Kapitel 2.5
Die anderen Krieger warteten bereits bei ihren Pferden, hatten das Morgenmahl anscheinend schon beendet, nur sie hielt sie noch länger auf, erkannte Lillian nach einigen Sekunden erschrocken.
Erbleichend und sehr nervös, weil die Krieger sie allesamt betrachteten, wollte das Essen nun kaum mehr durch ihre Kehle hinab in den Magen rutschen.
„Ich ... muss nicht unbedingt so viel essen, Mylord.", sagte sie unsicher. „Wenn ich Euch von wichtigen Geschäften abhalte ..."
„Esst, Lillian. Der Tag wird lang und beschwerlich für Euch. Wir werden viele Stunden hart reiten müssen, um bald unsere Grenzen zu erreichen und doch werden wir erst übermorgen auf MacAlister-Gebiet schlafen können, nicht früher."
Lillian war es unangenehm, dass alle sie immer noch anstarrten. Sie fühlte schon wieder ein Zittern in sich aufsteigen, verdrängte es indes sofort wieder und beeilte sich, Brot und Fleisch so rasch sie nur konnte, hinunterzuwürgen.
Hoffentlich würde es im Magen bleiben. Sollte ihr schlecht werden, würde der MacAlister Herr wahrscheinlich wütend auf sie werden und vielleicht würde er sie dann auch schlagen oder schlimmeres ...
Ihr Magen tat schrecklich weh, nachdem sie ihre Mahlzeit endlich beendet hatte und mit gesenktem Haupt aufstand.
Sie wollte schon zu Duncan gehen, der inzwischen wieder
da war, da packte der Anführer sie wiederum an den Armen und zwang sie dazu, zu ihm aufzusehen.
„Habt ihr Eure Notdurft schon verrichtet?", fragte er eisig. „Wir halten unterwegs nicht noch einmal an, nur um Euren Bedürfnissen zu zollen, Weib!"
Errötend schüttelte sie den Kopf und entfloh ihm dann, sobald er sie losließ, in den Wald und hinter einen dichten Busch.
Mit noch röteren Wangen kehrte sie auf die Lichtung zurück. Alle Krieger saßen bereits auf ihren Pferden. Mit wem sollte sie heute denn reiten?
Duncan streckte ihr schweigend eine Hand entgegen, doch kaum hatte sie sich in seine Richtung gewandt, als plötzlich hinter ihr die Erde erzitterte.
Sie wandte sich erschrocken um. Das schwarze Schlachtross des MacAlister kam auf sie zugeprescht. Sie hatte noch nicht einmal Zeit ihm auszuweichen oder auch nur zu schreien, schon wurde sie von kräftigen Armen gepackt und in den Sattel hinaufgezerrt.
Atemlos hielt sich Lillian an seinem Arm fest, den er um ihre Mitte schlag, damit sie nicht hinunterfiel. Er verhielt nicht eine Sekunde lang in seinem Tempo, damit sie sich richtig hinsetzen konnte, sondern preschte weiter vorwärts.
Lillian saß auf seinen Schenkeln ... dass konnte doch nur unschicklich sein ... das geziehmte sich einfach nicht für eine Novizin. Verzweifelt versuchte sie wenigstens ein gewisses Maß an Abstand zwischen ihre Körper zu bringen, doch das ließ er gar nicht erst zu, sondern zog sie so fest an sich, dass Lillian praktisch keine andere Wahl mehr blieb, als sich gegen ihn zu lehnen.
Der feurige Hengst unter ihr schnaubte wild, doch trug er das zusätzliche Gewicht mit Leichtigkeit. Sie fühlte seine kraftvolle Stärke und unbezähmbare Wildheit.
Der Mann hinter ihr war genauso, fiel es ihr plötzlich ein.
Wild, grimmig und immer wütend, als ob die ganze Welt ihn stören würde. Schweigend beschloss sie, sich nicht bei ihm zu beschweren und mochte der Ritt auch noch so beschwerlich werden.
Ihr Vorhaben sollte auf eine harte Probe gestellt werden, denn bereits zur Mittagszeit hatte sie das Gefühl, ihr Hinterteil würde verbrennen und ihr Rücken brechen. Sie war völlig erschöpft von ihren Versuchen, steif und untadelig vor MacAlister zu sitzen, anstatt sich von ihm halten zu lassen. Er tat es natürlich dennoch.
Sie ritten ein hartes Tempo, das sie weiter und weiter von England fortführte, hoch hinauf in felsige Gebiete, in weite, satte Täler und dichte Wälder, in denen selbst am helllichten Tag Nebelschwaden über den Boden waberten.
Lillian vergaß über diesem bezaubernden Anblick sofort ihr Ungemach und starrte mit offenem Mund und völlig verzückt auf diese Wunderlandschaft. Rasch bekreuzigte sie sich, denn sie hatte das Gefühl, geradewegs in den Himmel geraten zu sein und nicht in weitere Gefangenschaft.
Ian beobachtete das lebhafte Mienenspiel und ergötzte sich an dem beglückten Lächeln, das auf einmal Lillians eben noch angestrengte Züge erhellte. Sie strahlte nun regelrecht, sogar seine Krieger bekamen es mit und grinsten ebenfalls, worüber wusste keiner zu sagen. Es war einfach so.
„Oh heilige Jungfrau Maria ... ", pries sie ehrfürchtig Gottes Mutter an und sprach ein leises Gebet: „ ... dies ist ein paradiesischer Ort, findet Ihr nicht auch, Mylord?", flüsterte Lillian anschließend ergriffen zu ihm auf.
Der zuckte aber nur abschätzig die Schultern. „MacDonald-Gebiet!", brummte er missgelaunt. „Ein bisschen Nebel zwischen ein paar Bäumen, mehr ist es nicht. Der rechte Ort für einen Hinterhalt, ... Duncan! Reite voraus und sichere den Weg! Alec, du gehst mit ihm! Faudron und Steven, ihr bildet die Nachhut! Der Rest bleibt hier!", befahl er schroff.
Lillian sah bestürzt zu, wie die beiden Soldaten ihre Tiere durch den Nebel hindurchtrieben, der wild zu wabern begann und beinahe verwehte. Es kam ihr fast wie ein Sakrileg vor. Eine Entweihung dieses Stückchen Himmels, aber sie konnte nichts dagegen sagen, nicht aufbegehren. Ihr Lächeln erlosch, so schnell wie es gekommen war. Sie faltete betrübt die Hände in ihrem Schoss und starrte mit gesenktem Haupt darauf nieder.
Ian, der verblüfft über die rasche Änderung ihrer Haltung war, starrte sie mehrere Sekunden lang wütend an. Warum hörte sie nun einfach auf zu lächeln?
Tatsächlich ... Weiber waren merkwürdige Geschöpfe, voller versponnener Launen im Kopf und unsinnigen Gedankengängen. Ein paradiesischer Ort, so konnte wirklich nur eine Frau denken oder ein unschuldiges Kind. Ein Krieger dagegen war sich der Gefahren eher bewusst.
Ian seufzte abgrundtief auf und drückte zum hundertsten Mal heute ihren Kopf gegen seine Schulter zurück, um sie zu stützen. Sie sollte sich noch ein wenig entspannen, doch sofort setzte sie sich wieder steif und gerade hin. Es machte ihn langsam wütend.
„Entspannt Euch, Weib!", befahl er ihr schließlich düster, nun doch am Ende seiner Geduld angelangt. „Ihr werdet die nächsten Tage nicht überstehen, wenn ihr weiterhin so starr wie ein Baumstamm vor mir sitzt, Lillian."
Sie schluckte heftig und nickte ergeben, doch an ihrer Haltung änderte sich nichts.
Ian hätte rasend vor Wut brüllen mögen. Dieses sture Weib...
Weitere Stunden verstrichen, ohne Angriffe, ohne Hinterhalte. Sie ritten weiterhin scharf und schnell dahin. Am Abend noch wollte er das MacDonald-Land hinter sich haben und bei einem Verbündeten, dem MacLaurin Soldaten Harold, dessen jüngste Tochter Betty in seinen Clan eingeheiratete hatte, übernachten.
Plötzlich sank Lillian so wie gestern Abend am Feuer in sich zusammen, ... bewusstlos oder schlafend? Ian konnte es beileibe nicht sagen. Einen scharfen Fluch ausstoßend hielt er seinen Hengst an und sah nach, ob sie noch atmete. Lillians Lippen waren leicht bläulich verfärbt, anscheinend hatte sie im scharfen Wind gefroren.
Erneut fluchte Ian laut und befahl dem jungen Will ihm sein Jagtplaid zu reichen, um Lillian auch noch darin einzuwickeln. Die tiefen violetten Schatten unter ihren Augen sowie die milchweiße Farbe ihres Gesichtes beunruhigten ihn zunehmend.
„Ist sie tot?", wagte Duncan erneut zu fragen. Ian warf ihm nur einen brennenden Blick zu und schwieg, während er das wollene Plaid mehrmals um die reglose Gestalt in seinen Armen schlang. Wenigstens konnte sie ihm nun nicht mehr ausweichen, dachte er zornig und zog sie erneut an sich, bevor er wieder die Zügel seines Hengstes ergriff, der eigenartigerweise während der ganzen Zeit über still gestanden hatte, derweil Ian mit Lillian beschäftigt war. Weder stampfte er, noch schnaubte er wild, wie es sonst immer der Fall war, wenn er ihn zum Stehen zwang.
„Das Ross ist ganz verhext von der Engländerin", murmelte Rob, ein junger Spund, der gerade erst die hohe Ehre erlangt hatte, mit seinem Laird reiten und kämpfen zu dürfen.
Duncan rempelte ihn sogleich unsanft an, um ihn wieder auf den Boden der Tatsachen zurückzubringen. „Reite voraus, du wirst für uns spähen!", knurrte er ihn finster an und der junge Krieger gehorchte umgehend, mit glühend roten Ohren, was sein helles, weizenblondes Haar nur noch mehr betonte. Wortlos preschte er davon. Ian nickte Duncan knapp zu, dann ritten sie weiter und diesmal noch schneller als vorher. Lillian musste so bald als möglich ins Warme. Sie war nicht stark genug, um diesen beschwerlichen Ritt und die kühle Witterung zu ertragen. Eine verweichlichte Engländerin ... ha! Ian knurrte wütend auf.
Er hatte es ja gleich gewusst. Sie war einfach zu schwach für dieses raue Land.
Noch zwei weitere Stunden vergingen, in denen er sich um
die Bewusstlose sorgte und darüber wütend war, dass er so fühlte. Verdammt, sie war ein unwichtiges Geschöpf, gehörte nicht in seinen Clan, nicht in seine Welt! Er hätte sie dort lassen oder besser gleich niederstrecken sollen, dann wäre er sie nun wenigstens los ... Doch auf den Gedanken es nun noch nachzuholen, sie einfach loszuwerden, oder vom Pferd zu werfen und weiterzureiten, kam er dann doch nicht.
Etwas war seltsam an diesem Weib. Sie war so ohne Falsch. So scheu wie ein Reh und dennoch mutig genug, sich sogar recht normal mit ihm zu unterhalten, ihn etwas zu fragen, ja sogar sich ihm offen zu widersetzen, bis hin zur völligen Erschöpfung.
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