geld sich Essen zu kaufen. Bekommen die Schoßhunde deines Vaters mit, wenn jemand stiehlt oder gegen ein Gesetz verstößt knallen sie jeden und alles ab. Einschließlich der Kinder." Ich lasse mich auf die Knie sinken. Das kann nicht die Wahrheit sein! Nie würde mein Vater so etwas Grausames zulassen. „Du lügst!" schreie ich und vergrabe mein Gesicht in den Händen. „Ich werde mit meinem Vater sprechen. Wenn er mitbekommt was hier geschieht dann-„
-„Dann was?" unterbricht mich Nova. „Dann beendet er das hier einfach so? Glaubst du wirklich er hat von alle dem keine Ahnung? Oh da täuschst du dich Prinzesschen. Das alles hat dein Vater doch schon längst abgesegnet." Seine Stimme bebt vor unterdrückter Wut. „Wieso zeigst du mir das alles hier?" frage ich ihn leise. „Weil ich möchte dass du begreifst. Ich möchte dass du erkennst was für ein Mensch dein Vater ist. Ich möchte dass du den Rebellen hilfst dem hier ein Ende zu setzen." Wortlos stehe ich auf und gehe auf das tote Mädchen zu. Ich gehe vor ihr in die Hocke und streiche ihr ein paar lose Haarsträhnen aus dem Gesicht. So jung! Wie kann es sein, dass mein Vater von alledem nichts weiß? Zweifel beginnen in mir zu nagen als ich das Mädchen betrachte. „Lisa." Flüstert eine piepsige heisere Stimme. Eines der Kinder hatte sich neben mich gestellt. Ein Junge. „Sie hieß Lisa."
Eine Träne kullert seine Wange hinab. „Ein schöner Name." Sage ich leise. „Und wie heißt du?" „Jim." Antwortet er leise. „Sie war meine Freundin." Ich bin sprachlos. Ich hatte keine Ahnung was ich ihm sagen konnte, wie ich ihm den Schmerz nehmen konnte. „Es tut mir leid, Jim." Wir schweigen eine Weile bis Jim sich plötzlich neben mich setzt. „Ich kenne dich. Du bist die Prinzessin." Trotz allem lächle ich leicht. „Nein, Ich bin keine Prinzessin. Ich bin die Tochter des Präsidenten." Jim blickt mich neugierig an. Es schein als habe er die tote Lisa schon fast vergessen. „Oh." Sagt er. „Aber dann bist du ja fast so etwas wie eine Prinzessin." Bevor ich etwas antworten konnte höre ich laute Rufe. Sie waren ganz in der Nähe. „Miss Senia! Miss!" Es wurde nach mir gesucht! Nova räusperte sich. „Wie müssen hier weg, Prinzesschen." Er hatte Recht. Man durfte mich nicht entdecken. Erst recht nicht hier. Aber ... „Was ist mit den Kindern?" panisch schaue ich mich nach ihnen um. „Die kommen zurecht und jetzt komm!" zischt er und zieht mich mit sich. Weg von den Kindern. Wir rennen die leeren Straßen entlang. Schwer atmend haste ich hinter Nova her. Wir biegen scharf rechts ab. So langsam geht mir die Puste aus. „Nova .... Kann .... Nicht mehr." Schnaufe ich. „Du hast es gleich geschafft!" er war überhaupt nicht erschöpft! Plötzlich hielt er vor einer rostigen Leiter an, die eine Hauswand hinauf führte. „Rauf da!" das lasse ich mir nicht zweimal sagen und klettere bis ganz nach oben. Nova zog sich wenige Sekunden nach mir auf das Dach und bedeutete mir mich flach auf den Bauch zu legen. „Wahnsinn." Sage ich schwer atmend. Ja Wahnsinn, das trifft es ganz gut ....
<-<-<-<-<-<-<-<-<-<-<-<-<-<-<-<-<-<-<-<-<-<-<-<-<-<-<-<-<-<-<-<-<-<-<-<-<-<-<-<-<-<-<-<-<-<
ich hoffe euch gefällt das Kapitel! Es macht mir unheimlich Spaß mal etwas anderes auszuprobieren :)
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro