Prolog.2
Drei Monate später
„Du wirst sehen, dir wird es hier sehr gut ergehen, Lillian. Sie haben hier sehr gütige, freundliche und vor allem anderen auch noch Heilung bringende Nonnen, die dir in deinen Leiden des Atems beistehen werden. Du musst dich nicht vor ihnen fürchten.", sagte Baron Guy de Montford energisch, als er seine kleine Tochter von dem braven Zelter hob, der sie zum Kloster zu Dunhanshire hoch in den Norden Englands getragen hatte.
Die kleine Lillian aber sah nur noch mehr verängstigt von ihrem Vater zu dem geisterhaft bleichen Kirchenmann hin, der sie hierher begleitet hatte, um - wie er selbst in einem beißenden Tonfall gesagt hatte - dafür zu sorgen, dass das Hexenkind auch wirklich im Kloster landen und nicht gar noch auf der Reise irgendwo verloren gehen würde. Lillian fürchtete sich ganz schrecklich vor ihm, denn seine Augen schienen so kalt wie sein Herz zu sein.
Nicht zuletzt, weil er so oft in letzter Zeit auf die Burg Abberforth gekommen war, nur um mit ihr über Träume zu reden. Doch seine Fragen waren böse, grimmig und seine Stockhiebe, wenn sie ihm nicht sofort antwortete, quälten sie ... Und er kam immer wieder, wann immer sie der Husten gar so sehr plagte, bis sie keine Luft mehr bekam und träumen ging, wie die Mutter es ihr flüsternd gestand. Doch ihre Träume waren seit dem Königstraum wirr und sie konnte nicht zusehen, wie die Männer dem anderen Messer in den Rücken rammten oder sogar eine Frau elendig erstochen auf dem Boden verblutete, die in prachtvolle Kleider gewandet war und eigentlich dem neuen jungen König eine Locke von sich schenken sollte. Doch eben jener Dolch, mit dem sie seinen Wunsch genüsslich lächelnd erfüllte, wurde ihr ins Herz gerammt.
Sie hatte es dem Vater gesagt und auch dass sie den Kirchenmann in ihrem Traum gesehen hatte, der das Messer selbst führte, und die Frau zudem noch ganz hässlich anschrie und sie als Satanshure beschimpfte, die zu viel Einfluss auf den jungen König hätte ...
Da hatte ihr Vater ihr verboten, jemals wieder über diesen einen Traum zu sprechen, ja sie sogar angefleht beim Leben der Mutter, alles zu akzeptieren und sich einen anderen Traum aus dem Muselmanenreich auszudenken und dem Bischof zu erzählen, der natürlich wieder kehrte, um sie zu befragen.
Sie fürchtete sich sehr vor ihm.
Denn er war ein Mörder. Außerdem mochte er auch ihre Haare nicht, ihr Gesicht nicht, ihren Anblick nicht. Sie sollte in seiner Nähe immer nur zu Boden schauen, ihn nicht einmal ansehen, um ihn nicht gar zu verhexen zu versuchen. Sie sollte ihn mit Euer Hochwürden anreden und jedes scheußliche Detail eines jeden Traumes erzählen.
Es machte den Priester sehr wütend, als sie ihm von einer Schandtat der im Kreuzgewand reitenden Ritter Englands erzählte. Ein Traum, den sie erst vor kurzem geträumt hatte und einfach nicht vergessen konnte. Ritter, die ihre Eide vergaßen und selbst die jüngsten Babys auf ihren Lanzen aufspießten und auch schwangere Frauen nicht verschonten in ihrer rasenden Blutgier
auf dem Weg aus dem heiligen Land nach Hause.
Das zornige Bellen des Kirchenmannes, sie würde ketzerisch lügen und sich diese schlimmen Geschichten der getreuen Ritter Englands nur ausdenken, machten ihr indes nur noch mehr Angst vor ihm und verdeutlichten ihr die Gefahr, in der sie gerade schwebte, so wie jetzt auch schon wieder, da er mit gelangweilter Miene hinter ihrem Vater herangetreten kam.
„Verabschiedet Euch nun, Baron, und gebt das Kind endlich in die Obhut der Schwestern. Es ist ja schließlich nur die jüngste Eurer Töchter, die ihr hier der Kirche überlassen sollt und noch nicht einmal die Schönste oder gar Gesündeste. Es würde mich doch sehr verwundern, wenn sie das kommende Jahr noch erlebt, so verderbt wie sie ist. Und schließlich habt Ihr ja noch sieben weitere Kinder. Vier davon sind sogar ganz prächtige Söhne, an denen Ihr Euch weiterhin erfreuen könnt.", mahnte er ihn nun gereizt, seinen Mantel schüttelnd und so lüftend. Eine Welle von Gestank kam darunter hervor und ließ die kleine Lillian prompt würgen, ... was ihren Vater nur um so grimmiger machte.
„Hütet Eure Zunge, Bischof! Denn dies hier ist ebenso mein Kind, wie es die anderen sind und ich werde sie nun bis dort an das Tor geleiten, so wie es mein Recht als ihr Vater ist, um sie den guten Nonnen persönlich zu übergeben!", herrschte Baron de Montford den Kirchenmann derbe an und ergriff dann nur wieder Lillians kleine, bebende Hand, um sie hinüber zum Kloster zu ziehen.
„Höre nicht auf diesen törichten Schwätzer, Tochter. Ich liebe und achte alle meine Kinder, vergiss das niemals!
Doch du bist krank und bedarfst wesentlich mehr und besserer Pflege, als wir sie dir auf Abberforth angedeihen lassen können, Lillian.
In diesem Kloster findest du die heilkundigsten Nonnen in ganz England. Sie werden dir helfen, hörst du? Du wirst hier auch keine Not leiden müssen, keinen Haushalt führen, dir keine Sorgen machen müssen, ob du je eine Geburt überstehen oder ein Kindlein betrauern musst, dass dir stirbt. Ich wünsche mir nur noch Ruhe und Frieden für dich, auf das deine bösen Träume leichter erträglich für dich werden, hörst du? Hier bist du zudem von heiligen Seelen umgeben, Lillian, und das wird dich beschützen. Nur deshalb gehst du nun in dieses Kloster ... um zuerst nur eine liebe und brave Novizin zu sein und später dann ... viel später ... eine gute, fromme Nonne, die für das Seelenheil ihrer Familie betet. Also, mach mich stolz und ich werde dich oft besuchen kommen oder auch deine liebe Mutter, die es sehr
gedauert hat, dich heute schon gehen zu lassen."
Lillian sah ihn nicht an, bei seinen letzten Worten, darum hockte er sich noch einmal vor das kleine Mädchen und gab ihr einen kurzen Abschiedskuss auf die Wange, da schlang sie plötzlich ihre kleinen Ärmchen um seinen Hals und hielt ihn fest, um ihm noch etwas, dass ihr ganz arg auf der Seele brannte, in sein Ohr zu flüstern: „Letzte Nacht sah ich meine Mutter im Schlafe friedlich ihr Leben aushauchen, Vater. Ich bete seither jede Minute zu Gott, dass das diesmal nur ein schrecklicher Alp war und nicht so wahr wie beim guten König Richard. Ich ... ich konnte es ihr vorhin zum Abschied aber nicht sagen, Vater. Ich ... ich konnte einfach nicht.", wimmerte sie leise und weinte bittere Tränen, während ihr Vater ganz leise und schockiert krächzte und dann seine Tochter nur erschütternd fest in den Arm nahm, aufstand und hochhob.
„Du ... meine Lillian, bist ein lieber, kleiner Engel, dass du es ihr verschwiegen hast, denn das war recht so. Nicht von allen Träumen sollten die Menschen dieser Welt auch erfahren, hörst du? Das würde sie nur verstören und dich befremdet anstarren lassen. Als würdest du ihnen Böses wünschen, doch dem ist nicht so.
Ich werde reiten wie der Teufel und deiner Mutter heute noch einen besonders herzlichen Kuss von dir geben, wenn ich sie später wiedersehe, Kind. Und nun geh mit Gott und den guten Nonnen. Lebe ein ruhiges und friedliches Leben, abseits von Angst und Tod und Gewalt.", verabschiedete er sich noch einmal von ihr und Lillian sah Tränen in seinen Augen glänzen.
„Es ... war aber doch nur ein Traum, oder, geehrter Herr Vater?", fragte sie ihn leise zweifelnd. Er schniefte kurz und schüttelte dann aber nur kurz stirnrunzelnd den Kopf.
„Den Tod des Königs hast du auch geträumt, Lillian. Er geschah in Wirklichkeit! Wir werden nun schlicht sehen, was uns die Zukunft bringt, mein Kind, und nur Gott alleine kann jetzt noch darüber entscheiden und nicht du und gewiss auch nicht ich.", atmete er stirnrunzelnd und angestrengt durch und stellte sie dann wieder auf die Füße zurück, um sie schlicht der Mutter Oberin zu übergeben, zusammen mit einer kleinen Truhe und einem unversiegelten Brief, den die ältere Frau stirnrunzelnd entgegennahm und auch sogleich las. Schließlich faltete sie ihn nur wieder ernsthaft zusammen und nickte. Ihr Vater drehte sich einzig um, sah Lillian noch einmal kurz gequält lächelnd an, ging zurück zu seinem Pferd ... und ritt einfach fort.
Lillian hätte nun am liebsten losgeweint und laut geschrien vor Kummer und Furcht. Denn was sollte sie tun, wenn die Nonnen hier doch nicht so liebe und gute Menschen waren, wie in den Geschichten des Vaters beschrieben, die er ihr auf dem Herritt erzählt hatte?
Doch kaum hatte sie hinter der Mutter Äbtissin den Innenhof des Klosters betreten und die gewaltigen Tore waren geschlossen worden, als diese sich auch schon zu ihr herumdrehte und überaus freundlich anlächelte. „Junge Lady Lillian de Montford, seid uns allen hier willkommen als neue Novizin im Kloster zu Dunhanshire. Diese Schwester zu Eurer Rechten wird sich fortan um Euer Wohlergehen kümmern, Euch neu einkleiden und Euch Eure Schlafgelegenheit zeigen. Ihr werdet hier vieles anders und auch strenger finden als gewohnt, doch ich bin mir sicher, Ihr gewöhnt Euch sehr schnell ein. Und wenn Ihr Euch eines Tages dazu eignet, könnt ihr später vielleicht auch der guten Schwester Alba zur Hand gehen und von ihr lernen, bis zum Mittsommertag Eures achtzehnten Lebensjahres.
Denn wenn Gott Euch gnädig ist und Ihr dieses Alter tatsächlich erreichen solltet, werdet Ihr bei uns den Schleier nehmen und eine gütige und sanfte Nonne werden, betend und den Menschen helfend, die notsuchend zu uns kommen, um Heilung, Linderung und Hilfe zu finden.", sprach sie noch salbungsvoll und ging dann mit einem letzten Nicken an sie, dicht gefolgt von den anderen Nonnen, fort.
Und nur die eine blieb bei ihr stehen und ergriff nun ihre schon wieder bebende Hand. Sie hatte warme und gütige Augen in einem faltenreichen Gesicht.
„Mein Name ist Schwester Alba, Lady Lillian, und ich habe gehört, Ihr leidet an einer Krankheit des Atems, mein Kind. Deshalb, so meinte Mutter Jesu-Emanuelle, sei es gut, wenn ich mich sogleich um Euch kümmere. Eure Lippen scheinen in der Tat ein wenig blau und Eure Haut ist ungewöhnlich bleich ... Doch seid Euch gewiss, egal wie alt ihr nun auch werdet, Kind ... Gott ist stets bei Euch und hält seine schützende Hand über Euch. Und wenn Ihr nur gut seid und sanft und gehorsam und freundlich wie auch fleißig, so wird er Euch nach Eurem Tode an einem möglichst fernen Tage einen Platz bei den Engeln schenken, an dem Ihr dann ruhig und friedlich schlafen könnt.", lächelte sie freundlich auf sie herab und ihre Worte spendeten Lillian tatsächlich ein wenig Trost in ihrem Kummer.
„Glaubt Ihr denn wirklich, ich darf je bei den Engeln schlafen,
Schwester Alba? Der Bischof selbst hat gesagt, ich bin unheilig zu nennen, weil ich oft so schlechte Träume habe und zudem auch noch krank bin wie meine Mutter.", flüsterte sie hoffnungslos zu der freundlichen Nonne auf, die aber nur prompt lächelte und den Kopf schüttelte.
„Ihr seid doch noch viel zu jung, um nun heilig oder unheilig zu sein, junge Lady Lillian, und werdet hier bei uns in der Stille des Klosters auch ganz sicher viel Ruhe und Frieden finden, wenn Ihr nur fromm seid und bei der Andacht auch niemals einschlaft, merket es Euch wohl! Das kann Mutter Jesu-Emanuelle nämlich so gar nicht leiden und lässt Euch Stunden wie einen Sünder auf dem Boden liegend Buße tun.
Darum solltet Ihr Euch gerade Sorgen machen, junge Lady, denn so bald werdet Ihr ganz sicher noch nicht sterben. Ich habe da so einige gute Medizin in meinem Kräutergarten, der von Gott selbst auserkoren wurde, um Euch wie auch allen anderen Menschen, die zu mir kommen, bei ihren Leiden und Gebrechen Linderung zu verschaffen.
Also kommt und seid nun frohgemut, mein Kind. Ich bin mir sicher, es wird Euch schon bald wieder besser ergehen, auch mit diesen schrecklichen Träumen, von denen Ihr spracht. Ihr müsst nur immer ganz fest daran glauben, Lillian!", erklärte sie ihr freundlich, doch Lillan wusste bereits im zarten Alter von sechs Sommern, dass ihr Vater recht hatte mit seinen weisen Worten, dass die Menschen nicht unbedingt wissen mussten, was sie in ihren Träumen alles Scheußliches sah.
Nur deshalb hatte man sie schließlich nun hierher ins Kloster geschickt. Nur deshalb hasste sie ein Mann der Kirche und nannte sie gar unheilig und zudem eine Hexe.
Also schwor sie sich die letzte Anweisung ihres lieben Herrn Vaters zu befolgen und nun mehr ein wirklich braves und liebes Mädchen zu sein, eine fromme Nonne zu werden, die für das Seelenheil ihrer Familie betete ... und nur noch das allein.
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